Gericht | FG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 22.06.2011 | |
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Aktenzeichen | 9 K 9079/08 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 9 Abs 1 S 3 Nr 5 EStG |
1. Der Wechsel von einer Ein-Zimmer-Wohnung zu einer Zwei-Zimmer-Wohnung am Beschäftigungsort im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung ist nicht steuerschädlich, wenn die vom BFH gezogene Grenze bei der Wohnungsgröße (= 60 qm) dabei nicht überschritten wird.
2. Aufwendungen für die Anschaffung eines Fernsehers sind keine steuerlich berücksichtigungsfähigen Kosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung.
Die Einkommensteuer 2006 wird unter Änderung des Bescheids vom 25. Juni 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. März 2008 dahingehend festgesetzt, dass zusätzliche Werbungskosten des Klägers bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 3 102, 38 EUR steuermindernd zu berücksichtigen sind.
Die bis zum 21. Juni 2011 entstandenen Kosten des Verfahrens haben der Beklagte zu 77 v. H. und die Kläger zu 23 v. H. zu tragen. Die danach entstandenen Kosten des Verfahrens haben der Beklagte zu 83 v. H. und die Kläger zu 17 v. H. zu tragen.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob Aufwendungen des Klägers für die Einrichtung einer Wohnung in R. (Bundesland Niedersachsen) im Rahmen einer – zwischen den Beteiligten dem Grunde nach unstreitigen – doppelten Haushaltsführung steuerlich absetzbar sind oder nicht.
Die Kläger sind Eheleute und wurden für das Streitjahr 2006 vom Beklagten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten beide in jenem Jahr Einkünfte aus nicht-selbständiger Arbeit: der Kläger als …… mit einem Jahresbruttoarbeitslohn in Höhe von …. EUR bei einem Unternehmen mit Sitz in L. (Bundesland Niedersachsen) und die Klägerin als Berufsschullehrerin im Schuldienst des Landes ….
Die Kläger bewohnten im Streitjahr eine gemeinsame Wohnung in B.
Bei dem Unternehmen in L. war der Kläger bereits seit November 2002 angestellt. Als Unterkunft vor Ort diente ihm eine ab dem 15. November 2002 bis zum 31. Mai 2006 für einen Pauschalbetrag (inklusive Nebenkosten) in Höhe von monatlich 250,00 EUR angemietete Ein-Zimmer-Wohnung, bestehend aus einem Zimmer und einem Bad, im Gebäude … in O. Vermieter war der Eigentümer des betreffenden Grundstücks, Herr C., der selbst ebenfalls in dem vorgenannten Gebäude wohnte.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2003 bis 2005 machten die Kläger folgende Aufwendungen des Klägers für die Ausstattung des Haushalts am Beschäftigungsort im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung steuermindernd geltend:
2003: 2 822,68 EUR;
2004: 2 010,67 EUR;
2005: 1 090,04 EUR
Mit Schreiben vom 30. Dezember 2005 kündigte Herr C. das Mietverhältnis mit dem Kläger zum 1. April 2006 wegen zwischenzeitlichen Verkaufs des Grundstücks und bot dem Kläger gleichzeitig die Neubegründung eines Anschlussmietverhältnisses an einem anderen Wohnort an.
Am 15. Mai 2006 schloss der Kläger mit Herrn C. einen neuen Mietvertrag, diesmal als „Untermieter“, über die Anmietung einer Wohnung zu einem Pauschalbetrag (inklusive Nebenkosten) in Höhe von monatlich 350,00 EUR im Gebäude … in K. Mietobjekt waren folgende Räume in diesem Gebäude: zwei Zimmer, 1 WC mit Dusche/Bad sowie die Küche und den Garten zur Mitbenutzung (Wohnfläche für die alleinige Nutzung durch den Kläger: 40 qm). Der Vermieter, Herr C., war diesmal nicht Eigentümer der Immobilie, sondern selbst deren (Haupt-)Mieter.
Zur Ausstattung dieser zweiten Wohnung tätigte der Kläger folgende Investitionen:
Seifenspender
32,00 EUR
Stoff
119,00 „
Vorhänge
429,00 „
Tagesdecke
329,00 „
Handtücher
14,67 „
Fernseher
299,00 „
Anschluss des Fernsehers
377,00 „
Schrankeinrichtungselemente
79,00 „
Tablett
9,90 „
Bettwäsche
251,80 „
Kleinmaterial (Dübel, Schrauben,
Verteiler, Minikanal)
142,21 „
Plakate
8,00 „
Polsterkissen
253,33 „
Regalbretter
72,71 „
Staubsauger
145,50 „
Bücherregal, Schuhschrank,
Kleiderschrank, Schranktüren
414,38 „
Netzteil
23,95 „
Schnellheizer
12,99 „
Steckdosen
34,15 „
Hosenbügel, Register
56,88 „
Kleidersack
84,95 „
Deckenleuchten, Glühlampen,
Buchstützen, Türgriffe
157,11 „
Malerarbeiten, anteilig
264,48 „
Abschreibungen:
Schlafsofa:
Kaufdatum 8.10.2003
Kaufpreis: 1 090,00 EUR
Nutzungsdauer 13 Jahre
83,86 EUR
Kaffeeautomat
Kaufdatum 6.10.2003
Kaufpreis: 859,00 EUR
Nutzungsdauer 5 Jahre
171,80 EUR
Sofa
Kaufdatum: 8.6.2006
Kaufpreis: 2 980,00 EUR
Nutzungsdauer 13 Jahre
133,72 EUR
Stehlampe
Kaufdatum: 3.6.2006
Kaufpreis: 750,00 EUR
Nutzungsdauer 13 Jahre
33,65 EUR
Im Rahmen seines Einkommensteuerbescheids vom 25. Juni 2007 berücksichtigte der Beklagte die vorgenannten Aufwendungen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit. Der fristgerecht hiergegen erhobene Einspruch der Kläger hatte in dem hier streitigen Punkt nur hinsichtlich der Abschreibungen für das Schlafsofa und für den Kaffeeautomaten Erfolg und wurde im Übrigen vom Beklagten mit Einspruchsentscheidung vom 18. März 2008 als unbegründet zurückgewiesen. Der Umzug am Beschäftigungsort sei nicht beruflich veranlasst gewesen.
Da das Bewohnen einer Wohnung dem privaten Lebensbereich zuzurechnen sei, seien auch die Kosten für einen Wechsel der Wohnung im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung grundsätzlich als nicht abziehbare Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG) anzusehen. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel darstelle und private Gründe nur eine ganz untergeordnete Rolle spielten (Hinweis auf BFH-Urteil vom 22. November 1991 VI R 77/80, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 1992, 494). Diese Voraussetzungen seien im Streitfall nicht gegeben.
Bereits in den Vorjahren seien im Übrigen Aufwendungen für eine einfache Zimmer- oder Wohnungsausstattung (Bett mit Wäsche, Schrank, Kommode, Badeinrichtung sowie Haushaltsgegenstände, Radio etc.) als Werbungskosten steuermindernd berücksichtigt worden. In diesem Zusammenhang seien ohnehin nur solche Aufwendungen begünstigt, die ein Alleinlebender unbedingt zum Wohnen brauche. Hierzu zählten jedenfalls nicht Aufwendungen für Dekorartikel wie Bilder usw., die abweichend von den vorstehenden Ausführungen in den Jahren 2003 und 2004 steuerlich berücksichtigt worden seien. Aufwendungen für einen Fernseher nebst Anschluss seien im Hinblick auf die private Veranlassung nicht abziehbar (Hinweis auf Schmidt, EStG, § 9 Rz. 158), vor allem dann nicht, wenn – wie vorliegend für den VZ 2003 - bereits die Anschaffung eines Radios steuermindernd berücksichtigt worden sei (Hinweis auf ABC-Führer Lohnsteuer Hartz/ Meeßen/Wolf).
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage machen die Kläger im Wesentlichen geltend, dass es sich bei den streitgegenständlichen Aufwendungen um notwendige Investitionen im Sinne des Urteils des FG Köln vom 5. Februar 1992 4 K 5056/87, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1993, 144 gehandelt habe (Hinweis auch auf BFH-Urteil vom 3. Dezember 1982 VI R 228/80, BStBl. II 1983, 467).
Die Kläger beantragen,
die Einkommensteuer 2006 unter Änderung des Bescheids vom 25. Juni 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. März 2008 unter Berücksichtigung zusätzlicher Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 4 016,04 EUR abzüglich 299,00 EUR für die Anschaffung des Fernsehers festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung.
Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung zwei Bände Einkommensteuerakten (StNr.: …) vorgelegen, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Beteiligtenvorbringens Bezug genommen wird.
Die Klage ist überwiegend begründet. Der Einkommensteuerbescheid vom 25. Juni 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. März 2008 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -).
1. Entgegen der Ansicht des Beklagten kann der Kläger Aufwendungen für die Einrichtung der Zwei-Zimmer-Wohnung im Gebäude … in K. dem Grunde nach als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung steuermindernd geltend machen.
a.) Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG 2006 gehören zu den Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird (vgl. BFH-Urteil vom 5. März 2009 VI R 58/06, BStBl II 2009, 1012). Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG liegt eine doppelte Haushaltsführung vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.
b.) Der Kläger hat im Streitjahr 2006 im Gebäude …in B. unstreitig einen eigenen Hausstand im vorgenannten Sinne unterhalten. Er hat gleichzeitig unstreitig im Jahr 2006 durchgehend in der Nähe des Beschäftigungsortes L. gewohnt, um von dort aus unter der Woche zu seiner Arbeitsstelle zu gelangen. Damit liegen die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung unstreitig vor, weshalb der Beklagte ja die Mietaufwendungen des Klägers für die ab 1. Juni 2006 angemietete größere Wohnung unstreitig anerkannt hat. Letzteres ist aber nach dem Standpunkt des Beklagten inkonsequent, denn wenn die Anmietung der größeren Wohnung tatsächlich privat veranlasst gewesen wäre – wie der Beklagte annimmt - , wäre es folgerichtig, für die Zeit ab 1. Juni 2006 nur die (geringeren) Mietaufwendungen für die bisherige Ein-Zimmer-Wohnung als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen. Da es aber nach der neueren Rechtsprechung des BFH auf die Gründe für die Beibehaltung einer doppelten Haushaltsführung nicht ankommt (diese liegt sogar vor, wenn der Familienwohnsitz aus privaten Gründen bewusst vom Beschäftigungsort wegverlegt wird, vgl. BFH in BStBl II 2009,1012), kommt es im vorliegenden Fall auch nicht darauf an, aus welchen Gründen der Kläger die Ein-Zimmer-Wohnung in O. gegen eine Zwei-Zimmer-Wohnung in K. getauscht hat. Eine Einschränkung ergibt sich nur dahingehend, dass die Wohnung nicht größer als 60 qm sein darf (vgl. BFH-Urteile … VI R 10/06, BStBl II 2007, 820; BFH VIII R 48/07, BFH/NV 2010, 1433). Diese Vorgabe hat der Kläger beachtet, denn der zur alleinigen Nutzung durch den Mieter bestimmte Teil der Wohnung in K. hat laut Mietvertrag nur eine Wohnfläche von 40 qm.
c.) Gegen die berufliche Veranlassung der Begründung einer doppelten Haushaltsführung für die Zeit ab 1. Juni 2006 durch Anmietung der Wohnräume in K. spricht auch nicht der vom Beklagten angeführte Gesichtspunkt, dass der Kläger gegen die Kündigung seines Mietverhältnisses in O. wegen des Eigentümerwechsels möglicherweise erfolgreich zivilrechtlich hätte vorgehen können. Denn es ist nach der BFH-Rechtsprechung - Mißbrauchsfälle (z.B. ständiger Wohnungswechsel) einmal ausgenommen - die freie Entscheidung des Steuerpflichtigen, ob er die zu Beginn der doppelten Haushaltsführung vorliegende Wohnsituation über Jahre hinweg beibehält oder nicht.
2. Der Höhe nach sind die vom Kläger zusätzlich geltend gemachten Werbungskosten im Zusammenhang mit seiner doppelten Haushaltsführung nicht vollständig anzuerkennen. Als „sonstige Kosten“ einer doppelten Haushaltsführung sind die Aufwendungen für die in der Wohnung am Beschäftigungsort benötigten – und nicht auf andere Weise (z.B. durch Mitnahme aus dem vorhandenen Hausrat) zu beschaffenden – Einrichtungsgegenstände (Gardinen, Lampen, Möbel, Geschirr etc.) berücksichtigungsfähig (vgl. Thürmer, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 9 EStG Rz. 413 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall hat der Kläger von den in der Klageschrift geltend gemachten Gesamtaufwendungen in Höhe von 4 016,04 EUR den Posten „Fernseher“ in Höhe von 29,00 EUR inzwischen selbst fallen gelassen, weil diese Ausgabe nach überwiegender Ansicht auch privat mitveranlasst ist (vgl. nur Drenseck, in: Schmidt, EStG, 30. Aufl., § 9 Rz. 158 m.w.N.). Dementsprechend sind auch die Kosten für den Anschluss des Fernsehers in Höhe von 377,00 EUR nicht als Werbungskosten berücksichtigungsfähig.
Des weiteren hat der Beklagte die Abschreibungen für das Schlafsofa (83,86 EUR) und für den Kaffeeautomaten (171,80 EUR) im Rahmen der Einspruchsentscheidung bereits steuermindernd berücksichtigt, so dass diese Aufwendungen hier nicht noch einmal berücksichtigt werden können. Die Notwendigkeit der übrigen Aufwendungen hat der Kläger mit dem Umstand, dass er jetzt über eine wesentlich größere Wohnung als bisher verfügt (mit einem zusätzlichen Zimmer), schlüssig dargetan.
Somit sind Gesamtaufwendungen des Klägers in Höhe von 3 102,38 EUR als zusätzliche Werbungskosten des Klägers bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit steuermindernd zu berücksichtigen (die Addition sämtlicher vom Kläger in der Einkommensteuererklärung 2006 geltend gemachten Aufwendungen ergibt einen Gesamtbetrag in Höhe von 4 034,04 EUR, nicht – wie vom Kläger berechnet – 4 016,04 EUR).
3. Die Berechnung der Einkommensteuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 und auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.