Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 26. Kammer | Entscheidungsdatum | 11.07.2013 | |
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Aktenzeichen | 26 Sa 560/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 14 Abs 1 S 1 Nr 1 TzBfG, § 14 Abs 1 S 1 Nr 3 TzBfG |
1. Anders als bei dem für den Arbeitgeber "fremdbestimmten" Ausfall der Stammkraft hängt in Fällen der Abordnung die voraussichtliche Rückkehr der Stammkraft regelmäßig nicht nur von Umständen in deren Sphäre, sondern ganz maßgeblich auch von Umständen und Entscheidungen ab, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen. Der Arbeitgeber muss bei der Prognose über die voraussichtliche Rückkehr der abgeordneten Stammkraft sämtliche Umstände des Einzelfalls würdigen. Dazu gehören nicht nur etwaige Erklärungen der abgeordneten Stammkraft über ihre Rückkehrabsichten, sondern insbesondere auch die Planungs- und Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers (vgl. BAG 16. Januar 2013 - 7 AZR 661/11 - NZA 2013, 614, Rn. 13, 14).
2. Ein "Abordnungskarussell" zwischen verschiedenen Behörden, hier zwischen dem Bundesministerium des I. (BMI) und dem nachgeordneten Bereich, aber auch zwischen dem BMI und dem Bundeskanzleramt, zum Zweck des vorübergehenden Personalaustauschs kommt als Teil einer Planungs- oder Organisationsentscheidung zur Begründung einer Vertretungsbefristung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TzBfG in Betracht. Im Einzelfall bedarf es aber der Darstellung der konkreten Planungen der maßgeblichen Abordnungen und der konkreten Rückkehrprognosen.
3. Keine "gedankliche Zuordnung" im "Abordnungskarussell".
4. Zu den Anforderungen an die Darlegung des Mehrbedarfs bei Berufung auf den Sachgrund der Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TzBfG.
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 13. Februar 2013 - 21 Ca 9952/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung.
Die Beklagte betreibt zur Personalentwicklung und zum gegenseitigen Erfahrungsaustausch den Personalaustausch zwischen dem Bundesministerium des I. (BMI) und anderen Behörden, insbesondere aus dem dem BMI nachgeordneten Bereich. Dies geschieht in der Regel im Wege der Abordnung für eine befristete Verwendung in einer anderen Dienststelle und aus anderen Dienststellen an das BMI. Die Daueraufgaben werden daher bei dem BMI sowohl von Stammpersonal als auch von abgeordneten Beschäftigten erledigt. Stammpersonal ist an sich vorhanden. Es steht für die Dauer der Abordnung an eine andere Behörde zur Erledigung der Daueraufgaben bei dem BMI als Stammdienststelle aber zeitweise nicht zur Verfügung. Eine dauerhafte Abordnung an das BMI ist im Rahmen des Personalaustauschs nicht vorgesehen. Die Abordnungen sind in der Regel auf zwei Jahre begrenzt. Sie können aber auch verlängert werden. Es gibt Verwendungen, die von vornherein für eine längere Verweildauer sprechen.
Der Kläger war bei der Beklagten zunächst befristet für die Zeit vom 20. Juni 2005 bis zum 19. Juni 2007 tätig. Er begann seine Tätigkeit im Bundesamt für M. und F. (BAMF). Für die Zeit ab dem 6. September 2007 wurde er an das BMI Referat M I 1 (Grundsatz- und Rechtsangelegenheiten der Migration, Flüchtlinge, Ausländer und Asylrecht) abgeordnet. Am 2. Mai 2007 schlossen die Parteien einen weiteren, nun für die Zeit bis zum 19. Juni 2012 befristeten Arbeitsvertrag. Dem Kläger sollte über die kurze Abordnungszeit hinaus die Verwendung bei dem BMI ermöglicht werden. Während dieser Zeit war er zuständig im Rahmen der Umsetzung des Gesamtansatzes Migration auf der Basis der Schlussfolgerungen des Europäischen Rats von Dezember 2006 sowie einer darauf bezogenen Mitteilung der Kommission. Seine Aufgaben bestanden ua. darin, Reden zu schreiben, migrationspolitische Berichte zu erstellen und in der Vertretung des Referatsleiters während dessen Abwesenheit. Wegen der Einzelheiten der Aufgaben des Klägers wird auf die Anlage K5 zur Klageschrift Bezug genommen. Im Rahmen einer Arbeitsplatzanalyse ist 2009 festgestellt worden, dass er in der Zeit von Oktober 2007 bis April 2008 zu 5 vH. seiner Tätigkeit auch mit der „Fachaufsicht über das BAMF; Migrationsbegleitforschung“ betraut war. Wegen der Einzelheiten der Aufgaben des Klägers und ihres Umfangs wird auf die Anlage K5 zur Klageschrift Bezug genommen. Im Juni 2012 ist dem Kläger der Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrages für drei Monate mit den bisherigen Aufgaben angeboten worden. Eine Übernahme des Klägers ist nicht erfolgt. Nach Abschluss des Arbeitsvertrages vom 2. Mai 2007 gab es eine Verschlechterung der Stellensituation. Die Übernahmepraxis beim BMI änderte sich. Es wurde ein besonderes Auswahlverfahren für Übernahmen eingeführt. Der Kläger absolvierte das Übernahmeverfahren nicht erfolgreich, weder im Jahr 2008 noch im Jahr 2010. Im Verhältnis zu anderen Bewerbern schnitt er schlechter ab. Er ist in beiden Fällen ungeachtet seiner guten Beurteilungen für eine dauerhafte Beschäftigung bei dem BMI für nicht geeignet befunden worden.
Mit seiner am 25. Juni 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger sich gegen die Wirksamkeit der Befristung gewandt. Es gebe keinen Sachgrund. Außerdem sei ihm bei der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages am 2. Mai 2007 mündlich zugesagt worden, dass er im Laufe der fünf Jahre unbefristet übernommen werde, wenn eine entsprechende Stelle frei sei.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien vom 20. Juni 2005, verlängert durch Arbeitsvertrag vom 2. Mai 2007, nicht durch die Befristung zum 19. Juni 2012 beendet wurde,
2. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines Arbeitsvertrages mit dem Inhalt des Arbeitsvertrages vom 2. Mai 2007 ohne die Befristungsabrede anzunehmen,
3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als Tarifbeschäftigter im Referat M I 1 (Grundsatz- und Rechtsangelegenheiten der Migration, Flüchtlinge, Ausländer- und Asylpolitik) weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, zum Zeitpunkt der Einstellung des Klägers sei geeignetes Stammpersonal nicht verfügbar gewesen. Es habe vorübergehend zusätzlicher Arbeitskräftebedarf bestanden, weil in mehreren Bereichen des Hauses zusätzliche Funktionen bzw. Arbeitsplätze eingerichtet worden seien, zT. wegen vorübergehender Sonderaufgaben, zT. wegen erhöhten Arbeitsanfalls. Es habe ein vorübergehender Bedarf für Aufgaben bestanden, für die im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages kein Stammpersonal zur Verfügung gestanden habe. Am 31. Dezember 2008 seien aus dem Stammpersonal des BMI 38 Beschäftigte des höheren Dienstes ganz abwesend und 30 zu anderen Dienststellen abgeordnet gewesen, regelmäßig für zwei bis vier Jahre. An mehreren Stellen im Haus seien vorübergehende Arbeitsplätze eingerichtet worden. Es sei davon ausgegangen worden, dass nach einer Rückkehr alle Vakanzen wieder mit Stammpersonal hätten besetzt werden können und daher ein Bedarf für vorübergehend beschäftigte Mitarbeiter nicht bestehe. Daher sei auch damit gerechnet worden, dass nach Ablauf der Befristung des Klägers der Bedarf durch das dann vorhandene Stammpersonal mit erledigt werden könne.
Dass es sich um vorübergehenden Bedarf gehandelt habe, zeige sich auch daran, dass im Haushaltsplan die Zahl der Planstellen nicht entsprechend erhöht worden sei und das Funktionssoll, also die Gesamtzahl der im BMI eingerichteten Arbeitsplätze, inzwischen wieder deutlich reduziert worden sei. Auch seien einige der vorübergehenden Aufgaben zwischenzeitlich wieder beendet und die entsprechenden Organisationseinheiten wieder aufgelöst worden, wie der IT-Stab. Die ursprüngliche Prognose habe sich dadurch bestätigt, dass im Rahmen einer Organisationsprüfung im Jahr 2011 das Funktionssoll des Referats M I 1 um einen Referenten reduziert worden sei. Daraus ergebe sich die Vermutung, dass die Prognose hinreichend fundiert erstellt worden sei. Eine Anfang 2012 durchgeführte Untersuchung habe ergeben, dass das Referat M I 1 überbesetzt sei. Daher sei die Stelle des Klägers nicht nachbesetzt, sondern gestrichen worden.
Bei der Stelle bei dem BMI, auf die der Kläger abgeordnet gewesen sei, handele es sich um eine solche, bei der von vornherein Gründe für eine längere als zweijährige Verweildauer sprächen. Die dabei anfallenden Aufgaben umfassten nicht nur die konzeptionelle Umsetzungsplanung, sondern auch die Begleitung der Umsetzung über eine gewisse Dauer. Das ist unter den Parteien nicht streitig. Keine Aufgabe bei dem BMI rechtfertige aber eine dauerhafte Verwendung eines Beschäftigten in einem Referat. Die Personalentwicklung sehe nach einigen Jahren einen Verwendungswechsel vor. Daher sei mit dem Kläger am 2. Mai 2007 ein fünfjähriges Arbeitsverhältnis vereinbart worden. Angesichts der nicht bestandenen Übernahmeprüfungen habe er nicht die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 TVöD-AT für eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis erfüllt.
Wegen des bei ihr praktizierten Personalaustauschs zur Personalentwicklung stehe das abgeordnete Personal lediglich vorübergehend nicht zur Erledigung der Daueraufgabe zur Verfügung. Eine dauerhafte Abordnung an das BMI sei daher nicht möglich.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und das damit begründet, dass die Beklagte einen vorübergehenden Bedarf nicht dargelegt habe. Dafür lasse sich insbesondere der Untersuchung von Anfang 2012 zur Überbesetzung des Referats und zu Abwesenheiten am 31. Dezember 2008 nichts entnehmen. Auch ein Vertretungsbedarf sei nicht hinreichend konkret dargelegt worden.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 26. Februar 2013 zugestellte Urteil am 26. März 2013 Berufung eingelegt und diese – nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist – mit einem bei dem Landesarbeitsgericht am 26. Mai 2013 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Einsatz des Klägers im Referat M I 1 sei – so die Beklagte nun in der Berufungsinstanz – auf eine Vakanz zurückzuführen gewesen. Eine bis zum 28. März 2006 an das BMI abgeordnete Mitarbeiterin des Referats (Frau M.-R.) sei zum 1. März 2006 ins Kanzleramt gewechselt. Nach sich daran anschließenden Auseinandersetzungen über den Bedarf in dem Referat sei zunächst ein zusätzlicher Bedarf für ½ Referentenstelle für ein Jahr festgestellt worden, also bis Mitte 2007. Der Abteilungsleiter M habe darauf bestanden, eine volle Stelle zu bekommen. Begründet habe er das mit einer erweiterten Fachaufsicht in Bezug auf die Begleitung der Übernahme des Zuwanderungsverfahrens durch das BAMF. Die Aufgabe „Jüdische Zuwanderung“ war vom Auswärtigen Amt auf das Bundesamt für M. und F. übergegangen. Außerdem habe die Broschüre „Zuwanderungspolitik und Zuwanderungsrecht“ überarbeitet werden müssen. Angesichts der erweiterten Fachaufsicht sei die Zahl der Referenten von zwei auf drei befristet für fünf Jahre angehoben worden. Diese Stelle sei dann nach einem Bewerbungsverfahren Frau Dr. H. übertragen worden. Frau Dr. H. sei aber durch den AL M zunächst aufgrund akuter Personalnot für sechs Monate in das Referat M I 3 umgesetzt worden. Das habe zum Einsatz des Klägers geführt, der sich auch – wie Frau Dr. H. – auf die Stelle im Referat M I 1 beworben hatte. Für die Zeit nach der Rückkehr der Mitarbeiterin Dr. H. habe durch den Kläger die erwartete Mehrbelastung für die Dauer der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ausgeglichen werden sollen. Referenten des BMI hätten nicht zur Verfügung gestanden. Am 2. Mai 2007 hätten im Referat M I 1 drei Referentenstellen zur Verfügung gestanden. Schon 2006 habe es eine Planung zum Abbau auf zwei Stellen gegeben per Februar 2012. Es sei davon ausgegangen worden, dass die zusätzlichen Aufgaben im Zusammenhang mit der EU-Präsidentschaft wegfallen würden. Bis 2012 hätte auch die Einarbeitung in die zusätzlichen Aufgaben im Zusammenhang mit der erweiterten Fachaufsicht abgeschlossen sein sollen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 13. Februar 2013 – 21 Ca 9952/12 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er hält die Berufung bereits für unzulässig. Die Beklagte habe im Übrigen nicht dargelegt, aufgrund welcher Tatsachen sie am 2. Mai 2007 davon habe ausgehen können, dass der Beschäftigungsbedarf am 19. Juni 2012 wegfallen werde. Es seien nicht objektive Tatsachen, sondern Eindrücke wiedergegeben worden. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum sich der Personalbedarf um eine Stelle reduzieren sollte. Nach der Planung sei angeblich der Februar 2012 vorgesehen gewesen. Der Arbeitsvertrag des Klägers sei aber bis Juni 2012 abgeschlossen worden. Auch sei er nach seinem Arbeitsvertrag gar nicht für das Referat M I 1 eingestellt worden. Außerdem stehe der jetzige Vortrag der Beklagten im Widerspruch zum erstinstanzlichen, wo es nur um die zusätzlichen Aufsichtsaufgaben und um Personalentwicklung sowie Verwendungswechsel ging. Im Übrigen sei er zu keinem Zeitpunkt mit der Aufgabe „Jüdische Zuwanderung“ betraut gewesen. Eine Vertretungskette sei nicht aufgezeigt worden. Er habe Daueraufgaben erledigt.
Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien vom 27. Mai und vom 25. Juni 2013.
I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II. Die Berufung ist aber unbegründet, da die Klage begründet ist. Das Arbeitsverhältnis ist durch die Befristung im Arbeitsvertrag vom 2. Mai 2013 zum 19. Juni 2012 nicht aufgelöst worden.
1) Die zur Überprüfung stehende Befristungsabrede im Arbeitsvertrag der Parteien vom 2. Mai 2007 ist weder durch den Sachgrund des vorübergehenden Bedarfs nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG noch durch den der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG gerechtfertigt.
a) Die Befristung ist nicht durch den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG gerechtfertigt. Es ist weder nach dem erstinstanzlichen noch nach dem zweitinstanzlichen Vortrag der Beklagten erkennbar, wer genau durch wen vor welchem konkreten Hintergrund vertreten worden ist.
aa) Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrags zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Der Grund für die Befristung liegt in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend ausfallenden Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Arbeitnehmers rechnet. Für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Arbeitnehmer obliegenden Aufgaben durch einen Vertreter besteht von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis. Der Sachgrund der Vertretung setzt daher einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung des Vertreters voraus. Der Einsatz des Vertreters muss wegen des Arbeitskräftebedarfs erfolgen, der durch die vorübergehende Abwesenheit des zu vertretenden Arbeitnehmers entsteht. Nimmt der Arbeitgeber den Vertretungsfall zum Anlass für eine befristete Beschäftigung, ist aufgrund der Umstände bei Vertragsschluss zu beurteilen, ob der Bedarf für die Beschäftigung des Vertreters auf die Abwesenheit des zeitweilig ausfallenden Arbeitnehmers zurückzuführen ist. Auch durch die vorübergehende Abordnung der Stammkraft kann ein Vertretungsbedarf iSd. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG entstehen. In den Fällen der unmittelbaren und der mittelbaren Vertretung erfordert es der Sachgrund der Vertretung nicht, dass der zu vertretende Arbeitnehmer an der Erbringung der Arbeitsleistung insgesamt verhindert ist (vgl. BAG 16. Januar 2013 - 7 AZR 661/11 - NZA 2013, 614, Rn. 13, 14).
Teil des Sachgrundes der Vertretung ist eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die Rückkehr des Vertretenen. Anders als nach den für die Fälle der vollständigen Abwesenheit der Stammkraft entwickelten Grundsätzen, kann der Arbeitgeber in Fällen der Abordnung nicht schon regelmäßig mit der Rückkehr der Stammkraft rechnen, wenn diese einen Anspruch auf Wiederaufnahme ihrer bisherigen Tätigkeit hat. Dieser für die Abwesenheit aufgrund von Krankheit, Urlaub oder Freistellung entwickelte Grundsatz lässt sich nicht uneingeschränkt auf die Fälle der Abordnung übertragen. Hier hat vielmehr der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Befristungsabrede unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Prognose über die voraussichtliche Rückkehr der Stammkraft vorzunehmen und diese im Streitfall im Befristungskontrollprozess darzulegen. Erforderlich ist, dass er berechtigterweise mit der Rückkehr der Stammkraft rechnen durfte (vgl. BAG 16. Januar 2013 - 7 AZR 661/11 - NZA 2013, 614, Rn. 20).
Anders als bei dem für den Arbeitgeber „fremdbestimmten“ Ausfall der Stammkraft hängt in Fällen der Abordnung die voraussichtliche Rückkehr der Stammkraft regelmäßig nicht nur von Umständen in deren Sphäre, sondern ganz maßgeblich auch von Umständen und Entscheidungen ab, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen. Die Rückkehr des abgeordneten Arbeitnehmers auf seinen Stammarbeitsplatz ist häufig durch den Arbeitgeber plan- und steuerbar. Dieser strukturelle Unterschied zu den Fällen der für den Arbeitgeber „fremdbestimmten“ Abwesenheit der Stammkraft ist bei der vom Arbeitgeber anzustellenden Rückkehrprognose zu berücksichtigen. Diese kann sich daher nicht darauf beschränken, die Stammkraft werde, sofern sie nicht Gegenteiliges erklärt hat, auf ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Vielmehr muss der Arbeitgeber bei der Prognose über die voraussichtliche Rückkehr der abgeordneten Stammkraft sämtliche Umstände des Einzelfalls würdigen. Dazu gehören nicht nur etwaige Erklärungen der abgeordneten Stammkraft über ihre Rückkehrabsichten, sondern insbesondere auch die Planungs- und Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers. Je nach Lage des Einzelfalls kann der Zweck der Abordnung es nahelegen, dass der Arbeitgeber den Arbeitsplatz des anderweitig eingesetzten Arbeitnehmers frei hält. Er kann aber auch gegen eine solche Annahme sprechen. Von Bedeutung können zudem ihre Dauer sowie etwaige wiederholte Verlängerungen der Abordnung sein. Zu berücksichtigen ist ggf. auch, ob die Abordnung dem Wunsch des Beschäftigten entsprach oder gegen seinen Willen erfolgte. Ebenfalls ist zu würdigen, ob die Rückkehr der Stammkraft auf ihren Arbeitsplatz nach Ablauf der Abordnung automatisch erfolgt oder ob es hierzu einer weiteren Entscheidung bedarf. Dabei kann auch eine Rolle spielen, ob eine solche Entscheidung allein vom Willen der Stammkraft, vom Willen des Arbeitgebers oder von einem beiderseitigen Einvernehmen abhängt. Derartige, hier nicht abschließend bezeichnete und nicht in jedem Einzelfall in gleicher Weise zwingend zu beachtende Umstände muss der Arbeitgeber bei seiner Rückkehrprognose berücksichtigen und diese im Streitfall im Prozess darlegen. Sache des Tatsachengerichts ist die Würdigung, ob der Arbeitgeber bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags berechtigterweise mit der Rückkehr der abgeordneten Stammkraft rechnen durfte (vgl. BAG 16. Januar 2013 - 7 AZR 661/11 - NZA 2013, 614, Rn. 13, 14).
bb) Bei Zugrundelegung dieser Gesichtspunkte hat die Beklagte die Voraussetzungen für den Sachgrund der Vertretung nicht dargelegt.
(1) Sie hat bereits nicht dargestellt, welche abgeordnete Mitarbeiterin oder welchen abgeordneten Mitarbeiter der Kläger konkret vertreten haben soll. Es wird insoweit zwar ausgeführt, dass Frau Dr. H. für sechs Monate in ein anderes Referat der Abteilung umgesetzt worden sein soll. Damit kann die Befristung des Klägers nicht gerechtfertigt werden. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Befristung (auch des Befristungszeitraums) und der Umsetzung ist nicht erkennbar. Auch ist unklar, warum zum Zeitpunkt der Umsetzung die Begrenztheit der Maßnahme erkennbar gewesen sein soll. Jedenfalls rechtfertigt eine Umsetzung für sechs Monate nicht eine Befristung auf fünf Jahre. Es ist auch nichts zur Tätigkeit der umgesetzten Mitarbeiterin gesagt worden. Soweit die Beklagte sich in der Berufungsinstanz außerdem auf den Weggang von Frau M.-R. ins Kanzleramt per 1. März 2006 beruft, ist nicht erkennbar, dass überhaupt von einer Rückkehr ausgegangen worden ist. Nach dem Vortrag der Beklagten handelte es sich um eine an das BMI abgeordnete Mitarbeiterin, also nicht um eine Stammkraft.
Soweit die Beklagte sich auch ein Abordnungskarussell zwischen verschiedenen Behörden beruft, fehlt es auch insoweit an konkretem Sachvortrag. Die Kammer geht davon aus, dass sie damit die Rückkehr der – insbesondere an nachgeordnete Behörden – abgeordneten Mitarbeiter begründen möchte. Auf konkrete Planungs- oder Organisationsentscheidungen beruft sie sich insoweit nicht. Sie legt schon nicht dar, um welche Mitarbeiter es sich insoweit gehandelt haben soll.
(2) Eine „gedankliche Zuordnung“ zu vorübergehend abgeordneten Mitarbeiterinnen konnte den Sachgrund der Vertretung nicht ausfüllen.
Bei einem anderweitigen Einsatz eines Stammarbeitnehmers im Unternehmen kommt der Sachgrund der Vertretung nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber die damit verbundene Umorganisation unmittelbar oder mittelbar mit einer befristeten Neueinstellung verknüpft, der befristet beschäftigte Arbeitnehmer also unmittelbar für die anderweitig eingesetzte Stammkraft beschäftigt wird oder sich die Verbindung zu diesem anderweitigen Einsatz durch eine Vertretungskette vermittelt. Es reicht hingegen nicht aus, wenn die Einstellung des befristet beschäftigten Arbeitnehmers lediglich wegen der „gedanklichen Zuordnung“ dem vorübergehend im Unternehmen anderweitig eingesetzten Beschäftigten zugeordnet werden kann (vgl. BAG 16. Januar 2013 – 7 AZR 662/11 – NZA 2013, 611, Rn. 20).
(3) Im Übrigen gibt es aber auch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine „gedankliche Zuordnung“ zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages vom 2. Mai 2007 überhaupt vorgenommen worden ist, weder zu konkreten abgeordneten noch zu bestimmten aus anderen Gründen abwesenden Mitarbeitern. Allein der Umstand, dass überhaupt Mitarbeiter abgeordnet oder aus anderen Gründen abwesend waren – was zudem unter den Parteien streitig ist – ist nach den dargelegten Grundsätzen nicht ausreichend.
b) Die Befristung ist nicht durch den Sachgrund des vorübergehenden Bedarfs nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG gerechtfertigt.
aa) Die Befristung eines Arbeitsvertrags wegen eines nur vorübergehenden Bedarfs an der Arbeitsleistung setzt voraus, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers in dem Betrieb kein (dauerhafter) Bedarf mehr besteht. Der vorübergehende Bedarf iSd. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG ist zu unterscheiden von der regelmäßig gegebenen Unsicherheit über die künftige Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs des Arbeitgebers. Die allgemeine Unsicherheit über die zukünftig bestehenden Beschäftigungsmöglichkeiten rechtfertigt die Befristung nicht. Sie gehört zum unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers, das er nicht durch Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags auf die Arbeitnehmer abwälzen kann. Über den vorübergehenden Bedarf iSd. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG ist eine Prognose zu erstellen, der konkrete Anhaltspunkte zugrunde liegen müssen. Die Prognose ist Teil des Sachgrundes für die Befristung (vgl. BAG 9. März 2011 – 7 AZR 47/10, Rn. 39). Die Sachgründe der Vertretung und des vorübergehenden „betrieblichen“ Bedarfs an Arbeitsleistung unterscheiden sich nur darin, dass bei der Vertretung der Bedarf an Arbeitskräften unverändert besteht und nur der Ausfall eines oder mehrerer Mitarbeiter kompensiert werden soll, während im Fall des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG ein vorübergehender Arbeitskräftemehrbedarf besteht. Die Vertretungsbefristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG ist ein Unterfall des vorübergehenden „betrieblichen“ Bedarfs an Arbeitsleistung iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG (vgl. BAG 16. Januar 2013 – 7 AZR 662/11 – NZA 2013, 611, Rn. 19).
bb) Auch diesen Anforderungen genügt der durch die Beklagte dargelegte Sachverhalt nicht. Maßgeblich ist die Prognose zum Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Vertrages.
(1) Soweit die Beklagte sich darauf beruft, es sei bereits 2006 geplant gewesen, die Anzahl der Stellen bis Februar 2012 von drei auf zwei zu reduzieren, wird das nicht weiter konkretisiert. Es werden keine konkreten Organisationsentscheidungen dargelegt, nach denen am 2. Mai 2007 noch davon ausgegangen worden ist. Immerhin gab es im Referat strukturelle Veränderungen der Aufgaben. Anhaltspunkte für eine Evaluation oder überhaupt konkrete Überlegungen aus dem Jahr 2007 sind nicht ersichtlich. Der Kläger weist mit Recht darauf hin, dass es an einer Kongruenz zwischen angeblich beabsichtigtem Stellenwegfall und der Befristungsdauer fehlt. Zwar ist diese auch nicht zwingend erforderlich. Geht aber – wie hier – die Befristungszeitraum über den des Zeitpunkts der angelblich vorgesehenen Stellenkürzung hinaus, spricht das eher gegen einen Zusammenhang zwischen Befristung und angeblich geplanter Reduzierung des Stellenvolumens. Auch hat die Beklagte keine Ausführungen zur Ausstattung des Referats mit Personal gemacht. Es ist danach zB. nicht erkennbar, ob in dem Referat Stammkräfte tätig waren oder zT. auch abgeordnete Mitarbeiterinnen. Wie das Beispiel der Frau M.-R. zeigt und die Beklagte auch selbst darlegt, gab es einen kontinuierlichen Personalaustausch. Zur Feststellung eines Überhangs hätte es daher hier der Darstellung der prognostizierten Personalentwicklung bedurft.
Aber auch ein vorübergehend erhöhter bzw. absehbar mit Auslaufen der Befristung im Juni 2012 geringerer Bedarf im Referentenbereich des Referats ist nicht dargelegt. Der Kläger hat anhand der vorgelegten Unterlagen nachgewiesen, dass er – entgegen der Darstellung der Beklagten – ganz überwiegend mit Daueraufgaben befasst war. Soweit die Beklagte sich auf einen vorübergehenden Zuwachs der Aufgaben des Referats durch die erweiterte Fachaufsicht beruft, findet das in der vorgelegten Analyse der Aufgaben des Klägers aus dem Jahr 2009 keinen Niederschlag. Allerdings stimmt auch die – durch die Beklagte nicht bestrittene - Darstellung des Klägers mit der Analyse nicht ganz überein. Das Volumen von fünf Prozent der Arbeitsleistung betrifft danach einen zeitlich begrenzten Zeitraum. Aber auch in der übrigen Zeit war die Fachaufsicht hinsichtlich des hinzugewonnenen Aufgabenbereichs im Rahmen der Tätigkeit des Klägers mit 25 vH. von untergeordneter Bedeutung. In welchem Umfang Aufgaben im Zusammenhang mit der EU-Ratspräsidentschaft hinzugekommen sind bzw. im Juni 2012 wegfallen sollten, ist dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen. Die Beklagte hat weder Art noch Umfang der damit in Zusammenhang stehenden Aufgaben dargestellt.
Auch einen konkreten Bezug der Tätigkeit des Klägers zur Entwicklung anderer Aufgaben, zB. im IT-Bereich, hat die Beklagte nicht hergestellt.
2) Der Kläger kann auch Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits verlangen. Ist das Arbeitsverhältnis nicht wirksam befristet worden, kann Weiterbeschäftigung zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages verlangt werden. Wenn der Arbeitnehmer ein noch nicht rechtskräftiges positives Urteil erlangt hat und wenn seine Interessen an der Weiterbeschäftigung die der Arbeitgeberin an einer Nichtbeschäftigung übersteigen, kann er nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verlangen, vorläufig weiterbeschäftigt zu werden. Will die Arbeitgeberin trotz gerichtlicher Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung den vorläufigen Weiterbeschäftigungsanspruch abwehren, muss sie zusätzliche über die Ungewissheit des Prozessausgangs hinausgehende Umstände vortragen, aus denen sich sein überwiegendes Interesse an der Nicht-Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ergibt (vgl. BAG 27. Februar 1985 – GS 1/84 – EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9 = NZA 1985, 702, zu C II der Gründe). Daran fehlt es hier. Die Beklagte ist insoweit grundsätzlich verpflichtet, dem Kläger die zuletzt im Wege des Direktionsrechts wirksam zugewiesenen Aufgaben zu übertragen, hier die im Referat M I 1. Sie ist allerdings durch die Entscheidung nicht an der Ausübung ihres Direktionsrechts gehindert.
III. Die Entscheidung über die Kosten beruht auch § 97 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Es handelt sich um einen Einzelfall ohne grundsätzliche Bedeutung. Die Kammer hat die Rechtsprechung des Bundearbeitsgerichts zugrunde gelegt.