Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 15. Kammer | Entscheidungsdatum | 14.09.2011 | |
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Aktenzeichen | 15 Sa 61/11, (15 Sa 1059/11) | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | Anl 6 Ziff 1 Abs 5 Klangkörper-Tarifvertrag, Anl 6 Ziff 1 Abs 7 Klangkörper-Tarifvertrag, § 11 Abs 3 ArbZG |
1. Ein dienstfreier Tag im Sinne der Anlage 6 Ziff. 1 (5) zum Klangkörper-Tarifvertrag vom 02.02.1993 ist in der Art zu gewähren, dass die Freistellung an den jeweiligen Kalendertag von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr erfolgt.
2. Ein Ersatzruhetag nach § 11 III ArbZG liegt nur vor, wenn der jeweilige Tag von Erwerbstätigkeit gänzlich freigehalten wird.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25.11.2010 - 2 Ca 9210/10 - wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. II. des Tenors wie folgt gefasst wird:
„II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern dienstfreie Tage im Sinne der Anlage 6 Ziff. 1 (5) zum Klagkörper-Tarifvertrag vom 02.03.1993 in der Art zu gewähren, dass die Freistellung an dem jeweiligen Kalendertag von 00:00 - 24:00 Uhr erfolgt.“
II. Die Revision wird zugelassen.
Die Parteien streiten im Kern darüber, ob dienstfreie Tage im Sinne einer bestimmten tarifvertraglichen Regelung nur in der Art gewährt werden können, dass an dem jeweiligen Kalendertag zwischen 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr eine Freistellung zu erfolgen hat oder ob es insofern ausreichend ist, dass unabhängig von der kalendertäglichen Grenze eine Freistellung für 24 Stunden erfolgt.
Die Beklagte ist Rechtsträgerin des Rundfunkchors Berlin, in welchem die Kläger als Sänger beschäftigt sind. Die Bruttomonatsvergütung beträgt für die Kläger zu 1) und 3) jeweils 3.630,27 € und für den Kläger zu 2) 3.571,70 €. Der Klangkörper-Tarifvertrag zwischen der Deutschen Orchestervereinigung e. V. und dem ZDF (KTV; Bl. 28 ff. d. A.) findet auf ihre Arbeitsverhältnisse kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme sowie beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Nach diesem Tarifvertrag können die Chormitglieder grundsätzlich zu Diensten an sieben Tagen in der Woche herangezogen werden, wobei die tägliche Arbeitszeit bei zwei Diensten bis zu vier Stunden beträgt. Darüber hinausgehende Arbeitszeit wird als Überdienst gewertet. Anlage 6 Nr. 1 Abs. 5 zum KTV lautet:
„Jedes Klangkörpermitglied hat Anspruch auf so viele dienstfreie Tage in jedem Monat, wie dieser Sonnabende, Sonntage und gesetzliche Feiertage hat.“
Im Juli 2009 befand sich der Chor der Beklagten auf einer Gastspielreise in Südfrankreich. Die Aufführungen begannen dort am 4., 7., 10. und 13. Juli 2009 jeweils um 21:30 Uhr und endeten erst am Folgetag um 01:30 Uhr. Im Juli 2009 waren im Dienstplan des Chores für den 5., 8., 11., 14., 19., 20., 25. und 26. Juli dienstfreie Tage eingetragen.
Die Kläger haben erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass der 5., 8., 11. und 14. Juli 2009 nicht dienstfreie Tage im Sinne des KTV gewesen seien. Dies hätte vielmehr vorausgesetzt, dass die Dienstbefreiung von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr an dem jeweiligen Kalendertag angedauert hätte. Daher seien diese Tage wegen der Leistung von Überstunden jeweils mit 1/30 der Bruttomonatsvergütung abzugelten.
Die Kläger haben beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen,
a) an den Kläger zu 1) einen Betrag in Höhe von 484,04 € brutto,
b) an den Kläger zu 2) einen Betrag in Höhe von 476,23 € brutto,
c) an den Kläger zu 3) einen Betrag in Höhe von 484,04 € brutto
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Klage zu zahlen;
2. festzustellen, dass ein dienstfreier Tag im Sinne der Anlage 6, Ziff. 1 (5) zum Klangkörper-Tarifvertrag vom 02.02.1993 nur dann gewährt ist, wenn die Freistellung an dem jeweiligen Kalendertag von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr erfolgt.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ein dienstfreier Tag liege vor, wenn mindestens 24 Stunden im direkten Anschluss an eine Ruhezeit von 11 Stunden gem. § 5 Abs. 1 ArbZG dienstfrei seien. Anlage 6 Ziff. 1 Abs. 5 KTV diene dem Zweck, Zeit zum Ausruhen und Schonen der Stimme zu gewähren. Ein Festhalten an starren Datums- und Uhrzeitgrenzen würde bei Konzertreisen mit Wechsel von Zeitzonen zu absurden Ergebnissen führen.
Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 25. November 2010 dem Feststellungsantrag stattgegeben. Darüber hinaus hat es die Beklagte verurteilt, an die Kläger zu 1) und 3) jeweils einen Betrag in Höhe von 251,28 € brutto und an den Kläger zu 2) in Höhe von 247,26 € brutto nebst Zinsen zu zahlen. Die weitergehenden Zahlungsanträge hat es abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat sich der klägerischen Auffassung angeschlossen, wonach ein dienstfreier Tag im Sinne der hier relevanten tarifvertraglichen Regelungen nur dann vorliege, wenn eine Freistellung an dem jeweiligen Kalendertag zwischen 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr stattfindet. Dies ergebe die Auslegung der tarifvertraglichen Regelung. Die Vergütung der zusätzlich an den vier dienstfreien Tagen im Umfang von 1,5 Stunden geleisteten Arbeit könne jedoch nicht mit 1/30 der Monatsvergütung berechnet werden. Berechnet auf einem Durchschnitt von 13 Wochen müssten die Chormitglieder 21,67 Arbeitstage tätig werden. Umgerechnet auf Dienste entspreche dies einer Arbeitsleistung von 86,68 Stunden im Monat. Gemessen an der vereinbarten Monatsvergütung könnten die Kläger zu 1) und 3) 41,88 € und der Kläger zu 2) 41,21 € pro geleisteter Dienststunde verlangen. Die hier erfolgte Sonderleistung im Umfang von sechs Stunden rechtfertige daher für die Kläger zu 1) und 3) eine weitere Vergütung im Umfang von 251,28 € und für den Kläger zu 2) im Umfang von 247,26 €.
Dieses Urteil ist der Beklagten am 16. Dezember 2010 zugestellt worden. Die Berufung ging am 10. Januar 2011 beim Landesarbeitsgericht ein. Nach Verlängerung bis zum 16. März 2011 erfolgte die Begründung am selben Tag.
Die Beklagte ist der Ansicht, ein dienstfreier Tag im Sinne der tarifvertraglichen Regelung sei wie ein Ersatzruhetag nach § 11 Abs. 3 ArbZG zu bestimmen. Insofern sei mit der überwiegenden Ansicht davon auszugehen, dass ein Zeitraum von 24 Stunden unabhängig von der Kalendertagsgrenze ausreiche. Sinn und Zweck der tarifvertraglichen Regelungen sei der Gesundheitsschutz. Dieser sei schon dann gewährleistet, wenn eine dienstfreie Zeit von 24 Stunden vorliege. Ein solches Ergebnis stelle die sinnvollste Lösung dar, insbesondere auch bei einer Auslandsreise mit einem Wechsel über verschiedene Zeitzonen hinweg. Wenn die Tarifvertragsparteien etwas anderes gewollt hätten, hätte eine ausdrückliche Regelung nahe gelegen.
Hinsichtlich der konkreten Regelung der dienstfreien Tage bei der Reise nach Südfrankreich hätte man sich mit dem Chorvorstand „im Sinne der Anlage 6 Ziff. 1 Abs. 7 KTV“ in Verbindung gesetzt. Der Chorvorstand hätte schon ca. ein Jahr im Voraus Kenntnis gehabt. Die Feinjustierung sei während der laufenden Saison erfolgt. Man habe einmal im Monat Sitzungen mit dem Chorvorstand durchgeführt. Dieser hätte Stellung zu bestimmten Vergütungsaspekten genommen. Man habe sich geeinigt, dass Chormitglieder, die szenisch arbeiteten, pauschal 100,-- € pro Tag erhielten. Dem Chorvorstand und auch dem Ensemble sei der vorläufige Dienstplan bekannt gewesen, der jedoch keine Angaben der Vorstellungszeiten enthalten hätte. Da der Chorvorstand hierzu geschwiegen habe, müsse dies als Zustimmung ausgelegt werden. Im vorläufigen Dienstplan seien die Anfangs- und Endzeiten der Proben mit 21:30 Uhr bis 01:30 Uhr angegeben gewesen. Die Dauer der jeweiligen Vorführung sei somit allen bekannt gewesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. November 2010 - 2 Ca 9210/10 - teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen
und beantragen weiterhin hilfsweise,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern dienstfreie Tage im Sinne der Anlage 1 Ziff. 1 (5) zum Klangkörper-Tarifvertrag (KTV) vom 02.02.1993 in der Art zu gewähren, dass die Freistellung an dem jeweiligen Kalendertag von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr erfolgt; höchsthilfsweise festzustellen, dass die Beklagten den Klägern am 5., 8., 11. und 14.07.2009 keinen freien Tag im Sinne der Anlage 1 Ziff. 1 (5) zum Klangkörper-Tarifvertrag (KTV) vom 02.02.1993 gewährt hat.
Die Kläger behaupten, dass in den jeweiligen Dienstplänen ein dienstfreier Zeitraum von 24 Stunden, der sich auf zwei Kalendertage verteilt, nie als dienstfreier Tag gewertet worden sei. Auch hätten die Dienstpläne, wenn die Ansicht der Beklagten zutreffend wäre, in Abschnitte zu je 24 Stunden unterteilt werden müssen. Tatsächlich werden dort nur Kalendertage aufgelistet. Auch andere Flächentarifverträge gingen davon aus, dass jeweils ein ganzer Kalendertag frei sein müsse. Insofern verweisen die Kläger auf § 57 NV-Solo. Die Arbeitgeberkommentierung zu § 74 NV-Bühne gehe ebenfalls davon aus, dass ein ganzer freier Tag den Zeitraum von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr umfasse (Kopie Bl. 317 d. A.). Wäre die Sichtweise der Beklagten zutreffend, ließe sich die tarifvertraglich vorgesehene 5-Tage-Woche konterkarieren. Müsste z. B. ein Chormitglied Montag bis Freitag jeweils von 10:00 Uhr bis 13:30 Uhr Dienste leisten, an dem folgenden Samstag zwischen 13:30 Uhr und 17:00 Uhr und am Sonntag zwischen 17:00 Uhr und 20:30 Uhr, dann hätte er unstreitig an sieben Tagen gearbeitet, hätte nach Ansicht der Beklagten in dieser Woche jedoch zusätzlich zwei freie Tage gehabt. Bzgl. der Südfrankreichreise sei mit den ehemaligen Mitgliedern des Chorvorstandes zu keinem Zeitpunkt die Thematik der freien Tage erörtert worden. Erstmals aufgrund der so genannten Dispo (Anlage BB9, Bl. 383 ff. d. A.) sei am 21. August 2009 klar geworden, dass die hier streitigen vier Tage als dienstfreie Tage angesehen wurden, obwohl eine Leistung bis 01:30 Uhr erfolgte.
Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist daher zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
I.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin festgestellt, dass ein dienstfreier Tag im Sinne der Anlage 6 Ziff. 1 (5) zum KTV nur dann vorliegt, wenn die Freistellung an dem jeweiligen Kalendertag von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr erfolgt. Insofern ist die Berufung zurückzuweisen.
1. Der Feststellungsantrag der Kläger ist zulässig. Er bedarf jedoch der Auslegung.
Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Dieses besondere Feststellungsinteresse ist nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit zwischen den Parteien insgesamt beseitigt wird. Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird, weil nur einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses, abstrakte Rechtsfragen oder rechtliche Vorfragen zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden (BAG vom 14.10.2007 - 4 AZR 1005/06 - NZA 2008, 713 Rn. 14 f.).
Vorliegend war ursprünglich der Feststellungsantrag durch die Kläger in einer Form gestellt worden, dass er nur abstrakte Rechtsfragen zum Gegenstand hatte. Dem Wortlaut nach sollte nur festgestellt werden, was unter einem dienstfreien Tag zu verstehen ist. Eine Rechtsbeziehung zwischen den Klägern und der Beklagten war nicht in den Feststellungsantrag aufgenommen worden. Dies ist jedoch insofern unschädlich, als die Gerichte gehalten sind, Klageanträge nach Möglichkeit dahin auszulegen, dass eine Sachentscheidung über sie ergehen kann (BAG vom 11.11.2009 - 7 AZR 387/08 - AP Nr. 50 zu § 253 ZPO). Auf entsprechenden Hinweis des Gerichts haben die Kläger mit Schriftsatz vom 17. Mai 2011 (Bl. 260 d. A.) den Feststellungsantrag dahingehend hilfsweise umformuliert, „dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern dienstfreie Tage“ in einer bestimmten Art und Weise zu gewähren. In diesem Sinne konnte der ursprünglich gestellte Antrag auch von vornherein ausgelegt werden.
Dem Feststellungsinteresse steht auch nicht entgegen, dass die Klage sich nicht auf ein Rechtsverhältnis insgesamt erstreckt. Vielmehr ist es auch möglich, einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder den Umfang einer Leistungspflicht zum Gegenstand einer entsprechenden Klage zu machen (BAG vom 25.10.2001 - 6 AZR 718/00 - NZA 2002, 1052). Insofern reicht es hier aus, dass als bestimmter Anspruch nur die Art und Weise der Gewährung von „dienstfreien Tagen“ zum Gegenstand gemacht wird. Die insofern zwischen den Parteien streitige Rechtsauffassung lässt sich mit der hiesigen Feststellungsklage auch endgültig klären.
2. Der Feststellungsantrag der Kläger ist auch begründet. Die Beklagte ist insofern verpflichtet, den Klägern dienstfreie Tage im Sinne der Anlage 6 Ziff. 1 (5) zum Klangkörper-Tarifvertrag vom 09.02.1993 in der Art zu gewähren, dass die Freistellung an dem jeweiligen Kalendertag von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr erfolgt. Dies ergibt sich nach den Kriterien, die bei Auslegung von Tarifverträgen (vgl. BAG vom 22.09.2005 - 6 AZR 579/04 - NZA 2006 Rn. 15) anzuwenden sind.
Selbst wenn man dem Wortlaut der hier streitigen Regelung noch als ergebnisoffen ansehen möchte, so ergibt sich jedenfalls aus Sinn und Zweck der Regelung, dass die Rechtsauffassung der Kläger zutreffend ist. Die Arbeitszeitregelungen in der Anlage zum KTV ermöglichen eine Verteilung der Dienste auf sämtliche Tage der jeweiligen Woche. Somit dürfen die Beschäftigten insbesondere auch an Sonnabenden, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen zur Arbeit herangezogen werden. Für viele Arbeitnehmer sind diese Tage regelmäßig arbeitsfrei. Anlage 6 Ziff. 1 (5) zum Klangkörper-Tarifvertrag sieht hierfür einen Ausgleich vor in der Gestalt, dass pro Monat in gleichem Umfang jedem Klangkörpermitglied dienstfreie Tage eingeräumt werden müssen. Letztlich dient dies der Durchsetzung der 5-Tage-Woche. Insofern steht auch nicht der Gesundheitsschutz im Vordergrund. Ginge es - wie die Beklagte meint - um die Einhaltung bestimmter Ruhezeiten, so dass die Stimme sich regelmäßig erholen kann, dann hätte es nahe gelegen, derartige Ruhezeiten zumindest nach einer Inanspruchnahme an fünf oder sechs Tagen anzuordnen. Tatsächlich erlaubt diese Norm jedoch eine Regelung, wonach die dienstfreien Tage im Block angeordnet werden könnten. Hierauf hat zu Recht das Arbeitsgericht hingewiesen.
Soweit die Arbeit an Sonn- und Feiertagen betroffen ist, wird durch die tarifvertragliche Norm auch die Gewährung von Ersatzruhetagen gem. §§ 10 I Ziff. 5, 11 III, 12 Satz 1 Ziff. 2 ArbZG geregelt. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten ist hinsichtlich der zu gewährenden „Ersatzruhetage“ nach § 11 III ArbZG durch die Rechtsprechung geklärt, was unter diesem Begriff zu verstehen ist. Ein solcher Ersatzruhetag liegt nach der Rechtsprechung nur vor, wenn der jeweilige Tag von Erwerbsarbeit gänzlich frei gehalten wird. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer an diesem Tag überhaupt keine Arbeit im Rahmen irgendeines Arbeitsverhältnisses erbringen darf (BAG vom 24.02.2005 - 2 AZR 211/04 - NZA 2005, 759). Nach dem dortigen Sachverhalt erfolgte die Arbeit samstags zwischen 03:00 Uhr und 06:00 Uhr. Am darauf folgenden Sonntag war der Kläger dann zwischen 06:00 Uhr bis 10:00 Uhr tätig. Diese 24stündige Zeit ohne Arbeit hat das BAG offensichtlich nicht als Ersatzruhetag angesehen. Diese Möglichkeit wurde nicht einmal thematisiert.
Es kann offen bleiben, ob die Tarifvertragsparteien eine Freizeit von 24 Stunden als „dienstfreien Tag“ hätten definieren dürfen. Eine ausdrückliche Regelung hierzu fehlt. Sie wäre jedoch notwendig gewesen, wenn die Tarifvertragsparteien des KTV eine 24stündige Freizeit als ausreichend angesehen hätten. Die hiesige tarifvertragliche Regelung steht in engem Zusammenhang mit der Regelung gem. § 11 III ArbZG. Das spricht mangels anderer Anhaltspunkte für die Auffassung, dass die Tarifvertragsparteien die Wertungen aus dem Arbeitszeitgesetz bzgl. der Ersatzfreistellung übernehmen wollten.
Auch an anderer Stelle hatte das BAG die Auslegung des Begriffs „dienstfreier Tag“ im Sinn von § 16 I Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vorzunehmen (BAG vom 22.09.2005 - 6 AZR 579/04 - NZA 2006, 329). Soweit der dortige Kläger einen Ersatzruhetag begehrte übernahm das BAG die Sichtweise des Klägers, dass dieser „an diesem Tag 24 Stunden lang tun und lassen könne, was er wolle, und keine Möglichkeit bestehe, dass er noch vom Arbeitgeber zum Dienst herangezogen werde“ (a. a. O. Rn. 11).
Für die hier vorgenommene Auslegung spricht auch die Handhabung der tarifvertraglichen Norm durch die Beklagte. Die von den Parteien eingereichten Dienstpläne sehen durchgängig eine Unterteilung nach einzelnen Kalendertagen vor. Wäre die Rechtsauffassung der Beklagten zutreffend, hätten vielmehr Zeiträume erfasst werden müssen, die 24 Stunden nach der letzten Arbeitsausübung umfassen würden. Auch die Dispositionspläne für die Zeit ab August 2008 (Bl. 74 ff. d. A.) sehen verschiedentlich Zeiträume von mindestens 24 Stunden ohne Arbeitsleistung vor, die von der Beklagten jedoch nicht als dienstfreie Tage gewertet wurden. Dies betrifft z. B. die Tage 22./23.11.2008, 8./9. Januar 2009, 4./5. Februar 2009, 25./26. Februar 2009, 20./21. April 2009, 8./9. Mai 2009 und 26./27. Mai 2009.
Die von der Beklagten vorgenommene Auslegung würde auch zu wirklichkeitsfremden Ergebnissen führen. Die Kläger haben auf Seite 8 f. d. des Schriftsatzes vom 20. Juni 2011 (Bl. 311 ff. d. A.) theoretisch mögliche Dienstpläne vorgetragen, bei denen die Arbeitnehmer innerhalb einer Woche an sieben Tagen zur Arbeitsleistung herangezogen werden, wobei dennoch sechs dienstfreie Tage gleichzeitig anfielen, wenn eine Freizeit von 24 Stunden hierfür ausreichend wäre.
II.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin die Beklagte verurteilt, an die Kläger zu 1) und 3) jeweils einen Betrag in Höhe von 251,28 € brutto und an den Kläger zu 2) einen Betrag in Höhe von 247,26 € brutto nebst Zinsen zu zahlen.
Der Anspruch der Kläger ergibt sich aus § 612 Abs. 1 BGB, worauf das Arbeitsgericht Berlin zu Recht hingewiesen hat. Insofern hatten die Kläger an ihren dienstfreien Tagen Arbeitsleistungen erbracht. Insofern stehen den Klägern (mindestens) die Beträge zu, die das Arbeitsgericht zugesprochen hat. Hinsichtlich der Berechnung wird auf Seite 6 des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die Berechnung ist zwischen den Parteien auch nicht streitig. Dem Vergütungsanspruch der Kläger steht auch nicht entgegen, dass das Bundesarbeitsgericht an anderer Stelle ausgeführt hat, dass bei mangelnder Gewährung eines freien Tages im Wege des Schadensersatzes zu einem späteren Zeitpunkt ein weiterer freier Tag grundsätzlich verlangt werden kann (BAG vom 20.09.2000 - 5 AZR 20/99 - juris Rn. 20). Beide Ansprüche stehen in elektiver Konkurrenz zueinander. In diesen Fällen hat der Gläubiger - hier die Arbeitnehmer - ein Wahlrecht (Palandt-Heinrichs § 262 BGB Rn. 6).
Die Beklagte kann diesen Ansprüchen auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, bei der Südfrankreichreise sei im Benehmen mit dem jeweiligen Chorvorstand das Nehmen der dienstfreien Tage besonders geregelt worden. Es fehlt vielmehr an einer Regelung im Benehmen mit dem Chorvorstand.
Anlage 6 Ziff. 1 (7) KTV lautet:
„Bei auswärtigen Diensten wird die Arbeitszeit im Benehmen mit dem jeweiligen Vorstand von Fall zu Fall besonders geregelt.“
Im Gegensatz zur Auffassung des Arbeitsgerichts umfasst diese Norm auch den Anspruch auf dienstfreie Tage und nicht nur die Arbeitszeit selbst. Anlage 6 Ziff. 1 KTV regelt unter der Überschrift „Arbeitszeit“ in dem Absatz 5 die Anzahl der dienstfreien Tage pro Monat. Insofern verstehen die Tarifvertragsparteien unter Arbeitszeit nicht nur die Arbeitszeit im engeren Sinne, sondern auch die dienstfreie Zeit. Da Abs. 7 dem Absatz 5 nachfolgt, stellt er eine Spezialregelung zu allen vorangegangenen Absätzen dar. Damit ist prinzipiell die Möglichkeit eröffnet, im Benehmen mit dem Chorvorstand bei auswärtigen Diensten besondere Regelungen zu treffen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG zu dem Begriff des Benehmens ist darunter eine Mitwirkungsform zu verstehen, die schwächer ist als das Einvernehmen oder die Zustimmung. Insofern ist keine Willensübereinstimmung erforderlich, jedoch wird ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeit auf die Willensbildung des anderen verlangt. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass der von einer solchen Abrede Begünstigte eigene Vorstellung vor einer endgültigen Entscheidung des anderen einbringen und damit deren Inhalt beeinflussen kann. Insofern erschöpft sich die Herstellung des Benehmens nicht in einer bloßen Information oder Anhörung. Stärker als die Anhörung setzt das Benehmen eine Fühlungnahme voraus, die von dem Willen getragen wird, auch die Belange der anderen Seite zu berücksichtigen und sich mit ihr zu verständigen. Erhebliche Einwände oder Bedenken dürfen nicht einfach übergangen werden. Vielmehr ist auf den Ausgleich aufgetretener Differenzen hinzuwirken. Verbleiben letztendlich dennoch Meinungsunterschiede, ist jedoch der Wille des Regelungsbefugten ausschlaggebend (BAG vom 13.03.2003 - 6 AZR 557/01 - juris Rn. 38 = NZA 2004, 735; BAG vom 25.06.1987 - 6 AZR 506/84 - juris Rn. 25 = DB 1988, 296).
Bei Anwendung dieser Kriterien fehlt es an einer besonderen Regelung im Benehmen mit dem Chorvorstand. Auf Beklagtenseite ist schon gar kein Wille zur Schaffung einer besonderen Regelung erkennbar. Aus ihrer Perspektive musste nichts gesondert geregelt werden, da sie nach ihrer Auffassung einen dienstfreien Tag auch dadurch gewähren konnte, dass nach Beendigung eines Dienstes das jeweilige Chormitglied mindestens 24 Stunden nicht zu Diensten herangezogen wird. Insofern ist es auch konsequent, dass die Beklagte zu keinem Zeitpunkt den Chorvorstand offen darauf hingewiesen hat, dass zu dieser Problemlage eine besondere Regelung getroffen werden müsste. Hierfür reicht es jedenfalls nicht aus, dass Dispositionsunterlagen im Vorfeld der Auslandsreise an den Chorvorstand übergeben wurden. Nach Darstellung der Beklagten auf Seite 6 des Schriftsatzes vom 6. Juli 2011 (Bl. 347 d. A.) waren dem Chorvorstand und dem Ensemble der vorläufige Dienstplan bekannt, doch enthielt dieser keine Angaben der Vorstellungs-Endzeiten. Insofern hätte der Chorvorstand allenfalls auf Basis des Wissens, wie lang die jeweilige Opernvorstellung dauert, für sich erschließen können, dass Dienste über die Mitternachtsgrenze hinaus geleistet werden. Darin lag allenfalls eine „bloße Information“. An einer „Fühlungnahme“ fehlt es demgegenüber.
Dem steht auch nicht entgegen, dass der Chorvorstand für die szenische Arbeit auf der Bühne eine pauschale Sonderzahlung in Höhe von 100,-- € pro Tag und Mitarbeiter ausgehandelt hat. Ausweislich des Informationsschreibens des Chordirektors der Beklagten vom 27. April 2009 (Anlage BB11 = Bl. 388 f. d. A.) sind mit diesen Zahlungen aller Aufwendungen für das „Auswendiglernen der Stücke, die szenische Arbeit sowie ggf. Kostüm- und Maskenzeiten und das Tragen von Kontaktlinsen abgegolten“. Weiterhin heißt es in diesem Schreiben, dass als Ausgleich für Proben an Sonntagen weitere Zuschläge gezahlt werden. Hierdurch werde der Anspruch auf den Ausgleich mit einem dienstfreien Tag nicht berührt. Insofern können die Ausgleichszahlungen auch nicht als Abgeltung dafür angesehen werden, dass zu Beginn eines dienstfreien Tages noch in geringem Umfang Dienste erbracht werden.
III.
Die Beklagte hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 ZPO).
Die Revision ist gem. § 72 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.