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Ermessensentscheidungen - Übernahme von Schulden - Folgenabwägung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 29. Senat Entscheidungsdatum 14.03.2012
Aktenzeichen L 29 AS 28/12 B ER ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 86b SGG, § 39 SGB 10, § 36 SGB 12

Tenor

Auf die Beschwerde des Beigeladenen wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. Dezember 2011 aufgehoben.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind für den Rechtstreit nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von dem Antragsgegner nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ein Darlehen in Höhe von 1.505,21 € zur Tilgung von Gasschulden.

Der 1966 geborene Antragsteller ist Staatsbürger Kenias. Er arbeitet seit 1998 als Servicemitarbeiter bei dem F C am P P und bezieht dort monatliche Einkünfte in wechselnder Höhe; diese betrugen ausweislich einer Einkommensbescheinigung vom 20. Oktober 2011 in diesem Monat beispielsweise 1.220,54 €/netto und im November 2011 zusätzlich eine Sonderleistung in Höhe von 614 €/brutto.

Der Antragsteller ist seit 2002 geschieden und bewohnt unter der aus dem Rubrum ersichtlichen Anschrift allein eine Wohnung mit einem monatlichen Bruttomietzins von 355 €. Bis September 2011 zahlte er für die Gasversorgung seiner Wohnung monatliche Abschlagszahlungen in Höhe von 50 €, ab September 2011 wurde der Betrag auf monatlich 99 € erhöht. Er ist zudem unterhaltspflichtig für zwei Kinder in Höhe von jeweils 141 €/monatlich; diese Beträge wurden von dem B P B (Jugendamt) laut Mitteilung an den Antragsteller vom 1. September 2011 ermittelt nach einem durchschnittlichen Monatseinkommen von 1.231,28 €/netto.

Am 31. August 2011 sperrte die GASAG (Berliner Gaswerke Aktiengesellschaft) den Gaszähler des Antragstellers, nachdem für den Abrechnungszeitraum Juni 2010 bis August 2011 ein Rechnungsbetrag in Höhe von 1.052,19 € aufgelaufen und unbeglichen geblieben war. Zuzüglich weiterer Kosten bezifferte sich ausweislich eines Schreibens der GASAG vom 20. September 2011 die offene Forderung auf insgesamt 1.505,21 €. In einem weiteren Schreiben der GASAG vom 27. Oktober 2011 heißt es zu dieser Forderung wörtlich:

„…aufgrund der von Ihnen angebotenen Ratenhöhe müssen wir eine Ratenzahlung leider ablehnen. Der Gaszähler ist am 31. August 2011 gesperrt worden. Der Betrag der Sperrrechnung in Höhe von 1.505,21 € ist insofern in voller Höhe zu zahlen, eine Ratenzahlung kommt hier nicht in Betracht.

Sobald der Betrag und die Eröffnungsgebühr (63,91 €) hier verbucht ist, kann gerne eine Terminsvereinbarung zu Zähleröffnung veranlasst werden.“

Der Antragsteller beantragte daraufhin am 27. Oktober 2011 bei dem Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II und die Gewährung eines Darlehens für die Tilgung der Gasschulden. Im Antragsverfahren legte er insbesondere ein anwaltliches Schreiben seiner Vermieter vom 14. September 2011 vor, aus dem ersichtlich wird, dass er Mietrückstände durch monatliche Zahlungen von 45 € tilgt und die Vermieter unter der Bedingung der weiteren monatlichen Tilgung von einer Kündigung Abstand nehmen und eine für den 30. August 2011 angesetzte Räumung der Wohnung entfallen lassen würden.

Der Antragsgegner lehnte mit Bescheiden vom 11. November 2011 sowohl die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als auch die Gewährung eines Darlehens ab. Der Antragsteller sei aufgrund seines Einkommens nicht bedürftig und mangels laufenden Bezuges von Leistungen nach dem SGB II käme die Gewährung eines Darlehens nicht in Betracht. Gegen den Bescheid betr. die Ablehnung der Gewährung eines Darlehens legte der Antragsteller mit Schreiben vom 17. November 2011 mit der Begründung Widerspruch ein, für den Monat der Antragstellung betrage sein „einmaliger Regelbedarf“ wegen der Gasschulden insgesamt 2.323,21 € (=Regelsatz 364 € + Wohnkosten 454 € + Darlehensbetrag 1.505,21 €).

Am 25. November 2011 hat der Antragsteller schließlich bei dem Sozialgericht Berlin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der Gastschulden beantragt. Seit dem 31. August 2011 sei er ohne Gasversorgung und friere. Auf Anforderung des Sozialgerichts hat der Antragsteller Kopien von Kontoauszügen seines Kontokorrentkontos bei der BV eG (Kto.-Nr. ) für den Zeitraum vom 31. August 2011 bis zum 9. Dezember 2011 vorgelegt. Nach diesen Kontoauszügen hat der Antragsteller regelmäßig über Guthaben auf diesem Konto, teilweise bis zu 1298,98 € (Stand: 28. November 2011), verfügt.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 2. Dezember 2011 das Bezirksamt Neukölln zum Verfahren beigeladen.

Das Sozialgericht hat dem schriftlichen Vorbringen des Antragstellers den sinngemäßen Antrag entnommen,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig ein Darlehen in Höhe von 1.505,21 € zu gewähren.

Mit Beschluss vom 22. Dezember 2011 hat das Sozialgericht Berlin schließlich den Beigeladenen im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig ein Darlehen in Höhe von 1.505,21 € zur Tilgung der bei der GASAG bestehenden Gasschulden zu gewähren. Der Antragsteller stehe nicht im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II und es habe nicht abschließend geklärt werden können, ob ein Leistungsanspruch gegen den Antragsgegner nach § 22 Abs. 8 SGB II in Betracht komme. Ob ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bestehe, könne nicht mit hinreichender Sicherheit gesagt werden, da der Antragsteller Einkommen in schwankender Höhe beziehe und Verdienstabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht vorlägen. Im Ergebnis sei nach einer gebotenen Güter- und Folgenabwägung der Beigeladene zur vorläufigen Leistung nach § 36 Abs. 1 SGB XII zu verpflichten, denn es liege eine Notlage vor. Die Wohnung sei faktisch unbewohnbar wegen der Sperrung der Gaszufuhr.

Gegen diesen dem Beigeladenen am 28. Dezember 2011 zugestellten Beschluss hat der Beigeladene am 5. Januar 2012 Beschwerde bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Der Antragsteller verfüge durchaus über bereite Mittel auch zur Bestreitung seiner Schulden. Demgegenüber bediene er jedoch ausweislich vorgelegter Kontoauszüge regelmäßig eine Lebensversicherung, einen Handyvertrag und einen Sparvertrag über vermögenswirksame Leistungen. Zudem habe der Antragsteller von seinem Arbeitgeber kürzlich eine Jahressonderzahlung erhalten, die aber wohl auch nicht zur Schuldentilgung verwendet worden sei. Mit seinem Einkommen liege er deutlich über der Bedarfsgrenze, sei tatsächlich nicht hilfebedürftig und lebe schlicht über seine Verhältnisse. Zudem sei von der GASAG nicht generell eine Tilgung der Schulden durch Ratenzahlung abgelehnt worden, sondern lediglich die vom Antragsteller angebotene Ratenhöhe. Schließlich habe sich der Jahresverbrauch bei ihm nahezu verdoppelt von rund 7.700 kWh auf 13.000 kWh. Erklärbar könne der Mehrverbrauch dann sein, wenn der Antragsteller die Wohnung nicht mehr allein benutzen würde. Im Übrigen handele es sich bei einer Leistung nach § 36 SGB XII nicht um eine so genannte „Muss-Leistung“; es bestehe lediglich die Möglichkeit der Übernahme von Schulden. Der Gewährung eines Darlehens schließlich stünde außerdem entgegen, dass der Antragsteller bereits jetzt zahlreichen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkomme; Verpflichtungen gegenüber dem Vermieter, dem Gasversorger und den unterhaltsberechtigten Kindern würden nicht vollumfänglich erfüllt. Mit einer pünktlichen und regelmäßigen Rückzahlung sei daher nicht zu rechnen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners ().

II.

Die zulässige Beschwerde des Beigeladenen ist begründet.

Das Sozialgericht Berlin hat in dem angefochtenen Beschluss den Beigeladenen zu Unrecht zur Leistung verpflichtet. Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin war aufzuheben und der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen.

Nach § 86 b Abs. 2 SGG setzt der Erlass einer einstweiligen Anordnung voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den so genannten Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so genannten Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 86 b Abs. 2 SGG, § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO). Eine Tatsache ist dann nach der Legaldefinition des § 23 Abs. 1 S. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) als glaubhaft gemacht anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Auch im Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich (OVG Hamburg NVwZ 1990, 975).

Zunächst ist festzustellen, dass der angegriffene Beschluss des Sozialgerichts Berlin schon deshalb rechtswidrig ist, weil das Sozialgericht über einen Antrag entschieden hat, der selbst nach seinen eigenen Ausführungen nicht gestellt worden ist.

Das Sozialgericht ist ausweislich des angefochtenen Beschlusses von einem Antrag des Antragstellers nur gegen den Antragsgegner auf Gewährung eines Darlehens ausgegangen und hat stattdessen den Beigeladenen verpflichtet. Zwar ist das Gericht nach § 123 SGG nicht an die Fassung der Anträge gebunden und entscheidet über die erhobenen Ansprüche. Dass der Antragsteller einen solchen Anspruch gegen den Beigeladenen erhoben haben könnte, ist jedoch nicht ersichtlich und vom Sozialgericht auch nicht dargetan.

Abgesehen davon ist der angefochtene Beschluss auch deshalb rechtswidrig, weil zumindest ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden ist.

Das Sozialgericht hat in der angefochtenen Entscheidung insoweit zwar zutreffend ausgeführt, dass schon im Hinblick auf die Einkommenssituation des Antragstellers die Voraussetzungen für einen laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II nicht hinreichend dargelegt worden sind und daher auch eine Verpflichtung des Antragsgegners nach § 22 Abs. 8 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) nicht glaubhaft gemacht ist. Dementsprechend hat das Sozialgericht - ebenfalls insoweit zutreffend - den Antragsgegner auch nicht zur Darlehensgewährung verpflichtet.

Soweit das Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung jedoch den Beigeladenen zur Gewährung des begehrten Darlehens verpflichtet hat, ist dies ohne Rechtsgrundlage erfolgt.

Der Beigeladene hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die vom Sozialgericht angeführte Norm des § 36 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung (=n.F.) Ermessensleistungen regelt.

§ 36 Abs. 1 SGB XII n.F. hat folgenden Wortlaut:

„Schulden können nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen können als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden.“

Zwar können Schulden hiernach auch dann übernommen werden, wenn die Voraussetzungen für die Leistung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt nicht vorliegen, das vorhandene Einkommen für den weiteren, zusätzlichen Bedarf aber nicht ausreicht (vgl. Streichsbier in Grube/Wahrendorf, SGB XII Sozialhilfe, 3. Auflage 2010, zur wortgleichen Regelung im früheren § 34 Rz. 1 m.w.N.). Schon nach dem klaren Wortlaut besteht aber in den Fällen des § 36 Absatz 1 SGB XII kein Leistungsanspruch, sondern lediglich ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung, wobei allerdings zwischen einer so genannten „Kann-Leistung“ (nach § 36 Abs. 1 S. 1 SGB XII) und einer so genannten „Soll- Leistung“ (nach § 36 Absatz 1 S. 2 SGB XII) zu unterscheiden ist.

Nach § 36 Abs. 1 S. 1 SGB XII n.F. (so genannte „Kann-Leistung“) steht die Entscheidung über die Bewilligung der Leistung im (uneingeschränkten) pflichtgemäßen Ermessen des Trägers der Sozialhilfe, hier des Beigeladenen.

Bei einer Ermessensleistung kommt eine Verpflichtung der Verwaltung zur Leistungserbringung durch das Gericht jedoch grundsätzlich nicht in Betracht. Eine Ermessensentscheidung der Verwaltung ist durch das Gericht vielmehr regelmäßig nur auf Ermessensfehler hin überprüfbar ist; das Gericht darf bei der Ermessensprüfung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen (Keller in Meyer-Ladewig Ladewig/Keller/Leiter, SGG, 9. Auflage 2008, § 54 Rn. 28f. m.w.N.). Eine Verurteilung zur Leistung kommt allenfalls dann in Betracht, wenn eine so genannte Ermessensreduzierung auf Null vorliegt (Keller, a. a. O., m.w.N.).

Zwar ist an eine dem drohenden Verlust der Unterkunft vergleichbare Notlage auch dann zu denken, wenn eine Sperre der Strom- oder Heizungsversorgung wegen vorhandener Schulden oder anderer offener Zahlungsverpflichtungen gegenüber einem Energieversorgungsunternehmen droht oder - wie hier - bereits eingetreten ist (vgl. Streichsbier, a.a.O., zur wortgleichen Regelung im früheren § 34 Rz. 8 m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist vorliegend aber zunächst darauf hinzuweisen, dass der durch das Sozialgericht verpflichtete Beigeladene überhaupt noch keine überprüfbare Verwaltungsentscheidung/Regelung getroffen hat. Der Senat hat daher im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung bereits erhebliche Zweifel, ob ein Antrag auf eine einstweilige Anordnung im Bereich einer Ermessensleistung ohne vorhergehende Verwaltungsentscheidung überhaupt zulässig wäre. Dies gilt umso mehr, als ein Fall einer Ermessensreduzierung auf Null vorliegend nicht ansatzweise ersichtlich ist. Selbst das Sozialgericht ist nicht erkennbar von einer solchen Ermessensreduzierung ausgegangen. Im Gegenteil hat es bei seiner Prüfung auf die gesetzlichen Regelungen Bezug genommen. Damit ist jedoch offensichtlich auch das Sozialgericht von dem Vorliegen einer Ermessensleistung ausgegangen und hat wohl unter Anwendung des § 36 Abs. 1 S. 1 SGB XII n.F. allein unter Bejahung einer „Notlage“ im Rahmen einer „gebotenen Güter- und Folgenabwägung“ seine Entscheidung getroffen.

Wie die gesetzliche Regelung des § 36 Abs. 1 S. 1 SGB XII n.F. jedoch verdeutlicht, genügt allein eine „Notlage" nicht einmal zur Entstehung eines Leistungsanspruches noch gar für eine Verpflichtung durch das Gericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach einer „Güter- und Folgenabwägung“. Denn selbst wenn eine „Notlage“ im Sinne von § 36 Abs. 1 S. 1 SGB XII n.F. vorliegt, führt dies nicht zu einem Leistungsanspruch, sondern allenfalls zu einem Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie („Kann-“) Entscheidung.

In diesem Zusammenhang wiederum ist darauf hinzuweisen, dass entgegen der Ansicht des Sozialgerichts schon das Vorliegen einer „Notlage“ im Sinne von § 36 Abs. 1 S. 1 SGB XII n.F. nicht glaubhaft gemacht ist. So dürfte von einer solchen Notlage aufgrund von Schulden regelmäßig nur dann auszugehen sein, wenn insbesondere eine finanzielle Leistungsfähigkeit zur Begleichung dieser Schulden nicht besteht. Schon dies ist nicht erkennbar. Der Antragsteller verfügt über laufendes Einkommen, welches nach den Feststellungen des Jugendamts Pankow von Berlin bei durchschnittlich 1.231,28 €/netto und damit mehr als deutlich über den vom Antragsteller selbst bezifferten Bedarf von (Regelsatz 364 € + Wohnkosten 454=) monatlich 818 € liegt. Zudem wies das Girokonto des Antragstellers bei der B V am 28. November 2011, also nur drei Tage nach seinem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht (am 25. November 2011), einen Guthabenstand von 1.298,98 € auf. Zur Tilgung der Gasschulden (1.505,21 €) wäre unter Verwendung des allein auf dem Kontokorrentkonto vorhandenen Vermögens damit bereits rechnerisch nur ein Darlehen in Höhe von 206,23 € (=1.505,21 € - 1.298,98 €) nötig gewesen. Schließlich ist im Hinblick auf die finanzielle Situation nahe liegend, dass der Antragsteller sich die finanziellen Mittel gegebenenfalls durch ein Bankdarlehen beschaffen konnte. Hier ist beispielsweise auch an die Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredites zu denken. Der Antragsteller verfügt über ein entsprechendes Konto und offenbar auch über einen entsprechend eingeräumten Überziehungsrahmen, dessen Höhe allerdings aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich ist. Ausweislich des Kontoauszuges vom 20. Oktober 2011 war jedenfalls die Überziehung des Kontos möglich (damals 18,05 € im Soll).

Schließlich blieben in der Güter- und Folgenabwägung die Belange des Beigeladenen vollkommen unberücksichtigt, die im Rahmen einer Ermessensentscheidung des Beigeladenen aber zu berücksichtigen wären (vgl. insoweit § 39 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - SGB I).

Hier ist das Verhalten des Antragstellers, ebenfalls entgegen der Ansicht des Sozialgerichts, auch durchaus zu berücksichtigen (Streichsbier, a.a.O., zur wortgleichen Regelung im früheren § 34 Rz. 6 m.w.N.). Denn zum einen muss auch die Sozialverwaltung bei einem Darlehen die Sicherung der Rückzahlung in die Abwägung einbeziehen. Der Beigeladene hat insofern bereits zutreffend auf die finanziellen Risiken hingewiesen, auf diese Ausführungen wird verwiesen. Zum anderen sind aber auch die nachhaltigen „Erfolgsaussichten“ einer Kreditgewährung zu berücksichtigen. Selbst von der Soll-Leistung des § 36 Absatz 1 S. 2 SGB XII n.F. könnte abgesehen werden, wenn durch die Übernahme der Schulden beispielsweise die Obdachlosigkeit nicht abgewendet werden könnte oder es wiederholt zur drohenden Wohnungslosigkeit wegen aufgelaufener (Miet-) Schulden kam (Bieritz-Harder/Birk in LPK-SGB XII, 8. Auflage 2008, zur wortgleichen Regelung im früheren § 34 Abs. 1 SGB XII, Rz.6 m.w.N.). Vorliegend genügt aber für die Beseitigung der „Notlage“ schon nach den vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen die Zahlung von 1505,21 € nicht. Nach dem Schreiben der GASAG vom 27. Oktober 2011 wurde die Wiederaufnahme der Gaslieferung zudem von der Zahlung weiterer 63,91 € als „Eröffnungsgebühr“ abhängig gemacht.

Die Entscheidung des Sozialgerichts ist schließlich auch nicht von § 36 Abs. 1 S. 2 SGB XII n.F. gedeckt. Diese Regelung schränkt das Ermessen der Verwaltung zwar ein und sieht im Regelfall ("sollen") eine Übernahme der Schulden vor, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht (vgl. Streichsbier, a.a.O., zur wortgleichen Regelung im früheren § 34 Rz. 7).

Das Vorliegen der, im Vergleich zu § 36 Abs.1 S. 1 SGB XII n.F. noch größeren, Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 S. 2 SGB XII n.F. ist aber ebenfalls nicht glaubhaft gemacht worden. Zumindest eine nach dem klaren Wortlaut der Regelung notwendige Wohnungslosigkeit jedenfalls dürfte bei Nichtbegleichen der Schulden bei der GASAG nicht drohen, weil die GASAG nicht Vermieter und damit rechtlich nicht einmal zur Beendigung des Wohnungsmietverhältnisses in der Lage ist. Droht bei Nichtbegleichen der Schulden jedoch nicht einmal der Verlust „der Unterkunft“ (vgl. § 36 Abs. 1 S. 1 SGB XII n.F.), so kann umso weniger von einer drohenden „Wohnungslosigkeit“ (vgl. § 36 Abs. 1 S. 2 SGB XII n.F.) im Sinne einer Obdachlosigkeit ausgegangen werden (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 11. Oktober 2011, Az. L 29 AS 1428/11 B ER, nicht veröffentlicht, zur vergleichbaren Regelung des § 22 Abs. 8 SGB II).

Nach alldem kann dahinstehen, ob die GASAG eine ratenweise Schuldentilgung akzeptieren würde oder auf eine Begleichung der Schuld durch eine Zahlung besteht. Selbst wenn vor einer Wiederaufnahme der Gaslieferung die Zahlung der gesamten Forderung notwendig wäre, ist aus den oben genannten Gründen nicht einmal von einer Notlage im Sinne von § 36 Abs. 1 S. 1 SGB XII n.F. auszugehen, geschweige denn von dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 36 Absatz 1 S. 2 SGB XII n.F.. Andere rechtliche Grundlagen, die eine Verpflichtung des Beigeladenen zur Gewährung des begehrten Darlehens rechtfertigen könnten, sind weder vom Sozialgericht genannt, noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).