Gericht | OVG Berlin-Brandenburg Fachsenat für Personalvertretungssachen | Entscheidungsdatum | 20.09.2012 | |
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Aktenzeichen | OVG 62 PV 6.11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 77 Abs 1 S 1 Alt 3 BPersVG |
Auf die Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. August 2011 geändert.
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
Im Streit ist die Frage, ob es sich bei dem als Biotechnologen (E 10 TVöD) beim Bundesinstitut für Risikobewertung tätigen Mitarbeiter G um einen Beschäftigten mit überwiegend wissenschaftlicher Tätigkeit handelt und demzufolge die Mitbestimmung bei seiner Eingruppierung eines entsprechenden Antrags des Mitarbeiters bedurfte (Antragsvorbehalt nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BPersVG).
In der Stellenausschreibung vom 14. August 2009 wurden die Aufgaben in der Fachgruppe „Alternativmethoden zu Tierversuchen“ wie folgt beschrieben: Aufbau, Pflege und Betreuung von Zellkultursystemen, Mitarbeit bei der Entwicklung und Optimierung zellbasierter In-vitro-Methoden als Alternative zum Tierversuch, selbständige Durchführung von molekularbiologischen Experimenten und In-vitro-Methoden im Bereich der Toxikologie einschließlich der qualitätsgesicherten Dokumentation der Experimente, Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen der Qualitätssicherung. Gefordert wurden eine abgeschlossene Berufsausbildung zum Diplom-Ingenieur Biotechnologie (FH) oder vergleichbare Qualifikation, fundierte Fachkenntnisse sowie umfangreiche experimentelle Erfahrung auf den Gebieten der molekularen Zellbiologie, Toxikologie, Pharmakologie oder verwandter Disziplinen, praktische Erfahrung mit Methoden der Zell- und Gewebekultur insbesondere der Kultivierung und Differenzierung von Stammzellen, praktische Erfahrung mit molekularbiologischen Methoden, gute allgemeine EDV-Kenntnisse, spezielle Kenntnisse im Umgang mit computergestützten Analysesystemen, Erfahrungen in der Dokumentation und im Umgang mit Datenbanken und Textsystemen, engagiertes und selbständiges wissenschaftliches Arbeiten, sehr gute Kenntnisse der englischen Sprache in Wort und Schrift; Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Alternativmethoden zu Tierversuchen, insbesondere auf den Gebieten der In-vitro-Toxikologie, der Methodenentwicklung und Methodenvalidierung seien von Vorteil.
In der Arbeitsplatzbewertung werden die Tätigkeiten wie folgt beschrieben und ge-wichtet: 1. Aufbau, Pflege und Betreuung von Zellkultursystemen (20 %), 2. Planung und Durchführung von molekularbiologischen Methoden (35 %), 3. „study director“ bei Validierungsstudien (20 %), 4. Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen der Qualitätssicherung (10 %), 5. Mitarbeit bei Publikationen und Berichten in deutscher und englischer Sprache (10 %), 6. Präsentation von Ergebnissen in deutsche und englischer Sprache (5 %).
Auf den Antrag des Beteiligten stimmte der Antragsteller in seiner Sitzung am 24. Februar 2010 der Einstellung zu, widersprach aber der Eingruppierung, weil die Tätigkeiten eines Prüfleiters nicht in Einzelschritte aufgespalten werden könne und deshalb die Gesamtaufgabe richtigerweise in E 11 TVöD einzustufen sei. Ein Prüfleiter müsse qualifiziert sein, um alle Phasen der Studie und die auftretenden Probleme in geeigneter Weise bewerten zu können. Er müsse dann Schlussfolgerungen ziehen, alle Aspekte binden und den Abschlussbericht schreiben.
Unter dem 29. April 2010 teilte der Beteiligte dem Antragsteller mit, dass er das Beteiligungsverfahren abbreche, weil übersehen worden sei, dass das Mitbestimmungsrecht bei Herrn G wegen dessen wissenschaftlicher Tätigkeit unter Antragsvorbehalt stehe, dieser aber keinen Antrag gestellt habe. Die fragliche Stelle verlange dem Stelleninhaber ab, neue Erkenntnisse zu gewinnen und zu verbreiten und so den Kenntnisstand in einer wissenschaftlichen Disziplin zu sichern und zu erweitern. Der Beteiligte stellte Herrn G mit der Vergütung nach E 10 TVöD ein, ohne das Beteiligungsverfahren fortzuführen.
Daraufhin hat der Antragsteller am 16. Juli 2010 das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet und geltend gemacht: Der Beteiligte habe nicht nachvollziehbar dargelegt, dass es sich bei der in Rede stehenden Tätigkeit um eine überwiegend wissenschaftliche Tätigkeit handele. Insoweit komme es in erster Linie auf die tatsächliche Tätigkeit an und weder auf die Aufgaben der Dienststelle, sofern sie keine Hochschule sei, noch auf die für die Einstellung geforderte Berufsausbildung. Schwerpunkt der Tätigkeit sei nicht die Gewinnung neuer, sondern die Anwendung bestehender wissenschaftlicher Erkenntnisse, sowohl bei der „Optimierung zellbasierter In-vitro-Methoden“ als auch bei „Aufbau, Pflege und Betreuung von Zellkultursystemen“ als labortechnische Tätigkeit. Prüfungsleitung bei Validierungsstudien bedeute nichts anderes. Denn Validieren meine das Prüfen der Gültigkeit einer statistischen Erwartung. Auch bei der Erstellung von Power-Point-Präsentationen und bei der Qualitätssicherung würden keine neuen Erkenntnisse gewonnen. Die Mitarbeit an der Erstellung von Publikationen und Berichten in deutscher und englischer Sprache sei ebenfalls nicht von vornherein als wissenschaftlich zu qualifizieren. Inhalte von Veröffentlichungen könnten auch andere als wissenschaftliche Erkenntnisse sein. Im Übrigen habe der Beteiligte den Beschäftigten nicht auf sein Antragsrecht hingewiesen, woraus entsprechend § 162 BGB auf die Rechtsverletzung zu schließen sei.
Der Antragsteller hat beantragt,
den Beteiligten zu verpflichten, das Verfahren bei Nichteinigung betreffend die Eingruppierung des Beschäftigten G fortzusetzen.
Der Beteiligte hat zur Begründung seines Ablehnungsantrags anhand von Ausschreibungstext und Tätigkeitsbeschreibung dargelegt, weshalb der in Rede stehende Beschäftigte aus seiner Sicht schwerpunktmäßig wissenschaftliche Aufgaben zu erledigen habe.
Mit Beschluss vom 9. August 2011 hat das Verwaltungsgericht Berlin dem Feststellungantrag entsprochen und zur Begründung ausgeführt: Der Beteiligte habe nicht schlüssig und hinreichend substantiiert dargetan, dass die Tätigkeit des Beschäftigten G im Wesentlichen wissenschaftlicher Natur sei. Er habe insbesondere nicht aufgezeigt, dass die hier im Rahmen der Tätigkeit des Beschäftigten konkret in Rede stehende Entwicklung, Optimierung und Validierung von Experimenten nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Maßstäben einen Bestandteil naturwissenschaftlicher Tätigkeit darstellten. Aus Sicht der Fachkammer unterscheide sich die Tätigkeit der Dienstkraft nicht wesentlich von der eines Laboranten, selbst wenn sich in der Stellung eines „study directors“, welche nach Einschätzung des Antragstellers eine prägende Bedeutung für die Tätigkeit habe, eine die tatsächliche tarifliche Einordnung übersteigende, besondere Verantwortung ausdrücken sollte. Aus der Art der Ausbildung des Beschäftigten wie auch aus der tariflichen Einordnung der Tätigkeit ließen sich für die Beurteilung in keine Richtung tragfähige Schlüsse herleiten. Die Frage der Hinweispflicht des Beteiligten könne offen bleiben.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten, mit der er sein Vorbringen erster Instanz vertieft und geltend macht: Die Einzelpunkte der Arbeitsplatzbeschreibung seien im Zusammenhang zu betrachten. Der Mitarbeiter entwickle selbständig neue Verfahren zur Vermeidung von Tierversuchen bei der Prüfung der toxischen Eigenschaften bestimmter Wirkstoffe für den Menschen. Die Ergebnisse würden u.a. in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht.
Der Beteiligte beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. August 2011 zu ändern und den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und bestreitet mit Nichtwissen, dass der Beschäftigte G eigene Testverfahren entwickle, eigene Veröffentlichungen vorbereite und für die dargestellten Validierungsstudien als Studienleiter verantwortlich sei. Gegenteiliges dazu ergebe sich teilweise bereits aus der Arbeitsplatzbewertung. Außerdem bezeichne der Beteiligte die Tätigkeit des Beschäftigten in der Arbeitsplatzbewertung selbst als diejenige eines „technischen Angestellten“, d.h. eines Technikers, Laboranten o.ä., aber nicht eines Wissenschaftlers. Die im Rahmen des Bologna-Prozesses eingeführten neuen Studienabschlüsse dienten nicht etwa dazu, zwei unterschiedliche wissenschaftliche Abschlüsse zu generieren, sondern es habe nur die internationale Vergleichbarkeit von Studienabschlüssen innerhalb der EU erleichtert werden sollen. Der Bachelor sei danach kein Abschluss, der zur Ausübung einer wissenschaftlichen Tätigkeit oder zum Einschlagen einer wissenschaftlichen Karriere berechtige. Ohne den nachfolgenden Masterabschluss sei keine Promotion möglich.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Verfahrensbeteiligten einschließlich Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Beteiligten ist begründet.
Die Fachkammer hat den Beteiligten zu Unrecht verpflichtet, das Mitbestimmungs-verfahren fortzusetzen. Der Beteiligte durfte das Mitbestimmungsverfahren bei der Eingruppierung von Herrn G einstellen, weil es sich bei ihm um einen Beschäftigten mit überwiegend wissenschaftlicher Tätigkeit handelt, der die Beteiligung des Antragstellers nicht beantragt hat.
Zu Recht besteht zwischen den Verfahrensbeteiligten Einigkeit darüber, dass auch die erstmalige Eingruppierung des Mitarbeiters grundsätzlich der Mitbestimmung nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG unterliegt, die Mitbestimmung jedoch entfällt, wenn er zu den Beschäftigten zählt, für die § 77 Abs. 1 Satz 1 BPersVG eine Mitbestimmung nur auf Antrag vorsieht. Nach der dritten Tatbestandsalternative der Vorschrift, die auch auf den Fall der Eingruppierung aus Anlass der Einstellung Anwendung findet (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 2002 - BVerwG 6 P 6.01 -, juris Rn. 29), ist dies dann der Fall, wenn der Beschäftigte überwiegend wissenschaftlich tätig ist. Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei Herrn G um einen solchen Beschäftigten.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, beurteilt sich die Frage, ob ein Beschäftigter wissenschaftlich tätig ist, nicht danach, ob er eine wissenschaftliche Ausbildung erhalten und damit grundsätzlich die Befähigung zu wissenschaftlicher Tätigkeit erworben hat. Entscheidend ist vielmehr die Qualität der ihm übertragenen Arbeit, wobei es unerheblich ist, ob seine individuelle Leistung dem mit der Aufgabe verbundenen wissenschaftlichen Anspruch genügt. Als „wissenschaftlich“ ist eine Tätigkeit anzusehen, die nach Aufgabenstellung und anzuwendender Arbeitsmethode darauf angelegt ist, neue Erkenntnisse zu gewinnen und zu verarbeiten, die der Sicherung und Ausweitung des Erkenntnisstandes in einer wissenschaftlichen Disziplin dienen. Sie überwiegt die sonstigen Tätigkeiten des Beschäftigten dann, wenn seine nichtwissenschaftlichen Aufgaben im Verhältnis zu ihr nur einen unbedeutenden Annex bilden, der für das Beschäftigungsverhältnis nicht prägend ist (vgl. Beschluss vom 7. Oktober 1988 - BVerwG 6 P 31.85 -, juris Rn. 20).
Ob der Beschäftigte vor der Maßnahme auf sein Antragsrecht hingewiesen worden ist, ist dagegen für die Bereichsausnahme ohne Belang. Es bedarf dazu keiner Entscheidung, ob sich § 77 Abs. 1 Satz 1 BPersVG eine Pflicht des Dienststellenleiters entnehmen lässt, den Mitarbeiter vor der Eingruppierung besonders darauf hinzuweisen, dass er die Mitbestimmung des Personalrats beantragen kann (zum Meinungsstand vgl. Richardi u.a., PersVR, 3. Aufl., Rn. 15 zu § 77). Denn nicht die Rechtsverletzung durch ein Unterlassen der etwaigen Hinweispflicht, sondern die Verpflichtung des Beteiligten zur Fortsetzung des Mitbestimmungsverfahrens ist Gegenstand des Antrags des Antragstellers. Das Gesetz schreibt hierfür aber ausdrücklich einen dahingehenden Antrag des Beschäftigten vor, an dem es hier gerade fehlt. Dafür, dass der Gesetzgeber für die Mitbestimmung anstelle eines dahingehenden Antrags das Unterlassen eines Hinweises des Dienststellenleiters auf die Möglichkeit der Antragstellung ausreichen lassen wollte, bieten nicht nur der Wortlaut, sondern auch Sinn und Zweck der Regelung, die darin liegen, den Beschäftigten angesichts des besonderen Profils seiner Tätigkeit selbst entscheiden zu lassen, ob er den personalvertretungsrechtlichen Schutz wünscht oder eine vom Personalrat unbeeinflusste Entscheidung vorzieht, keinen Anhalt. Erst recht erfüllt das Unterlassen eines vom Beteiligten für rechtlich nicht geboten gehaltenen Hinweises nicht den Tatbestand der Verhinderung der Antragstellung „wider Treu und Glauben“, wie es der Tatbestand des vom Antragsteller herangezogenen § 162 Abs. 1 BGB erfordert. Der Senat brauchte daher dem Vortrag des Beteiligten in der mündlichen Anhörung, er habe den Beschäftigten G auf dessen Antragsrecht hingewiesen, nicht nachzugehen.
Im Ausgangspunkt zutreffend hat die Fachkammer sowohl der Anforderung an die Berufsausbildung in der Ausschreibung wie auch der tariflichen Einordnung der Tätigkeit keine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen.
Die für die Einstellung geforderte wissenschaftliche Ausbildung des Beschäftigten wie auch eine wissenschaftliche Zielsetzung der Dienststelle, in der er tätig ist, ist nicht maßgeblich, kann allenfalls ein Indiz für die Einschätzung der Tätigkeit als überwiegend wissenschaftlich sein (vgl. GKÖD Bd. V K § 77, Rn. 10a f.).
Bei dem als „vergleichbare Qualifikation“ zum Diplom-Ingenieur (FH) - Biotechnologie - geforderten naturwissenschaftlichen Bachelorabschluss handelt es sich unzweifelhaft um eine wissenschaftliche Hochschulausbildung. Das ergibt sich schon aus §§ 7 und 19 Abs. 1 und 2 HRG, wonach der Bachelorabschluss den ersten berufsqualifizierenden Abschluss eines Hochschulstudiums bildet, das die Studierenden auf ein berufliches Tätigkeitsfeld vorbereiten und ihnen die dafür erforderlichen fachlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Methoden dem jeweiligen Studiengang entsprechend so vermitteln soll, dass sie zu wissenschaftlicher oder künstlerischer Arbeit und zu verantwortlichem Handeln in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat befähigt werden. Die Länder haben diese Vorgabe in ihren Hochschulgesetzen umgesetzt. So bestimmt z.B. § 23 Abs. 1 des Berliner Hochschulgesetzes, dass die Hochschule mit ihren Bachelorstudiengängen, in denen entsprechenddem Profil der Hochschule und des Studiengangs wissenschaftlicheoder künstlerische Grundlagen, Methodenkompetenz und berufsfeldbezogeneQualifikationen vermittelt werden, eine breite wissenschaftliche oder künstlerischeQualifizierung sicherstellen (vgl. speziell § 2 letzter Satz der Studienordnung für den Bachelorstudiengang Biotechnologie an der TU Berlin vom 18. Februar 2009 [Amtl. Mitt. Nr. 16/2009, S. 239]). Dass Fachhochschul- und Bachelorabschlüsse entgegen der Auffassung des Antragstellers grundsätzlich auch zur Promotion berechtigen, hat der Beteiligte unter Hinweis auf die einschlägigen Promotionsordnungen (z.B. § 3 Abs. 3 und 4 der Promotionsordnung der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät I [Institute für Biologie, Chemie und Physik] der Humboldt-Universität zu Berlin [Amtl. Mitt. Nr. 17/2012 S. 3]) zutreffend dargelegt.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat ebenso unzweifelhaft eine wissenschaftliche Zielsetzung. Es erstellt wissenschaftliche Gutachten zu Fragen der Lebensmittelsicherheit und des Verbraucherschutzes, berät das zuständige Bundesministerium, arbeitet mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen zusammen und betreibt weisungsunabhängig wissenschaftliche Forschung (vgl. § 2 Abs. 1 und 3 des Gesetzes über die Errichtung eines Bundesinstituts für Risikobewertung).
Die Eingruppierung eines Beschäftigten unterhalb der Vergütungsgruppe II a der Anlage 1 a zum BAT schließt eine überwiegend wissenschaftliche Tätigkeit nicht aus. Die Tarifbestimmungen knüpfen bei der Vergütungsgruppe II a und höher an eine „abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung“ an. Das sind nach der zugehörigen Protokollnotiz Studiengänge, für deren Abschluss eine Mindeststudienzeit von mehr als sechs Semestern vorgeschrieben ist. Die zugleich geforderte „entsprechende Tätigkeit“ muss aber nicht zwangsläufig wissenschaftlich sein. Ebenso wenig verhalten sich die Tarifvertragsbestimmungen bei den Vergütungsgruppen unterhalb von II a zur Art der Tätigkeit als „wissenschaftlich“. Dass es sich beim Bachelor um eine wissenschaftliche Hochschulausbildung handelt, die zu wissenschaftlicher Tätigkeit befähigt, ist bereits oben dargelegt. Abgesehen davon können Tarifverträge nicht verbindlich regeln, ob die Voraussetzungen eines gesetzlichen Mitbestimmungsrechts gegeben sind, wenn dieses nicht selbst an tarifvertragliche Regelungen anknüpft, was hier nicht der Fall ist (vgl. dazu Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Dezember 1994 - BVerwG 6 P 29.92 -, juris Rn. 22).
Nach Überzeugung des Senats ist die Tätigkeit des Mitarbeiters G als wissenschaftlich anzusehen, weil sie nach Aufgabenstellung und anzuwendender Arbeitsmethode darauf angelegt ist, neue Erkenntnisse zu gewinnen und zu verarbeiten, die der Sicherung und Ausweitung des Erkenntnisstandes in einer wissenschaftlichen Disziplin dienen.
Zur Beurteilung der Art der Tätigkeit sind maßgeblich die Ausschreibung sowie die Arbeitsplatz- und Tätigkeitsbeschreibung heranzuziehen, weil der Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt seiner Prüfung, ob die Bereichsausnahme erfüllt ist, allein auf diese ihm vom Beteiligten vorgelegten Unterlagen angewiesen ist. Die Ausführungen in den Schriftsätzen des Beteiligten im Beschwerdeverfahren können allerdings zur Erläuterung mit herangezogen werden.
Gemäß der Darstellung in der Ausschreibung wie in der Tätigkeitsbeschreibung ist Aufgabe des Mitarbeiters G die Mitarbeit bei der Entwicklung, Optimierung und Validierung zellbasierter In-vitro-Methoden als Ersatz für Tierversuche, z.B. im Rahmen von Arzneimittelzulassungsverfahren, bei denen bislang noch weitgehend Tierversuche zur Toxizitätsbestimmung der Wirkstoffe erforderlich sind. Zur Beschreibung der weiteren Einzelheiten, die in Ausschreibung und Tätigkeitsbeschreibung als bekannt vorausgesetzt werden, kann der Senat auf die nachfolgende Darstellung durch den Beteiligten zurückgreifen, weil das Bestreiten des Antragstellers insoweit substanzlos geblieben ist.
Bei den anzustellenden embryonalen Stammzellentests werden anstelle von trächtigen Tieren Stammzellen der Maus verwendet, die in einer Zellkultur gezüchtet und mit den zu prüfenden Substanzen behandelt werden. In Differenzierungstests wird sodann geprüft, ob die Behandlung die Fähigkeit der embryonalen Stammzellen beeinträchtigt, sich in der Zellkultur in schlagenden Herzmuskel, Nerven- und Knochenzellen zu entwickeln. Wird eine solche Prüfmethode entwickelt, wird diese wiederum mit einer experimentellen Validierung daraufhin überprüft, ob sie reproduzierbar ist und sich mit ihr zuverlässig auch die toxischen Eigenschaften für den Menschen vorhersagen lassen. Diese Prüfung findet zunächst mithilfe sog. Prävalidierungsstudien statt, bei denen nur wenige Prüfsubstanzen eingesetzt werden. Liefert die Prüfmethode zuverlässige und auf den Menschen übertragbare Ergebnisse, finden als nächstes Studien mit einer großen Anzahl an Prüfsubstanzen statt (Validierungsstudien).
Den wesentlichen Teil der Tätigkeit des Mitarbeiters G macht nun nach der Bemessung der Anteile in der Tätigkeitsbeschreibung mit 35% die Planung und Durchführung von molekularbiologischen Methoden aus. Dabei ist seine Tätigkeit nicht auf eine Zuarbeit für die Verantwortlichen in der Fachgruppe beschränkt. Vielmehr obliegt ihm die Mitarbeit bei der Entwicklung und Optimierung der zellbasierten In-vitro-Methoden. Er plant die Experimente, führt sie durch, protokolliert und wertet die Ergebnisse aus. Dabei ist es zunächst seine Aufgabe, eigenverantwortlich durch Anlage verschiedenster Zellkulturen und Verwertung wissenschaftlicher Veröffentlichungen herausfinden, welche Zusammensetzung, Menge etc. zu den besten Ergebnissen führt. Hat er nach seiner Auffassung auf diese Art ein geeignetes Testverfahren entwickelt, folgt in einem weiteren Schritt die Konzeptprüfung. D.h., die von Herrn G entwickelten Zellkulturen werden dann erstmals mit den zu untersuchenden Stoffen in Verbindung gebracht. Dabei ist es das Ziel zu prüfen, ob man mithilfe der Zellkultur die Wirkung der Stoffe tatsächlich nachweisen kann. Zu diesem Zweck werden der Zellkultur Stoffe zugeführt, von denen man aufgrund von Tierversuchen bereits weiß, wie sie auf den Körper wirken. In einem ersten Schritt muss Herr G dann auswerten, ob man mithilfe der von ihm entwickelten Zellkultur zu denselben Ergebnissen kommt. Besteht die Zellkultur diese erste Testphase, ermittelt er, ob dies ebenso für weitere Substanzen funktioniert. Auch hier wird ein Vergleich zwischen den aus den Tierversuchen bekannten Ergebnissen mit den aus der Zellkultur gewonnenen Ergebnissen vorgenommen. Diese Ergebnisse werden von Herrn G ausgewertet und bei einem positiven Ergebnis mit weiteren Substanzen validiert. Je nach Qualität der Testergebnisse wird das Testverfahren dann verworfen oder aber weiterentwickelt, um optimale Ergebnisse zu erhalten. Im Rahmen der beschriebenen Prävalidierungs- und Validierungsstudien ist Herr G dafür verantwortlich, die zuvor unter seiner Mitarbeit entwickelte Prüfmethode ihrerseits daraufhin zu überprüfen, ob damit das toxische Potential einer Substanz ebenso sicher vorhergesagt werden kann, wie mit einem konventionellen Tierversuch.
Bei den sich später anschließenden Validierungsstudien wird er als „study director“, d.h. als Prüfungsleiter tätig, was weitere 20% seiner Tätigkeit umfasst. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse hat er zu erfassen und auszuwerten. Im Anschluss daran kann entweder die Prüfmethode entsprechend der Studienergebnisse optimiert werden, um die Testergebnisse den Ergebnissen bei Tierversuchen anzugleichen, oder aber die Studie hat gezeigt, dass die Prüfmethode keine zuverlässigen, den Tierversuchen vergleichbaren Ergebnisse liefert. Dann wird sie wieder verworfen. Endziel ist es, derartige Testreihen so zu verbessern, dass sie eine so genannte regulatorische Akzeptanz erhalten, d.h., dass die Testverfahren dieselbe Genauigkeit aufweisen wie der Versuch am Tier selbst und der so entwickelte Test in den Richtlinien der EU als offizielle Prüfmethode verankert und in offiziellen Zulassungsverfahren eingesetzt werden darf.
Schließlich verfasst Herr G den ersten Manuskriptentwurf für die Publizierung der Forschungsergebnisse im Rahmen der Mitarbeit an der Erstellung von Publikationen und Berichten (10%).
Die sich aus alledem ergebenden 65% der Tätigkeit erfüllen das Merkmal des Erkenntnisgewinns nach Aufgabenstellung und Arbeitsmethode. Auch wenn die Fachgruppenleitung letztlich für das Forschungsprojekt verantwortlich ist, erarbeitet er doch - zusammen mit anderen, aber für seinen Anteil selbständig - einen Erkenntnisgewinn in der wissenschaftlichen Disziplin der Molekularbiologie. Diese Tätigkeiten sind im Zusammenhang zu betrachten und führen bereits zu der Wertung einer „überwiegend wissenschaftlichen Tätigkeit“.
Die verbleibenden 35% der Tätigkeit, nämlich Aufbau, Pflege und Betreuung von Zellkultursystemen (20%) wie die Aufgaben im Rahmen der Qualitätssicherung des akkreditierten Labors (10%) und die Erstellung von Vortragsabbildungen und Postern mit „Power Point“ (5%) bilden, selbst wenn bei ihnen - isoliert betrachtet - eher der labortechnische Anteil überwiegt bzw. eher die Umsetzung und nicht der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn im Vordergrund steht, zu der wissenschaftlichen Tätigkeit einen bloßen Annex.
Das Bestreiten der dieser Würdigung zugrundeliegenden Darstellung des Beteiligten „mit Nichtwissen“ ist nach den vom Antragsteller selbst ins Feld geführten Beschreibungen in Ausschreibung und Arbeitsplatzbewertung unbeachtlich. Weshalb die Verwendung des Begriffs der „Mitarbeit“ bei der Entwicklung, Optimierung und Validierung neuer Prüfverfahren der Annahme entgegenstehen soll, der Mitarbeiter entwickele Testverfahren, erschließt sich dem Senat nicht. Ebenso wenig steht die „Mitarbeit“ bei der Erstellung des Studienplans der Validierungsstudien der Annahme entgegen, der Mitarbeiter sei als Studienleiter für die Validierungsstudien verantwortlich. Dass die Tätigkeit nach standardisierten Protokollen abläuft, spricht ebenfalls nicht gegen die Wissenschaftlichkeit der Arbeit. Denn die Standardisierung dient lediglich der Vergleichbarkeit und Wiederholbarkeit der Studien. Der Antragsteller räumt selbst ein, dass es hier darum gehe, technische Methoden zu optimieren, d.h. sie effizienter und aussagegenauer zu machen. Nimmt man das Endziel hinzu, die „technische Methode“ so zu verbessern, dass sie einmal an die Stelle von Tierversuchen treten kann, ergibt sich das hier gefundene Ergebnis von selbst. Unredlich ist das Bestreiten des Antragstellers aber auch deshalb, weil er in der Begründung seiner Zustimmungsversagung vom 31. März 2010 selbst vorgetragen hat, die Arbeitsvorgänge 1 bis 4 seien als Zusammenhangstätigkeit zu bewerten, wobei die tragende Aufgabe der „study director“ (Prüfleiter nach der „good laboratory practice“) darstelle (unter ausdrücklicher Mitarbeit bei der Erstellung des „study plans“). Der Prüfleiter sei als „verantwortlich beteiligt“ zu verstehen, wofür er wirklich qualifiziert sein müsse, um alle Phasen der Studie und die auftretenden Probleme in geeigneter Weise bewerten zu können. Daraus ziehe er seine Schlussfolgerungen, müsse alle Aspekte binden und den Abschlussbericht schreiben (zitiert aus Deborah Eyer Garvin „The role of the study director in GLP“, Oregon 2006).
Mit der Tätigkeit eines Laboranten ist die Tätigkeit des Mitarbeiters G nicht zu vergleichen. Biologielaboranten bereiten Untersuchungen an Tieren, Pflanzen, Mikroorganismen und Zellkulturen vor und führen sie nach Anleitung von Wissenschaftlern durch. Sie beobachten und kontrollieren Versuchsabläufe und werten die Ergebnisse aus. Es handelt sich um eine Berufsausbildung, die im Ausbildungsbetrieb und in der Berufsschule stattfindet und einen mittleren Schulabschluss voraussetzt. Die Arbeit von Herrn G unterscheidet sich davon nicht nur nach der Art der dafür erforderlichen Ausbildung, sondern wesentlich durch die eigenverantwortliche Mitarbeit bei der Entwicklung der zellbasierten In-vitro-Methoden und der Planung sowie der allein verantwortlichen Leitung der Validierungsstudien.
Die Rechtsbeschwerde war mangels Zulassungsgrundes nicht zu eröffnen.