Gericht | OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 13.11.2012 | |
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Aktenzeichen | 10 UF 226/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 25. Mai 2011 unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. April 2007 Betreuungsunterhalt in Höhe von insgesamt 1.018.80 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus
- je 85,98 € seit 1.2., 1.3. und 1.4.2006,
- je 74,01 € seit 1.5., 1.6., 1.7., 1.8., 1.9., 1.10., 1.11. und 1.12.2006,
- je 56,26 € seit dem 1.2., 1.3., und 1.4.2007.
Der weitergehende Antrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin zu 85 % und dem Antragsgegner zu 15 % auferlegt.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz fallen der Antragstellerin zu 90 % und dem Antragsgegner zu 10 % zur Last.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.848 € festgesetzt.
I.
Die Beteiligten streiten über Betreuungsunterhalt nach § 1615 l Abs. 2 BGB für die Zeit vom 1.1.2006 bis zum 30.4.2007.
Aus der nichtehelichen Beziehung der Antragstellerin und des Antragsgegners ist die am ….5.2004 geborene Tochter M… hervorgegangen. Der Antragsgegner, der eine KFZ - Werkstatt betreibt, hat am 18.6.2004 seine Vaterschaft anerkannt. Ferner hat er sich durch Jugendamtsurkunde vom 18.6.2004 verpflichtet, Kindesunterhalt in Höhe von 135 % des Regelbetrages nach § 2 der Regelbetragverordnung zu zahlen. Mit zahlreichen Anwaltsschreiben, beginnend mit dem 27.9.2004, hat die Antragstellerin den Antragsgegner zur Berechnung ihres Betreuungsunterhalts sowie des Kindesunterhalts auf Auskunft über seine Einkünfte in Anspruch genommen.
Der Antragsgegner hat in der in Rede stehenden Zeit vom 1.1.2006 bis zum 30.4.2007 monatlich 342 € gezahlt. Davon entfallen unstreitig 171 € auf den Kindesunterhalt und 171 € auf den Betreuungsunterhalt der Antragstellerin. Ferner hat die in B… wohnende Antragstellerin in dieser Zeit für sich und ihre beiden Töchter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den Bestimmungen des SGB II durch das Jobcenter T… bezogen.
In 1/2010 hat die Antragstellerin das vorliegende Verfahren eingeleitet, mit dem sie weiteren Betreuungsunterhalt über die vom Antragsgegner bereits geleisteten Zahlungen hinaus fordert. Das Amtsgericht hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 25.5.2011 antragsgemäß zur Zahlung von Betreuungsunterhalt in Höhe von monatlich 428 €, insgesamt 6.848 €, nebst Zinsen für die Zeit von 1/2006 bis einschließlich 4/2007 verpflichtet.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, der sich insbesondere auf eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs der Antragstellerin wegen verzögerlicher Geltendmachung (§ 242 BGB) beruft. Er habe seine Lebenshaltung und seine Investitionen betreffend die Einzelfirma Autoservice O… darauf eingerichtet, keinen höheren als den bereits tatsächlich geleisteten Betreuungsunterhalt zahlen zu müssen.
Der Antragsgegner beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung den Antrag der Antragstellerin abzuweisen.
Die Antragstellerin begehrt die Zurückweisung der Beschwerde und verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie hält den Einwand der Verwirkung angesichts der Höhe der Einkünfte des Antragsgegners aus seiner selbständigen Tätigkeit für unbegründet. Jedenfalls sei das sogenannte Umstandsmoment nicht erfüllt.
Der Senat hat beim Jobcenter T… eine Auskunft über die Höhe der an die Antragstellerin ab 1.1.2006 erbrachten SGB II - Leistungen eingeholt.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist teilweise begründet. Der Antragstellerin steht gegen den Antragsgegner ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt gemäß § 1615 l Abs. 2 Satz 2 BGB zu. Die Höhe dieses Anspruchs wird jedoch durch die der Antragstellerin gewährten Leistungen nach dem SGB II begrenzt, so dass ihr unter Berücksichtigung der vom Antragsgegner bereits geleisteten Zahlungen nur noch eine Forderung in Höhe von insgesamt 1.018,77 € gegen ihn zusteht.
1.
Der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin besteht gemäß § 1615 l Abs. 2 BGB wegen ihrer Betreuung und Erziehung der gemeinsamen Tochter M… bis mindestens drei Jahre nach der Geburt. Hierbei ist es nicht erforderlich, dass die Kinderbetreuung der alleinige Grund für ihre Nichterwerbstätigkeit ist. Ein Anspruch nach § 1615 l Abs. 2 BGB besteht auch dann, wenn die Mutter schon zuvor arbeitslos war oder z. B. wegen Krankheit keiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann.
Es steht zwischen den Beteiligten außer Streit, dass die Antragstellerin in dem in Rede stehenden Zeitraum die Pflege und Erziehung der gemeinsamen Tochter wahrgenommen und damit von der ihr offenstehenden Möglichkeit, sich während der ersten drei Lebensjahre von M… nur ihrem Kind zu widmen (und keiner Erwerbstätigkeit nachzugehen), Gebrauch gemacht hat.
Es besteht damit grundsätzlich ein Anspruch der Antragstellerin auf Betreuungsunterhalt gemäß § 1615 l Abs. 2 BGB in der in Rede stehenden Zeit vom 1.1.2006 bis zum 30.4.2007.
2.
Die Höhe des Anspruchs bestimmt sich nach der Lebensstellung der Kindesmutter (§ 1615 l Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 1610 Abs. 1 BGB). Da die Antragstellerin vor der Geburt von M… nicht berufstätig war, jedenfalls ist zu einem nachhaltig erzielten Einkommen nichts vorgetragen, ist von einem Mindestbedarf in Höhe des Existenzminimums auszugehen. Dieser kann unterhaltsrechtlich mit dem notwendigen Selbstbehalt eines Nichterwerbstätigen - in den in Rede stehenden Jahren 2006 und 2007 in Höhe von monatlich 770 € - pauschaliert werden (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2010, 357).
Die Leistungsfähigkeit des Antragsgegners in Höhe dieses unterhaltsrechtlichen Mindestbedarfs steht zwischen den Beteiligten mit Blick auf sein tatsächliches Einkommen aus selbständiger Tätigkeit nicht im Streit. Die vom Antragsgegner im streitigen Anspruchszeitraum geleisteten Zahlungen belaufen sich unstreitig auf monatlich 171 €, sodass sich ein ungedeckter Restbedarf der Antragstellerin in Höhe von monatlich 599 € errechnet.
3.
Die der Antragstellerin vom Jobcenter T… im streitigen (vor Eintritt der Rechtshängigkeit liegenden) Unterhaltszeitraum gewährten Leistungen nach dem SGB II schließen das Bestehen eines Betreuungsunterhaltsanspruchs zwar nicht aus. Sie sind jedoch mit Blick auf § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen.
a)
Entsprechend dem Senatsbeschluss vom 21.6.2012 hat das Jobcenter T… unter dem 28.6.2012 die in Rede stehenden Bescheide über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die aus der Antragstellerin und ihren beiden minderjährigen Töchtern bestehende Bedarfsgemeinschaft vorgelegt. Danach hat die Antragstellerin für sich im vorliegend streitbefangenen Anspruchszeitraum folgende Leistungen bezogen:
Zeitraum | Lebensunterhalt | Unterkunft | Gesamtleistungen |
1/2006 | 370,48 € | 250,29 € | 620,77 € |
2 bis 4/2006 | 352,29 € | 160,73 € | 513,02 € |
5 bis 10/2006 | 354,80 € | 170,19 € | 524,99 € |
11 und 12/2006 | 354,80 € | 170,19 € | 524,99 € |
1/2007 | 377,45 € | 303,92 € | 681,37 € |
2 bis 4/2007 | 358,26 € | 184,48 € | 542,74 € |
b)
Bei der Frage, ob und inwieweit diese Leistungen gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf den Bedarf der Antragstellerin anzurechnen sind bzw. der Unterhaltsanspruch im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs teilweise auf das Jobcenter T… übergegangen ist, muss wegen der unterschiedlichen Gesetzeslage nach Zeitabschnitten differenziert werden:
§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB II in der zu Beginn des Anspruchszeitraums geltenden Fassung bestimmt: Haben Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einen Anspruch gegen einen Anderen, der nicht Leistungsträger ist, können die Träger der Leistungen nach diesem Buch durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, dass der Anspruch bis zur Höhe der erbrachten Leistungen auf die Agentur für Arbeit übergeht. Der Übergang des Anspruchs darf nur bewirkt werden, soweit bei rechtzeitiger Leistung des anderen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären.
Die für einen Übergang der Unterhaltsansprüche gesetzlich vorgesehene Überleitungsanzeige ist während des Anspruchszeitraums durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I, 1706 ff) „abgeschafft“ und durch einen gesetzlichen Forderungsübergang ersetzt worden. Diese Neufassung des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist nach Art. 16 des vorbezeichneten Gesetzes zum 1.8.2006 in Kraft getreten und galt über das Ende des streitigen Anspruchszeitraums hinaus fort (vgl. in diesem Zusammenhang auch Wendl/Klinkhammer, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl., § 8, Rn. 15 ff). Eine Rückwirkung der Gesetzesänderung für die Zeit vor dem 1.8.2006 kommt nicht in Betracht.
§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB II in der ab 1.8.2006 geltenden Fassung bestimmt:Haben Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen anderen, der nicht Leistungsträger ist, geht der Anspruch bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Träger der Leistungen nach diesem Buch über, wenn bei rechtzeitiger Leistung des anderen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären.
aa)
Eine durch schriftliche Anzeige des Jobcenters T… an den unterhaltspflichtigen Antragsgegner bewirkte Überleitung der Unterhaltsansprüche für den in Rede stehenden Zeitabschnitt vom 1.1.2006 bis zum 31.7.2006 ist nicht erfolgt. Vom (endgültigen) Ausbleiben einer solchen Überleitung kann hier mit Blick auf den Einwand der Antragstellerin, ihr sei von einer Mitarbeiterin des Bezirksamts T… von B…, Frau K…, im Jahr 2004 mitgeteilt worden, ihr Betreuungsunterhaltsanspruch gehe so lange nicht auf das Land B… über, wie der Antragsgegner seiner vom Bezirksamt errechneten Zahlungsverpflichtung von monatlich 171 € nachkommt, ausgegangen werden. Dafür spricht auch der Umstand, dass das Bezirksamt T… den Antragsgegner unter dem 23.8.2004 ausdrücklich nur zur Zahlung von Betreuungsunterhalt für die Antragstellerin in Höhe von monatlich 171 € (ab 7/2004) aufgefordert hat. Eine spätere Zahlungsaufforderung bzw. Überleitungsanzeige durch das Bezirksamt bzw. Jobcenter ist nicht erfolgt. Ein höherer - als der vom Bezirksamt im Jahr 2004 mit 171 € ermittelte - Unteranspruch nach § 1615 l BGB ist erst im Zuge der von der Antragstellerin für sich und die Tochter M… in der Zeit ab 9/2004 geltend gemachten Auskunftsansprüche - und auch nur von ihr selbst, und nicht vom Bezirksamt/Jobcenter - errechnet worden.
Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass für den Anspruchszeitraum vom 1.1.2006 bis zum 31.7.2006 eine Anrechnung der in dieser Zeit erbrachten SGB II-Leistungen auf den Bedarf der Antragstellerin zu erfolgen hat, um auf diese Weise unter Abwägung der Interessen von Unterhaltsschuldner und -gläubigerin zu angemessenen, den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entsprechenden Ergebnissen zu gelangen. Denn die Antragstellerin hat ihren Lebensunterhalt mit Hilfe der ihr vom Jobcenter ohne Rückforderungsabsicht zur Verfügung gestellten SGB II-Leistungen bestritten. Es erscheint nicht angezeigt, wenn sie nunmehr zusätzlich den Antragsgegner als Unterhaltsschuldner auf Erfüllung seiner Unterhaltspflicht für diesen - in der Vergangenheit liegenden - Zeitraum in Anspruch nimmt. Dem steht die gesetzlich gewollte Regelung der Subsidiarität der Sozialhilfe nicht entgegen. Andernfalls erhielte die Antragstellerin wegen der (fehlerhaft) unterbliebenen Überleitungsanzeige durch das Jobcenter mit Blick auf die tatsächlich gewährten SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1.1.2006 bis zum 31.7.2006 mehr, als ihr materiell-rechtlich als Betreuungsunterhalt nach § 1615 l BGB zusteht.
In 1/2006 hat die Antragstellerin anrechenbare SGB II - Leistungen in Höhe von insgesamt rund 621 € erhalten. Hierdurch ist ihre Bedürftigkeit entfallen.
Für die Zeit von 2 bis 4/2006 verbleibt bei einer Anrechnung der SGB II - Leistungen lediglich ein ungedeckter Restbedarf der Antragstellerin in Höhe von (599 € - 513,02 € =) monatlich 85,98 €.
Für die Zeit von 5 bis 7/2006 kann die Antragstellerin unter Berücksichtigung der geleisteten SGB II - Leistungen vom Antragsgegner nur noch (599 € - 524,99 € =) monatlich 74,01 € verlangen.
bb)
Für die Zeit von 8/2006 bis 4/2007 ist mit Blick auf die zum 1.8.2006 in Kraft getretene Änderung des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II ein gesetzlicher Forderungsübergang auf das Jobcenter bis zur Höhe der erbrachten Aufwendungen erfolgt. Dieser ist unterhaltsrechtlich zu beachten.
Auch für diesen Zeitabschnitt kann die Antragstellerin nicht einwenden, ihr sei von der Mitarbeiterin im Bezirksamt T…, Frau K…, im Jahr 2004 mitgeteilt worden, ihr Betreuungsunterhaltsanspruch gehe so lange nicht auf das Land B… über, wie der Antragsgegner seiner vom Jobcenter errechneten Zahlungsverpflichtung von monatlich 171 € nachkommt. Grundlage dieser Auskunftserteilung des Bezirksamts war ersichtlich, dass dieses nach seinen auf den damaligen eigenen Angaben des Antragsgegners beruhenden Berechnungen lediglich von einer Zahlungsverpflichtung des Antragsgegners von monatlich 171 € ausgegangen ist. Tatsächlich besteht jedoch gegen den leistungsfähigen Antragsgegner ein materiell- rechtlicher Unterhaltsanspruch der Antragstellerin in (der vollen) Höhe von monatlich 770 €. Vor diesem Hintergrund ist der gesetzliche Unterhaltsanspruch der Antragstellerin im Umfang der vom Jobcenter ab 1.8.2006 erbrachten Leistungen bis zur Höhe des vom Antragsgegner tatsächlich geschuldeten Unterhalts abzüglich der von ihm geleisteten Zahlungen auf das Jobcenter übergegangen. Der Antragstellerin fehlt daher die Befugnis, ihren aus der Zeit vor Eintritt der Rechtshängigkeit herrührenden Unterhaltsanspruch in Höhe der vom Jobcenter T… erbrachten SGB II-Leistungen gegenüber dem Antragsgegner geltend zu machen (vgl. hierzu Wendl/Klinkhammer, a.a.O., § 8, Rn. 77).
Für die Zeit von 8 bis 12/2006 kann die Antragstellerin unter Berücksichtigung der geleisteten SGB II - Leistungen vom Antragsgegner nur noch (599 € - 524,99 € =) monatlich 74,01 € verlangen.
In 1/2007 ist wegen der Gesamtleistung in Höhe von 681,37 € durch das Jobcenter die Bedürftigkeit der Antragstellerin entfallen.
Für die Monate 2 bis 4/2007 errechnet sich ein ungedeckter Restbedarf der Antragstellerin in Höhe von (599 € - 542,74 € =) monatlich 56,26 €.
c)
Im Ergebnis ist der Antragsgegner der Antragstellerin nur noch zur Zahlung eines Betreuungsunterhalts in Höhe von (3 x 85,98 € + 8 x 74,01 € + 3 x 56,26 € =) insgesamt 1.018,80 € verpflichtet.
4.
Der Antragsgegner kann sich weder ganz noch teilweise auf den von ihm erhobenen Einwand der Verwirkung (§ 242 BGB) dieses Betreuungsunterhaltsanspruchs der Antragstellerin nach § 1615 l Abs. 2 BGB berufen.
Eine Verwirkung kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (st. Rspr., vgl. hierzu z.B. BGH, FamRZ 2010, 1888). Diese Voraussetzungen der Verwirkung sind hier nicht erfüllt.
Soweit es um die erste zeitliche Lücke zwischen den Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 20.1.2005 und vom 29.5.2006 geht, kommt es darauf für die vorliegende Entscheidung nicht an. Eine Verwirkung könnte nur die länger als ein Jahr zurückliegenden Unterhaltsansprüche - also für die Zeit vor dem 29.5.2005 - erfassen. Im vorliegenden Verfahren geht es aber nur um den Betreuungsunterhalt für die Antragstellerin in der Zeit ab 1.1.2006.
Die zweite in Rede stehende Zeitlücke zwischen dem 29.5.2006 und dem 18.6.2007 überschreitet die für eine Verwirkung maßgebliche Frist von „etwa einem Jahr“ (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2010, 1888) mit knapp 3 Wochen nur ganz geringfügig. Angesichts der sehr zögerlichen Auskunftserteilung durch den Antragsgegner und weil für das Zeitmoment keine starre Frist gilt, reicht die Zeitlücke vom 29.5.2006 bis zum 18.6.2007 für eine Bejahung des sogenannten Zeitmoments im Rahmen der Verwirkung nicht aus. Zudem hat sich der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners während dieser Zeit bei dem Bevollmächtigten der Antragstellerin gemeldet und Einkommensunterlagen des Antragsgegners übersandt sowie von der Antragstellerin Auskünfte über ihre Einkommensverhältnisse verlangt. Daraus wird deutlich, dass der Antragsgegner seinerzeit selbst noch nicht davon ausgegangen ist, von der Antragstellerin nicht mehr auf Betreuungsunterhalt in Anspruch genommen zu werden. Daher ist hier auch das sogenannte Umstandsmoment nicht erfüllt.
Somit ist die Antragstellerin nicht nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB an der Geltendmachung ihres festgestellten Betreuungsunterhaltsanspruchs gehindert.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 1613 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG, 40 Abs. 1, 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG.