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Gründungszuschuss - Bewilligung eines Gründungszuschusses nur für die im Antrag konkret genannte selbständige Tätigkeit, für die die Stellungnahme der fachkundigen Stelle im Sinne des § 57 Abs. 2 SGB III a. F. vorlag - Tätigkeitsänderung während des Bewilligungszeitraumes


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 29. Senat Entscheidungsdatum 18.03.2014
Aktenzeichen L 29 AL 257/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 57 Abs 2 SGB 3

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 14. Juli 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung eines Gründungszuschusses für die Zeit ab 19. Juni 2007 und damit verbunden die Erstattung überzahlten Gründungszuschusses für die Zeit vom 19. Juni 2007 bis zum 26. Januar 2008 in Höhe von 8.933,64 €.

Der 1965 geborene Kläger war von 1990 bis zum 31. Juli 2007 als Verkäufer/Kraftfahrer bei der “K V R“ in Berlin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden beschäftigt. Daneben war er seit dem 1. Juli 2003 als Kraftfahrer mit einer wöchentlichen Stundenzahl von 4-8 bei dem CM H beschäftigt; diese Tätigkeit übte er auch nach dem Ende seiner Beschäftigung bei der “K VR“ weiter aus.

Ab dem 1. April 2007 erhielt der Kläger von der Beklagten Arbeitslosengeld für eine Anspruchsdauer von 360 Tagen in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 30,98 €.

Am 3. April 2007 beantragte der Kläger bei der Agentur für Arbeit Z die Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nach § 57 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III). In seinem Antrag erklärte er, bestätigt durch seine Unterschrift vom 24. April 2007, er werde am 27. April 2007 eine selbstständige, hauptberufliche Tätigkeit als Handelsvertretung für Medien mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von ca. 40 Stunden in Blankenfelde aufnehmen. Seinem Antrag fügte er eine Stellungnahme der fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung der Steuerberatungsgesellschaft mbH Dr. H K aus D vom 24. April 2007, eine Kopie der Gewerbe-Anmeldung der Gemeinde B-M vom 24. April 2007 betreffend eine Tätigkeit “Handelsvertretung für Medienberatung“ bei. Beigefügt war außerdem ein “Unternehmenskonzept - Handelsvertreter - Handelsvertretung T S - Datum der Unternehmensgründung 27. 04. 2007, in dem unter der Überschrift “Unternehmenskonzept“ u.a. ausgeführt war:

Geschäftsidee

Aufgrund meiner langjährigen Tätigkeit im Einzelhandel konnte ich Erfahrung im Umgang mit Kunden, Beratung, Verkaufsgespräch und Verkaufsabschluss sammeln. Meine Geschäftsidee besteht darin, eine selbstständige Handelsvertretung im Bereich Medien zu gründen. Unter der fachlichen Aus-und Weiterbildung von iO] sehe ich eine zukunftsweisende Tätigkeit.

Gründerperson

Die Gründung erfolgt als Einzelunternehmen. Die erforderlichen kaufmännischen Kenntnisse zur Ausübung dieser Tätigkeit sind vorhanden.

Markteinschätzung/Standort

Ich werde in einem zeitlosen Markt für Wissen, Bildung und Information tätig sein. So zeigen z. B. die PISA-Studien, verschiedenste Fernseh-und Wissenssendungen, sowie das Wahlkampfthema “Schule“, dass das Thema schon immer wichtig war und zunehmend wichtiger wird. Die körperliche Arbeit wird mehr und mehr von Maschinen übernommen und geistige Arbeit ist die Arbeit der Zukunft. Immer mehr Menschen wird bewusst: Wer sich in der Schule, in der Ausbildung und Beruf behaupten will, muss seine Kenntnisse ständig auf dem neuesten Stand halten. Hier bietet sich mir ein Geschäftsfeld als selbstständiger Handelsvertreter.

Von den Bertelsmann Direktvertrieben bekomme ich das notwendige Handwerkszeug in Form innovativer Produkte (Bertelsmann Lexikothek, Coron Exklusiv, Brockhaus und Alldirekt), einer zielgruppenspezifischen Adressbasis und intensiver Schulungen.

Meine Zielgruppe werden private Personen sein, die an Bildung und Wissen interessiert sind. Mein Aktionsradius wird ganz Deutschland umfassen.
…“

Wegen des Inhalts des “Unternehmenskonzepts - Handelsvertreter - Handelsvertretung T S“ im Einzelnen wird auf Bl. 9 bis 11 der Verwaltungsakten der Beklagten zum Gründungszuschuss verwiesen.

Der Kläger bestätigte außerdem durch seine Unterschrift auf dem Antragsformular vom 24. April 2007, das Merkblatt 3 - Vermittlungsdienste und Leistungen, in dem auch auf die Mitteilungspflichten und den Datenschutz hingewiesen werde, erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben.

Mit Bewilligungsbescheid vom 9. Mai 2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 27. April 2007 bis zum 26. Januar 2008 einen Gründungszuschusses in Höhe von 1.229,40 € monatlich.

Am 22. Januar 2008 beantragte der Kläger die Weitergewährung eines Gründungszuschusses. Zu Ziffer 2 des Antragsformulars (Es haben sich Änderungen seit meinem ersten Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses ergeben [z. B. Wohnortwechsel, Art und Umfang der Tätigkeit]) gab der Kläger an “Erweiterung der Tätigkeit, Kraftfahrer, Garten- und Landschaftsbau, Abrissarbeiten, Entrümpelungen, Wohnungsauflösung“. Diesem von dem Kläger unter dem 20. Januar 2008 unterschriebenen Antrag waren beigefügt eine „Übersicht zu Einnahmen und Ausgaben“ und eine Übersicht zu „Unternehmerische Aktivitäten der vergangenen Monate“, ebenfalls jeweils vom 20. Januar 2008. In der Übersicht „Unternehmerische Aktivitäten der vergangenen Monate“ führte der Kläger unter dem Kopfbogen “Ihr Dienstleister Rund um Haus, Garten und Transport“ u.a. aus:

“…. Nach erfolgreicher Ausbildung in der F iO versuchte ich im Bereich Medien meine ersten eigenen Umsätze zu erzielen. Ich bemerkte sehr schnell, dass dieser Bereich für mich nicht zum Erfolg führen würde.

Am 19.6.2007 erweiterte ich meine Tätigkeit um folgende Dienstleistungen:

Kraftfahrer, Garten-und Landschaftsbau, Abrissarbeiten, Entrümpelungen, Wohnungsauflösungen

Beide Bereiche führte ich parallel durch, bis ich die Zusammenarbeit mit der Firma iO am 6.7.2007 wegen Erfolglosigkeit beendete.

Von nun an konzentrierte ich mich nur noch auf den Bereich Dienstleistungen. Die enge Zusammenarbeit mit der Firma C H sichert mir meine Basisauftragslage. Erste eigene Aufträge erhielt ich seit Dezember 2007, welche sich auch positiv in meinen Umsätzen widerspiegeln….“

Mit Bescheid vom 5. Mai 2008 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Weitergewährung eines Gründungszuschusses ab.

Mit Schreiben ebenfalls vom 5. Mai 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie beabsichtige die Aufhebung des Bewilligungsbescheides betreffend den Gründungszuschuss ab dem 19. Juni 2007 sowie die Rückforderung eines überzahlten Gründungszuschusses für den Zeitraum vom 19. Juni 2007 bis 26. Januar 2008 in Höhe von 8.933,64 €, da die Voraussetzungen für die Gewährung des Gründungszuschusses ab dem 19. Juni 2007 wegen der inhaltlich ganz anders ausgerichteten Dienstleistungen nicht mehr vorgelegen hätten, und gab dem Kläger gleichzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme.

Mit Schreiben vom 24. Juni 2008, dem eine Stellungnahme der Steuerberatungsgesellschaft mbH Dr. H K vom 13. Mai 2008 sowie Teilnahmebescheinigungen der I G SD vom 15. Februar 2008, 6. März 2008, 15. Mai 2008 und 20. Juni 2008 beigefügt waren, nahm der Kläger zu dem Anhörungsschreiben der Beklagten vom 5. Mai 2008 Stellung. Wegen des Inhalts des Schreibens des Klägers nebst Anlagen wird auf Bl. 20a bis 20v der Verwaltungsakten der Beklagten zum Gründungszuschuss verwiesen.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. Oktober 2008 hob die Beklagte daraufhin die Entscheidung über die Bewilligung eines Gründungszuschusses mit Wirkung vom 19. Juni 2007 ganz auf und verlangte die Erstattung des für die Zeit vom 19. Juni 2007 bis zum 26. Januar 2008 überzahlten Betrages in Höhe von 8.933,64 €.

Mit seinem hiergegen am 3. November 2008 eingelegten Widerspruch führte der Kläger aus, der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid verletze das Gesetz, die Bestimmungen der §§ 57 und 58 SGB III sähen eine Rückforderung eines einmal bewilligten Gründungszuschusses zur Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht vor. Die von der Beklagten hauptsächlich der Aufhebung zu Grunde gelegte Begründung, er habe sein Geschäftsfeld gewechselt, sei vollständig unbeachtlich. Nach Bewilligung des Gründungszuschusses stelle das Gesetz bezüglich der auszuführenden selbstständigen Tätigkeit immer nur auf eine solche an sich und nicht auf die Einhaltung eines bestimmten Geschäftsfeldes ab. Der von der Beklagten getroffenen Entscheidung fehle die Rechtsgrundlage. Die Regelung des § 48 SGB X sei keinesfalls einschlägig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. November 2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Spätestens mit der Aufnahme der Tätigkeit des Klägers im Bereich “Kraftfahrer, Garten-und Landschaftsbau, Abrissarbeiten, Entrümpelungen, Wohnungsauflösungen“ ab 19. Juni 2007 sei davon auszugehen, dass er nicht mehr im Bereich Mediendienstleistungen gearbeitet habe, da die selbstständige Existenz als Medienberater nicht tragfähig gewesen sei. Eine hauptberufliche Tätigkeit im Sinne von § 57 SGB III als Medienberater sei nicht mehr erfolgt. Die fachkundige Stelle habe anhand des Unternehmenskonzeptes die Tragfähigkeit als Handelsvertreter Medien geprüft und bestätigt. Die Bewilligung sei zweckgebunden erfolgt und nicht für die Aufnahme jedweder selbstständigen Tätigkeit. Das neue Tätigkeitsfeld weise keine inhaltlichen Bezüge zu der davor ausgeübten Tätigkeit aus. Nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III sei der Verwaltungsakt rückwirkend vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen sei. Der Kläger habe am 3. April 2007 einen Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses für eine selbstständige hauptberufliche Tätigkeit als “Handelsvertretung für Medien“ gestellt und diesbezüglich die erforderlichen Unterlagen eingereicht. Er habe unterschriftlich der Agentur für Arbeit bestätigt, unverzüglich alle Änderungen mitzuteilen, die Auswirkungen auf die Leistung haben könnten. Dieser Verpflichtung sei der Kläger grob fahrlässig nicht nachgekommen.

Am 18. Dezember 2008 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Potsdam Klage erhoben. Ein Gründungszuschuss nach § 57 SGB III werde für die Aufnahme einer hauptberuflichen selbstständigen Tätigkeit bewilligt. Diese Voraussetzungen hätten bei Antragstellung und Bewilligung durch die Beklagte für das beabsichtigte Geschäftsfeld Handelsvertretung für Medienleistungen auch vorgelegen. Nach Aufnahme der hauptberuflichen selbstständigen Tätigkeit habe sich herausgestellt, dass sich diese nicht, so wie in der Umsatzvorschau geplant, als tragfähig für ihn und seine Familie erwiesen habe. Die beabsichtigten Geschäftskontakte und Auftragslage seien tatsächlich nicht eingetreten. Um ein Scheitern seiner Selbstständigkeit zu verhindern, habe er deshalb seine Geschäftstätigkeit erweitert. Nunmehr sei die Tragfähigkeit gegeben. Die Bewilligung des Gründungszuschusses stelle entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darauf ab, dass bei Aufnahme der Tätigkeit eine starre Konzentration auf die in der Tragfähigkeit geplante Geschäftstätigkeit beibehalten werden müsse, selbst wenn damit das Scheitern der Selbstständigkeit verbunden sei. Die Beklagte verkenne, dass die Regelungen der §§ 57, 58 SGB III allgemein auf die Durchführung einer selbstständigen hauptberuflichen Tätigkeit abstellten. Ein Festhalten an geplanten Geschäftsfeldern, die den Erfolg der unternehmerischen Tätigkeit infrage stellten, sei im Gesetz ausdrücklich nicht genannt. Insoweit habe die Aufhebung im Gesetz keinen Rückhalt. Der in der Regelung des § 57 SGB III genannte Zweck, die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer hauptberuflichen selbstständigen Tätigkeit sei bei ihm in vollem Umfange eingetreten. Auch vom Sinn her sei eine Verletzung des Grundgedankens des § 57 SGB III nicht zu konstatieren. Des Weiteren verkenne die Beklagte, dass die Regelungen zum Gründungszuschuss in den §§ 57 und 58 SGB III grundsätzlich eine Aufhebung von bewilligten Gründungszuschüssen selbst für den Fall des Scheiterns der Selbstständigkeit nicht vorsähen. Der Entscheidung der Beklagten fehle deshalb eine rechtliche Grundlage.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 14. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2008 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf ihren Widerspruchsbescheid verwiesen.

Mit Urteil vom 14. Juli 2011 hat das Sozialgericht Potsdam den Bescheid der Beklagten vom 14. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2008 aufgehoben. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III, § 60 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) lägen nicht vor. Eine besonders schwere Sorgfaltspflichtverletzung im Sinne einer groben Fahrlässigkeit läge nicht vor. Diese sei nur gegeben, wenn der Versicherte einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstelle und deshalb dasjenige nicht beachtet habe, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müsse. Hierbei sei ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen. Unter Beachtung dieser Grundsätze stehe nach dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger aus seiner Sicht gerade alles Notwendige getan habe, indem er die Erweiterung seines Dienstleistungsbereichs in Absprache mit dem Coach und Unternehmens-/Steuerberater Dr. K besprochen, dieser geprüft und zugestimmt habe. Der Kläger habe dem Steuerberater als fachkundige Stelle vertrauen dürfen. Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit könne dem Kläger daher nicht gemacht werden. Zur Überzeugung der Kammer stehe auch fest, dass der Kläger vorliegend zwar seine Geschäftsbeziehungen zu der i beendet habe, jedoch nicht seine selbstständige Tätigkeit im Rahmen der Medienberatung. Dies ergebe sich zweifelsfrei aus den vorgelegten Umsatzerlösen sowie der Stellungnahme des Steuerberaters K vom 13. Mai 2007 (richtig wohl: 13. Mai 2008). So lege dieser dar, dass für die Dienstleistungen im Medienbereich die Zusammenarbeit mit der Firma i in D aufgenommen und zwischenzeitlich die ersten Honorarrechnungen fakturiert worden seien. Auch er sei zu keiner Zeit davon ausgegangen, dass diese unternehmerischen Maßnahmen für die Gewährung des Gründungszuschusses von erheblicher Bedeutung seien und dass die Änderung von Vertragsbeziehungen zu einzelnen Auftraggebern meldepflichtig sei. Auch nach Auffassung der Kammer bedeute der Wechsel eines Anbieters nicht das Ende der Medienberatung. Ausweislich der vorgelegten Umsatzerlöse sei auch eindeutig, dass die Umsatzerlöse im Medienbereich höher erzielt worden seien als im Containerbereich. Danach stehe zweifelsfrei fest, dass der Kläger die selbstständige Tätigkeit im Medienbereich nicht beendet habe. Nachvollziehbar lege der Kläger auch dar, dass er auch deswegen keine Meldepflichten gegenüber der Beklagten gesehen habe und der Wechsel von einzelnen Auftraggebern in seiner unternehmerischen Freiheit gründe und auch dies nicht anzeigepflichtig angesehen werden könne.

Gegen das der Beklagten am 10. August 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7. September 2011 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Entgegen den Ausführungen in dem angefochtenen Urteil sei der Kläger nach Erlass des Bescheides vom 9. Mai 2007 einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse grob fahrlässig nicht nachgekommen. Die Bewilligung des Gründungszuschusses sei auf der Grundlage des Antrags des Klägers vom 3. April 2007 und der in der Gewerbeanmeldung vom 24. April 2007 angegebenen und durch die fachkundige Stelle geprüften Tätigkeit „Handelsvertretung für Medienberatung“ erfolgt. Allein für diese Tätigkeit habe eine entsprechende fachliche Stellungnahme vorgelegen. Durch den Antrag sowie die Stellungnahme der fachkundigen Stelle sei die selbstständige Tätigkeit, für die der Gründungszuschuss gewährt worden sei, konkretisiert worden, so dass es einer ausdrücklichen Erwähnung in dem Bewilligungsbescheid vom 9. Mai 2007 nicht bedurft habe. Mit der Erweiterung der selbstständigen Tätigkeit auf Dienstleistungen als Kraftfahrer, Garten- und Landschaftsbau, Abrissarbeiten, Entrümpelungen und Wohnungsauflösungen ab dem 19. Juni 2007 sei eine inhaltliche Änderung gegenüber der Tätigkeit, für welche der Gründungszuschuss gewährt worden sei, erfolgt. Hinsichtlich des Zeitraums 19. Juni 2007 bis 5. Juli 2007 habe der Kläger - trotz entsprechender Aufforderung - auch im gerichtlichen Verfahren keine Nachweise dafür erbracht, in welchem zeitlichen Umfang er die Tätigkeit als Handelsvertreter einerseits und in welchem zeitlichen Umfang er die genannten Dienstleistungen andererseits verrichtet habe. Es sei daher nicht ansatzweise erkennbar, ob die Tätigkeit als Handelsvertreter für Medien von dem Kläger überhaupt noch hauptberuflich ausgeübt worden sei. Entsprechende Zweifel müssten zulasten des Klägers gehen. Insoweit der Zeitraum ab dem 6. Juli 2007 streitgegenständlich sei, trage der Kläger in seinem Schreiben vom 20. Januar 2008 selbst vor, seine Aktivitäten jedenfalls ab diesem Zeitpunkt - nach Beendigung der Zusammenarbeit mit der Firma i - ausschließlich auf die genannten Dienstleistungen konzentriert zu haben. Die von dem Kläger eingereichte Übersicht vom 20. Januar 2008 zu Einnahmen/Ausgaben für 2007 differenzierten nicht nach einzelnen Tätigkeitsbereichen, zum anderen führe der Kläger in seinem Schreiben vom 24. Juni 2008 aus, erste Aufträge der Firma iD erst seit März 2008 und damit außerhalb des hier allein streitgegenständlichen Zeitraums 19. Juni 2007 bis 26. Januar 2008 bearbeitet und abgerechnet zu haben. Auch im gerichtlichen Verfahren seien keine Nachweise dafür erbracht, in welchem zeitlichen Umfang er die Tätigkeit als Handelsvertreter einerseits und in welchem zeitlichen Umfang er die genannten Dienstleistungen andererseits verrichtet habe. Es sei daher nicht ansatzweise erkennbar, ob die Tätigkeit als Handelsvertreter für Medien von dem Kläger überhaupt noch hauptberuflich ausgeübt worden sei. Entsprechende Zweifel müssten zulasten des Klägers gehen. Auch in der Stellungnahme der Steuerberatungsgesellschaft mbH Dr. K vom 13. Mai 2008 werde eine Fortführung der hauptberuflichen Tätigkeit “Handelsvertretung für Medienberatung“ nach Beendigung der Zusammenarbeit mit der Firma i lediglich behauptet, ohne freilich dafür einen Nachweis zu erbringen. Es sei damit davon auszugehen, dass sich der Kläger bereits ab dem 19. Juni 2007 von seiner selbstständigen Tätigkeit als Handelsvertreter für Medien vollständig gelöst habe. Indem er diese für die Gewährung des Gründungszuschusses wesentliche Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen erst im Rahmen des Weiterbewilligungsantrages vom 20. Januar 2008 mitgeteilt habe, sei er seinen in § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I normierten Mitteilungspflichten nicht rechtzeitig nachgekommen. Der Kläger habe auch nicht auf die Auskunft seines Steuerberaters vertrauen dürfen, der eine Anzeigepflicht verneint habe. Zwar möge der Steuerberater, wie das Sozialgericht in seinem Urteil ausgeführt habe, fachkundige Stelle im Sinne des § 57 SGB III sein. Insoweit habe diese aber ausschließlich über die Tragfähigkeit der angestrebten Existenzgründung zu befinden. Eine Entscheidungskompetenz über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung des Gründungszuschusses, stehe ihm indes nicht zu. Dies habe auch dem Kläger aufgrund einfachster Überlegungen bewusst sein müssen. Überdies habe der Kläger unterschriftlich bestätigt, das Merkblatt 3 - Vermittlungsdienste und Leistungen -, in welchem seine Mitteilungspflicht ebenfalls verständlich erläutert werde, erhalten zu haben. Entgegen der Ansicht des Klägers sei mit der Erweiterung des Tätigkeitsbereiches auf Dienstleistungen als Kraftfahrer, Garten- und Landschaftsbau, Abrissarbeiten, Entrümpelungen und Wohnungsauflösungen ab 19. Juni 2007 bzw. der vollständigen Konzentration auf diese Tätigkeit ab 6. Juli 2007 nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 9. Mai 2007 eine für die Bewilligungsentscheidung als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung rechtlich wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten. Die Feststellung einer wesentlichen Änderung richte sich nach dem für die Leistung maßgeblichen materiellen Recht. Dem Kläger sei der Gründungszuschuss nicht für eine selbstständige Tätigkeit schlechthin, sondern ausschließlich für die durch seinen Antrag vom 3. April 2007 konkretisierte und der durch die Gewerbeanmeldung vom 24. April 2007 angegebenen und durch die fachkundige Stelle geprüften Tätigkeit “Handelsvertretung für Medienberatung“ gewährt worden. Mit der Tätigkeitserweiterung und schließlich dem Tätigkeitswechsel seien die Voraussetzungen für die Leistungsbewilligung nicht mehr gegeben gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 14. Juli 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der von der Beklagten herangezogene § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X beziehe sich ausdrücklich darauf, dass eine Aufhebung eines Verwaltungsaktes nur dann zulässig sei, wenn der Betroffene eine durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht nicht erfülle. Das Förderinstrument der Bewilligung von Gründungszuschüssen sei im Vierten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB III vollständig und erschöpfend geregelt. Eine Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse seitens des Betroffenen sei hier nicht enthalten. Der Anwendung des § 48 Abs. 1 Nr. 2 SGB X fehle somit eine materiell-rechtliche Grundlage. Selbst wenn eine solche Mitteilungspflicht bestünde, würde eine Erweiterung des Geschäftsfeldes nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit die zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides zu prüfenden Voraussetzungen nicht berühren und sei somit nicht wesentlich. Die Bewilligung des Gründungszuschusses basiere auf einer Prognoseentscheidung, die sich auf die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen zu dem Zeitpunkt zu erstrecken habe, an dem sie ergehe. Ausweislich des Bewilligungsbescheides der Beklagten hätten zum damaligen Zeitpunkt zweifelsfrei alle zu prüfenden Voraussetzungen nach § 57 SGB III vorgelegen. Die von der Beklagten geäußerte Auffassung, die Hinzufügung eines weiteren Geschäftsfeldes zur ursprünglich geplanten unternehmerischen Tätigkeit ziehe in Zweifel, ob er noch eine selbstständige hauptberufliche Tätigkeit ausübe, sei haltlos. Der vom Gesetz angestrebte Zweck, die Tragfähigkeit der Existenzgründung, sei zweifelsohne eingetreten. Im Übrigen erfülle die von der Beklagten herangezogene Belehrung über die Mitteilungspflicht bezüglich eingetretener Änderungen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X, eine Rechtsvorschrift zu sein, nicht und sei einer solchen auch nicht gleichzustellen. Das Nichtvorhandensein einer Meldepflicht im Zusammenhang mit der Bewilligung von Gründungszuschuss im Vierten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB III stelle auch keine Gesetzeslücke dar. Der Gesetzgeber habe in einer Vielzahl anderer Regelungen zur Leistungserbringung im Rahmen des SGB III Meldepflichten ausdrücklich geregelt. Dass eine solche im Falle des Gründungszuschusses/Gründung der Selbstständigkeit nicht eingeführt worden sei, zeuge vom erkennbaren Willen des Gesetzgebers, eine solche nicht begründen zu wollen. Eine Rückforderung von Gründungszuschuss solle aus leistungsrechtlicher Sicht des SGB III offensichtlich in keinem Falle stattfinden. Dies finde auch seinen Ausdruck in den Geschäftsanweisungen der Beklagten zum Gründungszuschuss/Stand 1. August 2009. Im Übrigen wäre selbst bei Einschlägigkeit der von der Beklagten genannten Regelung des § 60 SGB I eine Mitteilungspflicht seinerseits nicht zu konstatieren.

In der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2014 vor dem erkennenden Senat hat der Kläger ergänzend ausgeführt:

„Bei dem Gespräch mit dem Steuerberater war dieser zunächst unsicher, ob das dem Arbeitsamt mitgeteilt werden müsse. Ich bin aber der Auffassung, ebenso wie der Steuerberater, dass ich auf Grund meiner unternehmerischen Freiheit nicht dazu verpflichtet bin, dem Arbeitsamt die Mitteilung zu machen. Wesentlich ist meines Erachtens nur, dass ich weiter selbstständig tätig war. Ein wesentlicher Punkt wäre für mich gewesen, wenn ich gesehen hätte, ich komme mit meiner selbstständigen Tätigkeit nicht weiter, ich müsse meine Tätigkeit jetzt aufgeben. Dann wäre ich sofort zur Agentur für Arbeit gelaufen.

Ich habe zunächst mein Unternehmenskonzept selbst geändert und bin dann anschließend zum Steuerberater gegangen. Bei diesem Gespräch hatte er zunächst Zweifel im Hinblick auf die Agentur für Arbeit geäußert und dann nach etwa einem halbstündigen Gespräch waren alle Zweifel für mich jedenfalls ausgeräumt. Ich bin der Auffassung gewesen, dass mir Gründungszuschuss, egal für welche Tätigkeit, zusteht.“

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (1 Band Leistungsakten Alg - Kundennummer - und 1 Hefter Verwaltungsakten betreffend Gründungszuschuss), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist ohne weitere Zulassung nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 € übersteigt.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das Sozialgericht Potsdam hat den Bescheid der Beklagten vom 14. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2008 zu Unrecht aufgehoben. Die Klage gegen die genannten Bescheide ist zulässig, jedoch unbegründet. Die genannten Bescheide sind rechtmäßig.

Die Beklagte hat die Bewilligung des Gründungszuschusses für den Kläger für die Zeit vom 19. Juni 2007 bis zum 26. Januar 2008 gemäß § 48 SGB X zu Recht ganz aufgehoben.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit u. a. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2), oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen ist oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Abs. 1 Satz 2 Nr. 4). Liegen die in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vor, so ist dieser nach § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben.

Bei der Bewilligung des Gründungszuschusses ab dem 27. April 2007 handelte es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung gemäß § 48 SGB X, da dieser nicht lediglich der einmaligen Gestaltung einer Rechtslage diente, sondern ein auf Dauer berechnetes und in seinem Bestand von diesem Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründete. In diesem Dauerrechtsverhältnis ist (spätestens) ab dem 19. Juni 2007 eine wesentliche Änderung eingetreten. Einewesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X liegt dann vor, wenn die Behörde unter den nunmehr objektiv gegebenen Verhältnissen den Verwaltungsakt so nicht hätte erlassen dürfen (vgl. BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 19; Steinwedel, in Kasseler Komm., § 48 SGB X, Rz. 13 ff.).

Nach § 57 Abs. 1 SGB III in der hier anzuwendenden in den Jahren 2007 und 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706) haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss.

Nach § 57 Abs. 2 Satz 1 SGB III in der in den Jahren 2007 und 2008 geltenden Fassung wird ein Gründungszuschuss geleistet, wenn der Arbeitnehmer

1. bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit
a) einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat
oder
b) eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buche gefördert worden ist, und
2. bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen verfügt,
3. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und
4. seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.

Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute (§ 57 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Bestehen begründete Zweifel an den Kenntnissen und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit, kann die Agentur für Arbeit vom Arbeitnehmer die Teilnahme an Maßnahmen zur Eignungsfeststellung oder zur Vorbereitung der Existenzgründung verlangen (§ 57 Abs. 2 Satz 3 SGB III).

Die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 und 2 SGB III in der hier anzuwendenden in den Jahren 2007 und 2008 geltenden Fassung für die Gewährung eines Gründungszuschusses lagen zum Zeitpunkt des Beginns der selbstständigen Tätigkeit des Klägers zum 27. April 2007 unzweifelhaft vor. Dies gilt - zwischen den Beteiligten nicht umstritten - hinsichtlich sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nrn. 1 bis 4 SGB III in der hier anzuwendenden in den Jahren 2007 und 2008 geltenden Fassung. Der Kläger verfügte gemäß § 57 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGB III bis zur Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit über einen Anspruch auf eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB 3, hier Arbeitslosengeld, und bei Aufnahme noch über einen Restanspruch von mindestens 90 Tagen Arbeitslosengeld. Der Kläger hatte der Beklagten auch gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 3 SGB III in der hier anzuwendenden in den Jahren 2007 und 2008 geltenden Fassung die Tragfähigkeit der Existenzgründung für die Tätigkeit als Handelsvertreter für Medien durch die Stellungnahme der Steuerberatungsgesellschaft mbH Dr. H K aus D vom 24. April 2007 nachgewiesen und außerdem eine entsprechende Gewerbeanmeldung vom 24. April 2007 vorgelegt. Er hatte zudem gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 4 SGB III in der hier anzuwendenden in den Jahren 2007 und 2008 geltenden Fassung seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit als Handelsvertreter für Medien durch die Angaben in seinem „Unternehmenskonzept Handelsvertreter…“ einschließlich des dazu beigefügten Lebenslaufes dargelegt. Für diese von dem Kläger beabsichtigte Tätigkeit als Handelsvertreter für Medien ist entsprechend der vorgelegten Unterlagen auch eine antragsgemäße Bewilligung eines Gründungszuschusses durch die Beklagte erfolgt.

Die Voraussetzungen des § 57 SGB III in der hier anzuwendenden in den Jahren 2007 und 2008 geltenden Fassung für die Gewährung eines Gründungszuschusses liegen ab dem hier streitbefangenen Zeitraum ab 19. Juni 2007 jedoch nicht (mehr) vor. Unbeschadet der übrigen Anspruchsvoraussetzungen des § 57 Abs. 1, Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGB III fehlt es ab diesem Zeitpunkt bereits an einer aussagekräftigen - durch die Beklagte prüfungsfähigen - Beschreibung des Existenzgründungsvorhabens. Der Kläger gibt hierzu in seiner Stellungnahme mit Schreiben vom 20. Januar 2008 an, dass er am 19. Juni 2007 seine Tätigkeit um die Dienstleistungen “Kraftfahrer, Garten- und Landschaftsbau, Abrissarbeiten, Entrümpelungen, Wohnungsauflösungen“ erweitert und ab dem 6. Juli 2007 sich nur noch auf diesen Bereich Dienstleistungen konzentriert habe. Damit lagen die Anspruchsvoraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 SGB III in der hier anzuwendenden in den Jahren 2007 und 2008 geltenden Fassung ab dem 19. Juni 2007 nicht (mehr) vor. § 57 Abs. 2 Nr. 3 SGB III räumt der Beklagten zu dieser Anspruchsvoraussetzung eine Prüfungskompetenz dahingehend ein, ob dem Kläger der Nachweis über die Tragfähigkeit der Existenzgründung gelungen ist (vergleiche Link in Eicher/Schlegel, SGB III Arbeitsförderung, § 57 SGB III Rz. 69 ff). Voraussetzung hierfür ist, dass die Beklagte die entsprechenden Unterlagen, hier zu dem Bereich Dienstleistungen “Kraftfahrer, Garten- und Landschaftsbau, Abrissarbeiten, Entrümpelungen, Wohnungsauflösungen“ inhaltlich prüfen kann. Dementsprechend hat der Antragsteller, hier der Kläger, die Unterlagen, die er einer fachkundigen Stelle vorgelegt hat, auch ihr zur Verfügung zu stellen. Dies ist vorliegend unzweifelhaft nicht geschehen. Die Anspruchsvoraussetzung des § 57 Abs. 2 Nr. 3 SGB III ist somit für die Zeit ab dem 19. Juni 2007 nicht (mehr) erfüllt. Hiernach hat der Kläger ab dem genannten Zeitpunkt 19. Juni 2007 keinen Anspruch mehr auf Gewährung eines Gründungszuschusses.

Der Kläger hat im Sinne § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X auch grob fahrlässig, wenn nicht sogar vorsätzlich gehandelt, denn ausweislich seiner Unterschrift vom 24. April 2007 unter dem Antragsformular hat er quittiert, das Merkblatt 3 - Vermittlungsdienste und Leistungen - erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. In diesem Merkblatt (Stand Februar 2007) ist auf Seite 22 unter der Überschrift “Mitteilungs- und Erstattungspflicht“ ausgeführt:

“Sie müssen alle Tatsachen angeben, die für die Bewilligung erheblich sind. Wenn Sie Leistungen beantragt haben oder beziehen, müssen Sie der örtlich zuständigen Agentur für Arbeit unaufgefordert und unverzüglich alle Änderungen mitteilen, die für die Beurteilung ihres Leistungsanspruchs von Bedeutung sein können.…

Zu Unrecht erbrachte Leistungen müssen sie grundsätzlich zurückzahlen…"

Indem der Kläger seine - von ihm als Erweiterung bezeichneten - Änderungen hinsichtlich der von ihm ausgeübten selbstständigen Tätigkeit ab dem 19. Juni 2007 der Beklagten nicht angezeigt hatte, was im Hinblick auf die der Beklagten durch § 57 Abs. 2 Nr. 3 SGB III eingeräumte Prüfungskompetenz zwingend notwendig gewesen wäre, sondern dies erst im Rahmen eines Weiterbewilligungsantrages tat, handelte er schon im Hinblick auf die genannten Ausführungen in dem Merkblatt zumindest grob fahrlässig.

Insbesondere nach dem persönlichen Eindruck, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 18. März 2014 hinterlassen hat, ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger über die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit verfügt, um die Rechtswidrigkeit der Bewilligung des Gründungszuschusses trotz der Änderung seines Unternehmenskonzepts erkennen zu können. Bereits aus dem genannten Merkblatt ist ohne weiteres erkennbar, dass der zuständigen Agentur für Arbeit unaufgefordert und unverzüglich alle Änderungen mitgeteilt werden müssen, die für die Beurteilung ihres Leistungsanspruchs, hier des Anspruchs auf Gründungszuschuss, von Bedeutung sein können.

Der Kläger war sich zur Überzeugung des Senats dieser Problematik auch bewusst. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Kläger nach eigenem Bekunden wegen dieser Frage den Steuerberater konsultierte und das Problem „in einem halbstündigen Gespräch“ erörterte. Dem Kläger war also das Problem selbst und die Tragweite durchaus bewusst- sonst hätte es eines immerhin halbstündigen Gesprächs nicht bedurft. Spätestens aber, nachdem, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat am 18. März 2014 erklärte, selbst der Steuerberater Dr. H K zunächst “Zweifel im Hinblick auf die Agentur für Arbeit geäußert“ hatte, musste dem Kläger die Problematik bewusst sein. Spätestens diese Zweifel seines Steuerberaters hätten den Kläger veranlassen müssen, bei der Agentur für Arbeit Mitteilung im Hinblick auf die Änderung des Unternehmenskonzepts zu machen bzw. konkrete Auskünfte zu den Auswirkungen seiner Änderung des Unternehmenskonzepts auf den Anspruch auf Gründungszuschuss einzuholen. Der Senat ist nach dem persönlichen Eindruck und den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2014 davon überzeugt, dass der Kläger diese erforderlichen Mitteilungen gegenüber der Agentur für Arbeit bewusst unterlassen hat, um eine weitere Prüfung seines geänderten Unternehmenskonzepts durch diese und ggf. negative Auswirkungen im Hinblick auf den gewährten Gründungszuschuss zu verhindern.

Anzumerken ist, dass die Auffassung des Klägers zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB X, zur Frage des Vorhandenseins einer Meldepflicht im Zusammenhang mit der Bewilligung eines Gründungszuschusses und dazu, dass eine „Rückforderung von Gründungszuschuss aus leistungsrechtlicher Sicht des SGB III offensichtlich in keinem Fall stattfinden“ solle, insbesondere in dessen Schriftsatz vom 18. Oktober 2011, im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen, insbesondere der durch § 57 Abs. 2 Nr. 3 SGB III der Beklagten eingeräumten Prüfungskompetenz als Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung eines Gründungszuschusses, vollkommen neben der Sache liegen. Die Beklagte führt zutreffend aus, dass einem Antragsteller nach den gesetzlichen Regelungen des § 57 SGB III in der in den Jahren 2007 und 2008 geltenden Fassung niemals ein Gründungszuschuss als solcher („egal für welche Tätigkeit“) gewährt wird, sondern nur für eine konkrete Tätigkeit, deren Tragfähigkeit von der Beklagten unter Berücksichtigung einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle - wie ausgeführt - zu überprüfen ist.

Der Erstattungsbetrag von 8.933,64 € wurde von der Beklagten rechnerisch zutreffend ermittelt (=491,76 € [19.-30. Juni 2007 – 1.229,40 € ./. 30 Tage x 12 Tage] zuzüglich 7.376,40 € [1. Juli 2007-31.Dezember 2007 – 1.229,40 € x 6 Monate] zuzüglich 1.065,48 € [1.-26. Januar 2008 – 1.229,40 € ./. 30 Tage x 26 Tage]).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.