Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 12. Senat | Entscheidungsdatum | 13.12.2011 | |
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Aktenzeichen | OVG 12 B 35.11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 32 Abs 3 AufenthG, § 32 Abs 4 AufenthG, § 16 Abs 2 IntFamRVG, § 20 Abs 1 IntFamRVG, § 32 IntFamRVG, § 108 FamFG |
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. Dezember 2010 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Erteilung eines Visums zur Familienzusammenführung.
Die Klägerin wurde am 18. Juli 1993 geboren und ist mazedonische Staatsangehörige. Die Ehe ihrer Eltern, die ebenfalls mazedonische Staatangehörige sind, wurde mit Urteil des Amtsgerichts Tetovo/Mazedonien vom 02. Februar 1998 geschieden. Die Klägerin und ihr im Jahre 1988 geborener Bruder wurden im Scheidungsurteil zunächst ihrer Mutter „zur Aufbewahrung, Unterhalt und Erziehung zugesprochen“.
Im Januar 2001 reiste der Vater der Klägerin ins Bundesgebiet ein. Im Februar 2001 wurde ihm, nachdem er eine deutsche Staatsangehörige geheiratet hatte, zunächst eine befristete Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft erteilt. Diese wurde im Februar 2004 unbefristet verlängert.
Am 14. Januar 2002 änderte das Amtsgericht Tetovo/Mazedonien auf Antrag des Vaters der Klägerin mit Urteil das Scheidungsurteil vom 02. Februar 1998 ab. Die Klägerin und ihr Bruder wurden dem Vater „zur Aufbewahrung, Erziehung und Lebensunterhalt zugeteilt“. Zur Begründung wurde angeführt, dass der Vater der Klägerin „bessere Bedingungen zur Aufbewahrung, Erziehung und Unterhaltung für die Kinder“ bieten könne. Die Mutter könne sie „nicht schulen“ und sei mit der Entscheidung einverstanden.
Im Jahr 2003 reiste der Bruder der Klägerin mit einem Visum zur Familienzusammenführung zum Vater ins Bundesgebiet ein. Er lebt seither bei seinem Vater.
Am 17. Juli 2008 beantragte die Klägerin bei der Botschaft der Beklagten in Skopje/Mazedonien die Erteilung eines Visums zur Familienzusammenführung mit ihrem Vater.
Die Botschaft lehnte den Antrag ab und berief sich zur Begründung im Wesentlichen darauf, dass der Vater der Klägerin nicht allein personensorgeberechtigter Elternteil sei und somit ein Anspruch auf Erteilung des Visums nicht bestehe.
Nach einer Anregung des Verwaltungsgerichts Berlin legte die Klägerin im erstinstanzlichen Klageverfahren einen Beschluss des Amtsgerichts Köln (Familiengericht) vom 7. April 2010 vor. Der Tenor des Beschlusses lautet:
„Die Entscheidung des Amtsgerichts Tetovo vom 14.01.2002, mit der das Sorgerecht für die Jugendliche Nasire Havziji, geboren am 18.07.1993 in Celopek/Mazedonien, auf den Vater Kenan Havziji übertragen wurde, wird anerkannt“.
In den Gründen des Beschlusses heißt es wörtlich u.a.:
„Durch Urteil des Amtsgerichts Tetovo vom 14.01.2002 wurde das alleinige Sorgerecht für die Kinder im Einverständnis der Eltern auf den Vater übertragen.“ und „Die Kindesmutter hat der Übertragung der Alleinsorge auf den Vater zugestimmt.“.
Daraufhin hat die Klägerin die Ansicht vertreten, infolge der Anerkennungsentscheidung stehe nunmehr fest, dass ihrem Vater das alleinige Sorgerecht zustehe.
Demgegenüber hat die Beklagte geltend gemacht, der Beschluss des Amtsgerichts Köln habe nichts daran geändert, dass das dem Vater der Klägerin in Mazedonien übertragene Sorgerecht nicht dem Recht der alleinigen Personensorge im deutschen Rechtsverständnis entspreche.
Mit Urteil vom 23. Dezember 2010 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Erteilung des begehrten Visums verpflichtet.
Die fristgerecht erhobene Klage sei begründet, weil die Klägerin gemäß § 32 Abs. 3 i.V.m. §§ 4 Abs. 1, 6 Abs. 4 S. 2 AufenthG einen Anspruch auf Erteilung des begehrten Visums habe. Sämtliche Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 sowie die allgemeinen Voraussetzungen der §§ 5 und 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG seien erfüllt. Insbesondere folge aus der Anerkennung des Urteils des Amtsgerichts Tetovo durch das Amtsgericht Köln, dass der Vater der Klägerin allein personensorgeberechtigt sei. Das Amtsgericht Köln habe mit bindender Wirkung festgestellt, dass dem Vater das alleinige Sorgerecht übertragen worden sei. Auch wenn im Tenor der Entscheidung nicht von einer Übertragung des „alleinigen“ Sorgerechts die Rede sei, so umfasse nach deutschem Sprachgebrauch das „Sorgerecht“ regelmäßig die umfassende elterliche Personen- und Vermögenssorge für das Kind i.S.d. §§ 1626ff. BGB. Jedenfalls aus den Gründen des Beschlusses ergebe sich, dass das „alleinige Sorgerecht für die Kinder im Einverständnis der Eltern auf den Vater übertragen“ wurde. Wegen der Bindungswirkung der Entscheidung des Amtsgerichts Köln sei unerheblich, ob die vollständige Übertragung des alleinigen Sorgerechts nach mazedonischem Recht möglich sei. Ebenso komme es nicht darauf an, ob in der Entscheidung des Amtsgerichts Tetovo das Kindeswohl der Klägerin nicht ausreichend berücksichtigt worden sei, da auch das Vorliegen von etwaigen Anerkennungshindernissen wegen der Bindungswirkung nicht mehr zu prüfen sei.
Nach Zulassung der Berufung durch den Beschluss des Senats vom 14. Juli 2011 hat die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen zur Begründung der Berufung vertieft.
Sie trägt im Wesentlichen vor, dass durch die Anerkennungsentscheidung des Amtsgerichts Köln die mazedonische Sorgerechtsentscheidung nur die Wirkung entfalten könne, die sie im Entscheidungsstaat Mazedonien habe. Das mazedonische Familienrecht kenne eine vollständige Übertragung des Sorgerechts nur für den Fall einer Sorgerechtsentziehung. Eine solche sei vorliegend nicht ausgesprochen worden. Die Anerkennungsentscheidung des Amtsgerichts Köln könne insofern nicht rechtsgestaltend wirken. Dies folge schon daraus, dass das Amtsgericht Köln seinen Beschluss auf Art. 21 Abs. 1 der hier nicht anwendbaren Brüssel-II-a-Verordnung gestützt und die Anwendbarkeit von Art. 7 ESÜ übersehen habe. Nach dem ESÜ sei eine (rechtsgestaltende) Änderung der ausländischen Sorgerechtsentscheidung nur bei einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nach Erlass der Entscheidung möglich. Selbst wenn der Entscheidung des Amtsgerichts Köln rechtsgestaltende Wirkung zukäme, so wäre dennoch in dem Zeitpunkt, als die Klägerin das 16. Lebensjahr vollendete, der Vater nicht allein sorgeberechtigt gewesen, so dass auch in diesem Fall die Anspruchsvoraussetzungen nicht vorlägen. Im Übrigen sei die Anerkennungsentscheidung wegen evidenter Rechtswidrigkeit als wirkungslos zu behandeln, da die Sorgerechtsentscheidung des Amtsgerichts Tetovo offensichtlich gegen den deutschen ordre public verstoße und von dem Amtsgericht Köln nicht habe anerkannt werden dürfen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. Dezember 2010 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die rechtskräftige Anerkennungsentscheidung entfalte Bindungswirkung, da ausländische Entscheidungen nach Art. 7 ESÜ mit den gleichen Folgen wie nach dem FamFG anerkannt werden könnten. Auf das Alter der Klägerin im Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts Köln komme es nicht an, da diese keine rechtsgestaltende Entscheidung, sondern lediglich die Anerkennung der durch das Amtsgericht Tetovo getroffenen Sorgerechtsentscheidung beinhalte. Die Anerkennungsentscheidung sei wirksam, da ein offensichtlicher Verstoß gegen den ordre public nicht vorliege. Das Amtsgericht Tetovo habe das Kindeswohl ausreichend berücksichtigt. Im Übrigen ergebe sich daraus, dass dem Bruder der Klägerin im Jahre 2003 ein Visum zum Kindernachzug erteilt worden sei, dass die Beklagte seinerzeit selbst ein alleiniges Sorgerecht für ihren Vater angenommen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsstreitakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Beigeladenen Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und sind - soweit wesentlich - zum Inhalt der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats gemacht worden.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der ablehnende Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig, denn der Klägerin steht weder ein Anspruch auf Erteilung des begehrten Visums zur Familienzusammenführung mit ihrem Vater zu noch hat sie einen Anspruch auf Neubescheidung, § 113 Abs. 5 S. 1, 2 VwGO.
I. Die Klägerin kann ihr Nachzugsbegehren nicht auf § 32 Abs. 3 i.V.m. §§ 4 Abs. 1, 6 Abs. 4 S. 2 AufenthG stützen. Danach ist dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers, welches das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, eine Aufenthaltserlaubnis in der Form des Visums zu erteilen, wenn beide Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzen. Zusätzlich müssen die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach den §§ 5, 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erfüllt sein.
Die Klägerin erfüllt zwar die gesetzliche Altersgrenze, weil sie bei Beantragung des Visums 15 Jahre alt war (vgl. dazu BVerwGE 133, 329, 332; BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 2009, -1 C 32/08-, juris, Rn. 12). Ihr Vater verfügt auch über eine Aufenthaltserlaubnis. Er ist jedoch nicht allein personensorgeberechtigt im Sinne des § 32 Abs. 3 AufenthG.
Alleinige Personensorge im Sinne von § 32 Abs. 3 AufenthG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 S.1 lit. c der Familienzusammenführungsrichtlinie (Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung, ABl. L 251/12) besitzt ein Elternteil nur, wenn dem anderen Elternteil bei der Ausübung des Sorgerechts keine substantiellen Mitentscheidungsrechte und -pflichten zustehen, etwa in Bezug auf Aufenthalt, Schule und Ausbildung oder Heilbehandlung des Kindes. Ob dies der Fall ist, richtet sich gemäß Art. 21 EGBGB nach dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (vgl. BVerwGE 133, 329, 336).
1. Gemessen daran standen der Mutter der Klägerin trotz der Sorgerechtsentscheidung des Amtsgerichts Tetovo vom 14. Januar 2002 weiterhin substanzielle Mitentscheidungsrechte und –pflichten zu, so dass der Vater im hier maßgeblichen Zeitraum nicht alleiniger Inhaber der Personensorge war.
Die Übertragung des Sorgerechts für ein minderjähriges Kind nach Art. 80 Abs. 1 und Abs. 4 des mazedonischen Familiengesetzes Nr. 4828 vom 15. Dezember 1992 in der Fassung vom 08. Februar 1996 Bergmann/Ferid/Heinrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Mazedonien, 132. Lieferung 1998, S. 43 ff.) auf ein Elternteil begründet nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 7. Dezember 2010, – OVG 12 B 11/08 und OVG 12 B 29/09 –, juris) keine alleinige Personensorge im Sinne des § 32 Abs. 3 AufenthG. Dem nichtsorgeberechtigten Elternteil verbleiben bei Sorgerechtsübertragungen nach diesen Bestimmungen des mazedonischen Familiengesetzes zumindest nach der mazedonischen Rechtspraxis substantielle Mitentscheidungsrechte und –pflichten (etwa das Recht zur Aufenthaltsbestimmung). Dass der Mutter der Klägerin die ihr zustehende Rechtsposition etwa wegen Vernachlässigung des Kindes aberkannt oder entzogen worden wäre (vgl. Art. 90 Abs. 1 FamG), lässt sich dem Urteil des Amtsgerichts Tetovo vom 14. Januar 2002 nicht entnehmen. Die Klägerin wurde dem Vater zur „Aufbewahrung, Erziehung und Unterhaltung“ zugesprochen, weil er die „besseren Bedingungen“ für das Kind habe.
2. Daran ändert auch der Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 7. April 2010 nichts. Denn durch den Anerkennungsbeschluss konnte, unabhängig von der Frage, ob dieser Bindungswirkung für das verwaltungsgerichtliche Verfahren entfaltet, lediglich die Wirkung, die die mazedonische Sorgerechtsentscheidung in Mazedonien hat, auf Deutschland erstreckt werden.
Da Mazedonien Vertragsstaat des Europäischen Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses vom 20. Mai 1980 – ESÜ - (BGBl. II 1990, 220) und kein Mitglied der Europäischen Union ist, richtet sich die Anerkennung einer in Mazedonien ergangenen Sorgerechtsentscheidung in der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 7ff. ESÜ i.V.m. §§ 32, 16ff. IntFamRVG (Gesetz zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts - Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz - BGBl. I 2005, 162). Aus Art. 7 ESÜ ergibt sich, dass ausländische Sorgerechtsentscheidungen grundsätzlich im Bundesgebiet anzuerkennen sind. Gemäß § 32 i.V.m. §§ 16 Abs. 2, 20 Abs. 1 IntFamRVG kann die Anerkennung durch Beschluss des Familiengerichts gesondert festgestellt werden. Wie auch bei Anerkennungsentscheidungen nach § 108 FamFG werden durch eine Anerkennungsentscheidung nach § 32 IntFamRVG nur die Wirkungen, die der Entscheidungsstaat der ausländischen Entscheidung beilegt, auf das Inland erstreckt (sog. Wirkungserstreckung, vgl. für das FamFG: Gomille in Haußleiter, FamFG, § 108, Rn. 5ff.; Musielak/Borth, FamFG, § 108, Rn. 6; Rauscher in Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, § 108 FamFG, Rn. 16; Sieghörtner in Hahne/Munzig, FamFG, § 108, Rn. 45; vgl. für die ZPO: Bach in Vorwerk/Wolf, ZPO, § 328, Rn. 52; Gottwald in Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, § 328 ZPO, Rn. 144; Stadler in Musielak, ZPO, § 328, Rn. 34 m.w.N.; Zöller/Geimer, ZPO, § 328, Rn. 22). Insofern unterscheidet sich eine Anerkennungsentscheidung nach dem Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetz und dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen von einer solchen nach § 4 Adoptionswirkungsgesetz (AdWirkG). Die dort normierte Bindungswirkung der vormundschaftsgerichtlichen Entscheidung erstreckt sich gemäß § 2 AdWirkG ausdrücklich sowohl auf die Anerkennung oder Wirksamkeit der ausländischen Adoption (§ 2 Abs. 1 AdWirkG) als auch auf deren Wirkungsumfang im Inland (§ 2 Abs. 2 S. 1 AdWirkG). Eine dem § 2 Abs. 2 S. 1 AdWirkG entsprechende Vorschrift, nach welcher im Anerkennungsverfahren zugleich rechtsverbindlich festgestellt wird, welche Wirkungen daraus in Deutschland folgen, findet sich weder im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen noch im Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetz. Damit hat der Gesetzgeber dem Anerkennungsbeschluss nach dem Adoptionswirkungsgesetz ausdrücklich weitreichendere Folgen als Anerkennungsbeschlüssen in Fällen der Sorgerechtsübertragung auf ein Elternteil beigelegt (zu den Wirkungen des Anerkennungsbeschlusses nach dem AdWirkG vgl. Wagner, FamRZ 2006, 744, 750ff.). Sofern die ausländische Entscheidung geringere Wirkungen entfaltet als vergleichbare inländische Entscheidungen, erfolgt durch die Anerkennung keine „Aufwertung“ oder Ausweitung der ausländischen zu einer vergleichbaren inländischen Entscheidung (Rauscher in Münchener Kommentar zur ZPO, § 108 FamFG, Rn. 17; Wagner, FamRZ 2006, 744, 750/751 m.w.N.). Im Ergebnis kann einer ausländischen Entscheidung im Inland nicht mehr Wirkung zugesprochen werden, als ihr im Ausland zukommt.
Gemessen daran hat der Anerkennungsbeschluss des Amtsgerichts Köln vom 7. April 2010 lediglich die Wirkung, dass das Urteil des Amtsgerichts Tetovo vom 14. Januar 2002 insoweit anerkannt wurde, als dadurch dem Vater der Klägerin zwar das Sorgerecht übertragen wurde, ihrer Mutter aber zugleich substanzielle Mitentscheidungsrechte verblieben. Wenn das Amtsgericht Köln in der Begründung seiner Anerkennungsentscheidung ausführt, dem Vater sei das alleinige Sorgerecht übertragen worden und die Mutter habe der Übertragung der Alleinsorge auf den Vater zugestimmt, kann daraus keine Aufwertung der mazedonischen Sorgerechtsentscheidung folgen. Vielmehr hat das Amtsgericht Köln damit lediglich bestätigt, dass dem Vater der Klägerin mit dem Urteil des Amtsgerichts Tetovo das alleinige Sorgerecht im mazedonischen Sinn übertragen wurde. Das enthält jedoch nicht die Feststellung, dass das mazedonische alleinige Sorgerecht den Anforderungen des § 32 Abs. 3 AufenthG genügt. Da das mazedonische alleinige Sorgerecht beinhaltet, dass substanzielle Rechte und Pflichten bei dem anderen Elternteil verbleiben, kann die Sorgerechtsentscheidung des Amtsgerichts Tetovo, anerkannt durch das Amtsgericht Köln, nicht dazu führen, dass der Vater der Klägerin allein personensorgeberechtigt für diese im Sinne des § 32 Abs. 3 AufenthG ist.
Insofern kommt es auch nicht darauf an, ob die Entscheidung des Amtsgerichts Tetovo inhaltlich gegen den deutschen ordre public verstößt und ihrer Anerkennung das Anerkennungshindernis des Art. 10 Ziff. 1 lit. a ESÜ entgegenstand. Ebenso wenig hatte der Senat darüber zu befinden, ob die Anerkennungsentscheidung des Amtsgerichts Köln wegen der etwaigen Nichtberücksichtigung eines Anerkennungshindernisses für das hiesige Verfahren Bindungswirkung entfaltet.
3. Aus dem Umstand, dass dem Bruder der Klägerin im Jahre 2003 von der Beklagten ein Visum zum Familiennachzug erteilt worden ist, ergibt sich kein Anspruch für die Klägerin. Die Beklagte war nicht gehindert, ihre Bewertung mazedonischer Sorgerechtsentscheidungen in der Zeit nach 2003 zu verändern.
II. Die Klägerin hat ferner keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten Visums nach § 32 Abs. 4 AufenthG bzw. § 20 Abs. 4 AuslG i.V.m. § 104 Abs. 3 AufenthG. Danach kann dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es auf Grund der Umstände des Einzelfalls zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist bzw. wenn das Kind die deutsche Sprache beherrscht und gewährleistet erscheint, dass es sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann. Die Annahme einer besonderen Härte ist vor allem dann gerechtfertigt, wenn sich die Lebensumstände des Kindes nach der Ausreise des Elternteils geändert haben, ohne dass dies zuvor absehbar war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Januar 1994 – 1 B 181/93 -, juris Rn. 3).
Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes kann das Vorliegen einer besonderen Härte nicht festgestellt werden. Es ist nicht substantiiert vorgetragen worden, warum sich die Mutter oder die Großmutter der Klägerin nicht mehr um die Klägerin kümmern können. Zudem ist sie mittlerweile 18 Jahre alt und bedarf damit einer Betreuung allenfalls noch eingeschränkt. Allein der Umstand, dass der Vater der Klägerin materiell besser gestellt ist und in Deutschland bessere Ausbildungsmöglichkeiten bestehen, begründet eine besondere Härte nicht. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin bis zur hier maßgeblichen Vollendung des 18. Lebensjahres im Juli 2011 (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 1997, NVwZ-RR 1998, 517) die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4 Nr. 1 AuslG erfüllt hat, zu denen u.a. die Beherrschung der deutschen Sprache zählt.
III. Schließlich besteht kein Anspruch auf Neubescheidung (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO). Die von der Beklagten gemäß § 20 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 AuslG, § 104 Abs. 3 AufenthG zulasten der Klägerin getroffene, an dem Kindeswohl orientierte Ermessensentscheidung ist nicht zu beanstanden. Die bei der Beantragung des Visums fast 15 Jahre alte Klägerin hat ihre soziale Prägung im Heimatland erfahren und ist dort zur Schule gegangen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, warum sich die Mutter oder die Großmutter der Klägerin sich nicht mehr um diese kümmern können, wobei ohnehin nur noch geringerer Betreuungsbedarf bestand. Soweit sie vorwiegend im Hinblick auf wirtschaftliche Erwägungen sowie bessere Ausbildungsmöglichkeiten zu ihrem Vater in das Bundesgebiet ziehen sollte, kommt auch ihre finanzielle Unterstützung in Mazedonien durch den in Deutschland lebenden Vater in Betracht. Unter diesen Umständen durfte die Beklagte selbst dann ermessensfehlerfrei davon ausgehen, dass der Verbleib der Klägerin in Mazedonien ihrem Wohl entsprach, wenn man unterstellt, dass ihr Vater und ihr Bruder Hilfe bei einer Integration im Bundesgebiet hätten leisten können (vgl. zu den Kindeswohlerwägungen im Rahmen von § 20 Abs. 3 S. 1 AuslG auch BVerwG, Urteil vom 18. November 1997, NVwZ-RR 1998, 517).
IV. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entsprach nicht der Billigkeit, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese selbst keinen Antrag gestellt und sich dadurch nicht dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 und 2, 709 S. 2 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.