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Libanon; Palästinenser; Beschäftigungserlaubnis; Ausreisehindernis; verschuldet; DDV; Laissez-Passer; ungenügende Anstrengungen zum Erhalt eines Laissez-Passer


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 18.05.2011
Aktenzeichen OVG 3 B 3.11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 10 Abs 1 S 1 BeschVerfV, § 11 S 1 BeschVerfV, § 4 Abs 3 AufenthG, § 25 Abs 5 S 3 AufenthG, § 25 Abs 5 S 4 AufenthG, § 42 Abs 2 Nr 5 AufenthG

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. Oktober 2009 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung.

Er reiste mit seinen Eltern am 3. Januar 1990 in das Bundesgebiet ein. Sein Vater bezeichnete sich gegenüber der Berliner Ausländerbehörde als Palästinenser. Seine Mutter legte ein für sie ausgestelltes DDV vor, in das auch der Kläger eingetragen war. Dort ist als Staatsangehörigkeit vermerkt: "Palastinienne". Durch bestandskräftigen Bescheid vom 24. Januar 1994 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag der Eltern des Klägers, den diese auch für ihn sowie zwei Geschwister gestellt hatten, ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen, und forderte die Familienmitglieder auf, das Bundesgebiet zu verlassen. Seit 2011 wird der Kläger geduldet.

Durch Bescheid vom 15. August 2005 wies der Beklagte den Kläger aufgrund mehrerer strafgerichtlicher Verurteilungen gemäß § 53 Nr. 1 AufenthG aus der Bundesrepublik Deutschland aus.

Mit Bescheid vom 26. Juni 2006 lehnte das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab, da er sich als palästinensischer Volkszugehöriger ungeklärter Staatsangehörigkeit nicht hinreichend um die Beschaffung eines Heimreisedokuments bemüht habe.

Einen Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis lehnte das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten durch Bescheid vom 28. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2009 ab. Zur Begründung führte es an, gemäß § 11 BeschVerfV könne dem Kläger die Ausübung einer Beschäftigung nicht erlaubt werden, weil aufenthaltsbeendigende Maßnahmen aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden könnten. Ernsthafte und nachhaltige Bemühungen um die Erlangung eines Heimreisedokuments habe er nicht belegt. Er habe sich auch nicht der staatlichen Rückkehrhilfe des Landesamtes für Gesundheit und Soziales bedient. Außerdem müsse er aufgrund seiner Ausweisung dauerhaft vom Bundesgebiet ferngehalten werden, womit die im Falle der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis eintretende Verlängerung und Verfestigung seines Aufenthalts nicht vereinbar sei. Gegen die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis richtet sich die Klage.

Durch Gerichtsbescheid vom 27. Oktober 2009 hat das Verwaltungsgericht Berlin den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Anspruchsgrundlage sei die Ermessen eröffnende Vorschrift des § 10 BeschVerfV. Der Beklagte habe sich zu Unrecht durch § 11 BeschVerfV gehindert gesehen, sein Ermessen auszuüben. Der Kläger habe das Abschiebungshindernis in Gestalt fehlender Heimreisedokumente nicht zu vertreten. Es sei für ihn als palästinensischen Volkszugehörigen ausgeschlossen, bei der libanesischen Botschaft durch eigene Bemühungen ein Heimreisedokument zu erhalten. Dies ergebe sich aus einem Urteil des OVG Brandenburg vom 1. Juli 2004 sowie faktisch aus der Weisung E.Lib.3. des Beklagten. Die hilfsweise Ermessenserwägung des Beklagten, der Zweck der Ausweisung verbiete die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis, sei fehlerhaft, weil der aufenthaltsrechtliche Status des Klägers unzureichend berücksichtigt werde.

Mit Schreiben vom 4. Januar 2010 hat der Beklagte den Kläger für den 18. Januar 2010 zur Passbeschaffung vorgeladen. Der Kläger hat bei Vorsprache die Ausfüllung eines libanesischen Antrags zum Erhalt eines Personaldokuments verweigert. Laut einem Aktenvermerk ist er auf seine Mitwirkungspflicht hingewiesen worden. Mit Schreiben vom 18. Februar 2010 hat sich der Beklagte erfolglos an die libanesische Botschaft gewandt und um Ausstellung eines Heimreisedokuments für den Kläger gebeten.

Mit seiner durch den Senat zugelassenen Berufung macht der Beklagte geltend, die Annahme des Verwaltungsgerichts zum Inhalt der Weisung E.Lib.3. sei unzutreffend. Im Übrigen habe die libanesische Botschaft in mehreren Fällen Heimreisedokumente für palästinensische Volkszugehörige ohne libanesische Staatsangehörigkeit ausgestellt. Der Kläger sei bei Einreise ins Bundesgebiet in das DDV seiner Mutter eingetragen gewesen. Sie verfüge ebenso wie der Vater und die Geschwister des Klägers über ein gültiges DDV. Der Kläger werde daher gegenüber der libanesischen Botschaft seine für die Ausstellung eines Heimreisedokuments erforderliche Registrierung belegen können. Daher liege der Ausschlussgrund des § 11 BeschVerfV vor.

Der Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. Oktober 2009 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Unterlagen aus dem Verwaltungsstreitverfahren OVG 3 B 2.08 in das hiesige Verfahren eingeführt. Hierzu zählt die Sitzungsniederschrift eines Termins zur Beweisaufnahme vom 11. Mai 2010, in dessen Rahmen Herr S..., ein mit der Beschaffung von Heimreisedokumenten befasster Mitarbeiter der Berliner Ausländerbehörde, sowie Frau B..., eine in der Rückkehr- und Weiterwanderungsberatungsstelle des Landesamtes für Gesundheit und Soziales tätige Mitarbeiterin, als Zeugen zu der Möglichkeit der Beschaffung von Heimreisedokumenten für palästinensische Volkszugehörige aus dem Libanon gehört worden sind. Ferner hat der Senat aus dem Verfahren OVG 3 B 2.08 eine Auskunft der Botschaft des Libanon vom 18. März 2010 sowie Vortrag des Beklagten zum ausländerbehördlichen Informationsportal ZAIPort in das Verfahren eingeführt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen. Die Ausländerakten des Klägers haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Unrecht zur Neubescheidung verpflichtet.

Der Kläger hat keinen Anspruch nach §§ 4 Abs. 3, 42 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG i.V.m. § 10 BeschVerfV auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis. Geduldeten Ausländern kann gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BeschVerV mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden, wenn sie sich seit einem Jahr erlaubt, geduldet oder mit Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufgehalten haben.

Der Kläger hält sich seit dem Jahre 2001 geduldet im Bundesgebiet auf. Ihm darf jedoch aufgrund § 11 Satz 1 BeschVerfV keine Beschäftigungserlaubnis erteilt werden. Denn bei ihm können aus von ihm zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden. Er hat nicht dargelegt, dass er sich hinreichend um ein zur Einreise in den Libanon berechtigendes Personaldokument bemüht hat.

Zugunsten des Klägers mag unterstellt werden, dass er staatenloser Palästinenser aus dem Libanon ist. Er ist im Bundesgebiet stets mit ungeklärter Staatsangehörigkeit geführt worden und hat in zeitlichem Zusammenhang mit seiner Einreise ein DDV seiner Mutter vorgelegt, in das er eingetragen und in dem die palästinensische Volkszugehörigkeit vermerkt war. Sein Vater hat sich bei seiner Einreise als Palästinenser bezeichnet. Er sowie die Mutter und die Geschwister des Klägers verfügen nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Beklagten über ein gültiges DDV.

Es ist weder von dem Beklagten dargelegt worden noch sonst erkennbar, dass der Libanon staatenlose Palästinenser ohne Heimreisedokument einreisen lässt (so auch VGH Mannheim, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 13 S 2483.07 -, InfAuslR 2009, 109, 110; Auswärtiges Amt, Lagebericht Libanon, Stand Februar 2010, S. 25).

Der Kläger hat jedoch zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses nicht erfüllt. Zu den Voraussetzungen für die Erfüllung der dem Ausländer insoweit obliegenden Mitwirkungspflicht hat der Senat in seinem Urteil vom 14. September 2010 (OVG 3 B 2.08, juris, auszugsweise veröffentlicht in AuAS 2011, 16) zu § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG ausgeführt:

"Über die Zumutbarkeit der einem Ausländer insoweit obliegenden Handlungen ist unter Berücksichtigung aller Umstände und Besonderheiten des Einzelfalles zu entscheiden. Besteht - wie hier - das Ausreisehindernis im Fehlen des erforderlichen Heimreisedokuments, kann von dem Betreffenden in aller Regel gefordert werden, dass er diejenigen Handlungen vornimmt, die zur Beschaffung des Dokuments notwendig sind und nur von ihm persönlich vorgenommen werden können. Hierzu zählen vor allem die Herstellung und Vorlage von Passfotos, das Ausfüllen von Antragsformularen und die persönliche Vorsprache bei der Auslandsvertretung des Heimatstaates, sofern diese es verlangt. Von dem Ausländer sind insoweit gesteigerte Anstrengungen zu erwarten, denn das Gesetz weist ihm den Besitz eines gültigen Passes als Obliegenheit zu (§ 3 Abs. 1 AufenthG) und verpflichtet ihn, falls er einen gültigen Pass oder Passersatz nicht besitzt, unter anderem an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken (§ 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Daraus ergibt sich zugleich, dass von dem Ausländer verlangt werden kann, es nicht bei der Einreichung der erforderlichen Unterlagen und einer Vorsprache bei der Auslandsvertretung seines Heimatstaates zu belassen, sondern darüber hinaus, falls ihm das Identitätspapier nicht in angemessener Zeit ausgestellt wird, regelmäßig nachzufragen, sich nach den Gründen für die Bearbeitungsdauer zu erkundigen und beharrlich um die Ausstellung des Papiers nachzusuchen. Ferner ist er gehalten, soweit er nicht anerkennenswerte entgegenstehende Gründe für sich in Anspruch nehmen kann, die Bereitschaft zu einer freiwilligen Ausreise zu bekunden, sofern hiervon die Ausstellung des Reisedokumentes abhängig gemacht wird oder dies geeignet ist, eine sonst nicht absehbare Bearbeitungsdauer deutlich zu verkürzen. Zwar schreibt das Aufenthaltsgesetz eine dahingehende Mitwirkungspflicht des Ausländers nicht ausdrücklich vor, doch folgt eine solche Obliegenheit unmittelbar aus der Ausreisepflicht, in der er sich befindet. Auf einen entgegenstehenden inneren Willen des Ausländers kommt es dabei nicht an. Anderenfalls hätte es ein ausreisepflichtiger Ausländer in der Hand, allein durch die Behauptung eines - der Nachprüfung naturgemäß nicht zugänglichen - bestimmten Willens und durch sein Handeln die Voraussetzungen eines humanitären Aufenthaltsrechts selbst zu schaffen. Dies entspricht nicht Zweck und Ziel des § 25 Abs. 5 AufenthG. Mithin ist die Abgabe einer Freiwilligkeitserklärung einem ausreisepflichtigen Ausländer grundsätzlich zumutbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2009 - 1 C 19.08 -, AuAS 2010, 74; zu allem Urteil des Senats vom 14. Juni 2007, juris, Rn. 53 ff.). Der Begriff der Zumutbarkeit in § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG schließt es lediglich aus, einem Ausländer von vornherein erkennbar aussichtslose Handlungen abzuverlangen (BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2006 - 1 B 54.06 -, Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 4, Rn. 4; Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 8.98 -, BVerwGE 108, 21, 29, zu § 30 Abs. 4 AuslG; Urteil des Senats vom 15. Juni 2007, a.a.O., Rn. 47; VGH Mannheim, Urteil vom 3. Dezember 2008, a.a.O., S. 111). Dabei trifft den Ausländer die Darlegungs- und Nachweislast dafür, dass er die erforderlichen und zumutbaren Anstrengungen, ein Heimreisedokument zu erhalten, unternommen hat. Dies ist gerechtfertigt, weil es um seine Mitwirkungspflichten und um Geschehnisse geht, die typischerweise ausschließlich seinem Einflussbereich zugeordnet und der Kenntnisnahmemöglichkeit der Ausländerbehörde entzogen sind (vgl. Urteil des Senats vom 14. Juni 2007, a.a.O., Rn. 58, m.w.N.).

Nach dem Ergebnis der gemäß § 87 Abs. 3 VwGO von dem Berichterstatter durchgeführten Zeugenvernehmung ist es für einen ausreisepflichtigen staatenlosen Palästinenser aus dem Libanon und im Einzelfall auch für den Kläger nicht von vornherein erkennbar aussichtslos, bei der libanesischen Botschaft ein Dokument für die Heimreise zu erhalten; dahingehende Bemühungen sind ihm daher zumutbar.

Wie der Zeuge S... und die Zeugin B... nachvollziehbar bekundet haben, können Palästinenser ein Heimreisedokument (Laissez-Passer) bei der libanesischen Botschaft in Berlin erhalten. Hierfür müssen sie einen - möglichst mehrere - Identitätsnachweis(e) vorlegen …. Ferner müssen Bewerber für die Ausstellung eines Heimreisedokuments ein Flugticket präsentieren, um ihren Ausreisewillen zu dokumentieren. Die Kosten hierfür - sowie für die Ausstellung des Laissez-Passer - trägt nach Angabe der Zeugin B... der Beklagte. Sie hat bekundet, die Bearbeitung von Anträgen durch die libanesische Botschaft erfolge deutlich schneller, wenn die Betreffenden sich selbst um die Beschaffung des Heimreisedokuments bemühten und bei wiederholten Vorsprachen auf die Ausstellung eines Laissez-Passers drängten, während die Beantragung eines Personaldokuments durch den Beklagten nicht in gleicher Weise erfolgreich sei. Die Erfolgsaussichten eines von einem Palästinenser selbst gestellten Antrags seien offen, wobei sie hinzugesetzt hat, sie bearbeite nur wenige Fälle und besitze daher keinen größeren Überblick. In den Jahren 2008 und 2009 ist nach ihrer Angabe in mehreren Fällen die Beschaffung von Heimreisedokumenten gelungen. So hätten 2008 sechs Palästinenser freiwillig in den Libanon zurückkehren wollen. Zwei seien ausgereist, ein Verfahren schwebe noch, drei Verfahren seien eingestellt worden, weil die Betreffenden nicht mehr vorgesprochen oder ihren Antrag zurückgenommen hätten. Im Jahre 2009 habe es sieben Anträge gegeben; zwei Antragsteller seien ausgereist, zwei Verfahren schwebten noch, drei seien eingestellt worden. Der Zeuge S... hat bekundet, es gebe kein klar vorhersehbares Schema, nach dem die libanesischen Behörden entschieden, ob sie ein Laissez-Passer ausstellen. In denjenigen Fällen, in denen er ein Laissez-Passer für Palästinenser beantrage, erteile die libanesische Botschaft das Dokument eher, wenn es sich - wie bei dem Kläger - um einen Straftäter handele.

Aus der im Nachgang zu der Beweisaufnahme von ihm eingereichten Dokumentation des Ausländerinformationsportals ZAIPort hat der Beklagte mehrere Fälle aus der jüngeren Vergangenheit benannt, in denen es staatenlosen Palästinensern aus dem Libanon gelungen ist, ein Heimreisedokument zu beschaffen (ZAIPort Dokumentation Pass). Teilweise hat auch die Berliner Ausländerbehörde ein Laissez-Passer für den Betreffenden erlangt (ZAIPort Dokumentation PEP), und zwar gerade nach Begehung erheblicher Straftaten (Reg.OM 003060200501; Reg.OM 099011403511; Reg.OM 001121100741) und obwohl die Zeugin B... angegeben hat, die behördliche Beschaffung eines Heimreisedokuments sei deutlich schwieriger, als wenn sich die palästinensischen Volkszugehörigen selbst um die Beschaffung eines solchen Dokuments kümmerten."

Diese Ausführungen macht der Senat sich auch im hiesigen Verfahren zu eigen.

Die mangelnde Mitwirkung bei der Passbeschaffung stellt - selbst in Ansehung des § 11 Satz 2 BeschVerfV - ebenso wie bei § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG einen Versagungsgrund nach § 11 Satz 1 BeschVerfV dar (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. Dezember 2010 - OVG 3 N 155.08 - und vom 24. November 2006 - OVG 3 N 212.06 -; OVG Münster, Beschluss vom 18. Januar 2006 - 18 B 1772/05 -, InfAuslR 2006, 222, 224 m.w.N.; OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 12. August 2010 - 8 PA 183/10 -, AuAS 2010, 230, und vom 8. April 2010 - 11 PA 85/10 -, juris, Rn. 5; OVG Koblenz, Beschluss vom 5. April 2007 - 7 A 10108/07, 7 E 11594/06 -, juris, Rn. 9).

Mangelnde Mitwirkung ist zum einen zwanglos unter den Wortlaut des § 11 Satz 1 BeschVerfV zu subsumieren.

Zum anderen ist der oben genannte Umstand, dass das Aufenthaltsgesetz dem Ausländer den Besitz eines gültigen Passes als Obliegenheit zuweist und ihn verpflichtet, falls er einen gültigen Pass oder Passersatz nicht besitzt, unter anderem an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken, auch bei der Auslegung des § 11 BeschVerfV zu berücksichtigen.

Zwar wird in § 25 Absatz 5 Satz 4 AufenthG darauf abgestellt, dass aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründe die (freiwillige) Ausreise nicht möglich ist, während für § 11 Satz 1 BeschVerfV maßgeblich ist, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Die fehlende Mitwirkung des Ausländers bei der Dokumentenbeschaffung hindert aber sowohl seine Ausreise als auch aufenthaltsbeendende Maßnahmen.

Dass in § 11 Satz 2 BeschVerfV als Regelbeispiele zwar die übrigen in § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG aufgeführten Verhaltensweisen aufgeführt werden, nicht aber die Nichterfüllung zumutbarer Anforderungen zur Beseitigung von Ausreisehindernissen, führt zu keinem dem Kläger günstigen Schluss, da es sich in § 11 Satz 2 BeschVerfV nur um Beispiele des Vertretenmüssens handelt und die Weigerung des Klägers, bei der Dokumentenbeschaffung mitzuwirken, keinen geringeren Verstoß gegen Mitwirkungspflichten darstellt als die in § 11 Satz 2 BeschVerfV ausdrücklich genannten falschen Angaben oder die Täuschung über Identität bzw. Staatsangehörigkeit.

Bereits die Darstellung in den - für den Senat ohnehin nicht verbindlichen - Verfahrenshinweisen der Ausländerbehörde Berlin (Abschnitt E.Lib.3.) früherer Fassungen, derzeit sei grundsätzlich von einer tatsächlichen Unmöglichkeit der freiwilligen Ausreise und Abschiebung für palästinensische Volkszugehörige ungeklärter Staatsangehörigkeit aus dem Libanon auszugehen und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses sei regelmäßig auch in absehbarer Zeit nicht zu rechnen, führte, anders als das Verwaltungsgericht meint, nicht zu dem Schluss, die Ausstellung eines Heimreisedokuments durch die libanesische Botschaft sei von vornherein erkennbar aussichtslos. Denn gemäß Ziffer II.1. der Weisung E.Lib.3. war für Personen, die Ausweisungsgründe nach §§ 53, 54 AufenthG gesetzt hatten, die Beschaffung einer Rückkehrberechtigung vorgesehen; zu diesem Zweck sei ein etwa vorhandenes Personaldokument einzuziehen und möglichst mit einem ausgefüllten Passantrag und vier Lichtbildern der Clearingstelle der Berliner Ausländerbehörde zuzuleiten. Demnach hielt (auch) die Weisung bei Straftätern dafür, ihre Rückführung sei nicht ausgeschlossen. Zudem geht die neueste Fassung der Verfahrenshinweise der Ausländerbehörde Berlin (Stand 15. April 2011), Abschnitt E.Lib.3., schlechthin nicht mehr von einer grundsätzlich bestehenden tatsächlichen Unmöglichkeit der freiwilligen Ausreise und Abschiebung für palästinensische Volkszugehörige ungeklärter Staatsangehörigkeit aus dem Libanon aus.

In gleichem Zusammenhang geht das Verwaltungsgericht mit Rücksicht auf die frühere Fassung der Weisung E.Lib.3. zu Unrecht davon aus, der Kläger benötige zur Beschaffung eines Heimreisedokuments eine Zusicherung des Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Wie der Zeuge S... sowie die Zeugin B... im Verfahren OVG 3 B 2.08 übereinstimmend bekundet haben, gibt es im dritten Stock des Gebäudes der Libanesischen Botschaft eine Stelle, die für die Ausstellung eines Personaldokuments für Personen ohne einen deutschen Aufenthaltstitel zuständig ist. Dort wird ein besonderes Antragsformular vorgehalten, das der Zeuge S... anlässlich seiner Vernehmung zu den Gerichtsakten gereicht und das der Senat in das hiesige Verfahren eingeführt hat. Nach einem deutschen Aufenthaltstitel wird in dem Formular mit der Bezeichnung „Beantragung eines Rückreisedokumentes für eine sich illegal in Deutschland aufhaltende Person“ nicht gefragt; er ist nach den Angaben des Zeugen S... nicht erforderlich. Auch die Zeugin B... hat einen deutschen Aufenthaltstitel nicht zu den für die Beantragung eines Heimreisedokuments erforderlichen Unterlagen gezählt (undifferenziert insoweit VGH Mannheim, Urteil vom 3. Dezember 2008, a.a.O.). Dass der Kläger keinen deutschen Aufenthaltstitel besitzt, steht mithin der Beschaffung eines Laissez-Passer nicht entgegen.

Die Beschaffung eines Heimreisedokuments erscheint auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die libanesische Botschaft auf das Ersuchen des Beklagten vom 18. Februar 2010 zur Ausstellung eines Personaldokuments bislang nicht reagiert hat. Aus den oben angeführten zeugenschaftlichen Äußerungen ergibt sich vielmehr, dass eigene Bemühungen des Ausländers um Erhalt eines Heimreisedokuments bei der libanesischen Botschaft deutlich aussichtsreicher sind als entsprechende Bemühungen des Beklagten. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte nicht über der Dokumentenbeschaffung dienliche Identitätsnachweise für den Kläger verfügt, die dieser selbst jedoch ohne weiteres beschaffen kann, zumal seine Eltern und Geschwister über ein gültiges DDV verfügen, ihre Identität also gegenüber den libanesischen Behörden nachgewiesen haben müssen.

Das von dem Verwaltungsgericht angeführte Urteil des OVG Brandenburg vom 1. Juli 2004 (4 A 747.03 -, juris) wiederum beruhte auf seinerzeit vorliegenden Erkenntnissen und kann schon angesichts des seitdem vergangenen erheblichen Zeitraums keine Geltung mehr beanspruchen.

Die ihm hiernach zumutbaren Anstrengungen zur Beschaffung eines Laissez-Passer hat der Kläger nicht unternommen und sich darüber hinaus in dem Vorsprachetermin am 18. Januar 2010 geweigert, an den vom Beklagten eingeleiteten Maßnahmen zur Dokumentenbeschaffung mitzuwirken.

Der Beklagte hat seinerseits den Kläger in dem angefochtenen Bescheid ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er die staatliche Rückkehrhilfe des Landesamtes für Gesundheit und Soziales in Anspruch nehmen kann, und hat damit etwa bestehende Mitwirkungspflichten ebenso erfüllt wie durch seinen Hinweis auf die Mitwirkungspflicht des Klägers anlässlich dessen Vorsprache am 18. Januar 2010. Auch die vom Senat mit Schreiben vom 11. März 2011 in das Verfahren eingeführten Unterlagen aus dem Verfahren OVG 3 B 2.08 haben dem Kläger verdeutlicht, welche Anstrengungen zum Erhalt eines Heimreisedokuments sachdienlich sind.

Die fehlende Mitwirkung des Klägers an der Passbeschaffung ist kausal dafür, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Nach den in das hiesige Verfahren eingeführten Angaben des Zeugen S... im Verfahren OVG 3 B 2.08 hängt die Beschaffung eines Heimreisedokuments bei der libanesischen Botschaft maßgeblich von der Mitwirkung des Ausländers ab. Dessen eigene Bemühungen um ein derartiges Dokument haben deutlich mehr Aussicht auf Erfolg als entsprechende behördliche Bemühungen. Zudem stellt die libanesische Botschaft Heimreisedokumente nur auf Vorlage von Identitätsnachweisen aus. Da der Kläger in keinem Stadium seines Aufenthalts im Bundesgebiet eine UNRWA-Registrierung, ein (abgelaufenes) libanesisches Personaldokument oder andere Nachweise seiner Registrierung im Libanon vorgelegt hat, sondern dem Beklagten nur zwei Seiten des DDV der Mutter des Klägers bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass sie über ein - damals im Kleinkindalter befindliches - 1986 geborenes Kind namens Walid verfügt, kann der Beklagte bei seinen eigenen Bemühungen, von der libanesischen Botschaft ein Heimreisedokument für den Kläger zu erhalten, nicht auf für die Identifizierung des Klägers geeignete Unterlagen zurückgreifen, sondern ist auf die Mitwirkung des Klägers angewiesen, die dieser indes verweigert hat.

Selbst wenn im Übrigen der Versagungsgrund des § 11 BeschVerfV nicht eingriffe, hätte der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis und auch keinen Neubescheidungsanspruch. Denn der Beklagte hat jedenfalls das ihm nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BeschVerfV zustehende Erteilungsermessen rechtsfehlerfrei zum Nachteil des Klägers ausgeübt. Er hat sich insoweit auf dessen Ausweisung gestützt und angeführt, mit deren Zweck - der Fernhaltung des Klägers vom Bundesgebiet - sei alles unvereinbar, was geeignet sei, die Dauer seines tatsächlichen Aufenthalts zu verlängern und bis zur Ausreise persönliche, wirtschaftliche und sonstige Bindungen im Bundesgebiet zu verfestigen oder gar neu zu knüpfen. Diese Erwägungen lassen keinen Ermessensfehler erkennen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hatte der Beklagte aus den oben genannten Gründen insbesondere den aufenthaltsrechtlichen Status des Klägers hinreichend berücksichtigt, der aufgrund § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG keine Aufenthaltserlaubnis erhalten kann.

Das Urteil ist mit Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter ergangen (§§ 125 Abs. 1, 87a Abs. 2, Abs. 3 VwGO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.