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Entscheidung 4 S 193/10


Metadaten

Gericht LG Potsdam 4. Zivilkammer Entscheidungsdatum 17.08.2011
Aktenzeichen 4 S 193/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Berufung der Beklagten zu 1. vom 23. Februar 2011 gegen das Teilversäumnis- und Urteil des Amtsgerichts Nauen vom 18. November 2010 zum Aktenzeichen 10 C 100/10 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte zu 2. wird verurteilt, das von ihm innegehaltene Einfamilienhaus im ……weg …. in ….. D.-D. bestehend aus 4 Zimmern, Küche und Bad mit einer Größe von ca. 140 qm, einschließlich der vorhandenen Einbauküche zu räumen und an den Kläger herauszugeben.

Die Kosten des Rechtsstreits der zweiten Instanz haben die Beklagten je hälftig zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Räumung eines Einfamilienhauses in D.-D. in Anspruch, in dem die Beklagte zu 1. aufgrund eines schriftlichen Mietvertrags mit dem Kläger vom 03. August 2009 lebt. Der Beklagte zu 2. ist Verlobter der Beklagten zu 1. Das Amtsgericht hat eine Räumungsklage des Klägers gegen den Beklagten zu 2. mit Schlussurteil vom 06. Januar 2011 rechtskräftig mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe nicht ausreichend darzulegen und zu beweisen vermocht, dass der Beklagte zu 2. bei Schluss der mündlichen Verhandlung ständig in dem Haus gelebt habe. Der Kläger hat die Klage in 2. Instanz erweitert und erneut beantragt, auch den Beklagten zu 2. zur Räumung des Objekts zu verurteilen, nachdem er im März 2011 erfahren hatte, dass der Beklagte zu 2. nach der Verlobung mit der Beklagten zu 1. in dem streitgegenständlichen Haus wohnt.

Von der weiteren Abfassung eines Tatbestands wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen, weil gegen das Urteil unzweifelhaft ein Rechtsmittel nicht zulässig ist. Mangels Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht würde ein Rechtsmittel im Sinne des § 313 a ZPO das Erreichen der Streitwertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO voraussetzen, woran es fehlt.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1. hat in der Sache keinen Erfolg. Die zulässige Klage gegen den Beklagten zu 2. ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1. einen Anspruch auf Räumung und Rückgabe des Hauses in D.-D. aus § 546 Abs. 1 BGB. Das Mietverhältnis vom 03. August 2009 ist infolge der wirksamen fristlosen Kündigung vom 22. April 2010 gemäß § 543 Abs. 1 BGB beendet. Der Kläger konnte als Vermieter das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, weil ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unter Abwägung beiderseitiger Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Spätestens aufgrund der Kontaktaufnahme der Beklagten zu 1. mit dem Baufinanzierer des Klägers mit Schreiben vom 03. April 2010 hat die Beklagte zu 1. die Grenze dessen überschritten, was dem Kläger zuzumuten ist.

Beleidigung und üble Nachrede sind Vertragsverletzungen, die zur Kündigung berechtigen, wenn sie einen gewissen Schweregrad erreichen und die Würdigung der Gesamtumstände zu dem Ergebnis führt, dass die Fortsetzung des Mietvertrags unzumutbar ist (vergl. Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 9. Aufl., § 543 BGB, Rn. 182 f.). Die Beklagte zu 1. hat trotz einer bereits zuvor erfolgten Kündigung vom 11. März 2010 gestützt auf unangemessene Äußerungen über den Kläger gegenüber dessen Parteivertreter vom 08. März 2010 und Abmahnungen, gleichwohl an das BHW geschrieben und dort von „unglaublichen Vorkommnissen“ berichtet, die schon dem Wortlaut nach kaum positiv sein können, sondern den Kläger in schlechtem Licht dastehen lassen. Die Aussage, der Kläger würde andauernd grundlos Kündigungen aussprechen, obwohl sie, die Beklagte zu 1. – was nicht den Tatsachen entspricht - Mieten Monate im Voraus gezahlt habe und insbesondere die Andeutung eines Vermögensverfalls hatten keinen erdenklichen Grund und waren geeignet, den Kläger bei seinem Finanzierungsinstitut in Misskredit zu bringen. Der Beklagten zu 1. musste dabei bewusst sein, dass das BHW trotz des vermeintlich sachlichen Ausdrucks im Schreiben zwischen den Zeilen lesen und merken würde, dass die Aussagen genau dazu dienten, den Kläger bei ihm anzuschwärzen und seine Vermögensverhältnisse zu überprüfen. Die indirekte Drohung der Beklagten zu 1., sie werde an das Bundesaufsichtsamt für das Banken- und Kreditwesen herantreten, sollte das BHW nicht tätig werden, verdeutlicht das Ansinnen der Beklagten zu 1., den Kläger schädigen und den Baufinanzierer in jedem Fall dazu anhalten zu wollen, Schritte gegen den Kläger einzuleiten.

Es ist nachvollziehbar, dass sich die Beklagte zu 1. über die Dauerbaustelle im Garten des angemieteten Hauses geärgert hat. Auch ist nicht zu übersehen, dass beide Parteien des Mietvertrags im vertraglichen Miteinander nicht die angebrachte Zurückhaltung an den Tag gelegt haben. Den Vermieter aber grundlos und ohne nähere Gewissheit über dessen Vermögenslage bei seiner finanzierenden Bank in Verruf zu bringen, wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass die Beklagte zu 1. den Winter über ohne Gartenanlage hat wohnen müssen. Dass die Beklagte zu 1. lediglich einen Hilferuf äußern und mit dem Herantreten an das BHW die einzige Möglichkeit durchsetzen wollte, ein bewohnbares Mietobjekt zu erhalten, ist nicht nachvollziehbar, weil das BHW ihr weder helfen musste noch konnte. Die Beklagte zu 1. war auch nicht hilfsbedürftig, weil sie mit Schreiben vom selben Tag gegenüber dem Kläger die Ersatzvornahme ankündigte und schließlich auch vornahm. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Haus vollumfänglich bewohnbar war und der Garten im Winter lediglich eine vernachlässigenswerte und gefahrenbegründende Nebensache darstellte, der die Beklagte zu 1. mithilfe der gesetzlich vorgesehenen Mitteln begegnen konnte und begegnet ist. Nachdem der Kläger der Beklagten zu 1. gegenüber schon nach den nicht notwendigen und unhöflichen Äußerungen im Schreiben an den Klägervertreter vom 08. März 2010 fruchtlos gemäß § 543 Abs. 3, Satz 1 BGB erklärt hatte, er werde kein weiteres Verhalten dieser Art dulden, konnte er den Vertrag nach der erneuten drittgerichteten Verfehlung formell einwandfrei fristlos kündigen. Er konnte und musste nunmehr nicht mehr damit rechnen, dass sich die Beklagte zu 1. künftig vertragsgemäß verhalten würde – ein Zustand, der dem Kläger die Fortsetzung des Mietvertrags unzumutbar machte.

Sofern der Kläger sein Räumungsbegehren in der zweiten Instanz auch auf den Beklagten zu 2. erstreckt hat, ist diese subjektive Klageerweiterung in der Berufungsinstanz zulässig und gemäß § 533 Nr. 1 und 2 ZPO sachdienlich. Zwar ist eine subjektive Klageänderung in Form einer Klageerweiterung um einen weiteren Beklagten in der Berufungsinstanz generell nicht möglich, weil § 533 ZPO nicht nur die Einwilligung oder Sachdienlichkeit einer solchen Erklärung, sondern auch vorsieht, dass sie nur auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde legen kann. Von diesem Grundsatz macht die Rechtsprechung aus Gründen der Prozessökonomie eine Ausnahme, wenn die Zustimmung zur Parteierweiterung rechtsmissbräuchlich verweigert wird (vergl. Zöller-Greger, 27. Aufl., § 263, Rn. 21, 19, ZPO), weil die Zulassung der Klageerweiterung in dem Fall geeignet ist, den Konflikt der Prozessparteien endgültig auszuräumen und dem Kläger erspart werden soll, einen weiteren Rechtsstreit zu führen. Der Verlust eines zweiten Rechtszugs wird dabei in Kauf genommen. (vergl. Brandenburgisches OLG, Urteil vom 07.05.2003, Az. 3 U 192/02, zitiert nach Juris). Diese Voraussetzungen liegen vor.

Der Beklagte zu 2. hat sich in der ersten Instanz darauf berufen, er wohne gar nicht in dem Haus. Mit dieser Begründung hat das Amtsgericht die Klage gegen ihn im Schlussurteil abgewiesen, nachdem er den gesamten erstinstanzlichen Rechtsstreit mit Sach- und Rechtsvortrag verfolgt hat. Erst nach Rechtskraft des Schlussurteils hat der Beklagte zu 2. erklärt, dass er nunmehr ein Verlöbnis mit der Beklagten zu 1. eingegangen sei, aufgrund dessen er in das Haus eingezogen sei. Der Einzug ist ein neuer Lebenssachverhalt, der nicht von der Rechtskraft des Schlussurteils erfasst ist. Bei dieser tatsächlichen Begebenheit ist es dem Kläger nicht zuzumuten, im laufenden Berufungsverfahren gegen die Beklagte zu 1. erneut einen auf denselben, dem Beklagten zu 2. bekannten Kündigungstatsachen fußenden Räumungsrechtsstreit zu führen. Die Verwehrung der Einwilligung des Beklagten zu 1. in die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz ist dagegen rechtsmissbräuchlich, da keine Gründe ersichtlich oder vorgetragen sind, die dafür sprechen, dass dem Beklagten zu 2. Verteidigungsmöglichkeiten genommen werden.

Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten zu 2. einen Anspruch auf Räumung des streitgegenständlichen Hauses aus § 546 Abs. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift kann der Vermieter die Mietsache nach Beendigung des Mietvertrags auch von Dritten zurückfordern, denen der Mieter die Mietsache zum Gebrauch überlassen hat. Diese Voraussetzungen liegen vor, nachdem – wie dargestellt – das Mietverhältnis durch fristlose Kündigung vom 22. April 2010 wirksam ein Ende gefunden hat.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 91 Abs. 1, Satz 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 7, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Das Berufungsurteil beruht im Kern auf einer Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls. Einer Abweichung in der Rechtsanwendung liegen über obergerichtliche Entscheidungen ist nicht ersichtlich.

Der Streitwert wird für die 2. Instanz auf 15.240 Euro festgesetzt.