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Entscheidung 7 U 154/13


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 7. Zivilsenat Entscheidungsdatum 10.12.2014
Aktenzeichen 7 U 154/13 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 30. Oktober 2013 verkündete Schlussurteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 13.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. März 2012 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der klägerischen Beteiligung in Höhe von € 20.000,00 an der B… GmbH & Co. KG

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 26.250,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. März 2012 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der klägerischen Beteiligung in Höhe von € 25.000,00 an der W… GmbH & Co. KG;

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 9.040,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. März 2012 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der klägerischen Beteiligung in Höhe von € 20.000,00 an der H… GmbH & Co. KG.

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in Bezug auf die Beteiligung an der H… GmbH & Co. KG in Höhe eines Zahlbetrages von € 5.954,82 in der Hauptsache erledigt ist.

4. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte wegen der Übertragung der Beteiligungen gemäß den Anträgen zu 1. bis 3. im Annahmeverzug befindet.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.635,06 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie darüber hinaus in Höhe von € 483,38 die Klägerin von Ansprüchen ihres Prozessbevollmächtigten freizustellen.

6. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin beansprucht mit der am 8. Mai 2012 eingegangenen und am 20. August 2012 zugestellten Klage von der Beklagten die Rückgängigmachung von vier Fondsbeteiligungen, die sie nach Beratung durch Mitarbeiter der Beklagten gezeichnet hatte.

Es handelt sich um folgende Beteiligungen:

1. Schiffsfonds B…,
2. Fonds W… GmbH & Co.,
3. Fonds H… GmbH & Co. KG,
4. Immobilienfonds A….

Gegenstand der vorliegenden Berufung sind die Fondsbeteiligungen zu 1. bis 3.

Dem Schiffsfonds “B… GmbH & Co. KGH …” (B…-Fonds), der später in „MS Ha… GmbH & Co. KG umfirmierte, trat die Klägerin auf Anraten des Zeugen E… D… am 19. Januar 2005 bei (Bl. 10). Die Klägerin beteiligte sich über die HI …GmbH als Kommanditistin mit einem Anteil von € 20.000,00 zuzüglich eines Agios von 5% an einem Mehrzweckfrachtschiff. Insgesamt zahlte sie € 21.000,00. An Ausschüttungen erhielt sie von Oktober 2005 bis Dezember 2009 insgesamt € 8.000,00.

Dem Fonds „W… GmbH & Co. …” (W…) trat die Klägerin auf Anraten des Zeugen H… J… am 13. Oktober 2006 (Bl. 11) bei und zwar als Kommanditistin über die T… GmbH mit einer Kommanditeinlage von € 25.000,00 zuzüglich 5% Agio, so dass sie insgesamt € 26.250,00 leistete. Der Fonds kauft vorzeitig gekündigte Lebensversicherungen unter Wert auf und zahlt die Prämien bis zum Ende der Laufzeit, um dann die vereinbarte Versicherungssumme zu erhalten.

Schließlich trat sie ebenfalls auf Anraten des Zeugen H… J… am 6. Oktober 2006 dem Fonds „H… GmbH & Co. KG“ (H…-Fonds) über die H… I GmbH & Co. KH als Kommanditistin mit einem Anteil von € 20.000,00 zuzüglich Agio von 5%, insgesamt € 21.000,00, bei (Bl. 13 f.). An Ausschüttungen erhielt sie insgesamt € 11.960,00. Der Tätigkeitsbereich des Fonds ist mit der Verwaltung eigenen Vermögens und dem Halten von Zertifikaten der H… D… umschrieben.

Bei allen drei Beteiligungen handelt es sich um geschlossene Fonds.

Die Beklagte erhielt für die Vermittlung der Beteiligungen Provisionen von 9 % bei dem B…-Fonds, 8 % bei dem W… und 9 % bei dem H…-Fonds.

Mit Schreiben vom 8. Februar 2012 verlangte die Klägerin die Rückgängigmachung ihrer Beteiligungen im Wege des Schadensersatzes bis zum 15. März 2012 mit der Begründung, die Beklagte habe sie nicht auf ein Totalverlustrisiko hingewiesen und Rückvergütungen der Fondsgesellschaften an die Beklagte nicht offen gelegt. Ferner sei sie bei dem W… und dem H…-Fonds nicht über die Möglichkeit der Aussetzung der Rücknahme der Anteile gem. § 81 InvG aufgeklärt worden (Bl. 18).

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte habe sie nicht hinreichend aufgeklärt. Außerdem habe sie die Emissionsprospekte erst bei Unterzeichnung erhalten. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte sie die Fonds nicht gezeichnet und das Kapital in eine sichere Anlageform mit einer Verzinsung von 2 % bis 3 % jährlich investiert. Neben der Rückgängigmachung der Beteiligungen beansprucht sie entgangenen Gewinn von 10.092,39 € sowie Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. an die Klägerin € 13.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. März 2012 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der klägerischen Beteiligung in Höhe von € 20.000,00 an der B… GmbH & Co. KG,

2. an die Klägerin € 26.250,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. März 2012 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der klägerischen Beteiligung in Höhe von € 25.000,00 an der W… GmbH & Co. KG;

3. an die Klägerin € 14.994,82 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. März 2012 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der klägerischen Beteiligung in Höhe von € 20.000,00 an der H… GmbH & Co. KG;

4. …

5. festzustellen, dass die Beklagte wegen der Anträge zu 1., zu 2. und zu 3. … im Annahmeverzug ist.

6. …

7. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 1.635,06 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie darüber hinaus die Beklagte zu verurteilen, hinsichtlich des verbleibenden Betrages in Höhe von € 483,38 die Klägerin von den Ansprüchen ihres Prozessbevollmächtigten freizustellen.

Über die Fondsbeteiligung zu 4. (Klageantrag zu 4.) einschließlich der Feststellung des Annahmeverzuges insoweit (Klageantrag zu 5.) und den geltend gemachten entgangenen Gewinn aus allen Beteiligungen (Klageantrag zu 6.) hat das Landgericht durch Teilurteil vom 22. Mai 2013 entschieden und die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat der Senat das Urteil abgeändert und die Beklagte im Wesentlichen zum Schadensersatz verurteilt (Az. 7 U 72/13). Die Beklagte hat Revision eingelegt (Az. BGH XI ZR 411/14).

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat eingewandt, die Klägerin sei eine risikofreudige Anlegerin mit einem Interesse an einer überdurchschnittlichen Rendite gewesen. Sie habe die Klägerin jeweils auf das Risiko einer unternehmerischen Beteiligung sowie eines möglichen Totalverlustes hingewiesen. Außerdem habe sie über die Tatsache von Rückvergütungen aufgeklärt, deren Höhe unterhalb des ansonsten Üblichen gelegen habe. Die Klägerin habe auch andere unternehmerische Beteiligungen gezeichnet, ohne sich an Rückvergütungen zu stören, und in deren Kenntnis nicht die Rückgängigmachung im Wege des Schadensersatzes verlangt. Über die Regelung des § 81 InvG habe sie nicht aufklären müssen, da diese bei geschlossenen Fonds nicht einschlägig sei. Ferner erhebt sie die Einrede der Verjährung, da die Klägerin bereits bei Zeichnung Kenntnis von den hier in Frage stehenden Umständen erlangt habe.

Das Landgericht hat durch Schlussurteil vom 30. Oktober 2013 die Klage in Bezug auf die Beteiligungen zu 1. bis 3. abgewiesen. Gegen das am 5. November 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15. November 2013 Berufung eingelegt und diese am 3. Januar 2014 begründet.

Die Parteien vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Im Laufe der zweiten Instanz hat die Klägerin aus dem H…-Fonds weitere Ausschüttungen von € 1.300,75 und € 1.734,33 erhalten. Unstreitig hat der insgesamt € 11.960,00 ausgeschüttet, so dass nur noch € 9.040,00 offen sind. Einer Erledigungserklärung der Klägerin hat sich die Beklagte nicht angeschlossen.

Die Klägerin beantragt,

das Schlussurteil des Landgerichts Potsdam vom 30. Oktober 2013 zu dem Aktenzeichen 8 O 154/12 dahingehend abzuändern,

1. dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin € 13.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. März 2012 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der klägerischen Beteiligung in Höhe von € 20.000,00 an der B… GmbH & Co. KG,

2. dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin € 26.250,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. März 2012 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der klägerischen Beteiligung in Höhe von € 25.000,00 an der W… GmbH & Co. KG;

3. dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin € 9.040,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. März 2012 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der klägerischen Beteiligung in Höhe von € 20.000,00 an der H… GmbH & Co. KG;

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in Höhe eines Zahlbetrages von € 5.954,82 in der Hauptsache erledigt ist.

4. dass festgestellt wird, dass die Beklagte wegen der Anträge zu 1. bis 3. im Annahmeverzug befindet;

5. dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin € 1.635,06 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen und darüber hinaus die Klägerin in Höhe von € 483,38 von den Ansprüchen ihres Prozessbevollmächtigten freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen E… D… und H… J… sowie Parteivernehmung der Klägerin (Protokoll Bl. 781 f.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das erstinstanzliche Urteil sowie die Protokolle über die Beweisaufnahmen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist in der Sache begründet. Die Klägerin kann im Wege des Schadensersatzes gemäß §§ 280 Abs. 1 S. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen schuldhafter Verletzung vertraglicher Beratungspflichten von der Beklagten die Rückgängigmachung ihres Beitritts zu dem B…-Fonds, W… und H…-Fonds verlangen.

Im Einzelnen:

1.

Zwischen den Parteien ist ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Tritt ein Anlageinteressent an eine Bank oder der Anlageberater einer Bank an einen Kunden heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden bzw. zu beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen. Für den Abschluss des Beratungsvertrages ist ohne Bedeutung, ob die Klägerin von sich aus bei der Geldanlage die Dienste und Erfahrungen der Beklagten in Anspruch nehmen wollte oder ob der Anlageberater der Beklagten den Kläger aufgefordert hat (vgl. BGH vom 06.07.1993, XI ZR 12/93, Rn. 11f., Bond).

Die Beratung muss anleger- und objektgerecht sein (BGHZ 123, 126, 128). Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarkts, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den besonderen Umständen des Anlageobjekts ergeben. Während die Aufklärung des Kunden über diese Umstände richtig und vollständig zu sein hat (BGH vom 09.05.2000, XI ZR 159/99), muss die Bewertung und Empfehlung eines Anlageobjektes unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten ex ante betrachtet lediglich vertretbar sein. Das Risiko, dass sich eine Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Kunde (BGH vom 04.02.1987, IVa ZR 134/85; vom 21.03.2006, XI ZR 63/05; vom 29.04.2014, XI ZR 130/13, Rn. 16).

2.

Die Beklagte hat die Klägerin nicht hinreichend über die Fondsbeteiligungen aufgeklärt. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass sie vor Zeichnung der Beitrittserklärungen zwar auf das Risiko des Totalverlustes und die eingeschränkte Fungibilität hingewiesen hat, nicht aber auf die Höhe von Rückvergütungen an die Beklagte.

a)

Über die Gefahr des unternehmerischen Risikos bis hin zu einem möglichen Totalverlust musste die Beklagte aufklären. Grundsätzlich kann die Aufklärung des Interessenten auch mittels der Übergabe eines Prospekts erfolgen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Prospekt dem Anleger so rechtzeitig vor der Anlageentscheidung übergeben wird, dass er sich mit seinem Inhalt vertraut machen konnte (vgl. BGH, Urteil vom 08.05.2012, XI ZR 262/10, Rn. 20 f.).

Alle Emissionsprospekte weisen auf die Gefahr des Totalverlustes hin (B…-Fonds Bl. 190, W… Bl. 270, H…-Fonds Bl. 222R f.). Auch bestätigt die Klägerin den Erhalt der Emissionsprospekte auf den Zeichnungsscheinen. Die Beklagte hat jedoch nicht zu beweisen vermocht, dass sie die Prospekte so rechtzeitig überreicht hat, dass die Klägerin sich mit deren Inhalt hätte auseinandersetzen können. Der Zeuge D… konnte sich nicht mehr erinnern, ob und wann er der Klägerin den Prospekt ausgehändigt hat. Nach Aussage des Zeugen J… hat die Klägerin den Prospekt an dem Tag erhalten, an dem sie den Empfang mit ihrer Unterschrift bestätigt hat. Dies ist der Tag der Zeichnung, wobei der Zeuge nicht ausschließen konnte, dass er den Emissionsprospekt zu dem W… möglicherweise erst später nachgereicht hat, was die Klägerin bestätigt hat. Die Übergabe am Tag und in Zusammenhang mit der Zeichnung des Beitritts gibt des Beitretenden nicht hinreichend Gelegenheit, sich mit dem Inhalt des Emissionsprospektes zu befassen.

Entscheidend kommt es deshalb auf die Beratungsgespräche mit den Zeugen an.

Der Zeuge D… geht davon aus, dass er die Klägerin entsprechend dem Emissionsprospekt des B…-Fonds beraten hat, wobei er sich an Einzelheiten des Gesprächs nicht mehr erinnern konnte. Aus dem von ihm gefertigten Beratungsprotokoll (Bl. 339) ergibt sich jedoch, dass er ausdrücklich auf die Gefahr eines Totalverlustes hingewiesen hat, was die Klägerin gegengezeichnet und damit bestätigt hat. Das Beratungsprotokoll ist übersichtlich und der Hinweis nicht zu übersehen.

Der Zeuge J… konnte sich an die Beratungsgespräche noch erinnern, da die Klägerin seine „beste Kundin“ war. Er ist sich sicher, dass er die Klägerin auf das unternehmerische Risiko und die Gefahr eines Totalverlustes hingewiesen hat. Dies habe sich bereits aus den Unterlagen ergeben, die er zur Grundlage seines Beratungsgesprächs gemacht und zusätzlich erläutert habe, als sie die Rubrik „Chancen und Risiken“ durchgegangen seien. Anhaltspunkte, die gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen sprechen, sind nicht ersichtlich. Der Zeuge ist zwar weiterhin bei der Beklagten beschäftigt und hat damit ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits. Gleichwohl hat er sehr differenziert ausgesagt und Tatsachen zu seinen wie zu Lasten der Beklagten offengelegt, so die späte Übergabe der Emissionsprospekte oder fehlende Angaben zur Höhe der Rückvergütung.

b)

Über eine mögliche Aussetzung der Anteilsrücknahme gemäß § 81 InvG a. F. musste die Beklagte die Klägerin nicht aufklären. Das Investmentgesetz ist auf die streitgegenständlichen Fonds nicht anwendbar. Es gilt nach §§ 1, 2 Abs. 2 InvG nur für Investmentfonds, bei denen die Anleger nach Maßgabe des Gesetzes und der Vertragsbedingungen das Recht zur jederzeitigen Rückgabe der Anteile zusteht. Dies ist bei einer Kommanditbeteiligung an einem Unternehmen - wie hier - nicht der Fall.

Da es der Klägerin im Rahmen der Altersvorsorge und im Hinblick auf den Kauf einer Eigentumswohnung jedoch darauf ankam, ggfs. kurzfristig auf ihre Rücklagen zugreifen zu können, hätte sie die Beklagte unabhängig davon auf die Langfristigkeit der Anlage und eine eingeschränkte Fungibilität hinweisen müssen.

Dies haben die Zeugen auch getan. Zu dem B…-Fonds ergibt sich dies ausdrücklich aus dem Beratungsprotokoll. Dort ist von der Klägerin gegengezeichnete festgehalten: „besondere Hinweise bzgl. ... Laufzeitrisiko (ungewisse Verfügbarkeit)“. Der Zeuge D… bestätigte zudem eine Beratung der Klägerin in diesem Sinne.

Der Zeuge J… hat der Klägerin den W… sowie H…-Fonds empfohlen. Da die Klägerin „aktienaffin“ gewesen sei, habe er ihr geraten, dem Portfolio den H…-Fonds beizumischen, um eine Risikoverminderung gegenüber den Aktienanlagen zu erreichen. Gleichzeitig sei es wegen der mangelnden Fungibilität Position der Beklagten gewesen, nicht mehr als 10 bis 15 % des Finanzvermögens in solche Beteiligungen zu investieren. Üblicherweise habe er darauf hingewiesen, dass die Beteiligungen kaum handelbar seien. Anlass, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu zweifeln, besteht auch insoweit nicht. Tatsächlich hatte die Klägerin – wie ihre sonstigen Beteiligungen zeigen – im Wesentlichen in Aktien investiert, so dass der Rat des Zeugen J… aus damaliger Sicht nicht zu beanstanden ist.

c)

Ferner musste die Beklagte die Klägerin über mögliche Rückvergütungen und deren Höhe aufklären und ist insoweit beweisfällig geblieben.

Aufklärungspflichtige Rückvergütungen sind - regelmäßig umsatzabhängige - Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen (vgl. BGH vom 08.05.2012, XI ZR 262/10, Rn. 17; 04.06.2013, XI ZR 188/11, Rn. 14; 28.05.2013, XI ZR 113/11, Rn. 13). Vorliegend hat die Beklagte Rückvergütungen aus dem Agio und darüber hinaus Innenprovisionen aus dem zu investierenden Kapital erhalten. Das Agio hätte für die gezahlte Provision nicht ausgereicht.

Die Klägerin hat bei ihrer Vernehmung als Partei ausgesagt, die Zeugen D… und J… hätten sie über eine Rückvergütung nicht aufgeklärt.

Der Zeuge D… war sich jedoch sicher, dass er damals über die Rückvergütung bzw. Provision der Beklagten in Zusammenhang mit dem Agio hingewiesen und erklärt habe, das Agio werde von der Bank vereinnahmt. Dies habe er stets so gehandhabt. Allerdings finden sich in dem Beratungsprotokoll des Zeugen – im Gegensatz zu den übrigen Hinweisen des Zeugen – keine Anhaltspunkte für eine Aufklärung in Bezug auf die Rückvergütung. Außerdem würde ein Hinweis auf das Agio nicht genügen, da die Beklagte eine sehr viel höhere Rückvergütung erhalten hat. Im Übrigen hat der Zeuge ausgesagt, er könne sich nicht mehr so genau erinnern, in welcher Weise er die Klägerin seinerzeit beraten hat, so dass eine korrekte Aufklärung durch den Zeugen nicht bewiesen ist.

Der Zeuge J… hat nach seiner Aussage bei der Erläuterung des Agios darauf hingewiesen, dass die Beklagte eine Provision erhalte und dafür das Agio da sei. Auch diese Aussage ist falsch und musste bei der Klägerin den Eindruck erwecken, eine Rückvergütung an die Beklagte belaufe sich auf maximal das Agio.

Zu einer ordnungsgemäßen Aufklärung gehört nicht nur die Mitteilung, dass eine Rückvergütung gezahlt wird, sondern auch deren Höhe (vgl. BGH, Urteil vom 23.09.2014, XI ZR 215/13, Rn. 15). Für das Maß eines Eigeninteresses der Beklagten an dem Wertpapierverkauf kommt es entscheidend auch auf die Höhe der Rückvergütung an. Zusätzlich ist für den Kunden von Bedeutung, in welchem Umfang sein Kapital eingesetzt wird, um die gewünschte Rendite zu erzielen.

Dieser Beratungsfehler der Beklagten, die sich das Verhalten der Zeugen gemäß § 278 BGB zurechnen lassen muss, ist kausal für den Beitritt der Klägerin zu den Fonds geworden. Es gilt die "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" für alle Aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offengelegt wurden. Hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung (BGH, Urteil vom 08.05.2012, XI ZR 262/10, Rn. 27 ff.; vom 04.06.2013, XI ZR 188/11, Rn. 19; vom 23.09.2014, XI ZR 215/13, Rn. 15). Relevante Indizien für die fehlende Kausalität können sich sowohl aus dem vorangegangenen als auch aus dem nachfolgenden Anlageverhalten des Anlegers ergeben. Insbesondere die Kenntnis des Anlegers von Provisionen oder Rückvergütungen, die die beratende Bank bei vergleichbaren früheren Anlagegeschäften erhalten hat, kann ein Indiz dafür sein, dass der Anleger die empfohlene Kapitalanlage auch in Kenntnis der Rückvergütung erworben hätte. Sollte ein Anleger in Bezug auf eine vergleichbare Kapitalanlage, die er vor oder nach der streitgegenständlichen erworben hat, erst nach dem Erwerb der jeweiligen Beteiligung Kenntnis von Rückvergütungen erhalten, so kann sich ein Indiz für die fehlende Kausalität der unterlassenen Mitteilung über Rückvergütungen auch daraus ergeben, dass der Anleger an den vergleichbaren – möglicherweise gewinnbringenden – Kapitalanlagen festhält und nicht unverzüglich Rückabwicklung wegen eines Beratungsfehlers verlangt (BGH, Urteil vom 08.05.2012, XI ZR 262/10, Rn. 50; vom 04.06.2013, XI ZR 188/11, Rn. 29).

Die von der Beklagten vorgetragenen Indizien schließen die Kausalität nicht aus.

In Auftragsbestätigungen wie Abrechnungen der Beklagten zu anderen Fondsbeteiligungen fand sich zwar der Hinweis „Über eventuelle Rückvergütungen an das Kreditinstitut wurde informiert.“, so bei der Auftragsbestätigung zu den Fondsbeteiligungen Al…. und W…, jeweils von der Klägerin unterzeichnet (Bl. 341, 349), sowie den Abrechnungen zu dem Fonds A… (Bl. 377 f.), ohne dass sich die Klägerin hieran gestört hätte. Außerdem hat sie bei späteren Beteiligungen vermittelt durch die H… Sparkasse (Ha…) Rückvergütungen im Bereich von ca. 5 % „notgedrungen“ hingenommen, so die Klägerin bei ihrer Parteieinvernahme. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Klägerin das Agio übersteigende weit höhere Provisionen von 8 % und 9 %, die teilweise auch aus dem Kapitalwert zu erbringen waren, akzeptiert hätte.

Ferner hat die Beklagte zahlreiche weitere Beteiligungen der Klägerin dargetan (Bl. 130):

• …, Aktienfonds,
• …, Aktienfonds,
• …, Mischfonds,
• …, Immobilienfonds,
• …, Rentenfonds,
• …, Mischfonds,
• …, Aktienfonds osteuropäischer und asiatischer Länder,
• …, Aktienfonds, Schwerpunkt Indien,
• …, Aktienfonds, Schwerpunkt Europa,
• …, Aktienfonds
• …, Aktienfonds China,
• …, Aktienfonds Pazifik,
• …, Aktienfonds weltweit,
• …, Aktienfonds Bergbau und Metall,
• Investmentfonds …,

bei denen sicherlich auch Provisionen geflossen sind. Deren Höhe hat die Beklagte nicht vorgetragen. Die Klägerin hat zudem in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass sie diese Beteiligungen im Wesentlichen veräußert hat, um ihre Eigentumswohnung zu finanzieren. Aus der Tatsache, dass die Klägerin auch in andere Beteiligungen investiert hat, kann deshalb kein Rückschluss darauf gezogen werden, in welchem Umfang die Klägerin Rückvergütungen hingenommen hätte.

Bei ihrer Vernehmung als Partei hat die Klägerin sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie in Kenntnis der Provisionen von einer Zeichnung der Beteiligungen Abstand genommen hätte, weil sie dann angenommen hätte, dass die Zeugen die Beratung weniger zu ihren Gunsten, sondern eher im Provisionsinteresse der Beklagten durchführen.

Im Wege des Schadensersatzes kann die Klägerin Rückgängigmachung ihrer Beteiligungen verlangen, d.h. Erstattung der unter Berücksichtigung der Ausschüttungen geleisteten Beteiligung Zug um Zug gegen die Übertragung der Beteiligung auf die Beklagte.

4.

Die Ansprüche der Klägerin sind nicht verjährt. Sie verjähren nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB in drei Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und die Klägerin Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.

Als Schuldnerin trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für Beginn und Ablauf der Verjährung und damit für die Kenntnis der Klägerin bzw. deren grob fahrlässige Unkenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB (vgl. BGH NJW 2007, 1584, Rn. 32; Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 199, Rn. 50). Eine die Verjährung begründende Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin konnte die Beklagte nicht dartun. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Klägerin zwar grundsätzlich über Rückvergütungen unterrichtet wurde, nicht aber deren Höhe kannte. Tatsächlich haben die Zeugen die Klägerin über die Höhe der Rückvergütungen unzutreffend aufgeklärt. Die fehlende Kenntnis des Anlegers von der Höhe der Rückvergütung steht jedenfalls in solchen Fällen dem Verjährungsbeginn entgegen, in denen die beratende Bank - wie hier - konkrete, jedoch fehlerhafte Angaben zur Höhe der Rückvergütung gemacht hat (vgl. BGH, Urteile vom 26.02.2013, XI ZR 498/11, Rn. 30 und 23.09.2014, XI ZR 215/13, Rn. 34).

5.

Für den Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges besteht im Hinblick auf § 765 Nr. 1 ZPO und die anschließende Vollstreckung ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. In der Sache ist der Antrag begründet, da sich die Beklagte seit dem 16. März 2012 in Verzug befindet. Mit Schreiben vom 8. und 10. Februar 2012 setzte die Klägerin der Beklagten eine Frist für die Rückabwicklung bis zum 15. März 2012 (Bl. 18, 21).

6.

Über den entgangenen Gewinn ist die Klage bereits durch das Teilurteil des Landgerichts vom 22. Mai 2013 abgewiesen, bestätigt durch Berufungsurteil vom 30. Juli 2014.

7.

Die vorgerichtlichen Anwaltskosten hat die Beklagte als Teil des Schadensersatzes zu tragen. Zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten zählen zwar grundsätzlich auch die durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten (vgl. BGH, Urteil vom 08.05.2012, XI ZR 262/10).

8.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

9.

Die Revision war nicht zuzulassen, da der Sache weder grundsätzliche Bedeutung zukommt noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 ZPO.

10.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird wie folgt festgesetzt:

Klageantrag zu 1.

        

€ 13.000,00

Klageantrag zu 2.

        

€ 26.250,00

Klageantrag zu 3.

        

€ 14.994,82

Insgesamt

        

€ 54.244,82

Dem Klageantrag zu 4. (Feststellung des Annahmeverzuges) kommt kein Mehrwert zu. Der Klageantrag zu 5. (vorgerichtliche Anwaltskosten) blieb nach § 4 ZPO als Nebenforderung bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt.

11.

Die Schriftsätze der Parteien vom 10., 19. und 28. November 2014 geben keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.