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Asyl, Abschiebungsschutz nach § 60, Abs. 1 und Abs. 2-7 AufenthG, Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung


Metadaten

Gericht VG Cottbus 6. Kammer Entscheidungsdatum 19.12.2019
Aktenzeichen 6 K 219/17.A ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2019:1219.6K219.17.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 60 Abs 5 AufenthG, § 4 AsylVfG 1992, § 60 Abs 7 AufenthG, § 3 AsylVfG 1992

Tenor

Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Verpflichtung der Beklagten zur Flüchtlingsanerkennung bzw. Gewährung internationalen Schutzes sowie hilfsweise die Feststellung, dass Abschiebungsverbote in seiner Person hinsichtlich seines Herkunftslandes vorliegen.

Der Kläger ist nach eigenen Angaben am 1... im Distrikt Paghman im Westen der Provinz Kabul in Afghanistan geboren worden. Er sei afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Der Vater des Klägers sei bereits verstorben. Seine Mutter lebe schwererkrankt in Indien. Seine Eltern hätten insgesamt acht Kinder, sieben Söhne und eine Tochter. Drei seiner Brüder seien in Afghanistan getötet worden. Einer seiner Brüder lebe mittlerweile in Dänemark und habe inzwischen einen Flüchtlingsstatus erhalten, ein anderer lebe in Schweden und einer in England. Die Schwester des Klägers lebe ebenfalls in Dänemark. Sie sei Ärztin und habe als einzige noch Telefonkontakt zu seiner kranken Mutter in Indien. In Afghanistan lebe lediglich noch eine Tante mütterlicherseits, zu der der Kläger jedoch keinen Kontakt mehr habe. Im Übrigen habe er keine weiteren Verwandten in Afghanistan.

Er habe in Afghanistan zunächst die Grundschule in seinem Heimatdorf bis zur sechsten Klasse und anschließend ab der siebten Klasse ein Gymnasium in Kabul besucht. Dorthin sei er aus seinem Heimatort gependelt. Nach der 12. Klasse habe er zwei Jahre Informatik und Englisch an einem privaten Institut in Kabul studiert. Nachdem er sein Studium abgebrochen hatte und nach Kabul gezogen sei, habe er angefangen zu arbeiten. Er habe ein eigenes Logistikbüro eröffnet. Dort habe er mit seinen drei bis vier angestellten Fahrern kleine Aufträge von Firmen bearbeitet. Finanziell hätte er keine Schwierigkeiten gehabt und konnte sich auch einen eigenen Pkw leisten. Nachdem viele Unternehmen Afghanistan verlassen hätten und die Auftragslage sich verschlechtert habe, sei er zurück in sein Heimatdorf gezogen und habe anschließend als Dolmetscher für Englisch gearbeitet. Hierzu habe er Militärkonvois begleitet. Diese Konvois seien zwischen Militärstützpunkten, etwa zwischen dem C... und H... oder auch K... unterwegs gewesen. Es seien lediglich Lebensmittel und Elektronik, jedoch keine Waffen transportiert worden. Der Kläger selbst sei bei der afghanischen Polizei angestellt gewesen und wurde seinerzeit vom afghanischen Innenministerium für diese Tätigkeit vorgeschlagen. Waffen habe er keine getragen. Das Tragen von Uniformen sei möglich aber keine Pflicht und regelmäßig unüblich gewesen, da dies zu gefährlich wäre. Der Kläger war „Konvoiführer“ und hatte als Beifahrer im ersten oder zweiten Wagen den jeweiligen Konvoi zu organisieren und auch die genaue Route zu bestimmen. Diese Tätigkeit habe er mehrere Jahre bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan ausgeübt. Der Zugang zu den jeweiligen Militärbasen sei ihm jedoch nicht gestattet gewesen. Neben seiner Tätigkeit für die afghanische Polizei habe er zusätzlich noch eine Autovermietung betrieben.

Während seines letzten Schuljahres im Sommer des Jahres 2005 seien seine älteren Brüder, da sie für die afghanische nationale Sicherheit gearbeitet und in dieser Tätigkeit auch viele Taliban festgenommen hätten, angegriffen und getötet worden. Nach diesem Vorfall sei ein Bruder des Klägers von der nationalen Sicherheit nach Dänemark geschickt worden.

Im Jahr 2013 sei er auf einer Fahrt mit dem Armeekonvoi in der Nähe der Stadt M... von Taliban angegriffen worden. Diese hätten mehrere Soldaten getötet. Auch der Kläger sei an der linken Hand und auch im Gesicht verletzt worden, habe jedoch Glück gehabt. Die afghanische Armee habe die Schießerei gehört und Hubschrauber und Technik zur Verfügung gestellt und konnte die Angreifer in die Flucht zu schlagen. Bei diesem Angriff habe der Kläger viel Blut verloren und sei für eine Woche in ein Polizeikrankenhaus gebracht worden. Nachdem er zunächst für zwei Monate krankgeschrieben gewesen sei, sei er an seine Arbeitsstelle zurückgekehrt und habe dort bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan erneut als Konvoiführer und Übersetzer gearbeitet.

Der Kläger habe sein Heimatland im Herbst 2015 gemeinsam mit einem Schulfreund, den er noch aus der 11. und 12. Klasse in Kabul kannte, verlassen. Sie seien von Kabul nach Masar-i-Sharif gefahren. Dort hätten sie ein Visum für den Iran bekommen und seien dann mit dem Flugzeug nach Mashhad in den Iran geflogen. Anschließend aus seien sie weiter nach Teheran ebenfalls mit dem Flugzeug geflogen. Von dort ging die Reise weiter nach Tebris im Nordwest-Iran über die türkische Grenze in die Stadt Van. Von Van seien sie schließlich nach Istanbul und von dort aus nach Griechenland gekommen. Ab Mazedonien mussten sie keinen Schlepper mehr bezahlen. Die Grenzen seien offen gewesen, so dass sie sich ein Ticket gekauft hätten. Die Reise sei von Schleppern organisiert worden. Der Kläger habe einen Freund in Kabul, dem er vorab Geld gegeben hatte, beauftragt, ihnen unterwegs immer wieder Geld zu überweisen, so dass der Kläger und sein Freund hierauf zugreifen konnten. Sein Freund, mit dem er zusammen gereist sei, habe eine Visakarte genutzt. Am 27. September 2015 seien sie schließlich über den Landweg in Deutschland eingereist. Er habe in Afghanistan gute Beziehungen gehabt. Auch sei seine finanzielle Lage gut gewesen.

Am 4. Dezember 2015 stellte er einen Asylantrag.

Am 30. August 2016 erfolgte die persönliche Anhörung des Klägers beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt).

Mit Bescheid vom 27. Januar 2017, der dem Kläger am 31. Januar 2017 zugestellt wurde, versagte die Beklagte, vertreten durch das Bundesamt, die Flüchtlingseigenschaft, lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab und erkannte keine subsidiären Schutzstatus zu. Darüber hinaus stellte das Bundesamt in seinem Bescheid fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 des Aufenthaltsgesetzes in Bezug auf Afghanistan nicht vorliegen. Der Kläger wurde zudem aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass falls er die Ausreisefrist nicht einhalten werde, er nach Afghanistan abgeschoben werden wird. Darüber hinaus wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass der Kläger seine begründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht habe. Auch lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht vor. Der Kläger müsse keine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens oder seine Unversehrtheit befürchten. Auch seien keine Abschiebungsverbote gegeben.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 2. Februar 2017 bei der Rechtsantragsstelle des Gerichts Klage ein. Zur Begründung führte der Kläger aus, dass Tadschiken ebenso wie Hazara und Usbeken zu den Gruppen gehören, die von den Taliban systematisch verfolgt würden. Der Kläger befürchtet bei seiner Rückkehr nach Afghanistan getötet zu werden, da einer seiner Brüder für die afghanischen Sicherheitsbehörden tätig gewesen sei und in dieser Funktion einen im Distrikt Paghman mächtigen Mann verhaftet habe. Im Jahr 2005 seien einige Brüder des Klägers getötet worden. Der Kläger selbst sei verletzt worden und hätte seitdem gesundheitliche Beschwerden. Der Kläger laufe außerdem Gefahr aufgrund seines wehrfähigen Alters von den Taliban zwangsrekrutiert zu werden. Im Übrigen bestünden keine internen Fluchtalternativen für den Kläger. Es sei davon auszugehen, dass die Taliban den Kläger überall in Afghanistan aufspüren könnten. Eine inländische Fluchtalternative sei auch deswegen ausgeschlossen, weil der Kläger über keinerlei familiäre Bindungen in Afghanistan mehr verfüge. Seine Mutter, mit der er in Kabul seit dem Angriff im Jahr 2005 gewohnt habe, lebe mittlerweile in Indien. Im Übrigen verweist der Kläger auf die sowohl wirtschaftlich schwere und auch sonst gefährliche Situation für Rückkehrer aus dem westlichen Ausland und beruft sich insoweit auf eine Studie von Friderike Stahlmann zum Verbleib und zu den Erfahrungen abgeschobener Afghanen. Aufgrund erlittener Verletzungen sei dem Kläger in Afghanistan ein 80 cm langer Teil seines Dünndarms entnommen worden. Später wurde er auch in Deutschland im Jahr 2017 behandelt. Hier seien ihm nochmal 15 cm Darm entnommen wurden, da er einen Dünndarm-Ileus gehabt habe. Es sei bereits fraglich, ob der Kläger in der Lage sein werde, seine Lebensgrundlage selbst zu erwirtschaften. Darüber hinaus müsse berücksichtigt werden, dass er aufgrund des Umstandes, dass er für die Amerikaner gearbeitet habe, einer besonderen Gefährdung ausgesetzt sei.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 27. Februar 2017 seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigten zurückgenommen.

Der Kläger beantragt nunmehr,

unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 27. Januar 2017, die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Asylgesetz zuzuerkennen;

hilfsweise, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Asylgesetz zuzuerkennen;

hilfsweise dem Kläger subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 des Asylgesetzes zuzuerkennen;

hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes im Hinblick auf Afghanistan vorliegen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Zur Begründung bezieht sie sich vollinhaltlich auf ihre Ausführungen im Ablehnungsbescheid vom 27. Januar 2017.

Mit Beschluss vom 4. November 2019 wurde nach Anhörung der Beteiligten der Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht den Kläger informatorisch angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift in der Gerichtsakte verwiesen. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten bezüglich des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, den Verwaltungsvorgang des Bundesamtes sowie die Erkenntnismittelliste für Afghanistan Bezug genommen. Sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Gerichts.

Entscheidungsgründe

Über die Klage konnte in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden, nachdem die Beklagte auf diese Folge in der Ladung vom 5. November 2019 zum Termin zur mündlichen Verhandlung ausdrücklich hingewiesen wurde, § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Entscheidung war gemäß § 76 Abs. 1 des Asylgesetzes (AsylG) durch den Einzelrichter zu treffen, dem der Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten mit unanfechtbarem Beschluss der Kammer vom 4. November 2019 übertragen wurde.

Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt, § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO.

Die Klage hat – soweit das Verfahren wegen der schriftsätzlichen Teilrücknahme hinsichtlich der Anerkennung als Asylberechtigten nicht zurückgenommen und insoweit nicht eingestellt wurde – keinen Erfolg.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Der angegriffene Bescheid vom 27. Januar 2017 ist, einschließlich der darin enthaltenen Abschiebungsandrohung sowie des Einreise- und Aufenthaltsverbotes, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.

Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. Abs. 4 und Abs. 1 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.

Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention - GK, BGBl. 1953 II. S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK (BGBl. 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 S. 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird.

 Eine solche Verfolgung kann nicht nur von dem Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) sowie von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, wobei es keine Rolle spielt, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Es müssen aus der Perspektive des Antragstellers hinreichend konkrete Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, dass Akteure im Sinne des § 3d AsylG Maßnahmen beabsichtigen, die zu einer Gefahrenlage führen, die als Verfolgung zu qualifizieren ist.

Bei der Prüfung der Bedrohung im Sinne des § 3 AsylG ist der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 1. Juni 2011 – 10 C 25/10; Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 5/09, beide juris). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 10. Oktober 2018 – 3 B 24.18 –, juris). Maßgebend ist damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Ergeben die Gesamtumstände des Falles die „reale Möglichkeit“ (real risk) einer Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Bei der Abwägung aller Umstände wird ein verständiger Betrachter auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 2008 – 10 C 33.07 –, juris).

 Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1). Die begründete Furcht vor Verfolgung kann also sowohl auf tatsächlich erlittener oder unmittelbar drohender Verfolgung vor der Ausreise im Herkunftsstaat (Vorverfolgung) oder auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem oder weil der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat (Nachfluchtgründe), insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist, § 28 Abs. 1a AsylG (VG Berlin, Urteil vom 10. Februar 2020 – 12 K 770/16 A –, Rn. 22, juris).

In beiden Fällen ist für die Beurteilung der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzulegen (BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 –10 C 5/09 –, juris).

Vorverfolgten kommt die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (ABl. EU Nr. L 337/9 vom 20. Dezember 2011, im Folgenden: Qualifikationsrichtlinie) zugute. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat beziehungsweise von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist beziehungsweise dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Oktober 2018 – 3 B 24.18 –, juris, Rn. 16, 18). Voraussetzung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist jedoch stets, dass die Ausreise unter Umständen geschehen ist, die bei objektiver Betrachtungsweise das äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck der erlittenen Verfolgung stattfindenden Flucht ergeben. Ein Ausländer, dessen (mögliche) Verfolgung in der Vergangenheit ihr Ende gefunden hat, kann grundsätzlich nur dann als verfolgt ausgereist angesehen werden, wenn er seinen Heimatstaat in einen nahen zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung der Verfolgung verlässt.

Kann nicht festgestellt werden, dass einem Asylbewerber Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, kommt eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht in Betracht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. August 2017 – 1 B 120.17 –, juris).

Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger seine Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen

Voraussetzung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist jedoch stets, dass die Ausreise unter Umständen geschehen ist, die bei objektiver Betrachtungsweise das äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck der erlittenen Verfolgung stattfindenden Flucht ergeben. Ein Ausländer, dessen (mögliche) Verfolgung in der Vergangenheit ihr Ende gefunden hat, kann grundsätzlich nur dann als verfolgt ausgereist angesehen werden, wenn er seinen Heimatstaat in einen nahen zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung der Verfolgung verlässt (VG Cottbus, Urteil vom 7. November 2019 – 6 K 539/17.A, Urteil vom 21. November 2019 – 6 K 169/17.A –, beide juris). Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft setzt also voraus, dass zwischen der Verfolgungshandlung und der späteren Ausreise („Flucht“) ein objektiver Zusammenhang besteht (VG München, Urteil vom 18. September 2019 – M 12 K 17.41851 –, Rn. 22, juris). Je länger der Ausländer nach – unterstellter – erlittener Verfolgung in seinem Heimatland unbehelligt verbleibt, umso mehr schwindet der objektive äußere Zusammenhang mit seiner Ausreise dahin. Daher kann allein schon bloßer Zeitablauf dazu führen, dass eine Ausreise den Charakter einer unter dem Druck einer früheren Verfolgung stehenden Flucht verliert. Das bedeutet nicht, dass er zwangsläufig stets sofort oder unmittelbar danach ausreisen müsste. Es ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Ausreise zeitnah zur Beendigung der Verfolgung stattfindet. Welche Zeitspanne in dieser Hinsicht maßgebend ist, hängt von den Umständen der jeweiligen Verhältnisse ab (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1990 – 9 C 60/89; VGH Baden-Württemberg Urteil vom 7. März 2013 – A 9 S 1873/12; VG München, Urteil vom 18. September 2019 – M 12 K 17.41851 –, Rn. 22, alle juris).

Gemessen an diesem Maßstab stellt sich die Ausreise des Klägers aus Afghanistan gerade nicht als Flucht dar, sodass für eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bereits kein Platz ist. Selbst bei Annahme verfolgungsrelevanter Handlungen im Sinne des § 3a AsylG muss sich der Kläger hier entgegenhalten lassen, dass er Afghanistan erst im Spätsommer bzw. Herbst 2015 und insoweit in keinem zeitlichen Zusammenhang zu den geschilderten Vorfällen aus den Jahren 2005 respektive 2013 verlassen hat.

Selbst wenn man zugunsten des Klägers den seinen Brüdern geltenden Angriff auf das gemeinsame Wohnhaus in seinem Heimatdorf im Jahr 2005 als wahr unterstellt, so erscheint bereits fraglich, ob der Angriff überhaupt eine asylrelevante Verfolgungshandlung gegenüber dem Kläger darstellt, oder vielmehr ausschließlich seinen bei der afghanischen nationalen Sicherheit tätigen Brüdern galt. Hierauf kommt es jedoch letztlich nicht an, da der Kläger nach seinen eigenen Aussagen weiterhin – mit einer kurzen Unterbrechung während seiner Tätigkeit als Logistikunternehmer – in seinem Wohnhaus im Heimatdorf gelebt hat. Insoweit spricht jedenfalls mit Blick auf den Angriff aus dem Jahr 2005 nichts dafür, dass sich der Kläger im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Der Kläger hat zehn Jahre lang – mit der erwähnten kurzen Unterbrechung, die auch nur seiner unternehmerischen Tätigkeit und keine Furcht vor Verfolgung geschuldet war – weiterhin in seinem Heimatdorf gelebt. Wenn der Kläger nun darauf rekurriert, dass er aus Furcht vor Verfolgung das Land verlassen habe, ist dies widersprüchlich und überzeugt nicht.

Aber auch mit Blick auf den Vorfall im Jahr 2013, gilt nichts anderes. Es erschließt sich nicht, weshalb der Kläger, nachdem er von Taliban-Kämpfern in seiner Funktion als Dolmetscher und Konvoiführer der afghanischen Armee angegriffen worden sein soll, nach zwei Monaten krankheitsbedingter Abwesenheit seine Tätigkeit wieder aufnimmt und erst im Spätsommer des Jahres 2015 sein Heimatland Afghanistan verlässt. Ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Ausreise kann – selbst bei Wahrunterstellung des geschilderten Angriffs – nicht hergestellt werden. Das klägerische Vorbringen ist insoweit widersprüchlich. Wäre der Kläger von einer Bedrohungslage ausgegangen, so hätte er jedenfalls zunächst seine Tätigkeit aufgegeben, die ihn – bei Wahrunterstellung – zum Ziel der Angriffe gemacht hat. Aber selbst das ist – so das klägerische Vorbringen in der mündlichen Verhandlung – nicht geschehen. Der Kläger hat weder seinen Wohnort noch seine Arbeitsstelle gewechselt. Nach dem klägerischen Vortrag ist davon auszugehen, dass er nach dem mutmaßlichen Anschlag in sein ursprüngliches Leben zurückgekehrt ist. Es ist somit ausgeschlossen, dass die Ausreise bei objektiver Betrachtungsweise das äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck der erlittenen Verfolgung stattfindenden Flucht darstellt.

Vor diesem Hintergrund spricht bereits weder etwas für eine Vorverfolgung des Klägers noch dafür, dass der Kläger bei der Rückkehr in sein Heimatland mit einer asylrelevanten Verfolgung zu rechnen hat.

Dass der Kläger aufgrund seiner Volkszugehörigkeit - der Kläger ist nach eigenen Angaben Tadschike - einer Verfolgung ausgesetzt wäre, überzeugt nicht. Für eine asylrechtlich relevante Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG von Tadschiken ist nichts ersichtlich. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG nennt bei begründeter Furcht vor Verfolgung als Anknüpfungsmerkmal zwar ausdrücklich die Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 AsylG umfasst der Begriff der Rasse insbesondere auch die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe. Auch umfasst § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG der Begriff der Religion insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird (Nr. 3). Der Kläger hat diesbezüglich lediglich pauschal vorgetragen, dass Tadschiken in Afghanistan diskriminiert würden, an konkreten, ihn betreffenden Beispielen hat er dies jedoch nicht glaubhaft gemacht. Im Übrigen geben die gesichteten Erkenntnismittel hinsichtlich einer Diskriminierung von Tadschiken in Afghanistan nichts her. Die Tadschiken stellen mit 30 Prozent die zweitgrößte und zweitwichtigste ethnische Gruppe in Afghanistan dar. Außerhalb der tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan bilden Tadschiken in weiten Teilen Afghanistans ethnische Inseln, namentlich in den größeren Städten. In Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Sie sind im nationalen Durchschnitts mit etwa 25 Prozent in der afghanischen Armee und der Polizei repräsentiert (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 29. Juni 2018, letzte Aktualisierung am 31. Januar 2019, Seite 285 f.). Dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 31. Mai 2018 ist zu entnehmen, dass die afghanische Verfassung sämtliche ethnischen Minderheiten schützt (Nr. 1.3). Auch wenn es für ethnische Gruppen im Alltag soziale Diskriminierung und Ausgrenzung gibt, die nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert wird, wie dem Lagebericht auch zu entnehmen ist, so hat der Kläger jedoch keinerlei Tatsachen vorgetragen, weshalb gerade ihm wegen seiner Zugehörigkeit zu den Tadschiken Verfolgung gedroht hat oder drohen könnte. Die vom Kläger beherrschte Sprache Dari ist eine der beiden offiziellen Landessprachen (Auswärtiges Amt, a.a.O., Seite 9; VG Cottbus, Urteil vom 8. Juli 2019 – 1 K 135/18.A, n.v., Urteil vom 7. November 2019 – 6 K 539/17.A, juris).

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG, da keine stichhaltigen Gründe für die Annahme eines ihm in seinem Herkunftsland drohenden ernsthaften Schadens vorgebracht wurden.

Nach § 4 Abs. 1 S. 2 AsylG gilt als ernsthafter Schaden: Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3)

Es ist nicht zu erwarten, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan die Verhängung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1 und 2 AsylG) drohen könnten. Der Kläger hat hierzu bereits keine Tatsachen vorgetragen.

Auch führt die Lage in Afghanistan insgesamt betrachtet nicht dazu, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AsylG oder ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (vgl. VG Augsburg, Urteil vom 1. Oktober 2018 – Au 5 K 17.32950, beck-online m.w.N).

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG, wonach von einer Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen ist, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.

Voraussetzung hierfür wäre, dass sich die von einem bewaffneten Konflikt in der Zielregion für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende allgemeine Gefahr in der Person des Klägers derart verdichtet, dass sie für diesen eine individuelle Bedrohungssituation darstellt. In der Person des Klägers sind jedoch weder gefahrerhöhende persönliche Umstände erkennbar (wie etwa der berufsbedingten Nähe zu einer Gefahrenquelle z.B. als Arzt oder Journalist oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten von Verfolgung bedrohten Religion), die eine solche individuelle Bedrohung in erster Linie hervorrufen könnten. Zudem hat sich vorliegend die allgemeine Gefahrenlage nicht derart besonders verdichtet (Gefahrendichte), dass der den bestehenden bewaffneten Konflikt (einen solchen hier unterstellt) kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau (Gewaltniveau) erreicht hat, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein, was ausnahmsweise die Zuer-kennung subsidiären Schutzes unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen begründen könnte (vgl. zu den Voraussetzungen einer individuellen Bedrohungssituation EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C 465/07 (Elgafaji) - juris, Rn. 35 und 39 und Urteil vom 30. Januar 2014 - Rs. C 285/12 (Diakité) - juris, Rn. 30; BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 32 und Urteil vom 17. November 2011 - 10 C 13.10 - juris, Rn. 18 ff.).

Zur Ermittlung der Gefahrendichte ist - in Anlehnung an die Vorgehensweise zur Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts - aufgrund aktueller Quellen die Gesamtzahl der in der maßgeblichen Provinz lebenden Zivilpersonen annäherungsweise zu ermitteln und dazu die Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie der Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Beziehung zu setzten. Neben dieser quantitativen Ermittlung bedarf es außerdem einer wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials u. a. mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Eine hinreichende Gefahrendichte für die Annahme der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes ist vorbehaltlich einer wertenden Gesamtbetrachtung des gefundenen Ergebnisses jedenfalls dann noch nicht gegeben, wenn das Risiko, als Zivilperson in der innerstaatlichen Auseinandersetzung getötet oder schwer verletzt zu werden, in der zu betrachtenden Region bei 1:800 liegt. (Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 - 10 C 13.10 -, juris Rn. 22 f.; OVG Lüneburg, Urteil vom 19. September 2016 - 9 LB 100/15 -, juris Rn. 70 f.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Februar 2014 - A 11 S 2519/12 -, juris; VG München, Urteile vom 15. Mai 2017 - M 26 K 16.35366 -, juris Rn. 25 und vom 16. März 2017 - M 17 K 16.35014 -, juris Rn. 36). Es besteht auch vorliegend kein Anlass, von diesem an objektiven Merkmalen anknüpfenden Ansatz an dieser Stelle abzusehen.

Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist grundsätzlich die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird. Denn für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 100). Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob er auf internen Schutz in einer anderen Region des Landes verwiesen werden kann (Vgl. BVerwG, Urteile vom 31 Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 13 und 16 und vom 17. November 2011 - 10 C 13.10 -, juris Rn.16; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. August 2014 - 13 A 2998/11.A -, juris Rn. 77 ff. und BayVGH, Urteil vom 27. März 2018 - 20 B 17.31663 -, juris Rn. 28).

Der Kläger stammt ursprünglich aus der Provinz Kabul und lebte in der Stadt Paghman westlich von Kabul, aber auch zwischenzeitlich in der Stadt Kabul selbst. Mit Blick auf die Hauptstadt Kabul aber auch auf die gleichnamige Provinz Provinz ist vorliegend die Zuerkennung subsidiären Schutzes auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG ausgeschlossen.

Die Großstadt Kabul und die gleichnamige Provinz haben nämlich im Hinblick auf den Grad willkürlicher Gewalt nicht ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dies erfordert eine besondere Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage.

Kabul befindet sich – wie generell alle Provinzhauptstädte des Landes – vollständig unter der Kontrolle der afghanischen Regierung (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 31. Mai 2018, Seite 23). Die Gefahrendichte in Kabul entspricht nicht der, wie sie im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts, z.B. zur Gewährung subsidiären Schutzes oder sonst im Rahmen von Art. 3 EMRK, erforderlich wäre. Wenn man für Kabul-Stadt von einer Einwohnerzahl von vier Millionen ausgeht (vgl. ACCORD, Afghanistan: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018 vom 7. Dezember 2018, Seite 5-7) und diesen die Zahlen der zivilen Opfer für das gesamte Jahr 2018 gegenüberstellt, die in der Provinz Kabul bei 1866 Opfern (596 Tote und 1270 Verletzte) lag (UNAMA, Afghanistan – Protection of Civilians in Armed Conflict, Annual Report 2018, February 2019, Seite 68), und wenn man dabei sämtliche Opfer aus der gesamten jeweiligen Provinz ausschließlich der jeweils betrachteten Stadt zurechnet, was nicht der Realität entspricht, so ergäbe sich für eine Zivilperson in der Stadt Kabul ein Risiko, Opfer eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu werden, von 1:2.143. Dieser Werte liegt weit jenseits des vom Bundesverwaltungsgericht betrachteten Verhältnisses von 1:800, bei dem dieses immer noch eine weite Entfernung von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit annimmt. Selbst wenn man wegen einer etwaigen Dunkelziffer von doppelt so hohen tatsächlichen Opferzahlen ausginge wie von UNAMA für 2018 angegeben, wäre der vom Bundesverwaltungsgericht angegebene Wert von 1:800 immer noch bei weitem nicht erreicht, auch nicht bei der gebotenen wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände. Auch unter Berücksichtigung der derzeit verfügbaren aktuellsten statistischen Angaben ergibt sich für Kabul-Stadt nichts anderes. Im ersten Halbjahr 2019 zählte UNAMA 3.812 zivile Opfer im gesamten Land (1.366 Tote, 2.446 Verletzte), was einem Rückgang von 27 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2018 entspricht (Auswärtiges Amt, a.a.O., S. 20). Aus dem UNAMA-Bericht vom 24. April 2019 (UNAMA, Quarterly Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 31 March 2019) ergab sich ein Rückgang der zivilen Opferzahlen im ersten Quartal 2019 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 23 Prozent. Die zivilen Opferzahlen lagen damit auf dem niedrigsten Stand für ein erstes Quartal seit 2013 (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 6. September 2019 - VG 6 K 688/17.A, juris).

Eine mathematisch genaue quantitative Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos durch Gegenüberstellung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und der Akte willkürlicher konfliktbedingter Gewalt dürfte zwar generell schwierig sein. Gleichwohl kann jedenfalls eine annäherungsweise quantitative Ermittlung erfolgen, um die Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung zu erfassen (VG Cottbus, Urteil vom 11. Oktober 2019 - VG 6 K 630/17.A, juris).

Dass die Opferzahlen - u.a. bei anderer Zählweise und unter Erweiterung der Opfer-gruppen - höher liegen können, wie teils eingewandt wird (vgl. Stahlmann, Gutachten vom 28. März 2018, S. 176 ff.), ändert diese Bewertung nicht, denn die von UNAMA mitgeteilten Daten sind methodisch nachvollziehbar ermittelt. Sie sind auch deswegen belastbar, da sie von einer von der internationalen Staatengemeinschaft getragenen Organisation stammen und somit einer verlässlichen, an internationalen Standards orientierten Quelle zuzuordnen sind. Es ist nicht erkennbar, dass die Methodik der UNAMA inhaltliche Defizite aufweisen würde. Dass die Methodik überholt wäre, die Informationen an offen erkennbaren inhaltlichen Defiziten litten, insbesondere an entscheidungserheblichen unzutreffenden Tatsachenannahmen, unlösbaren Widersprüchen, sich aus den Stellungnahmen ergebenden Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit oder eines speziellen, hier nicht vorhandenen Fachwissens bedürften, ist weder ersichtlich noch (substantiiert) gerügt. Dabei ist dem Gericht bewusst, dass es sich anhand dieser Zahlen lediglich um eine annäherungsweise quantitative Risikoermittlung mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor handeln kann. Es liegen für Afghanistan jedoch mangels Einwohnermeldewesens auch für die Bevölkerungszahlen nur Schätzungen vor, so dass jede Datenerhebung schon deswegen an tatsächliche Grenzen stößt. Dass und weshalb andere Auskunftsquellen methodisch belastbarere Primärdaten hätten oder ermitteln könnten, ist nicht ersichtlich, so dass die Daten von UNAMA zu Grunde gelegt werden. (Vgl. VG Aachen, Urteil vom 16. Februar 2018 -7 K 4918/17.A -, juris Rn. 40; VG Augsburg, Urteil vom 15. Januar 2018 - Au 5 K 17.31921 -, juris Rn. 35). Schließlich ist dem Gutachten, auf das sich der Kläger hier beruft, entgegenzuhalten, dass dieses nicht repräsentativ ist. In der Studie gelang es der Verfasserin insgesamt 55 Personen zu befragen, was etwa 10 % der insgesamt in diesem Zeitraum abgeschobenen Personen darstellen soll. Die Anzahl der freiwilligen Rückkehrer ist weitaus höher (hierzu unten) und wird in dem eingereichten Gutachten nicht erwähnt, sodass insoweit keine belastbaren Zahlen zur Situation aller Rückkehrer vorliegen. Im Übrigen kommt das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht hinsichtlich der Rückkehrer zu einer anderen Einschätzung (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom Juli 2019).

Das Gericht hält es nicht für gerechtfertigt, die Anzahl der durch die UNAMA registrierten verletzten und getöteten Zivilpersonen aufgrund einer hohen Dunkelziffer zu verdreifachen (Vgl. zu diesem Ansatz OVG Lüneburg, Urteil vom 7. September 2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 65; VG München, Urteil vom 11. Juli 2017 - M 26 K 17.30939 -, juris Rn. 29 und VG Lüneburg, Urteil vom 20. März 2017- 3 A 124/16 -, juris Rn. 42). Denn die Dunkelziffer der Anschläge, die zu vielen Opfern geführt haben, dürfte gering sein, weil die UNAMA nur drei Quellen verlangt, um einen Vorfall zu zählen und damit jedenfalls bei Vorfällen mit vielen Opfern eine „Nichtmeldung“ unwahrscheinlich ist (Vgl. VG Berlin, Urteil vom 14. Juni 2017 - 16 K 219.17 A -, juris Rn. 44 unter Verweis auf UNAMA, Report 2016, Februar 2017, S. 8).

Überdies ist im Rahmen der gebotenen wertenden Betrachtungsweise zu berücksichtigen, dass die Gesamtzahl der zivilen Opfer zu einem nicht unerheblichen Teil Personen mit erhöhten Gefährdungspotentialen betroffen haben dürfte. Infolgedessen kann nicht angenommen werden, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in der Provinz Kabul oder der Landeshauptstadt Kabul einer ernsthaften Tötungs- oder Verletzungsgefahr ausgesetzt wäre. Umstände, die ein maßgeblich erhöhtes Gefährdungspotential begründen würden, bestehen für den Kläger nach den obigen Ausführungen gerade nicht. Insbesondere ergeben sich solche auch nicht aus seiner Situation als Rückkehrer. Vielmehr sind nach den Angaben des Auswärtigen Amtes (vgl. Auswärtiges Amt, a.a.O., S. 28) seit 2002 rund 5,8 Millionen afghanischer Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückgekehrt, sodass eine Großzahl der afghanischen Bevölkerung einen Flüchtlingshintergrund hat (vgl. auch VG Aachen, Urteil vom 30. November 2018 - 7 K 14/18.A, beck-online).

Im Übrigen geht auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan nicht derart ist, dass jede Überstellung dorthin notwendig Art. 3 EMRK verletze (vgl. z.B. EGMR, Urteil vom 11. Juli 2017 - S.M.A./Netherlands, Nr. 46051/13 - Rn. 53). Auch aus dem, dem Gericht vorliegenden zusätzlichen Erkenntnismaterial neueren Datums lässt sich nichts dafür entnehmen, dass hier zwischenzeitlich eine andere Einschätzung zur Sicherheitslage geboten wäre.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG).

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der EMRK unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG (BVerwG, Urteil vom 11. November 1997 – 9 C 13.96 –, juris Rn. 8 ff.) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen („zielstaatsbezogene" Abschiebungshindernisse). Insbesondere sind zu nennen das Recht auf Leben (Art. 2 Abs. 1 EMRK) und das Verbot der Folter (Art. 3 EMRK). Für die Frage, wie die Gefahr beschaffen sein muss, mit der die Rechtsgutsverletzung droht, ist auf den asylrechtlichen Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ zurückzugreifen. Für die Beurteilung, ob außerordentliche Umstände vorliegen, die aufgrund des Art. 3 EMRK eine Abschiebung des Ausländers verbieten, ist grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen, wobei zunächst zu prüfen ist, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12, juris Rn. 26).

Hier ist der allein in Frage kommende Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf, aufgrund der zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und der daraus resultierenden Gefährdungen vorliegend nicht verletzt. Der Kläger muss nicht befürchten, aufgrund der Lage in Afghanistan unter Berücksichtigung seiner individuellen Situation einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Die obergerichtliche Rechtsprechung geht davon aus, dass für arbeitsfähige, alleinstehende männliche Staatsangehörige ohne gravierende gesundheitliche Beeinträchtigungen regelmäßig auch ohne Vermögen und ohne familiäre Unterstützung im Fall einer zwangsweisen Rückführung keine extreme Gefahrenlage besteht (Hessischer VGH, Beschluss vom 27. September 2017 - 7 A 1827/17.Z.A -, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 - A 11 S 316/17 -, Urteil vom 11. April 2018 – A 11 S 924/17, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17, alle juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 25. Februar 2019 - 13a ZB 18.32203 -, juris).

Folgendes gilt zur Lage in Afghanistan: Afghanistan, das etwa 27 Millionen Einwohner hat, von denen 47,3 Prozent unter 15 Jahre und 60 Prozent unter 25 Jahre alt sind, ist eines der ärmsten Länder der Welt. Im Human Development Index belegte es im Jahr 2018 Platz 168 von 189 (UN Development Programme, Human Development Indices and Indicators, 2018 Statistical Update). Dennoch haben sich für viele Afghanen die Lebensbedingungen in absoluten Zahlen über die letzten 15 Jahre deutlich verbessert. Seit 2002 erzielte Afghanistan wichtige Fortschritte beim Aufbau seiner Wirtschaft, bleibt aber weiterhin arm und abhängig von Hilfeleistungen. Die Armutsrate sank auf nationaler Ebene und konnte im Norden und Westen des Landes reduziert werden, während sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße stieg. Die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten haben dazu geführt, dass dort ca. eine Million oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt gelten. Der Dienstleistungs- und Industriesektor wuchs in 2017 um 3,4 bzw. 1,8 Prozent, während der Agrarsektor aufgrund ungünstiger klimatischer Bedingungen zurückging. Ungefähr drei Viertel der Bevölkerung lebt in ländlichen und ungefähr ein Viertel in städtischen Gebieten. Für ungefähr ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft die Haupteinnahmequelle. Mindestens 39 Prozent der Bevölkerung des Landes leben unterhalb der Armutsgrenze. Aktuell gelten über 40 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80 Prozent davon sind unsichere Stellen. Generell sind für sämtliche Lebensbereiche (Unterkunft, Arbeit usw.) Netzwerke erforderlich, ohne die eine „Wiedereingliederung“ in die afghanische Gesellschaft jedenfalls erheblich erschwert ist. Zur Erlangung eines der wenigen vorhandenen Arbeitsplätze sind nicht schulische oder berufliche Ausbildung, Qualifikation oder Erfahrung ausschlaggebend, sondern Beziehungen. Dies gilt für den gesamten Arbeitsmarkt einschließlich des Staatsdienstes. Eine staatliche Arbeitsvermittlung oder gar eine Arbeitslosenunterstützung nach westlichen Vorstellungen existiert nicht. Die Wohnkosten in den Städten sind allgemein im Verhältnis zum Einkommen hoch. Bei der Wohnungssuche benötigt man außergewöhnliche finanzielle Ressourcen, um eine Chance auf eine winterfeste Unterkunft zu haben, aber auch soziale Netzwerke. Es gibt keine NGOs oder öffentliche Organisationen, die bei der Wohnungssuche unterstützen. Immobilienmakler bieten einen entsprechenden Service im Austausch für eine Monatsmiete von Mieter und Vermieter an. Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte fehlt es oft an grundlegender Infrastruktur für Energie, Trinkwasser und Transport. Ein Anteil von schätzungsweise 45 Prozent der Bevölkerung hat keinen Zugang zu Trinkwasser. Verschärft werden die humanitäre Lage und die Versorgungsprobleme durch eine große Anzahl Binnenvertriebener (2016 ca. 650.000, 2017 ca. 501.000) sowie durch Rückkehrer aus Pakistan und Iran (2016 ca. eine Million, 2017 ca. 610.000, 2018 ca. 530.000). Seit 2002 sind laut UNHCR ca. 5,8 Millionen afghanischer Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückgekehrt, vor allem aus Pakistan und Iran. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind 2019 bis zum 6. Juni etwa 100.000 Personen aus dem Iran freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt, etwa 128.000 wurden zurückgeführt (Auswärtiges Amt, a.a.O., S. 22). Wegen dieses erheblichen Zustroms ist Wohnraum knapp, so dass etwa drei Viertel der Menschen in Slums leben (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt Afghanistan vom 29. Juni 2018 mit letzten Kurzinformationen vom 22. August 2018).

Andererseits können Rückkehrer von Unterstützungsmaßnahmen profitieren, die der übrigen Bevölkerung nicht zugänglich sind. Die IOM bietet in Deutschland verschiedene Rückkehrhilfen an. Es gibt zwei Programme für Geldzahlungen bei freiwilliger Rückkehr. Auch von Seiten der afghanischen Regierung gibt es Unterstützung, so eine Arbeitsvermittlung, rechtlichen Beistand sowie bei Fragen von Grund und Boden und Obdach. Im März 2017 wurde ein von der EU gefördertes Programm in Höhe von 18 Millionen Euro gestartet. Weiter bieten nichtstaatliche Organisationen Unterstützung für freiwillige und abgeschobene Rückkehrer an, so IPSO (International Psychosocial Organisation) und AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation), u.a. kostenlose psychosoziale Unterstützungsangebote, Programme zur Alphabetisierung, Weiterbildung und Existenzgründung vor Ort sowie die Möglichkeit einer Unterkunft für mehr als zwei Wochen. Von 2012 bis Ende 2018 sind laut IOM 3,2 Millionen Afghanen aus dem Ausland nach Afghanistan zurückgekehrt. Im Rahmen seines freiwilligen Rückkehrprogramms hat UNHCR im Zeitraum 2002 bis 2018 über 5,26 Millionen Menschen bei der Rückkehr nach Afghanistan assistiert. Somit hat eine große Zahl der afghanischen Bevölkerung einen Flucht- und Migrationshintergrund (vgl. Auswärtiges Amt, a.a.O., Seite 29; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt Afghanistan vom 29. Juni 2018 mit letzten Kurzinformationen vom 22. August 2018, Seite 333 ff).

Für die hier relevante Personengruppe alleinstehender arbeitsfähiger junger Männer, die aus dem westlichen Ausland nach Afghanistan zurückkehren, fehlt es an zuverlässigen Anhaltspunkten dazu, dass ihnen die Existenzsicherung oder gar das Überleben generell nicht möglich wären. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass seit dem Jahr 2003 mit Unterstützung der IOM insgesamt 15.041 Personen aus verschiedenen Ländern Europas, darunter aus dem Vereinigten Königreich, Norwegen, Niederlande, Deutschland, Schweden, Dänemark, Frankreich, Belgien und Österreich, freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt sind. Allein im Jahr 2016 unterstützte die IOM 6.864 Personen bei ihrer Rückkehr aus Europa nach Afghanistan, davon über 3.000 Personen aus Deutschland. Die meisten dieser Rückkehrer, 78 Prozent bzw. 5.382 Personen, waren dabei junge Männer, von denen wiederum ein erheblicher Anteil zwischen 19 und 26 Jahre alt war, nämlich 2.781 Personen. Bei weiteren 2.101 Personen handelte es sich um Jugendliche mit bis zu 18 Jahren. Die Zahl der zurückgekehrten Familien wird mit 733 angegeben (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 – juris, Rn. 400-401 m.w.N.). Bis Juli 2017 kehrten nach Angaben der IOM aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt Afghanistan vom 29. Juni 2018 mit letzten Kurzinformationen vom 22. August 2018, Seite 331).

Neben diesen zahlreichen freiwilligen Rückkehrern gab und gibt es Abschiebungen aus Europa. So wurden im Zeitraum zwischen Oktober 2016 und April 2017 insgesamt 176 Personen aus Europa nach Afghanistan abgeschoben, darunter 106 aus Deutschland, von denen wiederum einige keine Verwandten in Kabul oder teilweise auch im gesamten Land hatten. Vom 31. Mai 2017 bis zum 23. Januar 2018 wurden 68 weitere Personen aus Deutschland nach Afghanistan abgeschoben, von Ende Dezember 2016 bis einschließlich September 2018 insgesamt 366 Personen (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 – juris, Rn. 402-406 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Nach aktuellen Erkenntnissen wurden seit der ersten Abschiebung aus Deutschland im Dezember 2016 insgesamt 589 Männer in 24 Flügen von deutschen Behörden zurück nach Afghanistan geschickt (vgl. www. sueddeutsche.de „Weiterer Abschiebeflug“, veröffentlicht am 16. Juni 2019 um 20:32 Uhr, Abruf am 17. Juni 2019). Die bisher letzte Sammelabschiebung aus der Bundesrepublik fand am 31. Juli 2019 statt, als 45 Männer nach Kabul geflogen wurden (vgl. www.spiegel.de „Weiterer Abschiebeflug in Kabul eingetroffen“, veröffentlicht am 31. Juli 2019 um 9:31 Uhr, Abruf am 16. August 2019).

Den umfangreichen Erkenntnismitteln zu Afghanistan sind keine Informationen zu entnehmen, aus denen geschlossen werden könnte, dass allein der Umstand einer Rückkehr aus dem westlichen Ausland bei fehlenden Netzwerken vor Ort einer Existenzsicherung in Afghanistan wenn auch nur auf niedriger Stufe entgegenstände. Zwar gibt es vereinzelte Rückkehrberichte über Probleme insbesondere bei der Suche nach Unterkünften und Arbeit. Erfahrungsberichte oder Schilderungen dahingehend, dass gerade auch leistungsfähige erwachsene männliche Rückkehrer ohne Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern sowie kinderlose Ehepaare in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger, Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände sogar verstorben wären, liegen hingegen nicht vor (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 – juris, Rn. 407).

Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Dem Auswärtigen Amt sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Auch EASO berichtet hierzu von unbestätigten Einzelfällen. EASO liegen aber einzelne Berichte über versuchte Entführungen aufgrund der Vermutung, der Rückkehrer sei im Ausland zu Vermögen gekommen, vor (Auswärtiges Amt, a.a.O., Seite 31).

Die Problematik fehlender Netzwerke bzw. dass es für viele Afghanen schlechterdings nicht vorstellbar sei, ohne Zugehörigkeit zu sozialen Netzwerken zu überleben, durchzieht die vorliegenden Erkenntnismittel und Erfahrungsberichte derjenigen, die in letzter Zeit Einzelschicksale von Rückkehrern in Afghanistan untersucht bzw. entsprechende Versuche unternommen haben. Derartige Aussagen beantworten aber nicht die Frage, wie es um die Überlebenssicherung von alleinstehenden Rückkehrern steht, wenn diese trotz der fehlenden Vorstellbarkeit des Alleinstehens in größerer Zahl in Afghanistan erscheinen, wie es bereits in den letzten Jahren der Fall war und auch weiterhin der Fall ist. Eine tatsächliche Gefahr der zeitnahen Verelendung im Fall der Rückkehr und damit ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK lässt sich auch weiterhin für diese Personen nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit belegen. Hinreichend gesicherte Erkenntnisse für eine solche Gefahr liegen nicht vor. Daher erscheint der Schluss logisch und nachvollziehbar, dass es Rückkehrern zumindest möglich sein muss, frühere Netzwerke wieder aufleben zu lassen oder neue zu etablieren (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 – juris, Rn. 419-425). Gerade angesichts der großen Zahl von Rückkehrern aus Pakistan, Iran und Europa erscheint es schlüssig, dass diese zurückkehrenden jungen, alleinstehenden Männer untereinander eigene Netzwerke aufbauen und dadurch das Fehlen existierender Netzwerke wenigstens so weit kompensieren, dass sie jedenfalls am Rande des Existenzminimums ihr Dasein fristen können.

Trotz der in Afghanistan bestehenden Widrigkeiten würde es dem Kläger nach Auffassung des Gerichts aller Voraussicht nach – auch mit Blick auf seine Ausbildung und Sprachkenntnisse – möglich sein, Arbeit jedenfalls als Tagelöhner zu finden und dadurch seine Grundbedürfnisse zu sichern. In den meisten Branchen, beispielsweise im Baubereich, werden Tagelöhner eingesetzt. Das Existenzminimum für eine Person kann durch solche Aushilfsjobs erwirtschaftet werden (vgl. VG Berlin, Urteil vom 10. Februar 2016 – 9 K 535.13 A; juris Rn. 56). Der Kläger hat zwar nach seinem eigenen Vortrag keine familiären Bindungen mehr in Afghanistan, hat aber zur Überzeugung des Gerichts dargestellt, dass er keine finanziellen Schwierigkeiten in Afghanistan gehabt hat. Insbesondere verfügt der Kläger nach seinem eigenen Vortrag über gute Beziehungen in Afghanistan. Er hat insbesondere seine Ausreise gemeinsam mit einem Freund organisiert und finanziert. In Afghanistan selbst hat er zunächst ein Logistikunternehmen geleitet, und anschließend neben seiner Tätigkeit als Dolmetscher eine Autovermietung betrieben, sodass davon auszugehen ist, dass der Kläger aufgrund seiner unternehmerischen Fähigkeiten und Sprachkenntnisse jederzeit in der Lage sein wird, jedenfalls ein Existenzminimum zu erwirtschaften. Der unverheiratete und kinderlose Kläger müsste im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nur sich selbst versorgen. Dies ist ihm zumutbar. Daneben könnte der Kläger zumindest für die erste Zeit nach seiner Rückkehr verschiedene Rückkehrförderprogramme in Anspruch nehmen, welche u.a. Reisebeihilfen, Startgelder, Beratung und Begleitung zu Behörden, medizinischen und karitativen Einrichtungen, Unterkunft sowie finanzielle Integrationshilfen vorsehen (vgl. hierzu VG Augsburg, Urteil vom 13. August 2018 - Au 5 K 17.30441, beck-online).

Ein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 7 AufenthG scheidet für den Kläger ebenfalls aus.

Nach § 60 Abs. 7 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dies kann aus individuellen Gründen der Fall sein, kommt aber ausnahmsweise auch infolge einer allgemein unsicheren oder wirtschaftlich schlechten Lage im Zielstaat in Betracht. Eine solche Ausnahme können die im Zielstaat herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage darstellen, wenn bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine extreme Gefahrenlage vorläge. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahr ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit strengeren Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit in dem Sinn drohen, dass er im Fall der Abschiebung sozusagen sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert wäre. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren, wenn also z.B. der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert wäre.

Von diesem Maßstab ausgehend bietet § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unter dem Gesichtspunkt der extremen Gefahrenlage keinen weitergehenden Schutz als § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 EMRK. Liegen also die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen nicht vor, so scheidet auch eine im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante extreme Gefahrenlage aus (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 – juris, Rn. 453). Die fraglos schlechten Lebensverhältnisse in Afghanistan begründen wie oben dargestellt bereits keinen Verstoß gegen Art. 3 EMRK und erfüllen damit erst recht nicht die höheren Voraussetzungen der extremen Gefahrenlage gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigt, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen (§ 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG). Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten (§ 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG).

Die Regelung in § 60a Abs. 2c und 2d AufenthG umfasst nach ihrem Wortlaut, ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Sinn und Zweck auch die Feststellung ziel-staatsbezogener Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG (Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. September 2017 – 2 L 85/17 – juris, Leitsatz und Rn. 13).

Bei dem Kläger greift die gesetzliche Vermutung, dass seiner Abschiebung keine zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse aus gesundheitlichen Gründen entgegenstehen. Zwar wurde der hier insoweit darlegungsbelastete Kläger aufgrund einer Verletzung am Dünndarm operiert, dass jedoch eine Erkrankung vorliegt, die die Abschiebung beeinträchtigt, hat der Kläger weder vorgetragen noch durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft gemacht. Der eingereichte ärztliche Bericht des Klinikums Dahme-Spreewald vom 27. November 2017, wonach sich der Kläger im Zeitraum vom 16. November 2017 bis zum 27. November 2017 in stationärer Behandlung befunden hat, kommt vielmehr zu dem Schluss, dass eine Entlassung des Klägers bei reizlosen Lokalbefund angezeigt war. Hieraus lässt sich nicht schließen, dass gesundheitliche Gründe einer Abschiebung des Klägers entgegenstehen. Insoweit war der Kläger gehalten hinreichend substantiierte Atteste einzureichen, was jedoch nicht geschah.

Auch im Übrigen ist gegen den Bescheid in materiell-rechtlicher Hinsicht nichts zu erinnern.

Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 AsylG, § 59 Auf-enthG. Die Ausreisefrist von 30 Tagen ergibt sich aus § 38 Abs. 1 AsylG.

Gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 Auf-enthG wurde weder seitens des Klägers weder etwas vorgetragen noch sind für das Gericht nach eigener Prüfung Gründe dafür ersichtlich, dass die Befristung auf 30 Monate ermessensfehlerhaft sein könnte.

Die Kostenentscheidung einschließlich der Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung bedurfte es vorliegend nicht, da das Verfahren gerichtskostenfrei war.