Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 2. Senat | Entscheidungsdatum | 22.11.2012 | |
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Aktenzeichen | OVG 2 A 8.10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 47 Abs 2 S 1 VwGO, § 47 Abs 5 S 1 VwGO, § 60 Abs 1 VwGO, § 60 Abs 2 VwGO |
Zur Qualifikation der für den Normenkontrollantrag geltenden Antragsfrist als Ausschlussfrist, die keiner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugänglich ist (im Anschluss an OVG LSA vom 26. Oktober 2011 - 2 K 10/10 -, juris, u.a.).
Der Normenkontrollantrag wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Der Normenkontrollantrag richtet sich gegen den am 25. Februar 2009 als Satzung beschlossenen, im Amtsblatt für die Stadt Falkensee – Falkenseer Stadtspiegel – vom 11. März 2009, Seite VII, bekannt gemachten Bebauungsplan F 17A „Zentrum Campus“ der Antragsgegnerin.
Der Antragsteller hat den Normenkontrollantrag am 31. März 2010 gestellt. Nach gerichtlichem Hinweis vom 12. April 2010 beantragte er mit Schriftsatz vom 7. Mai 2010 Wiedereinsetzung in die Antragsfrist sowie in die Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags.
In der Sache beantragt der Antragsteller sinngemäß,
den Bebauungsplan F 17A „Zentrum Campus“ für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, da eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise angehört worden. Aufgrund des von den Beteiligten erklärten Einverständnisses entscheidet der Berichterstatter anstelle des Senats (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
Der Normenkontrollantrag ist wegen Versäumung der Antragsfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO unzulässig. Die einjährige Frist wurde mit der Bekanntmachung des Bebauungsplans am 11. März 2009 in Gang gesetzt. Sie endete am 11. März 2010 (vgl. § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 ZPO, § 188 Abs. 1 und 2 BGB) und wurde deshalb durch den am 31. März 2010 eingegangenen Normenkontrollantrag nicht gewahrt.
Dem Antragsteller kann nicht gemäß § 60 Abs. 1 VwGO Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist gewährt werden.
Das Gericht folgt der herrschenden Auffassung, dass die Antragsfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO als Ausschlussfrist anzusehen ist, bei der eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht kommt (vgl. m.w.N. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26. Oktober 2011 – 2 K 10.10 –, juris Rn. 64 f.; BayVGH, Urteil vom 17. November 2009 – 1 N 08.2796 – juris Rn. 43 f.; OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 19. Februar 2004 – 7a D 67/03.NE – juris Rn. 21 ff.; OVG Schleswig-Holst., Urteil vom 22. November 2000 – 2 K 1.99 –, juris Rn. 19 ff.). Dafür spricht der mit der Befristung von Normenkontrollanträgen verfolgte Zweck, eine relative Rechtssicherheit zu schaffen, d.h. die der Möglichkeit einer Normenkontrolle unterworfene Norm alsbald vor einer allgemein verbindlichen Verwerfung (vgl. § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO) zu schützen und ihr damit faktisch erhöhten Bestandsschutz zu verschaffen (vgl. Gerhard/Bier in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Januar 2012, § 47 Rn. 35). Dies dient, wenngleich ebenfalls nur relativ, den Interessen derjenigen Normbetroffenen, die sich auf den Bestand der Norm einrichten wollen. Hinzu tritt bei Bebauungsplänen das Interesse des Trägers der Planung, das mit dem Plan verfolgte städtebauliche Konzept umzusetzen oder zur Grundlage weiterer Planungen zu machen, ohne etwaige Normenkontrollanträge in seine Erwägungen einstellen zu müssen. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG erscheint der Ausschluss der Wiedereinsetzung als unbedenklich, da der danach gebotene Rechtsschutz auch im Wege des Individualrechtsschutzes gewährleistet werden kann. So können sich Betroffene bei Bebauungsplänen im Wege von Anfechtungs- oder Verpflichtungsklagen gegen den Plan umsetzende Maßnahmen zur Wehr setzen und in diesen Verfahren eine inzidente Prüfung der Wirksamkeit der Planes erreichen. Die Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juni 1999 – 4 BN 20.99 –, BVerwGE 109, 148, steht der Annahme einer Ausschlussfrist ebenfalls nicht entgegen. In diesem Verfahren ging es um die Frage, ob die durch das Gesetz zur Beschränkung von Rechtsmitteln in der Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 22. April 1993 (BGBl. I S. 466, 487) für Normenkontrollanträge gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO eingeführte Drei-Monats-Frist auch auf vor Inkrafttreten dieses Gesetzes bekannt gemachte Bebauungspläne Anwendung findet. Im Hinblick darauf, dass diese Frage erst im Wege richterlicher Rechtslückenschließung geklärt werden konnte, hat das Bundesverwaltungsgericht die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung bejaht. Um eine solche Gesetzeskonstellation geht es hier aber nicht (vgl. OVG Nordrh.-Westf., a.a.O., Rn. 34; BayVGH, a.a.O., Rn. 43; OVG Sachsen-Anhalt, a.a.O., Rn. 64).
Das Vorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine andere Entscheidung. Die für die Annahme einer Ausschlussfrist genannten Gründe sprechen dagegen, eine Wiedereinsetzung ausnahmsweise beim Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalles zuzulassen. Derartige Umstände sind zudem durch die Berufung darauf, dass den Antragsteller persönlich kein Verschulden an der Fristversäumung treffe, nicht dargelegt. Nicht nachvollziehbar ist auch das Vorbringen des Antragstellers, ein effektiver Rechtsschutz sei lediglich durch die prinzipale Nichtigkeitserklärung des Bebauungsplans gewährleistet.
Unabhängig davon liegen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist auch deshalb nicht vor, weil der Wiedereinsetzungsantrag nicht rechtzeitig innerhalb der Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt worden ist und der Antragsteller für die auch insoweit beantragte Wiedereinsetzung einen Wiedereinsetzungsgrund nicht glaubhaft gemacht hat. Für den Beginn der Antragsfrist nach § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist der Zeitpunkt maßgeblich, ab dem dem Betroffenen die Versäumung der Frist für den Normenkontrollantrag bekannt war oder bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte bekannt sein müssen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Auflage 2011, § 60 Rn. 26). Dies war am 31. März 2010 der Fall, denn der damalige Prozessbevollmächtigte des Antragstellers, dessen Verschulden sich dieser gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, hätte bei der Unterzeichnung des an diesem Tag ausgefertigten Normenkontrollantrags bemerken müssen, dass die Antragsfrist – anders als bei Erstellung des unverändert übernommenen Antragsentwurfs vom November 2009 – bereits verstrichen war. Der Wiedereinsetzungsantrag hätte deshalb bis zum 14. April 2010 gestellt werden müssen. Er ist jedoch erst am 7. Mai 2010 eingegangen. Dass sein Bevollmächtigter an der rechtzeitigen Stellung des Wiedereinsetzungsantrags unverschuldet verhindert war (§ 60 Abs. 1 VwGO), hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. In dem Schriftsatz vom 7. Mai 2010 werden lediglich Gründe dafür benannt, weshalb die Antragsfrist nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 VwGO versehentlich auf den 31. März 2010 notiert und zudem der am 16. April 2010 eingegangene gerichtliche Hinweis auf die Versäumung dieser Frist versehentlich erst am 7. Mai 2010 der zuständigen Rechtsanwältin vorgelegt worden sei. Dies erklärt nicht, warum der Bevollmächtigte des Antragstellers die Versäumung der Antragsfrist nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht bei der Unterzeichnung des Normenkontrollantrags am 31. März 2010 bemerkt und nicht bis zum 14. April 2010 Wiedereinsetzung beantragt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 7 GKG, wobei wegen der Höhe auf den Beschluss über die vorläufige Streitwertfestsetzung vom 6. April 2010 verwiesen werden kann.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.