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FU/Tiermedizin; Wintersemester 2010/11; Studienanfänger; Schwundberechnung; Überprüfungstatbestände; kapazitätserhöhende -; schwundrelevante Kriterien; Entlastung des Lehrpersonals durch Studienabbruch/Hochschul- oder Fachwechsel in höheren Semestern; Formalstatus der Immatrikulation; (keine) Berücksichtigung individueller Studierverhaltensweisen; "Nichtantritt" zur Vorprüfung kein schwundrelevantes Kriterium


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 16.05.2011
Aktenzeichen OVG 5 NC 90.10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 14 Abs 3 Nr 3 KapVO BE, § 16 KapVO BE

Leitsatz

Für die Schwundberechnung nach dem Hamburger Modell ist es ohne Belang, ob in die Bestandsstatistiken Studierende des 5. Fachsemesters oder eines höheren Fachsemesters einbezogen sind, die sich noch nicht zur tierärztlichen Vorprüfung angemeldet haben ("Nichtantrittsschwund"). Kapazitätsrechtlich von Bedeutung ist allein der Formalstatus der Immatrikulation

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. November 2010 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, sie nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2010/11 vorläufig als Studienanfängerin zum Studium der Tiermedizin zuzulassen. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass die Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin einer rechtlichen Überprüfung standhalte. Über die in der Zulassungsordnung festgesetzte Zulassungszahl von 170 Studienplätzen und über die Zahl der tatsächlich vergebenen Studienplätze (175) hinaus seien keine weiteren Studienplätze für Studienanfänger frei.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde. Sie beanstandet zum einen, dass das Verwaltungsgericht die Zurückverlagerung der C 1-Stelle Nr. 890 120 in den Stellenpool "Frauenförderung" nach dem Ausscheiden der Stelleninhaberin als kapazitätsmindernd anerkannt habe, ohne zu klären, ob sie möglicherweise anschließend einer Lehreinheit ohne Zulassungsbeschränkung zugewiesen worden sei (dazu unter 1.). Zum anderen rügt sie, dass bei der Schwundberechnung der "Nichtantrittsschwund" keine Berücksichtigung gefunden habe. Dieser betreffe Studierende, die zur Vorprüfung gar nicht erst anträten, sich dennoch über 10 Semester oder länger zurückmeldeten, ohne jemals Lehrveranstaltungen des klinischen Studienabschnitts besuchen zu können. Durch derartige "Karteileichen" erfahre das Lehrpersonal eine vollständige Entlastung, der kapazitätsrechtlich Rechnung getragen werden müsse (dazu unter 2.).

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO nur im Rahmen der fristgerechten Darlegungen des Beschwerdeführers entscheidet, ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss hält einer auf das Vorbringen der Antragstellerin bezogenen Überprüfung stand.

1.
Frauenförderstelle

Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob das Verwaltungsgericht die kapazitätsrechtliche Billigung der Zurückverlagerung der C 1-Stelle in den Stellenpool "Frauenförderung" davon hätte abhängig machen müssen, welcher Lehreinheit sie anschließend zur Verfügung gestellt wird, bedarf mangels Entscheidungsrelevanz keiner Klärung. Denn selbst wenn das auf diese Stelle entfallende Deputat in die Berechnung einzubeziehen gewesen wäre, hätte dies die vom Verwaltungsgericht errechnete Aufnahmekapazität von 165 Studienanfängern lediglich um einen Studienplatz erhöht.

2.
Schwundberechnung

Die Angriffe gegen die Schwundberechnung sind nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Der Senat hat sich in den vergangenen Jahren mehrfach dahingehend geäußert, dass es für die der Schwundberechnung zugrundezulegenden Bestandsstatistiken unerheblich ist, ob sich unter den Studierenden der höheren Fachsemester solche befinden, die die (zahn- oder) tierärztliche Vorprüfung nicht bestanden haben (vgl. zuletzt den Beschluss vom 19. Juli 2010 - OVG 5 NC 1.10 - [Tiermedizin, WS 2009/10], juris Rn. 18 ff. m.w.N.). Soweit der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin unter Bezugnahme auf eben diese Entscheidung meint, der Senat habe seine - in jenem Verfahren übrigens von einem anderen Bevollmächtigten referierte - Argumentation verkannt, ist dies angesichts seines jetzigen Vorbringens wenig nachvollziehbar. Selbst wenn allerdings seine Argumentation auf der Grundlage eines nun als "Nichtantrittsschwund" bezeichneten Entlastungsphänomens im klinischen Ausbildungsabschnitt, der dadurch eintrete, dass Studierende sich zur tierärztlichen Vorprüfung gar nicht erst anmeldeten und dennoch bis zum Ablauf der Regelstudienzeit immatrikuliert blieben, der Sache nach tatsächlich eine andere als die bisherige wäre, so rechtfertigte sie jedenfalls keine andere Beurteilung.

Der Bruch der Argumentation zum "Nichtantrittsschwund" liegt in der Aussage, dass eine vollständige Entlastung der Lehreinheit im klinischen Ausbildungsabschnitt - die Richtigkeit dieser Annahme unterstellt - "zweifelsohne" gemäß § 14 Abs. 3 Nr. 3 KapVO zu beachten sei, weil diese Bestimmung nicht ausschließlich auf eine Schwundberechnung nach dem Hamburger Modell abstelle. Letzteres ist zwar richtig. Dies jedoch nur deshalb, weil sich § 14 Abs. 3 Nr. 3 KapVO zum Hamburger Modell nicht verhält, sondern ausschließlich regelt, in welchen Fällen eine kapazitätserhöhende Korrektur des Berechnungsergebnisses nach dem Zweiten Abschnitt der Kapazitätsverordnung in Betracht kommt. Erst dann, wenn sich nach Maßgabe der dort genannten Kriterien feststellen lässt, dass die Zahl der Abgänge an Studierenden in den höheren Fachsemestern größer ist als die Zahl der Zugänge ("Schwundquote"), und dem durch Erhöhung der Studienanfängerzahl Rechnung zu tragen ist (§ 16 KapVO), gewinnt das Hamburger Modell als rechentechnisches Verfahren zur Quantifizierung des Schwundes Bedeutung.

Kapazitätserhöhender Überprüfungstatbestand ist nach § 14 Abs. 3 Nr. 3 KapVO die Entlastung des Personals von Lehraufgaben durch Studienabbruch, Fachwechsel oder Hochschulwechsel von Studierenden in höheren Semestern. Mit dieser Legaldefinition knüpft der Verordnungsgeber an das - in Art. 6 Abs. 3 Satz 7 des Staatsvertrages vom Juni 2008 als weiteres kapazitätsbestimmendes Kriterium genannte - "Verbleibeverhalten" der Studierenden und damit erkennbar an deren Immatrikulationsstatus an. Denn allein dieser Status lässt nach außen erkennbar werden, ob der Studierende sein Studium an der Hochschule endgültig aufgegeben hat bzw. im Falle der Zwangsexmatrikulation aufgeben musste. Entgegen der Ansicht des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ist es für die semesterbezogenen Bestandsstatistiken daher ohne Belang, ob ein Studierender an den nach der Studienordnung vorgesehenen Lehrveranstaltungen (noch) nicht teilnehmen darf, weil er eine hierfür vorgeschriebene Prüfung nicht bestanden hat, oder sein Studium trotz fortbestehender Immatrikulation mangels Motivation schlichtweg nicht vorantreibt und sich deshalb zur Prüfung gar nicht erst anmeldet. In beiden Fällen wäre ausschließlich das konkrete Studierverhalten einzelner noch immatrikulierter Studenten angesprochen, das zu berücksichtigen dem eindeutigen Wortlaut des § 14 Abs. 3 Nr. 3 KapVO selbst in dem ohnehin höchst unwahrscheinlichen Fall widerspräche, dass es den gesamten Rest der Regelstudienzeit andauerte.

Aus vorstehenden Gründen kommt es weder darauf an, zu welchen Feststellungen die HIS in ihren zumal bundesweiten und zwischen den Studiengängen Zahnmedizin und Veterinärmedizin nicht differenzierenden Studienabbruchstudien zum Schwundverhalten gekommen ist, noch darauf, ob sich unter den an der Antragsgegnerin in dem hier in Rede stehenden Studiengang immatrikulierten Studierenden in den 10. Fachsemestern der Jahrgänge 2005 bis 2009 tatsächlich noch solche mit nicht bestandener Vorprüfung befunden haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).