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Entscheidung 7 U 81/19


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 7. Zivilsenat Entscheidungsdatum 03.02.2021
Aktenzeichen 7 U 81/19 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2021:0203.7U81.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Schifffahrtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 27. Mai 2019 werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1) 45 Prozent und die Klägerin zu 2) 55 Prozent.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Sturm, der mit dem Tief „Xavier“ am 5. Oktober 2017 über den S… zog, ließ mehrere Stämme einer Schwarzerle vom Grundstück der Beklagten auf das Boot der Kläger stürzen, das dort an der Steganlage eines Segelsportvereins festgemacht war. Das Boot wurde beschädigt, die Klägerin verletzt; sie erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma, eine Platzwunde, eine Fraktur Kiefernhöhlenwand sowie eine Prellung an einer Hand.

Die Beklagte war Eigentümerin und Verkehrssicherungspflichtige der durch den S… verlaufenden Bundeswasserstraße (… Havel in der … Havel-Wasserstraße) sowie der Ufergrundstücke, die an die Steganlage angrenzten.

Die Kläger haben gemeint, die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Bei einer regelmäßigen Baumkontrolle hätte festgestellt werden müssen, dass der auf das Boot gestürzte Baum nicht mehr bruchsicher gewesen sei. In einem vor Beginn des Gerichtsverfahrens erstellten Gutachten eines zertifizierten Baumkontrolleurs haben sie gemeint, die Ursächlichkeit der unterlassenen Kontrolle bestätigt zu finden: An der untersuchten Holzprobe seien fortgeschrittene Weißfäule und Stränge von Hallimasch festgestellt worden.

Die Kläger haben den Ersatz des Sachschadens und die Feststellung der auf weitere materielle Schäden bezogenen Ersatzpflicht gefordert, die Klägerin zudem ein Schmerzensgeld und die Feststellung der auf weitere Schäden auf Grund ihrer Verletzung bezogenen Ersatzpflicht.

Sie haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 25.000,00 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern alle weiteren materiellen Schäden zu ersetzen, die diesen aus dem schadensursächlichen Ereignis vom 5. Oktober 2017 entstehen,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 2 5.000,00 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 2 alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dieser aus dem schadensursächlichen Ereignis vom 5. Oktober 2017 entstehen,

die Beklagte zu verurteilen, die weiteren außergerichtlichen Kosten der Kläger in Höhe von 1.872,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, Verkehrssicherungspflichten habe sie an der fraglichen Stelle nicht zu erfüllen gehabt, weil der Baum in freier Landschaft gestanden habe und deshalb nicht regelmäßig habe kontrolliert werden müssen. Ihr „Leitfaden zur Baumkontrolle an Bundeswasserstraßen“ (Bl. 63 ff.) diene zum einen nur der verwaltungsinternen Prüfungspraxis und sei in Bezug auf Bäume in freier Landschaft überarbeitungsbedürftig. Der auf das Boot der Kläger gestürzte Baum habe sich zudem bis zum Sturz in einem äußerlich vitalen und gesunden Zustand befunden. Der außergewöhnlich starke Sturm, dem durch das zu Herbstbeginn noch am Baum befindliche Laub viel Angriffsfläche geboten worden sei, habe den Baum stürzen lassen, ohne dass darauf bei einer Baumkontrolle etwas hätte hinweisen können.

Das Schifffahrtsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen, da nicht festzustellen sei, dass bei einer Baumkontrolle Anhaltspunkte für die mangelhafte Standsicherheit des fraglichen Baumes zu erkennen gewesen seien. Der Baum sei aufgrund von Weißfäule oder eines Pilzbefalls nicht mehr standsicher gewesen. Die Kläger hätten hinreichende Anhaltspunkte für die Erkennbarkeit dieser Beeinträchtigungen des Baumes nicht dargelegt.

Mit ihren Berufungen halten die Kläger dem Schifffahrtsgericht vor, es hätte den von ihnen angebotenen Sachverständigenbeweis unterlassen. Zu berücksichtigen sei, dass die Beklagte eine Beweisvereitelung begangen habe: Entgegen ihren eigenen Regeln in dem Leitfaden habe sie die Beweissicherung unterlassen und die entstandenen Schäden nicht dokumentiert.

Die Kläger beantragen,

das am 27. Mai 2019 verkündete Urteil des Amtsgericht Brandenburg vom 6. Mai 2019 zum Az. 33 C 86/18 BSch aufzuheben und

die Beklagte zu verurteilen, an sie 25.000,00 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern alle weiteren materiellen Schäden zu ersetzen, die diesen aus dem schadensursächlichen Ereignis vom 5. Oktober 2017 entstehen,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 25.000,00 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 2 alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dieser aus dem schadensursächlichen Ereignis vom 5. Oktober 2017 entstehen,

die Beklagte zu verurteilen, die weiteren außergerichtlichen Kosten der Kläger in Höhe von 1.872,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt, der auf das Boot gestürzte Baum unterliege nicht der Verpflichtung zu einer jährlichen Regelkontrolle, weil er in freier Landschaft gestanden habe. Auch im Sinne ihres Leitfadens, der allerdings zivilrechtliche Pflichten ohnehin nicht begründe, handele es sich bei der Steganlage nicht um einen Liegeplatz. Bäume habe sie nur an von ihr errichteten und unterhaltenen Liegeplätzen zu kontrollieren.

Der Senat hat einen Sachverständigenbeweis zu der Frage erhoben, ob die mangelhafte Bruchsicherheit des Baumes bei einer Sichtkontrolle ein Jahr vor dem Sturz hätte erkannt werden können. Auf die Beweisbeschlüsse vom 19. November 2019 und 17. Februar 2020 (Bl. 215 f., 238 f.) und auf das erstellte schriftliche Sachverständigengutachten vom 23. September 2020 (nicht eingeheftet) wird verwiesen. Die Fragen und Einwendungen, die die Kläger innerhalb der ihnen gesetzten Frist (Beschl. v. 29. September 2020, Bl. 283 f.) dem Gutachten entgegengehalten haben, hat der Senat mit einem weiteren Beweisbeschluss vom 1. Dezember 2020 (Bl. 301 f.) dem Sachverständigen vorgelegt, der sein Gutachten schriftlich ergänzt hat (Bl. 344 ff.). Die Kläger haben beantragt, den Sachverständigen in mündlicher Verhandlung zu befragen, und sie haben nach der Ergänzung des Sachverständigengutachtens die Unbefangenheit des Sachverständigen bezweifelt, weil er eine frühere Tätigkeit für die Beklagte nicht angezeigt habe. In der mündlichen Berufungsverhandlung, zu der der Sachverständige nicht geladen worden ist, haben die Kläger zwei Lichtbilder vorgelegt (Bl. 362) und weitere Einwendungen gegen das Gutachten vorgetragen (Bl. 361). Die Sorgen gegenüber der Unbefangenheit des Sachverständigen haben sie mit dem Internetauftritt des Sachverständigen begründet, der dort angegeben habe, für ein Wasser- und Schifffahrtsamt der Beklagten tätig gewesen zu sein.

Wegen des weiteren Vortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung ist unbegründet.

Die Beklagte ist den Klägern nicht verpflichtet, die Schäden zu ersetzen, die ihnen an Leib und Eigentum durch das Umstürzen des Baums am 7. Oktober 2017 entstanden (§ 823 I BGB). Die Beklagte hat ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, indem sie eine regelmäßige Sichtkontrolle des fraglichen Baumes unterließ, aber diese Pflichtwidrigkeit wirkte sich nicht in den entstandenen Schäden aus, weil die Beeinträchtigungen des Baumes, die zu seinem Sturz führten, nicht hätten erkannt werden können.

Die Verkehrssicherungspflicht der Beklagten besteht auch für den Uferbereich, von dem Bäume auf die Steganlage und die dort festgemachten Boote stürzen konnten, weil die Beklagte die Wasserstraße auch dort für den Schiffsverkehr eröffnet hat, und zwar auch für Stilllieger an der Steganlage. Die Beklagte meint, nur an der Fahrrinne und an von ihr selbst eingerichteten und unterhaltenen Liegestellen sei sie verpflichtet, die Standsicherheit von Bäumen zu kontrollieren. Diese Argumente verfangen nicht: Die Fahrrinne ist der Teil des Fahrwassers, in dem die Beklagte durch Messungen und Baggerarbeiten Mindesttiefen und damit die Befahrbarkeit „anstrebt“ (§ 1.01 Nr. 37 BinSchStrO). Die Verkehrssicherungspflicht trifft sie dort, weil sie den Verkehr, nämlich die Befahrbarkeit, selbst sicherstellt und damit eröffnet und weil deshalb damit gerechnet werden muss, dass diese Bereiche regelmäßig befahren werden. Das Fahrwasser (§ 1.01 Nr. 36 BinSchStrO) darf auch außerhalb der Fahrrinne befahren werden, und die Wasserstraße darf außerhalb des Fahrwassers zum Stillliegen benutzt werden (§ 1.01 Nr. 22, 24, § 7.01 Nr. 1, 2 BinSchStrO). Die Verkehrssicherungspflicht trifft die Beklagte aber jedenfalls dort, wo das Fahren und das Stillliegen nicht nur erlaubt sind, sondern wo mit solchem Schiffsverkehr wegen der tatsächlichen und rechtlichen Verwaltungs- und Unterhaltungstätigkeit der Beklagten regelmäßig zu rechnen ist; darüber hinaus bedarf es einer Beurteilung zur Entscheidung über die Berufung nicht. Diese Verkehrseröffnung im Sinne eines solchen von der Beklagten veranlassten regelmäßigen Befahrens hat sie auch für die Steganlage vorgenommen, indem sie sie genehmigt hat. Dass die Steganlage ungenehmigt und unerlaubt eingerichtet wäre, ist von den Parteien nicht in Betracht gezogen worden. Die Beklagte muss mit der regelmäßigen Benutzung der von ihr genehmigten Anlagen rechnen und ihre an genehmigte Anlagen angrenzenden Grundstücke deshalb entsprechend pflegen und kontrollieren. Die Steganlage ist genehmigte Liegestelle, und auch dort und nicht nur an den von der Beklagten selbst eingerichteten und unterhaltenen Liegestellen, ist regelmäßig damit zu rechnen, dass Boote festgemacht werden und die Besatzung sich dort aufhält. Auch das Verkehrsrecht zeigt die Verkehrsbedeutung auch der genehmigten Liegestellen: Weil dort regelmäßig mit Stillliegern zu rechnen ist, brauchen Kleinfahrzeuge bei Dunkelheit kein weißes Licht zu führen (§ 22.24 Nr. 2 BinSchStrO).

Um ihrer Verkehrssicherungspflicht zu genügen, hätte die Beklagte die Bäume, die von ihren Grundstücken auf Liegestellen stürzen können, einmal jährlich sachkundig kontrollieren müssen. Eine Sichtkontrolle vom Boden hätte ausgereicht. Verdächtigen Umständen, die dabei auffallen, hätte sie besondere Aufmerksamkeit und weitere Kontrollen widmen müssen.

Dass die Beklagte sich in diesem Sinne sorgfältig verhalten hätte, behauptet sie selbst nicht. Ihre Sorgfaltspflichtverletzung hat sich aber in dem Sturz des Baumes und in den dabei entstandenen Körper- und Sachschäden der Kläger nicht ausgewirkt. Es ist den Klägern nicht gelungen zu beweisen, dass bei einer sorgfaltsgemäß vorgenommenen Kontrolle des fraglichen Baumes aufgefallen wäre, dass dieser Baum in der Gefahr stand, innerhalb des nachfolgenden Jahres umzustürzen, so dass die Beklagte innerhalb dieses Kontrollintervalls durch Sicherung oder Beseitigung des Baumes hätte eingreifen müssen.

Diesen Ursachenzusammenhang zwischen mangelhafter oder ganz unterlassener Kontrolle und Entstehen des Schadens hatten die Kläger als Schadensersatzgläubiger nach allgemeinen Regeln zu führen.

Ein Anscheinsbeweis erleichtert ihnen diese Obliegenheit nicht. Dass ein Baum, der im Sturm umstürzt, bei der Regelkontrolle erkennbare Krankheitssymptome aufwies, ist kein durch Erfahrung belegter typischer Geschehensablauf. Gerade bei außergewöhnlichen Wetterereignissen wie dem Sturmtief „Xavier“ stürzen auch gesunde Bäume um.

Eine Beweisvereitelung ist der Beklagten nicht anzulasten. Sie war nicht verpflichtet, das schädigende Ereignis im Interesse der Kläger eingehend zu dokumentieren oder etwa entstandene Augenscheinsobjekte oder für eine Begutachtung geeignete Gegenstände wie Baumteile zu sichern und aufzubewahren. Es braucht nicht in Erwägung gezogen zu werden, ob aus dem schädigenden Ereignis irgendwelche Obhutspflichten in Bezug auf die Interessen der Kläger entstanden sein könnten, weil diese wegen des eingetretenen Schadens nicht mehr in der Lage gewesen wären, sich um ihre Angelegenheiten selbst zu kümmern. Sie waren dazu tatsächlich in der Lage, wie die von ihnen selbst angefertigten und im Prozess vorgelegten Lichtbilder zeigen. Es bestand weder ein tatsächliches noch ein rechtliches Hindernis, ein selbständiges Beweisverfahren zu beginnen, um der Behauptung der Kläger rechtzeitig nachzugehen, bei einer Kontrolle des Baumes hätte dessen demnächst eintretende mangelhafte Standsicherheit erkannt werden können.

Der Senat ist durch ein Sachverständigengutachten der Behauptung der Kläger nachgegangen, ob schon ein Jahr vor dem Sturm habe erkannt werden müssen, dass der fragliche Baum in seinem unteren Bereich verfault und deshalb nicht mehr bruchsicher gewesen sei.

Der Sachverständige hat diese Behauptung nicht bestätigt: Der Baum sei durch den Pilz Hallimasch befallen gewesen; insoweit deckt sich seine Beurteilung mit derjenigen des vor Prozessbeginn befassten Gutachters. Dieser Pilzbefall habe von außen nicht erkannt werden können, weil der Pilz am Baumäußeren nicht sichtbar gewesen sei und weil Vitalitätseinschränkungen oder Rindenablösungen nicht erkennbar gewesen und somit nicht auf den Pilzbefall hingedeutet hätten.

Die Einwendungen der Kläger hat der Senat dem Sachverständigen vorgelegt, der sein Gutachten schriftlich ergänzt und das von ihm vertretene Ergebnis bestätigt hat: Eingewachsene Rinde habe nicht auf eine Schädigung des Baumes hingewiesen, weil dieses Phänomen allein keinen Verdacht errege. Weitere Defektsymptome (Ausfluss, Insekten, Pilzfruchtkörper, Wuchsanomalien) seien nicht erkennbar gewesen. Auf keinem der Bilder, die den umgestürzten Baum zeigten, seien Vitalitätseinschränkungen zu erkennen, die auf einen Pilzbefall hätten schließen lassen können.

Auf diese Beurteilung des Sachverständigen stützt der Senat seine Entscheidung. Anlass zu Bedenken sind nicht ersichtlich geworden. Der Sachverständige hat deutlich und verständlich dargelegt, worauf es für seine Bewertung ankommt, ob der Pilzbefall des Baumes ein Jahr vor dem Sturz schon hätte erkannt werden können. Die Wirkungszusammenhänge hat er erläutert und gegen die Einwendungen der Kläger überzeugend verteidigt, in dem er weitere, in die schon eingeschlagene Richtung weisende Argumente ausgeführt hat. Das begründet das Vertrauen in den Sachverständigen, er habe nicht rechthaberisch auf dem einmal eingenommenen Standpunkt verharren wollen, sondern er könne das von ihm vertretene Ergebnis sachkundig stützen.

Sorgen gegen die Unbefangenheit des Sachverständigen braucht der Senat nicht nachzugehen. Wenn der Sachverständige bereits einmal für eine Behörde der Beklagten ein Gutachten erstellt hätte, müsste nicht ohne weiteres befürchtet werden, er werde nicht mehr zu Ergebnissen kommen wollen, die der Beklagten ungünstig sein könnten. Eine große persönliche Vertrautheit zu Mitarbeitern der Beklagten oder eine wirtschaftliche Abhängigkeit von weiteren Verträgen mit der Beklagten ist zum einen nicht ersichtlich. Zum anderen bleibt fraglich, ob die durch das hier erstellte Gutachten für die Beklagte ausgelösten ungünstigen Folgen ausreichend gewichtig sein könnten, um dem Sachverständigen für etwaige weitere gelegentliche Aufgaben im weiten Bereich der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung das Vertrauen zu entziehen. Über ein ausdrücklich angebrachtes Ablehnungsgesuch der Kläger ist nicht zu entscheiden. Sie haben ein Ablehnungsgesuch nicht angebracht. Die Ablehnungsfrist des § 406 II 1 ZPO ist verstrichen.

Der Senat braucht dem Antrag der Kläger, den Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens mündlich anzuhören, nicht nachzugehen. Die Bedenken, die die Kläger dem schriftlichen Gutachten entgegengehalten haben, hat der Sachverständige in seiner schriftlichen Ergänzung bearbeitet und das von ihm gefundene Ergebnis anhand weiterer Darlegungen bekräftigt. Die Kläger haben keine weiteren, neuen Gesichtspunkte aufgezeigt, die sie erst jetzt hätten vortragen können und die nur in einer mündlichen Erörterung des Gutachtens aufgeklärt werden könnten. Dies gilt auch für die Flecken in der Rinde des Baumes, von denen die Kläger in der mündlichen Berufungsverhandlung vorgetragen haben, der Sachverständige habe sie als deutlichen Hinweis auf eine für die Standsicherheit maßgebliche Fäule nicht zur Kenntnis genommen. Die Kläger haben nicht versucht darzulegen, weshalb sie diese Bedenken nicht bereits während der ihnen mit dem Beschluss vom 29. September 2020 (Bl. 283 f.) gesetzten Frist (§ 411 IV ZPO) vorgetragen haben. Dass der Sachverständige Rindenflecken unberücksichtigt gelassen hätte, hätte ihm bereits nach seinem ersten schriftlichen Gutachten vorgehalten werden können, nicht erst nach der schriftlichen Ergänzung des Gutachtens.

Die Kläger haben schließlich auch keine Unklarheiten oder Lücken in den schriftlichen Gutachten bezeichnet, die der Sachverständige nur noch mündlich erläutern könnte, weil sie so kompliziert oder unübersichtlich wären, dass eine schriftliche Erläuterung kein ausreichendes Verständnis vermitteln könnte. Nur dann wäre eine mündliche Erläuterung geboten. Das Verfahrensrecht, insbesondere das durch § 411 III 1 ZPO eingeräumte Ermessen, sieht nicht vor, dass ein Sachverständiger auf bloßen Zuruf einer Partei sein schriftliches Gutachten mündlich erläutern müsste. Übergeordnete Gesichtspunkte des rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG, 52 III VerfBbg) gewähren einen solchen Anspruch nicht. Wie rechtliches Gehör gewährt wird, richtet sich nach der jeweils geltenden Verfahrensordnung. Für Angriffe auf ein Sachverständigengutachten sehen die §§ 411 IV 1, 129 I ZPO dafür eine schriftliche Mitteilung an das Gericht vor. Dem schriftlichen Sachverständigengutachten und den Ergänzungen hat auch die beweisbelastete Partei mit dem grundsätzlichen Willen und Bemühen zu begegnen, auch die Darlegungen und Bewertungen zu erfassen und zu verstehen, die ihr Anliegen nicht fördern. Dieses Verständnis und die Möglichkeit, geeignete Fragen zu stellen und Gegenargumente zu formulieren, um die Bewertungen des Sachverständigen zu erschüttern, mögen einem Laien schwerfallen, wenn der Gegenstand des Gutachtens durch eine besondere Vielfalt an möglichen Wirkungszusammenhängen und durch besonders schwierig zu erfassende Tatsachen gekennzeichnet ist, die schon nur mit besonderer Sachkunde festgestellt werden können. Auf solchen Gebieten – etwa bei medizinischen, psychologischen und auch umfangreichen ingenieurtechnischen oder naturwissenschaftlichen Fragestellungen – mag das durch § 411 III 1 ZPO eingeräumte Ermessen auf einen Anspruch der Partei reduziert sein, den Sachverständigen jedenfalls mündlich anzuhören, weil jeder Laie schnell überfordert ist, Fragen und Einwendungen schriftlich auszuführen, und der Anspruch auf rechtliches Gehör anders nicht zu gewähren ist. Das gilt in Fällen wie dem hier zu entscheidenden nicht. Es bedarf zweifelsfrei besonderer Sachkunde, um zu wissen und zu erläutern, welche Krankheiten die Standsicherheit eines Baumes gefährden, wie diese Krankheiten entstehen, was im äußeren Erscheinungsbild eines Baumes auf diese Krankheiten hinweist und was in welchem Stadium des Verlaufs zu erkennen ist. Diese Feststellungen und die Beurteilungen der Wirkungszusammenhänge gehören nicht zum Allgemeinverständnis und auch nicht zum Wissen eines an Bäumen interessierten Laien. Aber sie sind auch nicht so kompliziert, dass sie jedenfalls mündlicher Erläuterung bedürfen. Was der Sachverständige in seinem ersten Gutachten schriftlich dargelegt hat, bedurfte der sachverständigen Erläuterung, aber sie reichte auch aus, um nun eine Gewissheit über die Zusammenhänge erreicht zu haben, die ausreicht, um zu einer Entscheidung des Rechtsstreits zu gelangen und um die getroffene Entscheidung verstehen und daraufhin prüfen zu können, ob sie von den sachverständigen Beurteilungen getragen wird. Die schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen zu den übersichtlichen Feststellungen und Zusammenhängen waren ausreichend deutlich und gut verständlich; einer mündlichen Erläuterung bedarf es nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 I 1, 97 I ZPO. Die Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil ist entsprechend der unterschiedlichen Beteiligung der Kläger an den verfolgten Anträgen abgeändert worden.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO.

Anlass, die Revision zuzulassen (§ 542 II ZPO), besteht nicht.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 32.000 Euro festgesetzt (§§ 63 II, 47 I 1 GKG).