Gericht | LG Frankfurt (Oder) 6. Zivilkammer | Entscheidungsdatum | 23.12.2011 | |
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Aktenzeichen | 6a S 75/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 17. März 2011 – 14 C 10/10 – teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu Händen der Verwalterin weitere 1.545,67 € nebst weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 305,10 € seit dem 6. August 2009, 6. September 2009, 6. Oktober 2009, 6. November 2009 und 6. Dezember 2009 zu zahlen sowie die Klägerin von ihrer Verpflichtung gegenüber den Rechtsanwälten … aus der Rechnung vom 13. Juli 2010 in Höhe von weiteren vorgerichtlichen Anwaltskosten von 129,95 € freizustellen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden der Beklagten auferlegt.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird festgesetzt auf 1.545,67 EUR.
(abgekürzt gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO)
Die Beklagte war in der Zeit vom 8. April 2009 bis um 15. Februar 2010 Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft … . Ausweislich des Wohnungsgrundbuchs des Amtsgerichts … von … Blatt … war sie am Gemeinschaftseigentum mit einem MEA von 389,85/10.000-tel beteiligt mit zugewiesenem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit der Nummer 19 bezeichneten Wohnung (Dachgeschoss) sowie einem Abstellraum. Seit dem 16. Februar 2010 ist der Rechtsnachfolger der Beklagten im Grundbuch als Eigentümer eingetragen.
Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung ausstehender Beitragsvorschüsse für den Zeitraum Mai 2009 bis 15. Februar 2010 in einer Gesamthöhe von 2.909,35 € in Anspruch genommen. Grundlage bildete der bestandskräftige Beschluss Nr. 11.4 der Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung vom 23. Mai 2008 (Anlage K2 zur Klageschrift, Bl. 5 ff, 6R GA) über die Genehmigung des Jahresgesamt- und der Jahreseinzelwirtschaftspläne 2008; die Zahlungen der Beitragsvorschüsse waren monatlich zum 3. Werktag im Voraus zu zahlen. Zugleich war eine Fortgeltung des Wirtschaftplans bis zur Beschlussfassung über einen neuen Wirtschaftsplan beschlossen worden. Auf das Sondereigentum der Beklagten entfiel hierbei eine monatliche Beitragsverpflichtung in Höhe von 305,10 €, die Gegenstand der Zahlungsklage in erster Instanz war.
In der Wohnungseigentümerversammlung am 16. Mai 2009 haben die Wohnungseigentümer unter dem TOP 5 mit Beschluss Nummer 12.3 (Bl. 72 ff, 76 GA) die Jahresgesamt- und die Jahreseinzelabrechnungen für das Wirtschaftsjahr 2008 genehmigt. Der Beschluss ist bestandskräftig.
Die für das vormalige Sondereigentum der Beklagten erstellte Jahreseinzelabrechnung für das Jahr 2009 vom 12. Mai 2010 weist bei Angabe der Gesamtausgaben und Gesamteinnahmen anteilige Kosten für das Sondereigentum mit der Nummer 19 in Höhe von 2.239,50 € aus, wobei Vorauszahlungen in Höhe von 742, 51 € angegeben sind. Die auf den Rechtsnachfolger der Beklagten ausgestellte Jahreseinzelabrechnung 2009 vom 15. Mai 2010 (Bl. 81 GA) endet mit einer Nachforderung in Höhe von 895,13 €.
Die Beklagte hat in erster Instanz den Nachforderungsbetrag aus der Jahreseinzelabrechnung vom 12. Mai 2010 in Höhe von 895,13 € anerkannt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. an sie 2.909,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 305,10 € seit dem 6. Mai 2009, 6. Juni 2009, 6. Juli 2009, 6. August 2009, 6. September 2009, 6. Oktober 2009, 6. November 2009, 6. Dezember 2009 und 6. Januar 2010 sowie aus 163,45 € seit dem 6. Februar 2010 zu zahlen;
2. sie von ihrer Verpflichtung gegenüber den Rechtsanwälten … aus der Gebührenrechnung vom 13. Juli 2010 über einen Betrag in Höhe von 316,18 € freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Amtsgericht hat in seinem Teilanerkenntnis- und Schlussurteil vom 17. März 2011 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.363,68 € nebst gestaffelter Zinsen zu zahlen und die Klägerin von Anwaltskosten in Höhe von 186,23 € freizustellen. Die Zahlungsverpflichtung hat das Amtsgerichts einerseits auf das Anerkenntnis der Beklagten in Höhe von 895,13 € (sog. Nachforderung aus der Einzelabrechnung vom 12. Mai 2010) sowie auf die anteilige Zahlung der Beitragsvorschüsse für Januar 2010 und anteilig Februar 2010 gestützt, wobei sich im letzten Fall die Anspruchsbegründung aus dem Wirtschaftsplan 2008 ergebe. Die darüber hinausgehende Klageforderung sei jedoch nicht begründet, da die Beklagte trotz des Erwerberwechsels an der Begrenzung durch das Ergebnis der Jahresabrechnung teilnehme.
Hiergegen richtet sich die Berufung, mit der die Klägerin Rechtsfehler insoweit aufzeigt, als nach ihrer Auffassung die Beteiligung des Veräußerers an den nach dem Eigentumswechsel erfolgten Beschlussfassung über die Jahresabrechnung ausscheide und der Veräußerer im Falle der Nichtzahlung der Beiträge im Zeitraum seiner Beteiligung an der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht in den Genuss der Zahlungsbegrenzung komme.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten zu verurteilen, an sie weitere 1.545,67 € nebst weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinnsatz aus je 305,10 € seit dem 6. August 2009, 6. September 2009, 6. Oktober 2009, 6. November 2009 und 6. Dezember 2009 zu zahlen sowie sie von ihrer Verpflichtung gegenüber den Rechtsanwälten … aus der Rechnung vom 13. Juli 2010 in Höhe von weiteren vorgerichtlichen Anwaltskosten von 129,95 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und behauptet erstmals im Kammertermin, dass die in der Einzelrechnung vom 12. Mai 2010 für das Wirtschaftsjahr 2009 ausgewiesenen Vorauszahlungen von ihr stammen würden.
I.
Das Rechtsmittel der Berufung der Klägerin ist grundsätzlich das statthafte Rechtsmittel gegen das Endurteil des Amtsgerichts (§ 511 ZPO). Das Rechtsmittel ist zulässig. Es ist innerhalb der gesetzlichen Notfrist von einem Monat ab Zustellung bei dem Landgericht form- und fristgerecht eingegangen und formgerecht begründet worden (§§ 517, 520 Abs. 2 ZPO). Die Beschwer übersteigt die Berufungssumme von 600 €.
Der Zulässigkeit der Berufung der Klägerin steht nicht entgegen, dass sie in ihrem angekündigten Antrag zu 1) in der Berufungsbegründungsschrift hinsichtlich des Zahlbetrages den ihr bereits durch das angefochtene Urteil rechtskräftig zugesprochenen Betrag nochmals aufführt. Hierbei handelt es sich erkennbar um ein Versehen, da die Klägerin in der Berufungsbegründung ihr Verlangen eindeutig auf den im Urteil des Amtsgerichts abgewiesen Betrag in Höhe von 1.545,67 € beschränkt hat. Ihr Antrag war insoweit lediglich zu berichtigen.
II.
In der Sache ist die Berufung der Klägerin begründet.
Gemäß § 28 Abs. 2, 5 WEG in Verbindung mit dem Beschluss der Wohnungseigentümer über die Genehmigung des Jahresgesamt- und der Jahreseinzelwirtschaftpläne 2008 unter Berücksichtigung des Fortgeltungsbeschlusses ist die Beklagte verpflichtet, die von ihr nicht bezahlten Beitragsvorschüsse für die Monate Mai bis Dezember 2009 in Höhe von je 305,10 € abzüglich des anerkannten Betrages in Höhe von 895,13 € in verbleibender Höhe von noch 1.545,67 € zu bezahlen. Entgegen der vom Amtsgericht und einem Teil der im Schrifttum vertretenen Meinung nimmt nämlich der Veräußerer im Falle des Erwerberwechsels im laufenden Wirtschaftsjahr bei nicht bzw. nicht vollständig gezahlten Beiträgen im betreffenden Wirtschaftsjahr nicht an der Begrenzung der Inanspruchnahme durch das Ergebnis der Jahresabrechnung teil.
Zwar ist allgemein anerkannt, dass die Höhe der aufgrund des Wirtschaftsplans zu fordernder Vorschüsse begrenzt wird durch ein niedrigeres Ergebnis der Jahresabrechnung, so dass Vorschüsse nur bis zur Höhe der Abrechnungsschuld zu begleichen sind (OLG Zweibrücken OLGR 2002, 422; BayObLG ZMR 2000, 211). Die Auswirkungen dieses Grundsatzes im Falle der Veräußerung des Wohnungseigentums werden aber nicht einheitlich gehandhabt. Ist – wie hier – festzustellen, dass der Veräußerer mit Teilen seiner nach dem Wirtschaftsplan geschuldeten Beiträge in Rückstand geraten ist, vertritt ein Teil des Schrifttums (Staudinger/Bub, WEG § 28 Rn. 253) die Auffassung, dass der Veräußerer, wenn die geleisteten Beiträge die Abrechnungssumme erreichen, von der Zahlungsverpflichtung entbunden ist. Nach einer anderen Meinung (Merle in: Bärmann, WEG, 11. Aufl. § 28 Rn 153) müsste die WEG jedenfalls den Mehrbetrag an den Erwerber als Guthaben auszahlen (Grundsatz der unzulässigen Rechtsausübung). Hat allerdings die Abrechnung zu einer Abrechnungsspitze geführt, d. h. dass sich angesichts der ausgebliebenen Beitragsvorschüsse eine Nachforderung aus der Jahresabrechnung ergeben hat, trifft allein den Erwerber die Ausgleichspflicht; jedoch ist der Veräußerer auf der Grundlage des Wirtschaftsplanes zur Zahlung der ausstehenden Beitragsvorschüsse weiterhin verpflichtet. Grund hierfür ist, dass der Abrechnungsbeschluss für den aus der Gemeinschaft ausgeschiedenen Veräußerer keine Rechtswirkungen erzeugt (BGH NJW 1999, 3713, 3715; Merle in Bärmann, a.a.O. § 28 Rn. 118, 150, 153). Weder ist er an diesem Rechtsgeschäft beteiligt, noch kann angenommenen werden, dass die übrigen Wohnungseigentümer ihn gemäß § 328 BGB von seinen offenen Zahlungsverpflichtungen befreien wollen (Merle in: Bärmann, WEG, 11. Aufl. § 28 Rn. 93; ders. a.a.O. Rn 153; dies verkennend Syring ZWE 2002, 565, 566). Daraus folgt, dass es weder eine quotenmäßige, zeitanteilige noch eine Art gesamtschuldnerische Haftung von Veräußerer und Erwerber gibt. Hat der Veräußerer seine Beitragspflichten nicht vollständig erfüllt, so ist er aufgrund des Wirtschaftsplans zur Nachzahlung der Vorschüsse in voller Höhe verpflichtet, da seine Zahlungspflichten durch das Abrechnungsergebnis nicht berührt werden (herrschende Meinung; vgl. statt vieler Merle a.a.O. § 28 Rn 93). Kommt es angesichts der anteiligen Begrenzung an den Gesamtkosten zu einem Überschuss, hat die Wohnungseigentümergemeinschaft diesen an den Erwerber auszukehren. Der Veräußerer selbst profitiert hiervon nicht. Dieses Ergebnis ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgerichtig, da der Ausgleich allein in dem schuldrechtlichen Verhältnis zwischen dem Erwerber und dem Veräußerer zu suchen ist.
Dieses Ergebnis wird auch nicht durch den vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Kammertermin betonten Umstand in Frage gestellt, dass die Jahreseinzelabrechnung vom 12. Mai 2010 für das Wirtschaftsjahr 2009 geleistete Vorauszahlungen der Beklagten in Höhe von 742,51 € aufführt. Denn die Vorauszahlungen decken nicht den ausgewiesenen Anteil an den Gesamtkosten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 11 ZPO.
Die Entscheidung über die Festsetzung des Gebührenstreitwerts folgt dem betragsmäßig bezifferten Klageantrag.
Für die Zulassung der Revision fehlen die nach § 543 Abs. 2 ZPO notwendigen Voraussetzungen.