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Straßenbaubeitrag; Eilverfahren; Gemeindeanteil; Anliegeranteil; Antragsbefugnis; Rechtsverletzung; Teilnichtigkeit; Anliegerstraße; Überwiegen; 50 % Gemeindeanteil; Fahrbahn; anrechenbare Höchstbreite; befahrbare Entwässerungsrinne; Anrechnung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 22.05.2015
Aktenzeichen OVG 9 S 8.14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 146 VwGO, § 113 VwGO, § 80 VwGO, § 42 VwGO, § 8 KAG BB

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 13. Februar 2014 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Straßenbaubeitragsbescheid des Antragsgegners vom 7. Juni 2013 wird betreffend 802,45 Euro angeordnet. Im Übrigen wird der Eilantrag des Antragstellers abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Antragsteller zu 19/20, der Antragsgegner zu 1/20.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 4.001,38 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit seinem Eilantrag begehrt der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen einen Straßenbaubeitragsbescheid vom 7. Juni 2013, mit dem ihn der Antragsgegner in Bezug auf den Ausbau der G... Straße in L... und zwei Grundstücke zu einem Straßenbaubeitrag von insgesamt 16.005,53 Euro heranzieht.

Das Verwaltungsgericht hat dem Eilantrag mit Beschluss vom 13. Februar 2014 stattgegeben. Der Beschluss ist dem Antragsgegner am 17. Februar 2014 zugegangen. Er hat am 3. März 2014 (Montag) Beschwerde erhoben und diese erstmals am 14. März 2014 begründet.

II.

Die zulässige Beschwerde der Behörde hat überwiegend Erfolg. Ihre fristgerecht vorgebrachten Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) erschüttern die Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung (1). Das eröffnet dem Oberverwaltungsgericht eine Prüfung des Eilantrages nach dem allgemeinem Maßstab des § 80 Abs. 5, Abs. 4 Satz 3 VwGO; diese Prüfung fällt - überwiegend - zu Lasten des Antragstellers aus (2).

1. a) Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts bestehen im Sinne des § 80 Abs. 5, Abs. 4 Satz 3 VwGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Straßenbaubeitragsbescheides. Der Bescheid sei bei überschlägiger Prüfung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig anzusehen. Dabei könne offen bleiben, ob die Rügen des Antragstellers berechtigt seien. Jedenfalls trage die Satzung über die Erhebung von Beiträgen für straßenbauliche Maßnahmen in der Gemeinde H... mit Gemeindeteil L... und Ortsteil J... vom 21. Mai 2007 (im Folgenden: Straßenbaubeitragssatzung 2007 - SBS 2007 -) den Bescheid mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht. Sie lege den Gemeinde- und Anliegeranteil an den Kosten des Ausbaus der Fahrbahn, der Beleuchtung und der Oberflächenentwässerung bei Anliegerstraßen jeweils auf 50 % fest (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a und e SBS 2007). Hiermit verletze die Gemeinde ihren Spielraum bei der Festlegung der Gemeinde- und Anliegeranteile; der Anliegeranteil an den Kosten der Fahrbahn müsse bei Anliegerstraßen, die nach der Satzung überwiegend der Erschließung der angrenzenden Grundstücke dienten (§ 3 Abs. 8 Nr. 1 SBS 2007) über 50 %, der Gemeindeanteil unter 50 % liegen. Die daraus folgende Unwirksamkeit der Satzungsregelung zum Anlieger- und Gemeindeanteil sei vorliegend bedeutsam, weil die ausgebaute Straße bei überschlägiger Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Anliegerstraße sei. Sie könne auch nicht deswegen außer Acht bleiben, weil der in Rede stehende Ausbau bei rechtmäßiger Bemessung des Anlieger- und Gemeindeanteils für die Anlieger noch teurer werde. Ohne wirksame Verteilungsregelung könne die Satzung die sachliche Beitragspflicht nicht zur Entstehung bringen. Die Bürger würden mithin ohne Rechtsgrundlage finanziell belastet. Hierin liege eine Verletzung eigener Rechte der Bürger.

b) Die Behörde entgegnet: Das Verwaltungsgericht verzerre das Rechtsschutzgefüge. Ein zu niedriger Anliegeranteil könne die Bürger nicht im Sinne von § 42 Abs. 2, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in ihren Rechten verletzen. Auch der Antragsteller habe sich mit seinem Eilantrag nicht auf einen zu niedrigen Anliegeranteil berufen, sondern andere Rügen erhoben. Die Festlegung eines zu niedrigen Anliegeranteils führe überdies nicht zur Gesamtnichtigkeit der Verteilungsregelung und damit zum Fehlen einer Rechtsgrundlage für einen Beitragsbescheid. Sie bedeute nur, dass die Satzung die sachliche Beitragspflicht und damit die auf dem Grundstück ruhende öffentliche Last der Höhe nach nicht in ausreichendem Umfang, aber immerhin teilweise zur Entstehung bringe. In diesem Umfang könnten auch die Grundstückseigentümer in Anspruch genommen werden; alles Weitere sei eine Frage von Satzungsergänzung und Nachveranlagung. Ungeachtet dessen sei der Anliegeranteil hier nicht zu niedrig festgesetzt. Auch bei Straßen, die überwiegend der Erschließung der angrenzenden Grundstücke dienten, könne der wirtschaftliche Vorteil der Allgemeinheit genauso groß sein wie der durch den Beitrag abzugeltende wirtschaftliche Vorteil der Anlieger, wie sich etwa aus nordrhein-westfälischen Mustersatzungen ergebe.

c) Dieses Vorbringen erschüttert die erstinstanzliche Entscheidungsbegründung. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass ein Straßenbaubeitragsbescheid nur dann wegen ernstlicher Rechtmäßigkeitszweifel auszusetzen ist, wenn es bei überschlägiger Prüfung überwiegend wahrscheinlich erscheint, dass er rechtswidrig ist. Dies hat das Verwaltungsgericht indessen mit einer Begründung bejaht, die im Lichte des Beschwerdevorbringens nicht trägt. Vielmehr erscheint die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides unter dem vom Verwaltungsgericht angesprochenen Blickwinkel offen, was für einen Erfolg des Eilantrages nicht ausreicht.

Das Kommunalabgabengesetz sieht vor, dass die Gemeinden Straßenbaubeiträge erheben "sollen" (§ 8 Abs. 1 Satz 2 KAG). Nach § 8 Abs. 4 Satz 7 KAG bleibt bei der Ermittlung des [umlagefähigen] Aufwandes ein dem wirtschaftlichen Vorteil der Allgemeinheit oder der Gemeinde oder des Gemeindeverbandes entsprechender Betrag außer Ansatz, wenn die Einrichtungen oder Anlagen erfahrungsgemäß auch von der Allgemeinheit oder der Gemeinde oder dem Gemeindeverband in Anspruch genommen werden. Dieser Betrag ist als "Gemeindeanteil" von der Gemeinde zu tragen.

Für vergleichbare landesrechtliche Regelungen ist umstritten, ob ein satzungsmäßig zu hoch festgelegter Gemeindeanteil und ein demzufolge zu niedrig festgelegter Anliegeranteil dazu führen, dass ein Straßenbaubeitragsbescheid im Klageverfahren aufzuheben und im Eilverfahren auszusetzen ist (so OVG Lüneburg, Beschluss vom 6. Juni 2001 - 9 LA 907/01 -, juris; VG Dessau, Urteil vom 7. September 2000 - 2 A 756/99.NE -, juris; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeitragsrecht, 9. Auflage, § 34, Rdnr. 5), oder ob ein zu hoch festgesetzter Gemeindeanteil und ein demzufolge zu niedrig festgelegter Anliegeranteil für Klage und Eilantrag bedeutungslos sind und nur die Notwendigkeit nach sich ziehen, satzungsmäßig ergänzend einen niedrigeren Gemeindeanteil und einen höheren Anliegeranteil zu regeln und danach einen weiteren Teilbetrag zu erheben (so wohl OVG NW, Beschluss vom 1. März 2011 - 15 A 1643/10 -, juris, Rdnr. 52; OVG SH, Urteil vom 19. Mai 2010 - 2 KN 2/09 -, juris, Rdnr. 70; Sendler, NVwZ 2001, 1006).

Dem Verwaltungsgericht ist darin beizupflichten, dass dieser Streit nicht schon mit dem prozessrechtlichen Argument entschieden werden kann, dass die Erhebung eines zu niedrigen Beitrages den Bürger von vornherein nicht im Sinne des § 42 Abs. 2, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten verletzen könne. Denn mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 GG dürfte eine Rechtsverletzung im Sinne dieser Bestimmungen immer dann vorliegen, wenn dem Bürger ohne tragfähige Rechtsgrundlage eine Geldleistungspflicht auferlegt wird, und zwar ungeachtet der Frage, welcher Rechtsverstoß das Fehlen der tragfähigen Rechtsgrundlage bewirkt.

Indessen ist nicht zu verkennen, dass ein satzungsmäßig zu hoch angesetzter Gemeindeanteil die Bürger der Sache nach denknotwendig nicht belastet, weil er zu einem zu niedrigen Beitrag führt. Das wirft die Frage auf, ob eine Satzung, die einen zu hohen Gemeindeanteil und einen zu niedrigen Anliegeranteil regelt, nicht wenigstens hinsichtlich des - immerhin - geregelten niedrigen Anliegeranteils teilwirksam ist und Beitragsbescheide tragen kann, mit der Folge, dass die Gemeinde die Satzung nur noch ergänzen und Nacherhebungsbescheide erlassen muss, um an den vollen Beitrag zu gelangen (Sendler a. a. O.). Diese Frage ist landesrechtlich zu beantworten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. September 2008 - 9 B 2.08 - juris, Rdnr. 12, 13). Das Verwaltungsgericht hat sie für das brandenburgische Landesrecht stillschweigend verneint. Sie ist indessen bei überschlägiger Prüfung für das Land Brandenburg offen.

Die sachliche Beitragspflicht entsteht bei einem Straßenbaubeitrag mit der endgültigen Herstellung der Anlage, im Falle der Kostenspaltung mit der Beendigung der Teilmaßnahme, im Falle der Abschnittsbildung mit der endgültigen Herstellung des Abschnitts (§ 8 Abs. 7 Satz 1 KAG). Der Satzungsgeber kann die sachliche Beitragspflicht nur zu den genannten Zeitpunkten zur Entstehung bringen. Hierzu muss er, gegebenenfalls mit Rückwirkung, eine Beitragssatzung erlassen, die den Herstellungszeitpunkt erfasst (vgl. OVG Bbg, Urteil vom 23. März 2000 - 2 A 226/98 -, juris, Rdnr. 65). Man kann § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG so verstehen, dass die sachliche Beitragspflicht aus Sicht des Gesetzgebers unteilbar ist, d. h. durch eine Satzung jeweils nur ganz, also in voller Höhe, oder eben gar nicht zur Entstehung gebracht werden kann (vgl. hierzu auch Driehaus, a. a. O., § 37, Rdnr. 1). Diese Sichtweise ist indessen nicht zwingend. Sie hat zwar den Vorteil dogmatischer Klarheit, aber das ist kein Selbstzweck. Sie ist auch nicht zum Schutz der Bürger geboten (vgl. hierzu Sendler a. a. O.). Auch der Schutz der Gemeinden hinsichtlich ihres Interesses, Beiträge möglichst schnell und in voller Höhe zu erlangen, gebietet sie nicht; diesem Interesse wird es sogar besser gerecht, wenn die Gemeinde im Falle der Regelung eines zu hohen Gemeinde- und zu niedrigen Anliegeranteils nicht gleichsam "zurück auf Los" muss, sondern die erfolgte Beitragserhebung - schon - einmal Bestand hat. Allerdings könnten die Gemeinden versucht sein, es bei diesem Zustand zu belassen, d. h. sich gesetzeswidrig mit den noch zu niedrigen Beiträgen zufrieden zu geben. Mit Blick auf die Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) und die Einwirkungsmöglichkeiten der Kommunalaufsicht ist es indessen zweifelhaft, ob diese Gefahr ein maßgebliches Kriterium zur Auslegung des Kommunalabgabengesetzes sein kann. Alles Weitere insoweit ist im Hauptsacheverfahren zu klären.

Ungeachtet dessen ist ebenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der hier in Rede stehende Anliegeranteil von 50 % für die Fahrbahn einer Anliegerstraße zu niedrig ist; vielmehr ist auch diese Frage bei überschlägiger Prüfung offen. Die Regelung, wonach die Gemeinde Straßenbaubeiträge erheben "soll" (§ 8 Abs. 7 Satz 2 KAG), und die Regelung über den Gemeindeanteil (§ 8 Abs. 4 Satz 7 KAG) dürften zwar zusammen dahin zu verstehen sein, dass es für den Gemeindeanteil - und korrespondierend für den Anliegeranteil - gesetzliche Ober- und Untergrenzen gibt. Satzungsrechtliche Regelungen insoweit dürften indessen erst dann rechtswidrig sein, wenn der jeweils gewählte Anteil unter Vorteilsgesichtspunkten schlechterdings nicht mehr vertretbar ist, d. h. die Überschreitung des Höchstzulässigen oder die Unterschreitung des mindestens Gebotenen völlig eindeutig ist und außer Frage steht (vgl. OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 2. September 2005 - OVG 9 S 11.05 - EA, S. 6). Insoweit weist die Beschwerde mit Recht darauf hin, dass das Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg dem Muster des nordrhein-westfälischen Kommunalabgabengesetzes nachgebildet ist und die Mustersatzungen hierzu einen Gemeinde- und Anliegeranteil von 50 % für die Fahrbahn von Anliegerstraßen für ausreichend halten (vgl. die Mustersatzung im Runderlass des Innenministers vom 28. Mai 1971, MinBl. NRW 1971, S 1178; mit dem Innenminister abgestimmte Mustersatzung des Städte- und Gemeindebundes NRW, Städte- und Gemeinderat 2001, S. 29, KStZ 2002, S. 41). Auch die Verwaltungsgerichte im Land Nordrhein-Westfalen nehmen an diesem Anteilssatz, soweit ersichtlich, keinen Anstoß (vgl. etwa VG Arnsberg, Urteil vom 18. Februar 2010 - 7 K 3607/08 -, juris, Rdnr. 69; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16. Juli 2009 - 13 K 3307/07 -, juris, Rdnr. 107; VG Münster, Urteil vom 29. April 2009 - 3 K 1311/08 -, juris, Rdnr. 29). Ein Anliegeranteil von 50 % für die Fahrbahn von Anliegerstraßen ist schließlich auch noch in der ersten Mustersatzung zum Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg empfohlen worden (Mustersatzung des Städte- und Gemeindebundes Bbg, MittStGB 1992, S. 88); erst 1996 ist ein Anliegeranteil von 70 % empfohlen worden (MittStGB 1996, S. 85). Mit Blick hierauf dürfte das Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg zwar einerseits dahin zu verstehen sein, dass der Anliegeranteil für die Fahrbahn einer Anliegerstraße nicht unter 50 % liegen darf. Andererseits könnte ein Anliegeranteil von 50 % aber auch nach wie vor ausreichen (vgl. in diese Richtung auch VG Frankfurt [Oder], Urteil vom 27. September 2010 - 7 K 379/98 -, juris, Rdnr. 27). Das könnte auch deshalb gelten, weil die Festlegung einer höheren Untergrenze schwierig ist. Anliegerstraßen werden satzungsmäßig üblicherweise (und so auch hier: § 3 Abs. 8 Nr. 1 SBS 2007) als Straßen definiert, die überwiegend der Erschließung der angrenzenden oder durch eine Zuwegung mit ihnen verbundenen Straßen dienen. Danach mag es unter dem Blickwinkel der Vorteilsgerechtigkeit zwar nahe liegen, dass auch der Anliegeranteil an den Kosten der Fahrbahn überwiegen muss. Dieser Überwiegensgedanke lässt sich indessen nur schwer hinsichtlich des danach zu fordernden Anliegeranteils konkretisieren. Einige Gerichte leiten aus ihm ab, dass der Anliegeranteil (jedenfalls) über 50 % liegen müsse (so neben der angegriffenen Entscheidung u. a. VG Potsdam, Urteil vom 30. November 2012 - 12 K 1820/10 -, juris, Rdnr. 45), andere Gerichte und Driehaus verlangen einen deutlich höheren Prozentwert bis hin zu mindestens 60 % (vgl. m. w. N.: OVG Sa-An, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 4 L 159/09 -, juris, Rdnr. 7; Driehaus, a. a. O., § 34, Rdnr. 17). Das eine läuft mehr oder weniger auf Symbolik hinaus, das andere weckt die Frage nach der Kompetenz für eine entsprechende prozentuale Festlegung. Gänzlich unpraktisch wäre es schließlich, wenn man aus dem Überwiegensgedanken ableiten würde, dass die Gemeinden jeweils bezogen auf ihr Gebiet in eine nähere, nachvollziehbare Untersuchung der Anlieger- und Gemeinvorteile einer Straße eintreten und sodann einen dem Untersuchungsergebnis entsprechenden Anliegeranteil regeln müssen. Auch diesbezüglich muss die weitere Klärung im Hauptsacheverfahren stattfinden.

2. Nach Erschütterung der erstinstanzlichen Entscheidungsbegründung ist nach dem für Abgabenbescheide allgemein geltenden Maßstab des § 80 Abs. 5, Abs. 4 Satz 3 VwGO zu klären, ob der hier angegriffene Straßenbaubeitragsbescheid auszusetzen ist. Das ist nur zu einem Teil der Fall.

a) Der Antragsteller weist zu Recht darauf hin, dass die SBS 2007 für die Fahrbahn von Anliegerstraßen außerhalb von Kern-, Gewerbe- und Industriegebieten eine anrechenbare Höchstbreite von 5,50 m vorsieht (§ 3 Abs. 3 SBS 2007). Derartige Regelungen dienen dem Schutz der Anlieger davor, (anteilig) in Bezug auf Ausbaukosten in Anspruch genommen zu werden, die durch einen Ausbau entstanden sind, der über die Bedürfnisse des "normalen" Anlieger- und Durchgangsverkehrs in einer Straße der in Rede stehenden Straßenkategorie hinausgeht (vgl. Driehaus, a. a. O., § 30, Rdnr. 46). Mit der Fahrbahn in diesem Sinne dürfte derjenige Teil der Straße gemeint sein, der straßenverkehrsrechtlich als Fahrbahn benutzt werden darf. Das dürfte hier die gesamte Breite zwischen den Bordsteinen sein (vgl. zur Abgrenzung der Fahrbahn durch Bordsteine: König, in: Hentschel u. a., Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, Rdnr. 24 zu § 2 StVO) mit der Folge, dass die Breite der zwischen den Bordsteinen liegenden - und technisch auch befahrbaren - Entwässerungsrinnen auf die anrechenbare Fahrbahnbreite anzurechnen ist. Damit wiederum dürfte der Fahrbahnausbau vorliegend die anrechenbare Breite um ca. 50 cm übersteigen (6 m statt 5,50 m), was bedeutet, dass der überschießende Kostenanteil bei der Berechnung des Beitragssatzes auszugliedern sein dürfte. Das dürfte allerdings nicht die Herstellungskosten der Entwässerungsrinnen als solche, sondern einen Teil der Kosten des zwischen den Entwässerungsrinnen liegenden Fahrbahnteils betreffen; es ist nämlich zu vermuten, dass die Entwässerungsrinnen auch bei Anlegung einer insgesamt schmaleren Fahrbahn angelegt worden wären. Dieser Kostenanteil dürfte bei überschlägiger Prüfung 1/10 der von der Behörde angesetzten Fahrbahnkosten (246.280,04 Euro) betreffen. Wird dieser Posten um 1/10 reduziert, führt das bei Beibehaltung der Beitragsberechnung im Übrigen für den Antragsteller zu einem Straßenbaubeitrag in Höhe von 15.203,08 Euro. Hinsichtlich der darüber hinaus von ihm geforderten Summe (16.005,53 Euro - 15.203,08 Euro = 802,45 Euro) ist der Bescheid auszusetzen.

b) Im Übrigen greifen die Rügen des Antragstellers nicht und es drängen sich bei überschlägiger Prüfung auch sonst keine Fehler der Beitragserhebung auf.

aa) Nach den Erkenntnissen des Beschwerdeverfahrens ist bei überschlägiger Prüfung davon auszugehen, dass die ausgebaute Straße auch früher schon über eine Straßenentwässerung verfügte mit der Folge, dass hier auch insoweit das Straßenbaubeitragsrecht und nicht das Erschließungsbeitragsrecht greift (§ 242 Abs. 9 BauGB).

bb) Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Abrechnung der mit Granitsteinen gepflasterten Entwässerungsrinnen deswegen unzulässig wäre, weil die Auswahl von Herstellungsart und Material zu unvertretbar hohen Kosten geführt habe. Die Frage, ob aus Kostengründen statt der Granitsteinpflasterung eine Asphaltierung der Entwässerungsrinnen hätte erfolgen müssen oder ob die Entscheidung für die Pflasterung noch im Rahmen des Ausbauermessens gelegen hat, erscheint angesichts des vergleichsweise weiten Ausbauermessens derzeit offen. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Baukosten für den angelegten Straßenentwässerungskanal auch dann angefallen wären, wenn sich die Gemeinde für eine Asphaltierung der Entwässerungsrinnen entschieden hätte; der Kostenunterschied dürfte danach nicht das vom Antragsteller behauptete Ausmaß annehmen.

cc) Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass es sich bei der ausgebauten ... Straße in Wahrheit nicht um eine Anlieger-, sondern eine Haupterschließungsstraße handeln würde. Dafür, dass die Straße quantitativ in etwa gleichem Umfang dem Durchgangsverkehr und dem Anliegerverkehr dient, sprechen bei überschlägiger Prüfung keine Anhaltspunkte. Der Umstand, dass der Anliegerverkehr möglicherweise überwiegend PKW-Verkehr ist, während der Durchgangsverkehr möglicherweise stark oder sogar überwiegend aus schwereren land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen und Holzlastern besteht, dürfte demgegenüber nicht ausreichen, um die Straße zu einer Haupterschließungsstraße zu machen.

dd) Es ist schließlich nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Ausbaumaßnahme wegen Abwägungsfehlern, vor allem wegen einer fehlerhaften "Variantendiskussion" insgesamt rechtswidrig und damit insgesamt nicht beitragsfähig ist. Bei der Planung des Ausbaus einer Straße steht der Gemeinde Ermessen zu. Die Frage, welche Auswirkungen etwaige Ermessensfehler auf die Möglichkeit zur Abgabenerhebung haben, ist nach dem einschlägigen Abgabenrecht zu beantworten (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. September 1981 - 8 C 22.81 -, juris, Rdnr. 10, für den Fall von Planungsfehlern). Eine ausdrückliche Regelung trifft das brandenburgische Landesrecht hierzu nicht. Wie schon erwähnt, sollen im Land Brandenburg Straßenbaubeiträge erhoben werden (§ 8 Abs. 1 Satz 2 KAG), und zwar als Gegenleistung dafür, dass den Grundstückseigentümern durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Straße wirtschaftliche Vorteile geboten werden (§ 8 Abs. 2 Satz 2 KAG). Solange der Ausbau für die Grundstückseigentümer überhaupt von Vorteil ist, dürfte danach - ungeachtet etwaiger Planungsfehler - auch ein Ausbaubeitrag zu erheben sein; gänzlich entfallen dürfte die Beitragsfähigkeit hingegen nur, soweit zumindest theoretisch die Möglichkeit besteht, dass der Ausbau wegen des Fehlers bei der Ausbauplanung wieder rückgängig gemacht wird, der Vorteil also vollständig wieder entfallen kann (vgl. zu diesem Gedanken: BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1994 - 8 C 2.93 -, juris, Rdnr. 15 ff. <16>). Davon kann hier nicht ansatzweise die Rede sein.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).