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Entscheidung 3 Sa 1267/12


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 3. Kammer Entscheidungsdatum 18.12.2012
Aktenzeichen 3 Sa 1267/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen §§ 129ff InsO

Leitsatz

1. Eine Zahlung des Schuldners zur Vermeidung einer angekündigten und unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckungsmaßnahme ist iSd. § 131 Abs. 1 InsO eine Rechtshandlung, die der Insolvenzgläubiger nicht in der Art zu beanspruchen hat. Dies gilt auch dann, wenn die Zahlung auf der Grundlage eines Vollstreckungstitels über Arbeitsentgelt erfolgt.

2. Der Rückgewährsanspruch nach § 143 InsO unterliegt nicht einer tariflichen Ausschlussfrist. Dieser Anspruch ist kein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis bzw. kein Anspruch, der mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung steht iSd. § 15 BRTV. Die normative Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien erstreckt sich nicht auf einen solchen Anspruch. § 15 BRTV ist nicht dahin auszulegen, dass solche Ansprüche umfasst werden sollen, für die die Tarifvertragsparteien keine Regelungsmacht haben (im Anschluss an BAG 19. November 2003 - 10 AZR 110/03 -).

3. Aus dem Gesamtzusammenhang der §§ 129ff. InsO und dem Gesetzeszweck folgt, dass eine Regelung, die zum Erlöschen des Rückgewährsanspruchs führt, weil der Anspruch nicht innerhalb von Ausschlussfristen geltend gemacht wird, nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien steht, und auch der Insolvenzgläubiger mit dem Schuldner nicht vereinbaren kann, unter welchen Voraussetzungen der Rückgewährsanspruch nach § 143 InsO erlischt.

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 24.05.2012 – 4 Ca 37/12 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Rückzahlung von Arbeitsvergütung aufgrund einer Insolvenzanfechtung.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem mit Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) am 29. August 2011 (3 IN 212/11) (Anlage K1, Bl. 5 der Akte) über das Vermögen der A. & D. Tiefbau GmbH (Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahrens. Dem Eröffnungsbeschluss liegt der am 21. März 2011 durch die D. gestellte Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Anlage K2, Bl. 6 der Akte) zugrunde.

Die Schuldnerin betrieb ein Tiefbauunternehmen. Der Beklagte war bei der Schuldnerin seit 1991 zunächst als Baufachwerker, später als Lastkraftwagenfahrer beschäftigt. Der Beklagte kündigte am 14. März 2011 das mit der Schuldnerin bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund von Lohnrückständen fristlos.

Auf Antrag des Beklagten erließ das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) am 4. April 2011 ein Versäumnisurteil zum Aktenzeichen 5 Ca 446/11, mit dem die Schuldnerin verurteilt wurde, an den Beklagten Arbeitsentgelt für September 2010 bis Februar 2011 in Höhe von insgesamt 13.870,13 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Das Versäumnisurteil ist rechtskräftig geworden. Nachdem am 27. April 2011 ein vorläufiges Zahlungsverbot zugestellt worden war, überwies die Schuldnerin am 6. Mai 2011 dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten für den Beklagten 5.400,00 Euro. Am 19. Mai 2011 wurde der Sparkasse M.-O. als Drittschuldnerin der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 17. Mai 2011 (Anlage K4, Bl. 9 bis 10 der Akte) unter Bezugnahme auf das Versäumnisurteil vom 4. April 2011 zugestellt. Die Schuldnerin überwies dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 30. Mai 2011 2.000,00 Euro und am 9. Juni 2011 weitere 4.398,84 Euro jeweils für den Beklagten. Der Beklagte wusste damals nicht, dass die D. am 21. März 2011 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hatte.

Der Kläger erklärte gegenüber dem Beklagten im Schreiben vom 25. Oktober 2011 (Anlage K8, Bl. 15 der Akte), die nach Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen über seine Rechtsanwälte erhaltenen Beträge, insgesamt 11.798,84 Euro, seien nach §§ 129 ff., 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar, gleichzeitig bat er den Beklagten, den Betrag von 11.798,84 Euro nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz bis zum 18. November 2011 an ihn zu zahlen. Der Beklagte erhielt das Schreiben am 4. November 2011. Auch nach einem weiteren Schreiben des Klägers vom 8. Dezember 2011 (Anlage K9, Bl. 16 der Akte) erfolgte keine Zahlung seitens des Beklagten.

Mit der am 5. Januar 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am 9. Januar 2012 zugestellten Klage hat der Kläger die Rückzahlung des Betrages vom 11.798,84 Euro nebst Zinsen begehrt.

Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen: Er habe nach § 143 Abs. 1 InsO einen Rückgewährsanspruch. Die Zahlungen der Schuldnerin nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO seien anfechtbar. Der Beklagte habe eine inkongruente Deckung erhalten, weil die Zahlungen zur Abwendung und zur Erledigung der seitens des Beklagten eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erfolgt seien. Ausschlussfristen stünden seinem Anspruch nicht entgegen. Es handele sich nicht um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis, sondern um einen Anspruch, der ausschließlich dem Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Amtes zustehe und dem Insolvenzsschuldner als Arbeitgeber zu keinem Zeitpunkt zugestanden habe. Der Hinweis auf § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO sei fernliegend.

Der Beklagte hat im Wesentlichen vorgetragen: Dem Anspruch auf Rückgewähr stünden die Ausschlussfristen des Baurahmentarifvertrages entgegen. Der Kläger unterliege den Ausschlussfristen, weil er aufgrund seiner Aufgaben als Insolvenzverwalter in die Rolle des Arbeitgebers schlüpfe. Für den Insolvenzverwalter als faktischen Arbeitgeber würden die Rechtsgrundlagen des Rechtsverhältnisses, welches rückabgewickelt werde, gelten, einschließlich der Ausschlussfristen. Er müsse das Erlangte auch deshalb nicht zurückgewähren, weil sein Anspruch aus einer unerlaubten Handlung der Schuldnerin resultiere. Er sei von der Geschäftsführung der Schuldnerin betrogen worden. Diese habe sich die Arbeitsleistung erbringen lassen, obwohl sie offensichtlich nicht mehr bereit oder fähig gewesen seien, die Vergütung zu zahlen. Der Arbeitnehmer müsse ferner besonders geschützt werden, weil er vorleistungspflichtig sei und die Erbringung seiner Arbeitsleistung nicht durch besondere Sicherungsrechte und abgesonderte Befriedigungsmöglichkeiten absichern könne. Daher führe die Durchsetzung eines begründeten Anspruchs nicht zur Inkongruenz. Lohnabrechnungen müssten wie Abgesondertes und Absonderbares abgehandelt werden.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 24. Mai 2012 den Beklagten verurteilt, an den Kläger 11.798,84 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 29. August 2011 zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Anspruch ergebe sich aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO. Der Beklagte habe den Gesamtbetrag von 11.798,84 Euro durch eine anfechtbare Handlung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO erlangt. Die im Wege der Zwangsvollstreckung durch den Beklagten beigetriebenen Zahlungen stellten eine inkongruente Deckung dar. Der Anspruch sei auch nicht gemäß § 15 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV) verfallen. Der Betrieb der Schuldnerin unterliege zwar dem sachlichen Anwendungsbereich des Tarifvertrages. Die Ausschlussfristen seien aber auf den insolvenzrechtlichen Rückgewährsanspruch nicht anzuwenden. Der Anspruch beruhe auf einem gesetzlich angelegten Schuldverhältnis. Ein solches gesetzliches Schuldverhältnis stehe außerhalb der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien. Auch aufgrund des Sinn und Zweck der tariflichen Ausschlussfristen seien diese nicht auf insolvenzrechtliche Rückgewährsansprüche anzuwenden. Dem Rückgewährsanspruch stehe auch § 89 Abs. 2 InsO nicht entgegen. Die Vorschrift gelte für andere Gläubiger als Insolvenzgläubiger. Dies sei der Beklagte nicht. Selbst bei einer Anwendbarkeit sei der Beklagte einer substantiierten Darlegung schuldig geblieben, dass die Schuldnerin eine vorsätzliche unerlaubte Handlung begangen habe.

Gegen das dem Beklagten am 4. Juni 2012 zugestellte Urteil hat dieser mit beim Landesarbeitsgericht am 3. Juli 2012 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit beim Landesarbeitsgericht am 1. August 2012 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Zur Begründung hat der Beklagte im Wesentlichen vorgetragen: Die Schuldnerin habe über viele Jahre den Lohn zögerlich und mit einem Rückstand von mindestens zwei bis drei Monaten gezahlt. Sie habe aber rechtzeitig Abrechnungen erteilt. Seit Mitte März 2010 sei mit größerer Verzögerung gezahlt worden, die Schuldnerin habe ihn und viele seiner Kollegen vertröstet und auf ausstehende Zahlungen von Auftraggebern verwiesen. Das privilegierende Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters und die Gleichstellung der Lohn- und Gehaltsforderungen der Arbeitnehmer mit Forderungen der anderen Gläubiger seien verfassungswidrig. Die Vorschriften der §§ 143, 129, 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO verstießen gegen das Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 1 GG und gegen das Gleichheitsprinzip des Art. 3 Abs. 1 GG und dürften daher nicht angewandt werden. Diese Vorschriften zur Insolvenzanfechtung würden keine nach der Verfassung erforderliche Binnendifferenzierung vornehmen. Es sei erforderlich, zum Schutz der wirtschaftlich Schwächeren Vorkehrungen zu treffen. Die wirtschaftlich stärkeren Kreditgeber würden sich durch entsprechende Aussonderungsrechte absichern. Banken, Sozialkassen und der Fiskus würden faktisch privilegiert. Ferner müsse er das Erlangte deshalb nicht zurückgewähren, weil die Deckung kongruent gewesen sei, er auch ein abgesondertes Befriedigungsrecht gehabt habe, und ihm die Lohnforderung wegen der unerlaubten Handlung der Schuldnerin zugestanden habe. Aufgrund der erteilten Abrechnungen habe ein besonderes Treuhandverhältnis bestanden. Er habe die Arbeitsleistung tatsächlich erbracht und sei auch redlich und gutgläubig gewesen. Er habe die Zahlung auch zu der Zeit zu beanspruchen gehabt. Wegen der unerlaubten Handlung sei eine Vollstreckung sogar während des laufenden Insolvenzverfahrens zulässig, daher könne eine Pfändung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht unzulässig sein. Jedenfalls würden die Ausschlussfristen eingreifen. Auch bei Lohnzahlungsansprüchen, die im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt worden seien, sei die Rückabwicklung nicht anders zu beurteilen, als die Rückabwicklung einer arbeitsrechtlichen Leistungsbeziehung. Die Tarifbindung gelte gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO auch für den Kläger. Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19. November 2003 – 10 AZR 110/03 – könne nach dem Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Bundesgerichte vom 27. September 2010 (GmS-OBG 1/09) nicht mehr zugestimmt werden. Bei dem Rückgewährsanspruch handele es sich um einen Anspruch, der mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehe. Der Insolvenzverwalter sei auch als Arbeitgeber anzusehen. Die Insolvenzordnung enthalte keine Ausschlussfristen mehr, so dass tarifliche Regelungen insoweit möglich seien. Eine Überforderung des Insolvenzverwalters im Zusammenhang mit der Einhaltung von Ausschlussfristen sei nicht nachvollziehbar.

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 24. Mai 2012 – 4 Ca 37/12 – wird abgeändert;

2. die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vertieft seine bisherigen Rechtsausführungen. Er vertritt weiter die Auffassung, dass sich sein Anspruch aus den §§ 131 Abs. 1 Nr. 1, 143 Abs. 1 InsO ergebe. Diese Vorschriften seien verfassungsgemäß. Eine Benachteiligung von Arbeitnehmern im Rahmen der Insolvenzanfechtung sei nicht ersichtlich. Die Ausschlussfristen könnten nicht eingreifen, weil es sich bei dem Rückgewährsanspruch nicht um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis iSd. der Ausschlussfristen handeln würde. Die Ausschlussfristen seien verfassungswidrig. Es sei ihm auch nicht möglich und zumutbar gewesen, die Ausschlussfristen einzuhalten. Hier sei zu berücksichtigen, dass das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2003 entschieden habe, dass Ausschlussfristen für Insolvenzanfechtungsansprüche nicht gelten würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung und die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft und gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG, 519 Abs. 1 und Abs. 2, 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Beklagten zu Recht und mit zutreffender, sorgfältiger Begründung verurteilt, an den Kläger 11.798,84 Euro nebst der geltend gemachten Zinsen zu zahlen.

1. Der Beklagte hat gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO 11.798,84 Euro zur Insolvenzmasse zurückzugewähren. Er hat diesen Betrag durch eine anfechtbare Handlung iSv. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO erlangt.

a) Die durch die Schuldnerin am 6. Mai 2011, 30. Mai 2011 und 9. Juni 2011 zugunsten des Beklagten veranlassten Zahlungen in Höhe von insgesamt 11.798,84 Euro stellen Rechtshandlungen dar, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden, und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, so dass gemäß § 129 InsO die Anfechtungsvorschriften nach §§ 130 bis 146 InsO zur Anwendung kommen. Die Benachteiligung der übrigen Gläubiger ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die Zahlungen aus dem Vermögen der Schuldnerin erfolgten. Dem Beklagten standen weder ein Aussonderungs- noch ein Absonderungsrecht zu.

aa) Durch die Erteilung von Lohnabrechnungen und/oder durch die Titulierung der berechtigten Arbeitsentgeltansprüche wird kein Treuhandverhältnis begründet, wodurch die Entgeltbeträge dem Vermögen der Schuldnerin entzogen und von dieser nur noch zugunsten des Arbeitnehmers verwaltet werden. Es fehlt insoweit bereits an einer Vermögensübertragung bzw. Vermögenstrennung und an einer Absprache, dass das abgetrennte Vermögen zukünftig für den Arbeitnehmer verwaltet wird. Dem Vortrag des Beklagten lässt sich auch ansonsten nicht entnehmen, aus welchem Grund von einem Treuhandverhältnis auszugehen ist bzw. die seitens der Schuldnerin geleisteten Geldbeträge im Zeitpunkt der Überweisungen nicht mehr zu deren Vermögen zu rechnen waren.

bb) Die §§ 47 ff. InsO regeln, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Aussonderung bzw. ein Recht auf abgesonderte Befriedigung besteht. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Eine analoge Anwendung der Vorschriften scheidet aus (vgl. zu den Voraussetzungen einer Analogie zB BAG 21. Februar 2012 – 9 AZR 487/10 – Rn. 18, DB 2012, 1513). Es fehlt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Die gesetzlichen Regelungen geben keinen Hinweis auf eine planwidrige Unvollständigkeit. Im Übrigen stellt die Erteilung einer Lohnabrechnung keinen Sachverhalt dar, der mit einem Aussonderungsrecht oder mit einem in §§ 49 ff. InsO geregelten Absonderungsrecht vergleichbar ist. Die Lohnabrechnung beinhaltet lediglich eine Auskunft, begründet aber keine Rechte.

b) Eine insolvenzrechtliche Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO scheidet auch nicht aus, weil den Zahlungen der Schuldnerin mit dem Versäumnisurteil vom 4. April 2011 ein vollstreckbarer Titel zugrunde lag (vgl. BAG 19. Mai 2011 – 6 AZR 736/09 – Rn. 8, NZA-RR 2011, 656). § 141 InsO bestimmt ausdrücklich, dass die Anfechtung nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil für die Rechtshandlung ein vollstreckbarer Schuldtitel erlangt oder die Handlung durch Zwangsvollstreckung erwirkt worden ist.

c) Die Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO für eine Anfechtung sind gegeben. Nach dieser Vorschrift ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist.

aa) Die Überweisungen der Beträge in Höhe von insgesamt 11.798,84 Euro auf das Konto der Prozessbevollmächtigten des Beklagten sind Rechtshandlungen, die nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind. Die Überweisungen erfolgten mit Wertstellung vom 6. Mai 2011, 30. Mai 2011 und 9. Juni 2011 auf das Konto des Prozessbevollmächtigten des Beklagten. Mit den Überweisungen wurde dem Beklagten eine Befriedigung seiner Vergütungsansprüche, die im Versäumnisurteil tituliert worden waren, gewährt. Da die Wirkung der Rechtshandlungen im Mai bzw. Juni 2011 eingetreten waren (vgl. § 140 InsO), wurden sie nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen. Der Eröffnung des Insolvenzverfahrens lag nämlich ein Antrag der D. vom 21. März 2011 zugrunde.

bb) Der Beklagte hatte die Rechtshandlungen, also die Überweisungen der Beträge in Höhe von insgesamt 11.798,84 Euro, nicht in der Art iSd. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu beanspruchen. Die Überweisungen der Einzelbeträge von 5.400,00 Euro, 4.398,84 Euro und 2.000,0 Euro erfolgten zur Abwendung der angekündigten und drohenden Zwangsvollstreckung und stellen damit eine inkongruente Deckung iSv. § 131 InsO dar.

(1) Die Schuldnerin überwies den Betrag in Höhe von 5.400,00 Euro, nachdem ein vorläufiges Zahlungsverbot gemäß § 845 ZPO zugestellt worden war. Die Beträge in Höhe von 4.398,84 Euro und 2.000,00 Euro wurden überwiesen, nachdem der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugestellt worden war. Die Überweisung erfolgte zur Abwendung und Erledigung der seitens des Beklagten eingeleiteten und unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Dies ist zwischen den Parteien nicht in Streit.

(2) Auch eine Zahlung, die zur Vermeidung einer angekündigten und unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckungsmaßnahme erfolgt, stellt eine inkongruente Deckung dar, weil der Schuldner eine solche Zahlung nicht „in der Art“ zu beanspruchen hat.

(a) Der Gläubiger hat eine Befriedigung nicht nur dann nicht „in der Art“ zu beanspruchen, wenn er anstelle der Leistung, die er zu fordern hat, in der kritischen Zeit eine andere, nicht geschuldete Leistung erhält. Nicht „in der Art“ im Sinne von § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu beanspruchen hat der Gläubiger auch eine während dieser Zeit im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Befriedigung (vgl. BAG 19. Mai 2011 – 6 AZR 736/09 – Rn. 12 mwN, NZA-RR 2011, 1628; 31. August 2010 - 3 ABR 139/09 - Rn. 16, ZIP 2011, 629). Seit der Entscheidung vom 9. September 1997 hat der Bundesgerichtshof darüber hinaus in ständiger Rechtsprechung angenommen, dass eine inkongruente Deckung im Sinne des Anfechtungsrechts auch dann schon vorliegt, wenn der Schuldner in der gesetzlichen Krise zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung geleistet hat (9. September 1997 - IX ZR 14/97 - BGHZ 136, 309; 11. April 2002 - IX ZR 211/01 - ZInsO 2002, 581; 15. Mai 2003 - IX ZR 194/02 - ZInsO 2003, 611; 23. März 2006 - IX ZR 116/03 - BGHZ 167, 11). Im Anschluss an Henckel (vgl. Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 30 Rn. 232) hat der Bundesgerichtshof in einem solchen Fall die Inkongruenz aus der zeitlichen Vorziehung des insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes und der damit verbundenen Zurückdrängung des Prioritätsprinzips sowie aus der Erwägung hergeleitet, dass nach Eintritt der Krise und der damit verbundenen materiellen Insolvenz eine Ungleichbehandlung nicht mehr durch den Einsatz staatlicher Zwangsmittel insolvenzfest erzwungen werden soll (vgl. 23. März 2006 - IX ZR 116/03 – aaO). In der Entscheidung vom 20. Januar 2011 (- IX ZR 8/10 - ZIP 2011, 385) hat der Bundesgerichtshof in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung ausgeführt, die Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung könne auch dann als inkongruente Deckung anfechtbar sein, wenn der Gläubiger unter Ankündigung der Zwangsvollstreckung zur umgehenden Leistung auffordere, ohne eine letzte konkrete Frist zu setzen. Für die Annahme einer inkongruenten Deckung im Sinne des Anfechtungsrechts der InsO reicht es demnach aus, dass der Schuldner in der Krise zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung geleistet hat (BGH 17. Juni 2010 - IX ZR 134/09 - ZInsO 2010, 1324; 15. Mai 2003 - IX ZR 194/02 - aaO; 20. November 2001 - IX ZR 159/00 - ZIP 2002, 228; 11. April 2002 - IX ZR 211/01 - ZInsO 2002, 581; vgl. insgesamt auch BAG 19. Mai 2011 – 6 AZR 736/09 – Rn. 12 mwN, NZA-RR 2011, 1628).

(b) Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an. Hierfür spricht, wie das Bundesarbeitsgericht bezogen auf eine im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Befriedigung in der Entscheidung vom 19. Mai 2011 (6 AZR 736/09) unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 31. August 2010 (- 3 ABR 139/09 - Rn. 22 f., ZIP 2011, 629) ausgeführt hat, zum einen, dass diese Auslegung durch den Gesetzgeber legitimiert ist. Art. 2 des Entwurfs eines „Gesetz(es) zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge und zur Anpassung des Rechts der Insolvenzanfechtung“ (BT-Drucks. 16/886 S. 5) enthielt Vorschriften, die die Insolvenzanfechtung erschwert hätten, ferner war die Ergänzung des § 131 Abs. 1 InsO durch einen weiteren Satz vorgesehen, der ausschließen sollte, dass eine Rechtshandlung allein deshalb anfechtbar ist, weil der Gläubiger die Sicherung oder Befriedigung durch Zwangsvollstreckung erlangt hat. Daraus, dass die geplanten Änderungen des Rechts der Insolvenzanfechtung aufgrund einer bewussten Entscheidung im parlamentarischen Verfahren jedoch nicht Gesetz geworden sind, weil sie als mit dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung nicht vereinbar angesehen worden sind (vgl. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags, BT-Drucks. 16/3844 S. 11), hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts abgeleitet, dass die Rechtsprechung zur inkongruenten Deckung bei durch (Drohung mit) Zwangsvollstreckung erlangter Erfüllung durch das Gesetzgebungsverfahren, das mit einem Gesetzesbeschluss geendet habe, bestätigt worden ist und die Legitimation geschaffen hat, diese Rechtsprechung aufrechtzuerhalten (vgl. hierzu insgesamt auch BAG 19. Mai 2011 – 6 AZR 736/09 – Rn. 15 mwN, NZA-RR 2011, 1628). Zum anderen verdrängt der das Insolvenzverfahren beherrschende Gleichbehandlungsgrundsatz das Prioritätsprinzip der Einzelzwangsvollstreckung bereits in dem durch die §§ 130 bis 132 InsO besonders geschützten Zeitraum. Dieses Prinzip, das einen „Wettlauf der Gläubiger“ bedingt, führt nur so lange zu mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens im Einklang stehenden Ergebnissen, wie für die zurückgesetzten Gläubiger noch die Aussicht besteht, sich aus anderen Vermögensgegenständen des Schuldners zu befriedigen. Zwar wird der Gleichbehandlungsgrundsatz der Gläubiger in der Unternehmenskrise auch dann durchbrochen, wenn der Schuldner innerhalb der Dreimonatsfrist des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO oder nach dem Eröffnungsantrag freiwillig zahlt und der Gläubiger von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Eröffnungsantrag weder Kenntnis hatte noch aus den Umständen auf eine solche schließen musste. In diesem Fall darf der Gläubiger die Leistung behalten, während andere Gläubiger mit ihren ebenfalls fälligen Forderungen leer ausgehen. Die gegenüber § 130 Abs. 1 InsO verschärfte Haftung nach § 131 Abs. 1 InsO rechtfertigt sich jedoch daraus, dass der Gläubiger, der staatliche Zwangsmaßnahmen in Anspruch nimmt oder androht, anders als der Gläubiger, der eine freiwillige Zahlung entgegennimmt, aktiv auf das zur Befriedigung aller Gläubiger unzureichende Vermögen des Schuldners zugreift und zugleich andere Gläubiger von einem solchen Zugriff ausschließt. In der Unternehmenskrise soll eine Ungleichbehandlung der Gläubiger nicht mehr durch den Einsatz von oder der Drohung mit staatlichen Machtmitteln erzwungen werden. Der Einsatz dieser Mittel nimmt der Leistung des Schuldners aus objektiver Sicht den Charakter der Freiwilligkeit. Muss der Gläubiger den Schuldner durch die Drohung mit der Zwangsvollstreckung zur Leistung zwingen, liegt der Verdacht nahe, dass der Schuldner nicht zahlungsfähig ist. Eine solche Leistung ist nicht insolvenzfest (siehe insgesamt BAG 19. Mai 2011 – 6 AZR 736/09 – Rn. 16 mwN, aaO).

(c) Aus den dargestellten Gründen ist entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts Nürnberg in der Entscheidung vom 30. April 2012 – 7 Sa 557/11 – das Tatbestandsmerkmal „in der Art“ auch nicht allein materiellrechtlich zu betrachten (der Ansicht des LAG Nürnberg vom 30. April 2012 – 7 Sa 557/11 – nicht folgend auch LAG Berlin-Brandenburg 12. September 2012 – 4 Sa 1166/12 -; LAG Nürnberg 27. Juli 2012 – 3 Sa 560/11). Weder der Wortlaut, noch der Gesetzeszweck noch der gesetzliche Gesamtzusammenhang sprechen dafür, dass eine Anfechtung nach § 131 Abs. 1 InsO nicht zulässig ist, wenn der Insolvenzgläubiger nur einen materiellrechtlichen Anspruch hatte und dieser auch im Zeitpunkt der Befriedigung bestand. Gemäß § 131 Abs. 1 InsO kommt es darauf an, ob der Insolvenzgläubiger die Sicherung oder Befriedigung nicht zu beanspruchen bzw. nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hat, und nicht darauf, ob überhaupt ein Anspruch auf eine Geld- oder sonstige Leistung besteht. Maßgebend ist demnach, ob der Insolvenzgläubiger die Handlungen, die eine Sicherung oder Befriedigung gewähren oder ermöglichen, in der Art zu beanspruchen hatte. Ein Anspruch auf eine Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung oder zur Vermeidung einer Zwangsvollstreckung ergibt sich nicht aus dem Arbeitsverhältnis. Dieses ist nur die Grundlage für das Entstehen des Arbeitsentgeltsanspruchs. Aus dem oben dargestellten Gesetzeszweck folgt ferner, dass sich in der kritischen Phase auch aus dem Zwangsvollstreckungsrecht kein Anspruch mehr herleiten lässt, die titulierten Ansprüche im Wege des Prioritätsprinzips durchzusetzen. Wenn nämlich innerhalb der kritischen Phase nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass sämtliche Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung noch eine Befriedigung erlangen können, soll durch die insolvenzrechtlichen Vorschriften gewährleistet werden, dass sich nicht einzelne Gläubiger mit Hilfe hoheitlicher Zwangsmittel einen Vorteil gegenüber anderen Gläubigern verschaffen.

cc) Eine Insolvenzanfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO setzt weder voraus, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung bzw. der angedrohten Zwangsvollstreckung zahlungsunfähig oder überschuldet war, noch kommt es darauf an, ob der Insolvenzgläubiger hiervon Kenntnis hatte oder nicht (vgl. BAG 19. Mai 2011 – 6 AZR 736/09 – Rn. 9, NZA-RR 2011, 656). Daher steht dem Rückgewährsanspruch nicht entgegen, dass der Beklagte im Zeitpunkt der Überweisung keine Kenntnis von einer (eventuellen) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin und von dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte.

d) Die insolvenzrechtliche Anfechtung erfordert keine Gestaltungserklärung, sondern liegt in der gerichtlichten Geltendmachung der Rechtsfolge aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO (vgl. BAG 19. Mai 2011 – 6 AZR 736/09 – Rn. 8, NZA-RR 2011, 656).

e) Auf eine Entreicherung hat sich der Beklagte nicht berufen.

2. Die §§ 129 ff. InsO sind nach Auffassung der Kammer auch nicht verfassungswidrig. Es besteht daher keine Veranlassung, den Rechtsstreit nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Die insolvenzrechtlichen Anfechtungsbestimmungen verstoßen weder gegen das Sozialstaatsprinzips, Art. 20 Abs. 1 GG, noch gegen den Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG, soweit sie die berechtigten und titulierten Ansprüche eines Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht von dem Anfechtungsrecht gemäß § 131 InsO ausnehmen.

a) Die insolvenzrechtlichen Bestimmungen in §§ 129 ff InsO verletzen nicht den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG.

aa) Durch diese Bestimmungen wird der im Insolvenzrecht herrschende Grundsatz, dass im Insolvenzverfahren alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt werden sollen, vielmehr verwirklicht. Die Anfechtungsbestimmungen stellen gerade sicher, dass die Insolvenzgläubiger, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden, auch gleich behandelt werden, und Gläubiger, die sich nicht in einer vergleichbaren Lage befinden, unterschiedlich behandelt werden. Insolvenzgläubiger, die in der Zeit der Unternehmenskrise, Zahlungen mit Hilfe von staatlichen Zwangsmitteln durchsetzen wollen, befinden sich in einer anderen Situation als Insolvenzgläubiger, die von dem Schuldner eine freiwillige Leistung erhalten und von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Eröffnungsantrag keine Kenntnis hatten noch aus den Umständen auf eine solche schließen mussten. Die gegenüber § 130 Abs. 1 InsO verschärfte Haftung nach § 131 InsO rechtfertigt sich daraus, dass der Gläubiger, der staatliche Hilfe in Anspruch nimmt oder androht, anders als der Gläubiger, der eine freiwillige Zahlung entgegennimmt, aktiv auf das zur Befriedigung aller Gläubiger unzureichende Vermögen des Schuldners zugreift und zugleich andere Gläubiger von einem solchen Zugriff ausschließt. Muss der Gläubiger den Schuldner durch die Drohung mit der Zwangsvollstreckung zur Leistung zwingen, liegt der Verdacht nahe, dass der Schuldner nicht zahlungsfähig ist (vgl. hierzu BAG 19. Mai 2011 – 6 AZR 736/09 – Rn. 12ff., ZIP 2011, 1628; LAG Nürnberg 27. Juli 2012 – 3 Sa 560/11 – Juris-Rn. 39).

bb) Soweit der Beklagte meint, der Fiskus oder die Sozialversicherungsträger würden privilegiert, verkennt er, dass auch bezogen auf Steuerschulden oder Sozialversicherungsbeiträge unter den Voraussetzungen der §§ 130 ff. InsO Rechtshandlungen anfechtbar sind, und zwar auch dann, wenn Vollstreckungsbescheide vorlagen.

cc) Die Regelungen in §§ 47 ff. InsO zur Aussonderung und Absonderung stehen ebenfalls in Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG. Das materiellrechtliche Bestehen von Aussonderungs- und Absonderungsrechten rechtfertigt bereits eine unterschiedliche Behandlung dieser Rechtsinhaber in der Insolvenz im Vergleich zu solchen Insolvenzgläubigern, die lediglich einen Zahlungsanspruch gegenüber dem Schuldner haben. Der Umstand, dass nicht jeder Insolvenzgläubiger tatsächlich in der Lage war, seine Ansprüche durch Einräumung von Aussonderungs- oder Absonderungsrechten zu sichern, führt nicht dazu, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der Insolvenzanfechtung, durch die gerade eine gleichmäßige Befriedigung der Insolvenzgläubiger erreicht werden soll, einzuschränken hätte.

b) Auch das Sozialstaatsprinzip gebietet es nicht, Ansprüche der Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt, die diese in der kritischen Phase vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Hilfe von hoheitlichen Zwangsmitteln oder durch Androhung von hoheitlichen Zwangsmitteln durchsetzen, im Hinblick auf die Insolvenzanfechtung zu privilegieren. Der Gesetzgeber hat für Arbeitnehmer bereits in ausreichender Weise Schutzvorschriften vorgesehen. Arbeitnehmer haben unter den Voraussetzungen der §§ 165 ff. SGB III einen Anspruch auf Zahlung von Insolvenzgeld. Hierdurch werden die Arbeitnehmer bezogen auf einen Dreimonatszeitraum geschützt, wenn ihre Vergütungsansprüche für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr erfüllt werden. Ferner unterfallen kongruente Vergütungszahlungen durch den Schuldner, die Barleistungen darstellen, gemäß § 142 InsO nicht dem Anfechtungsrecht. Eine unmittelbare Leistung und damit ein Bargeschäft liegt auch dann vor, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für vom Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbrachte Arbeitsleistungen zahlt (vgl. hierzu BAG 6. Oktober 2011 – 6 AZR 262/10 - DB 2011, 2366). Dem Arbeitnehmer kann ferner dann, wenn der Arbeitgeber mit der Zahlung von Arbeitsentgelt in Verzug gerät, ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB hinsichtlich seiner Arbeitsleistung zustehen. Die nicht rechtzeitige Zahlung von Lohn, insbesondere wenn dies einen Zeitraum von mehr als drei Monaten betrifft, kann auch einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung des Arbeitnehmers gemäß § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Der Arbeitnehmer hat es ferner in der Hand, seine Vergütungsansprüche, wenn sie nicht bei Fälligkeit gezahlt werden, sofort gerichtlich geltend zu machen. Genauso kann er mit dem Arbeitgeber über die Stellung von Sicherheiten für die offenen Vergütungsansprüche verhandeln. Aufgrund dieser Schutzvorschriften bzw. Möglichkeiten besteht kein Grund, Arbeitsentgeltansprüche von Arbeitnehmern weiter zu privilegieren und die Arbeitnehmer im Vergleich zu anderen Insolvenzgläubigern, die ebenfalls Vorleistungen erbracht haben, besser zu stellen, in dem eine Insolvenzanfechtung für eine Konstellation wie im vorliegenden Fall eingeschränkt oder ausgeschlossen wird.

3. Es kann dahin gestellt bleiben, ob die Schuldnerin gegenüber dem Beklagten eine unerlaubte Handlung gemäß §§ 823 ff. BGB begangen hat. Denn das Anfechtungsrecht nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO wird hierdurch nicht berührt. Für diese Anfechtung ist unerheblich, ob die inkongruente Befriedigung Ansprüche aus unerlaubter Handlung betrifft. Aus § 89 Abs. 2 InsO kann nicht hergeleitet werden, dass eine Insolvenzanfechtung bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung eingeschränkt wird. Dort ist lediglich geregelt, dass während der Dauer des Insolvenzverfahrens Zwangsvollstreckungen in künftige Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis des Schuldners oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für Gläubiger, die keine Insolvenzgläubiger sind, wegen einer Forderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung zulässig sind, und zwar in den Teil der Bezüge, der für andere Gläubiger nicht pfändbar ist. Vorliegend hat der Beklagte aber die Zwangsvollstreckung nicht während des Insolvenzverfahrens in Bezüge des Schuldners betrieben, sondern hat vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die von ihm eingeleitete Zwangsvollstreckung die Insolvenzmasse vermindert.

4. Der Anspruch des Klägers ist nicht gemäß § 15 BRTV verfallen. Der Rückgewährsanspruch aus § 143 InsO unterfällt nicht einer tariflichen Ausschlussfrist (so auch LAG Berlin-Brandenburg 12. September 2012 – 4 Sa 1166/12 -, LAG Nürnberg 27. Juli 2012 – 3 Sa 560/11 - ; 15. Juni 2012 – 8 Sa 565/11 - ; 16. Mai 2012 – 2 Sa 566/11 - ; anderer Ansicht: LAG Nürnberg 30. April 2012 – 7 Sa 557/11 - ; LAG Niedersachsen 22. März 2012 – 7 Sa 1052/11 - ; 22. März 2012 – 7 Sa 1053/11).

a) Die Kammer geht zwar wie das Arbeitsgericht davon aus, dass auf das Arbeitsverhältnis zwischen dem Beklagten und der Schuldnerin der allgemeinverbindliche Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) anzuwenden war, weil die Schuldnerin einen Betrieb zur Erbringung von Tiefbauleistungen unterhielt und damit gemäß § 1 BRTV unter den betrieblichen Geltungsbereich fiel. Der Beklagte war als gewerblicher Arbeitnehmer tätig.

b) Der Rückgewährsanspruch aufgrund einer Insolvenzanfechtung ist aber kein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis bzw. kein Anspruch, der mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung steht, iSd. des § 15 BRTV. Die normative Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien erstreckt sich nicht auf einen solchen Anspruch. § 15 BRTV ist nicht dahin auszulegen, dass solche Ansprüche umfasst werden sollen, für die die Tarifvertragsparteien keine Regelungsmacht haben.

aa) Gemäß § 1 Abs. 1 TVG erstreckt sich die normative Regelungsmacht nur auf den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie die Ordnung betrieblicher und betriebsverfassungsrechtlicher Fragen. Von dieser Regelungsmacht umfasst ist nicht das gesetzliche Schuldverhältnis, welches durch die §§ 129 ff. zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Insolvenzgläubiger ohne Rücksicht auf ein in der Insolvenz fortbestehendes Arbeitsverhältnis oder ein früheres Arbeitsverhältnis zum Insolvenzschuldner begründet wird (so BAG 19. November 2003 – 10 AZR 110/03 – Juris-Rn. 36, BAGE 108, 367; LAG Berlin-Brandenburg 12. September 2012 – 4 Sa 1166/12 - ; LAG Nürnberg 27. Juli 2012 – 3 Sa 560/11 –; 15. Juni 2012 – 8 Sa 565/11 - ; 16. Mai 2012 – 2 Sa 566/11 - ). Unerheblich ist, dass zwar dann eine Verknüpfung mit einem Arbeitsverhältnis besteht, wenn der Rückgewährsanspruch sich auf die vom Schuldner dem (ehemaligen) Arbeitnehmer geleistete Vergütung erstreckt. Allein der Umstand, dass ein Anspruch einen Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis aufweist, kann aber nicht die Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien hinsichtlich dieses Anspruchs begründen. Entscheidend kommt es darauf an, ob dieser Anspruch auch zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber besteht bzw. zwischen dem Arbeitnehmer und einer Person, die hinsichtlich dieses Anspruchs an die Stelle des Arbeitgebers tritt. Dies ist aber bei dem Anspruch aus § 143 InsO nicht der Fall. Der Anspruch aus § 143 InsO begründet eine neues Schuldverhältnis ausschließlich zwischen dem Insolvenzgläubiger und dem Insolvenzverwalter, und zwar völlig unabhängig davon, auf welcher schuldrechtlichen Grundlage die anfechtbare Handlung erfolgte. Die Art der Vertragsbeziehung spielt für die Anwendung der §§ 129 ff. InsO überhaupt keine Rolle. Der (ehemalige) Arbeitgeber des Insolvenzgläubigers kann niemals Inhaber dieses Anspruchs werden. Zwar wird der Insolvenzverwalter für die Dauer des Insolvenzverfahrens faktisch Arbeitgeber, weil auf ihn gemäß § 80 Abs. 1 InsO das Recht übergeht, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über dieses zu verfügen. Soweit ein Arbeitsverhältnis bei Insolvenzeröffnung noch besteht, stellt § 108 InsO klar, dass dieses mit Wirkung zur Insolvenzmasse fortbesteht. Diese Bestimmungen sind aber ohne Bedeutung für die Begründung des gesetzlichen Anspruchs aus § 143 InsO. Der Insolvenzverwalter wird nicht Inhaber des Rückgewährsanspruchs, weil er zugleich die Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis zu erfüllen hat, sondern ausschließlich deshalb, weil auf diese Weise die Insolvenzmasse gesichert und entsprechend der Insolvenzordnung verteilt werden soll. Normadressaten des gesetzlichen Schuldverhältnisses sind gerade nicht der Insolvenzverwalter in seiner Arbeitgeberfunktion und die Gläubiger als Arbeitnehmer (vgl. BAG 19. November 2003 – 10 AZR 110/03 – Juris-Rn. 36, BAGE 108, 367).

bb) Eine andere rechtliche Bewertung lässt sich auch nicht aus der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. September 2010 (GmS-OGB 1/09 – BGHZ 187, 105) herleiten (so zB auch LAG Berlin-Brandenburg 12. September 2012 – 4 Sa 1166/12 - ; LAG Nürnberg 27. Juli 2012 – 3 Sa 560/11 ––; 15. Juni 2012 – 8 Sa 565/11 - ; 16. Mai 2012 – 2 Sa 566/11 -). Diese Entscheidung betraf ausschließlich die Rechtswegzuständigkeit. Die Eröffnung des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitsachen führt aber nicht zu einer Regelungszuständigkeit der Tarifvertragsparteien für das durch § 143 begründete gesetzliche Schuldverhältnis, welches originär ausschließlich als Anspruchsinhaber den Insolvenzverwalter vorsieht (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 12. September 2012 – 4 Sa 1166/12 - ; LAG Nürnberg 27. Juli 2012 – 3 Sa 560/11–). Der Rückgewährsanspruch soll unabhängig von dem der anfechtbaren Rechtshandlung zugrunde liegenden Schuldverhältnis die Insolvenzmasse sichern. Daher ist es nicht gerechtfertigt, einen Rückgewährsanspruch, der geleistete Arbeitsvergütung betrifft, materiellrechtlich anders zu behandeln als sonstige Rückgewährsansprüche, indem den Tarifvertragsparteien eine Regelungsmacht darüber eingeräumt wird, auf welche Weise dieser Anspruch zum Erlöschen gebracht werden kann.

c) Die Ausschlussfrist des § 15 BRTV ist auch deshalb nicht anzuwenden, weil aus dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Vorschriften und dem Gesetzeszweck folgt, dass eine Regelung, die zum Erlöschen des Rückgewährsanspruchs führt, nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien steht und auch der Insolvenzgläubiger mit dem Schuldner nicht vereinbaren kann, unter welchen Voraussetzungen der Rückgewährsanspruch erlischt. Die §§ 129 ff. InsO enthalten hinsichtlich der Voraussetzungen und der Art und Weise, wie der Rückgewährsanspruch geltend zu machen ist, zwingende und abschließende Regelungen. Der Rückgewährsanspruch unterliegt damit nur der Verjährung nach § 146 InsO, eine (tarif-)vertragliche Regelung über Ausschlussfristen ist dagegen nicht zulässig. Die Vorgängervorschriften von § 146 InsO, nämlich § 41 Abs. 1 KO und § 10 Abs. 2 GesO, waren als Ausschlussfristen ausgestaltet waren. Als solche gingen sie tariflichen Ausschlussfristen vor. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber daran etwas ändern wollte, indem er mit § 146 InsO zu einer Verjährungsfrist überging (BAG 19. November 2003 – 10 AZR 110/03 – Juris-Rn. 36, BAGE 108, 367). Hierbei ist ferner zu berücksichtigen, dass Ausschlussfristen, wie sie üblicherweise in Tarifverträgen oder Arbeitsverträgen enthalten sind, deutlich kürzer als die normierten Verjährungsfristen sind. Die Anwendung der Ausschlussfristen würde dazu führen, dass der Gesetzeszweck, nämlich durch die Anfechtungsvorschriften sicherzustellen, dass die Insolvenzmasse gleichmäßig den Insolvenzgläubigern zugute kommt, in erheblicher Weise gefährdet wird. Dem Insolvenzverwalter wird es gerade in größeren Betrieben oft nicht möglich oder zumutbar sein, innerhalb dieser Fristen abschließend zu klären, welche anfechtbaren Handlungen überhaupt vorliegen und ob und welche Ausschlussfristen anzuwenden sind. Denn hierfür ist er auf Informationen von Außenstehenden bzw. vom Schuldner angewiesen, wobei er nicht immer beeinflussen kann, zu welchem Zeitpunkt diese Informationen erfolgen. Auch der Arbeitnehmerschutz gebietet diese Gefährdung des Gesetzeszweckes nicht, zumal nicht für sämtliche Arbeitsverhältnisse (tarifvertragliche) Ausschlussfristen gelten und beiderseitige Ausschlussfristen auch nicht lediglich Arbeitnehmer schützen sollen.

5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO iVm. §§ 819 Abs. 1, 291 Satz 1, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Bei anfechtbarem Erwerb von Geld hat der Anfechtungsgegner Prozesszinsen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entrichten (vgl. BGH 1. Februar 2007 – IX ZR 96/04 – Rn. 14, 19, BGHZ 171, 38).

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 97 Abs. 1 ZPO. Der Beklagte und Berufungskläger hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

IV. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.