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Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 FGO) Umsatzsteuer 2009, 2010, 2011


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 27.05.2013
Aktenzeichen 7 V 7322/12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 132 Abs 1h EGRL 112/2006, § 2 SGB 8, § 29 SGB 8, § 30 SGB 8, § 31 SGB 8, § 35 SGB 8, § 44 SGB 8, § 45 SGB 8, § 75 SGB 8, § 4 Nr 25 UStG

Leitsatz

Es ist ernstlich zweifelhaft, dass die Umsätze eines selbständiger Familienhelfers, der mittelbar finanziert durch die zuständige Senatsverwaltung Leistungen nach §§ 29, 30, 31 und 35 SGB VIII erbringt, der Umsatzsteuer unterliegen.

Tenor

Die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2009 und 2010 wird mit Wirkung vom Fälligkeitstag bis zum Ablauf eines Monats nach Ergehen einer Entscheidung im Verfahren 7 K 7290/12 oder dessen sonstiger Erledigung in Höhe von 5.163,63 € für 2009 und 6.273,16 € für 2010 ausgesetzt.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller zu 40 % und dem Antragsgegner zu 60 % auferlegt.

Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob die Umsätze des Antragstellers als Sozialarbeiter in der Familienhilfe nach § 4 Nr. 25 Umsatzsteuergesetz – UStG – oder unter Berufung auf Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe h Mehrwertsteuersystemrichtlinie – Richtlinie 2006/112/EG – MwStSystRL – von der Umsatzsteuer befreit sind.

Der Antragsteller schloss am 16.04.2009 einen Vertrag über freie Mitarbeit für die Zeit ab dem 09.06.2008 mit der B… GbR, womit er sich verpflichtete, die selbständige Durchführung von Hilfen zur Erziehung in Form von Eingliederungshilfen nach § 54 Sozialgesetzbuch – SGB – XII und Erziehungsbeistand bzw. Familienhilfe nach §§ 29, 30, 31, 35 SGB VIII mit Kindern und Jugendlichen in C… zu übernehmen. Dafür erhielt er einen Stundensatz von 23,50 € brutto (einschließlich eventueller Umsatzsteuer). Das Honorar wurde nur für die tatsächlich geleistete Tätigkeit gewährt.

In seinen Einnahme-Überschuss-Rechnungen für die Jahre 2009 und 2010 wies der Antragsteller Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 37.472,48 € für 2009 und 45.732,41 € für 2010 aus. Ähnliche Umsätze erzielte er auch in den Vorjahren, jedenfalls ab 2000 (in 2008: 48.139,32 €).

Die B… GbR hatte mit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport am 22.12.2005/24.01.2006 eine Leistungsvereinbarung, Qualitätsentwicklungsvereinbarung und Entgeltvereinbarung gemäß dem C… Rahmenvertrag für Hilfen in Einrichtungen und durch Dienste der Kinder- und Jugendhilfe abgeschlossen. Danach bot sie Leistungen im Bereich der ambulanten sozialpädagogischen Erziehungshilfen an (soziale Gruppenarbeit gemäß § 29 SGB VIII, Erziehungsbeistand/Betreuungshelfer gemäß § 30 SGB VIII, sozialpädagogische Familienhilfe gemäß § 31 SGB VIII und intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung gemäß § 35 SGB VIII). In dem Vertrag war vereinbart, dass im Interesse der Flexibilität des Leistungsempfängers bis zu 20 % nicht fest angestellte Fachkräfte eingesetzt würden. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf den Vertragstext (Bl. 7 ff. der Gerichtsakte) Bezug. Eine förmliche Anerkennung der B… GbR als Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 75 Abs. 1 SGB VIII erfolgte nicht.

Im Zuge der Prüfung der Einkommensteuererklärung des Antragstellers gelangte der Antragsgegner zu der Auffassung, dass die streitbefangenen Leistungen der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien. Davon ausgehend erließ er am 09.11.2010 einen auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhenden Umsatzsteuerbescheid 2009, mit dem er die Umsatzsteuer auf 5.483,10 € unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festsetzte. Ferner setzte der Antragsgegner am 11.03.2011 die Umsatzsteuervorauszahlung für das IV. Quartal 2010 auf 1.453,- € fest. Gegen diese Bescheide legte der Antragsteller am 11.05.2011 Einspruch ein.

Für die Umsatzsteuervorauszahlungszeiträume 2011 setzte der Antragsgegner Vorauszahlungen in Höhe von insgesamt 7.833,- € fest, wobei der Antragsteller gegen die Festsetzung für das II. Quartal 2011 vom 09.08.2011 am 11.08.2011 Einspruch einlegte.

Am 17.04.2011 reichte der Antragsteller seine Umsatzsteuererklärungen 2009 bis 2011 beim Antragsgegner ein, in denen er nur steuerfreie Umsätze und keine Vorsteuern erklärte. Der Antragsgegner rechnete aus diesen Bruttoumsätzen die Umsatzsteuer heraus und setzte davon ausgehend ohne den Ansatz von Vorsteuern mit Bescheiden vom 19.07.2012 die Umsatzsteuer 2009 bis 2011 geändert auf 5.163,63 € für 2009 (Umsätze: 27.177,- €), auf 7.726,16 € für 2010 (Umsätze: 40.664,- €) und für 2011 auf 6.113,44 € (Umsätze: 32.176,- €) fest. Für 2009 und 2011 hob er ausdrücklich die bis dahin gewährte Aussetzung der Vollziehung auf. Für 2010 wurde die Gesamtsumme zur Zahlung angefordert.

Gegen diese Bescheide legte der Antragsteller am 30.07.2012 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Mit Einspruchsentscheidungen vom 26.09.2012 wies der Antragsgegner die anhängigen Einsprüche zum Teil als unzulässig, zum Teil als unbegründet zurück. Am gleichen Tag lehnte er die Aussetzung der Vollziehung ab. Zur Begründung führte der Antragsgegner an, der Antragsteller sei kein Träger der öffentlichen Jungendhilfe und auch nicht als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt. Seine Leistungen seien auch nicht von einem Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder einem anerkannten Träger der freien Jugendhilfe vergütet worden. Denn auch die B… GbR sei nicht als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt worden. Insoweit fehle es an dem erforderlichen Anerkennungsbescheid durch die zuständige Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft.

Daraufhin hat der Antragsteller am 25.10.2012 Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen 7 K 7290/12 beim erkennenden Senat anhängig ist.

Einen Einspruch gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung wies der Antragsgegner am 12.11.2012 zurück, worauf der Antragsteller am 28.11.2012 einen Antrag nach § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung – FGO – gestellt hat. Er macht geltend, dass Abstellen auf eine förmliche Anerkennung nach § 75 SGB VIII als Träger der freien Jugendhilfe für die B… GbR gehe an der ständigen Praxis im Land C… vorbei, die so aussehe, dass ein wesentlicher Teil der Jugendhilfetätigkeit durch freie Träger, wie die B… GbR, durchgeführt werde. Wenn er der B… GbR seine Umsatzsteuer in Rechnung stelle, belaste diese die B… GbR endgültig, da sie als Unternehmen mit nach § 4 Nr. 25 UStG steuerfreien Umsätzen die Vorsteuer nicht abziehen könne. Das stehe im Widerspruch zum Sinn und Zweck dieser Befreiungsvorschrift. Es sei auch nicht überzeugend, dass ausgerechnet die Person, die tatsächlich mit den Kindern und Jugendlichen arbeite, umsatzsteuerpflichtig sei. Im Übrigen müsse der Trägervertrag vom 22.12.2005/24.01.2006 für eine Anerkennung der B… GbR als Träger der freien Jugendhilfe ausreichen. Die Aussetzung der Vollziehung müsse in vollem Umfang gewährt werden, da ihm ansonsten wesentliche Nachteile entstünden, da die nicht zusätzlich abrechenbare Umsatzsteuer einen existenzgefährdenden Kostenfaktor darstelle.

Der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2009 bis 2011 vom 19.07.2012 in voller Höhe auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hält den Antrag für unbegründet und verweist auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung.

Dem Gericht haben die Streitakte des Verfahrens 7 K 7290/12 sowie zwei Bände Bilanz- und ein Band Umsatzsteuerakten sowie zwei lose Heftungen vorgelegen, die vom Antragsgegner für den Antragsteller unter der Steuernummer … geführt werden.

II.

Der Antrag ist unzulässig, soweit der Antragsteller eine über den Betrag von 6.273,16 € hinausgehende Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuer 2010 und die Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuer 2011 begehrt. Denn der Antragsgegner hatte zur Umsatzsteuer 2010 bereits eine Vorauszahlung in Höhe von 1.453,- € und zur Umsatzsteuer 2011 eine die nunmehr festgesetzte Umsatzsteuer übersteigende Umsatzsteuervorauszahlung von insgesamt 7.833,- € festgesetzt. Insoweit ist der Antrag nach § 69 Abs. 3 Satz 4 i. V. m. Abs. 2 Satz 8 FGO unzulässig. Denn nach dieser Vorschrift ist bei Steuerbescheiden die Aussetzung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen beschränkt. Umstände, aus denen sich ergäbe, dass die Aussetzung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 8, 2. Halbsatz FGO nötig erscheint, hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Zwar stellt die Summe der im Vorauszahlungsverfahren festgesetzten Umsatzsteuer von 9.286,- € gegenüber dem vom Antragsgegner für 2009 und 2010 ermittelten Gewinnen von jeweils ca. 30.000,- € einen erheblichen Betrag dar. Andererseits hatte der Antragssteller seit November 2010, mithin seit ca. 2,5 Jahren, Anlass sich auf eine etwaige Steuerzahlung einzustellen. Dies gilt umso mehr, nachdem der Antragsgegner am 19.07.2012 die Aussetzung der Vollziehung aufgehoben hat.

Soweit der Antrag zulässig ist, ist er begründet.

Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide im Hinblick darauf, dass es nicht frei von Zweifeln ist, ob der Gesetzgeber das ihm durch Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe h MwStSystRL eingeräumte Ermessen zur Bestimmung der als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannten Einrichtungen sachgerecht ausgeübt hat.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll u.a. erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10.02.1967 III B 9/66, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 87, 447, Bundessteuerblatt -BStBl- III 1967, 182; Beschluss vom 07.09.2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH, Beschluss vom 22.03.2005 II B 14/04, BFH/NV 2005, 1379 m.w.N.). Zur Gewährung der Aussetzung der Vollziehung ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH, Beschluss vom 07.09.2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590).

Bei summarischer Prüfung geht der Antragsgegner zu Recht davon aus, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung der vom Antragsteller erbrachten Umsätze nach § 4 Nr. 25 UStG 2009 bis 2011 nicht vorliegen.

Der Antragsteller ist selbständiger Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG. Da der Antragsteller nur für tatsächlich geleistete Tätigkeiten entlohnt wurde, trug er ein erhebliches Vergütungsrisiko (z. B. bei fehlenden Aufträgen oder Krankheit). Ferner war er vor Ort in den Familien tätig, so dass seine Eingliederung in den Organismus der B… GbR nur unvollkommen ausgeprägt war. Nach dieser Art der Tätigkeit kann auch davon ausgegangen werden, dass er im Wesentlichen weisungsungebunden agieren konnte.

Zu den von § 4 Nr. 25 UStG 2009 bis 2011 begünstigten Leistungen gehören die Leistungen der Jugendhilfe nach § 2 Abs. 2 SGB VIII. Dazu zählen nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII 2009 bis 2011 die Hilfe zur Erziehung und ergänzende Leistungen (u. a. §§ 27 bis 35 SGB VIII). Da nach dem Trägervertrag der B… GbR mit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport zum Leistungsangebot Maßnahmen nach §§ 29 bis 31, 35 SGB VIII gehörten, geht das Gericht davon aus, dass auch die streitbefangenen Leistungen des Antragstellers darin bestanden und die im Mitarbeitervertrag vom 16.04.2009 erwähnten Eingliederungshilfen nach § 54 SGB XII in der Praxis keine Rolle spielten. Weitere Voraussetzung ist jedoch, dass diese Leistungen von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe und anderen Einrichtungen mit sozialem Charakter erbracht werden. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Antragsteller kein Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Jugendämter und Landesjugendämter (vgl. § 69 Abs. 3 SGB VIII 2009 bis 2011).

Der Antragsteller ist aber auch keine andere Einrichtung mit sozialem Charakter im Sinne des § 4 Nr. 25 UStG 2009 bis 2011. Denn dabei handelt es sich um die von der zuständigen Jugendbehörde anerkannten Träger der freien Jugendhilfe, die Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts sowie die amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege (§ 4 Nr. 25 Satz 2 Buchstabe a UStG 2009 bis 2011) und Einrichtungen, soweit sie für ihre Leistungen eine im SGB VIII geforderte Erlaubnis besitzen oder nach §§ 44 oder 45 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB VIII einer Erlaubnis nicht bedürfen (§ 4 Nr. 25 Satz 2 Buchstabe b, Doppelbuchstabe aa UStG 2009 bis 2011), ferner solche Einrichtungen, die Leistungen erbringen, die im vorangegangenen Kalenderjahr ganz oder zum überwiegenden Teil durch Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder Einrichtungen nach § 4 Nr. 25 Satz 2 Buchstabe a UStG 2009 bis 2011 vergütet wurden (§ 4 Nr. 25 Satz 2 Buchstabe b, Doppelbuchstabe bb UStG 2009 bis 2011), oder Einrichtungen, die Leistungen der Kindertagespflege erbringen, für die sie nach § 24 Abs. 8 SGB VIII vermittelt werden können (§ 25 Satz 2 Buchstabe b, Doppelbuchstabe cc UStG 2009 bis 2011).

Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, kommt im Streitfall allein die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 25 Satz 2 Buchstabe b, Doppelbuchstabe bb UStG 2009 bis 2011 in Betracht. Jedoch ist die B… GbR keine Einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 25 Satz 2 Buchstabe a UStG 2009 bis 2011, also kein anerkannter Träger der freien Jugendhilfe. Nach § 75 Abs. 1 SGB VIII setzt dies die Verleihung dieser Eigenschaft durch Verwaltungsakt voraus (Hölzer in Rau/Dürrwächter, UStG, § 4 Nr. 25 Rz. 311, 325; Winkler in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck‘scher Online-Kommentar Sozialrecht, SGB VIII, § 75). Dies ergibt sich schon daraus, dass § 75 Abs. 1 SGB VIII ausdrücklich von einer Anerkennung spricht, was in der Terminologie des Verwaltungsrechts ein förmliches Verfahren voraussetzt. Dementsprechend werden auch in C… entsprechende Anerkennungsverfahren durchgeführt (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.02.2008 OVG 6 L 40.07, juris). Eine solche Anerkennung ist gegenüber der B… GbR unstreitig nicht erfolgt.

Daraus folgt, dass dem Antragsteller in den Streitjahren keine Leistungen durch eine Einrichtung nach § 4 Nr. 25 Satz 2 Buchstabe a UStG 2009 bis 2011 vergütet worden sind. Dass de facto Zuwendungen der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft über die B… GbR an den Antragsteller weitergeleitet wurden, reicht nicht aus. Im Anschluss an das Urteil des BFH vom 08.11.2007 V R 2/06 (BFHE 219, 428, BStBl II 2008, 428) ist unstreitig, dass eine Vergütung eine unmittelbare Leistungsbeziehung zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger im umsatzsteuerlichen Sinne voraussetzt (so auch Hölzer in Rau/Dürrwächter, UStG, § 4 Nr. 25 Rz. 393 ff. m. w. N., die dem zuvor genannten BFH-Urteil ansonsten kritisch gegenübersteht, vgl. Hölzer, Umsatzsteuer-Rundschau – UR – 2008, 234).

Es bestehen jedoch ernsthafte Anhaltspunkte dafür, dass sich der Antragsteller unmittelbar auf die Steuerbefreiung nach Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe h MwStSystRL berufen kann. Danach befreien die Mitgliedstaaten Umsätze aus eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen. Es liegt im Ermessen der Mitgliedstaaten, die Regeln aufzustellen, nach denen solchen Einrichtungen eine Anerkennung gewährt werden kann (ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union – EuGH –, vgl. zuletzt Urteil vom 15.11.2012 C-174/11 – Zimmermann, UR 2013, 35, Rz. 26 ff.). Dabei haben jedoch die Mitgliedstaaten zugleich den Grundsatz der Neutralität im Sinne des Grundsatzes der Gleichbehandlung zu beachten. Insbesondere sind die Einrichtungen privaten Rechts untereinander gleich zu behandeln (EuGH, Urteil vom 15.11.2012 C-174/11 – Zimmermann, UR 2013, 35, Rz. 33, 53 f.)

Es ist nicht frei von Zweifeln, dass § 4 Nr. 25 UStG 2009 bis 2011 diesen Anforderungen genügt. Denn anders als der Antragsteller könnten z. B. Mitglieder der amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege nach § 4 Nr. 18 UStG 2009 bis 2011 Leistungen, die den von dem Kläger erbrachten Betreuungsleistungen gleichartig sind, umsatzsteuerfrei erbringen, ohne dass es auf die Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Nr. 25 Satz 2 Buchstabe b UStG 2009 bis 2011 ankäme. Anders als die Verbände selbst sind deren Mitglieder nicht nach § 4 Nr. 25 Satz 2 Buchstabe a UStG 2009 bis 2011 automatisch als Einrichtung mit sozialem Charakter im Sinne des § 4 Nr. 25 UStG 2009 bis 2011 anerkannt. Dass die Mitglieder der Wohlfahrtsverbände in den Genuss der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG 2009 bis 2011 nur kommen, wenn sie die nach § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchstaben a bis c UStG 2009 bis 2011 bestimmten besonderen persönlichen Voraussetzungen aufweisen, haben der EuGH (Urteil vom 15.11.2012 C-174/11 – Zimmermann, UR 2013, 35, Rz. 46 ff.) und das auf darauf beruhende BFH-Urteil vom 19.03.2013 XI R 47/07 (Deutsches Steuerrecht -DStR- 2013, 1078) nicht als geeignetes Differenzierungskriterium (insoweit gegenüber den abweichenden Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchstabe e UStG 1994) angesehen. Denn der deutsche Gesetzgeber hat von der ihm durch Artikel 133 Satz 1 Buchstabe a MwStSystRL erteilten Ermächtigung, die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 25 UStG 2009 bis 2011 davon abhängig zu machen, dass keine systematische Gewinnerzielung angestrebt wird, keinen Gebrauch gemacht.

Auch in der Literatur wird angezweifelt, dass mit dem Abstellen auf eine unmittelbare Leistungsbeziehung zwischen einem Träger der öffentlichen Jugendhilfe bzw. einer anerkannten Einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 25 Satz 2 Buchstabe a UStG 2009 bis 2011 und dem Leistenden ein sachgerechtes Differenzierungskriterium in § 4 Nr. 25 Buchstabe b, Doppelbuchstabe bb UStG 2009 bis 2011 aufgenommen wurde (Hölzer in Rau/Dürrwächter, UStG, § 4 Nr. 25 Rz. 101 f.; anderer Auffassung Oelmeier in Sölch/Ringleb, UStG, § 4 Nr. 25 Rz. 19).

Schließlich erscheint zweifelhaft, dass es sachliche Differenzierungskriterien dafür gibt, dass der nationale Gesetzgeber in § 4 Nr. 25 Satz 2 Buchstabe b, Doppelbuchstabe aa UStG 2009 bis 2011 auch Leistungen von Unternehmern freistellt, die weder zum Kreis der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, noch zum Kreis der nach § 4 Nr. 25 Satz 2 Buchstabe a UStG 2009 bis 2011 anerkannten Träger der freien Jugendhilfe gehören, noch zwangsläufig in unmittelbaren Leistungsbeziehungen zu diesen Trägern der Jugendhilfe stehen und auch sonst nicht in besonderer Überwachung durch diese Träger der Jugendhilfe stehen. So sind nach § 4 Nr. 25 Satz 2 Buchstabe b, Doppelbuchstabe aa UStG 2009 bis 2011 auch Vollzeitpflegeleistungen von Unternehmern befreit, die Verwandte oder Verschwägerte des betreuten Kindes oder Jugendlichen sind, die die Leistungen nur für die Dauer bis zu acht Wochen erbringen oder im Rahmen eines Schüler- oder Jugendaustausches. Denn insoweit ist nach § 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 bis 5 SGB VIII keine Erlaubnis oder sonstige Mitwirkung des Jugendamtes erforderlich. Ferner sind nach der genannten Vorschrift in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB VIII auch Leistungen von der Umsatzsteuer befreit, die ein Unternehmer als Betreiber einer Jugendfreizeiteinrichtung, einer Jugendbildungseinrichtung, einer Jugendherberge oder eines Schullandheims erbringt. Insoweit bedarf es nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB VIII keiner Erlaubnis des Jugendamtes. Der Gesetzesbegründung zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 2008, durch das § 4 Nr. 25 UStG in der heutigen Fassung in das UStG eingeführt wurde, lassen sich Begründungen für die vorgenommenen Differenzierungen nicht entnehmen (vgl. Blatt 100 ff. der Bundesrats-Drucksache 544/07).

Die genannten Ungleichbehandlungen lassen sich nicht dadurch ausräumen, dass auch die von § 4 Nr. 18 UStG bzw. § 4 Nr. 25 Satz 2 Buchstabe b, Doppelbuchstabe aa UStG 2009 bis 2011 i. V. m. §§ 44 Abs. 1 Nr. 3 bis 5, 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII erfassten Unternehmer den Voraussetzungen des § 4 Nr. 25 Satz 2 Buchstabe b, Doppelbuchstabe bb UStG 2009 bis 2011 unterworfen werden. Denn dies könnte allein der deutsche Gesetzgeber bewerkstelligen, weil sich im Übrigen die Steuerpflichtigen auf eine unionsrechtswidrige nationale Regelung berufen können (vgl. z. B. BFH, Urteil vom 08.03.2012 V R 14/11, BFHE 237, 279, BStBl. II 2012, 630).

Die auch nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL erforderliche Anerkennung des Antragstellers als Einrichtung mit sozialem Charakter kann bei summarischer Prüfung darin gesehen werden, dass im Trägervertrag der B… GbR mit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport der Einsatz freier Mitarbeiter vorgesehen war, so dass für die Senatsverwaltung vorhersehbar war, dass die B… GbR Teile der ihr gezahlten Vergütung für diese freien Mitarbeiter verwenden würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.

Das Gericht hat gemäß §§ 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Beschwerde zugelassen, weil es insbesondere für grundsätzlich bedeutsam hält, ob eine Übertragung der Rechtsgrundsätze, die zu § 4 Nr. 16 Buchstabe e UStG 1994 entwickelt wurden, auf die hier streitige Vorschrift des § 4 Nr. 25 Satz 2 Buchstabe b, Doppelbuchstabe bb UStG 2009 bis 2011 in Betracht kommt.