Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 08.07.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 3 K 52.14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 151 VwGO, § 165 VwGO, Vorb 3 Abs 3 Alt 1 RVG-VV, § 220 Abs 1 ZPO |
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 7. November 2013 wird klarstellend dahingehend geändert, dass die von der Erinnerungsgegnerin an die Erinnerungsführerin zu erstattenden Kosten statt bisher 154,69 Euro (nebst Zinsen) auf 179,43 Euro (nebst Zinsen) festgesetzt werden. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Erinnerungsführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 7. November 2013, mit dem dieses über die Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung, §§ 165, 151 VwGO) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts vom 1. Oktober 2013 entschieden hat, ist - ungeachtet der vorzunehmenden klarstellenden Änderung des Tenors - in der Sache nicht begründet.
1. Die Erinnerungsführerin und Beklagte des Ausgangsverfahrens kann keine Festsetzung einer Terminsgebühr gemäß § 2 Abs. 2 RVG in Verbindung mit der Vorbemerkung 3 Abs. 3, Alternative 1 und Nr. 3104 der Anlage 1 (Vergütungsverzeichnis - VV RVG) zu ihren Gunsten beanspruchen. Zwar erhält ein Rechtsanwalt, der in mehreren zeitgleich terminierten Sachen vertritt und vertretungsbereit anwesend ist, regelmäßig die Terminsgebühr in jeder der Sachen nach dem jeweils maßgebenden Gegenstandswert (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 19. Februar 2009 - 3 So 197/08 -, juris Rn. 22 f.; OVG Münster, Beschluss vom 9. Juli 2009 - 18 E 373/09 -, juris Rn. 10). Das Entstehen der Terminsgebühr setzt jedoch stets voraus, dass der Termin tatsächlich stattgefunden, d.h. zumindest begonnen hat. Ein förmlicher Aufruf der Sache (§ 173 Satz 1 VwGO, § 220 Abs. 1 ZPO) ist insoweit allerdings nicht geboten, sondern es reicht, wenn nach den gesamten Umständen von einem (konkludenten) Beginn des Termins auszugehen ist (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2010 - VIII ZB 16/10 -, juris Rn. 10; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Kommentar, Vorb. 3 VV 90, 93; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2010 - 9 KSt 3/10 -, juris Rn. 3; OVG Hamburg, Beschluss vom 19. Februar 2009 - 3 So 197/08 -, juris Rn. 20).
Gemessen daran hat am 11. Oktober 2012 in der Sache VG 6 K 1284/09 keine mündliche Verhandlung, d.h. kein gerichtlicher Termin im Sinne von Vorbemerkung 3 Abs. 3, Alternative 1, Nr. 3104 VV RVG stattgefunden. Der Vorsitzende hat den auf den 11. Oktober 2012, 10.00 Uhr, anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung ausweislich eines von ihm unterzeichneten Aktenvermerks am 10. Oktober 2012 aufgehoben und die zu den zeitgleich terminierten Verfahren VG 6 K 1265/09 und VG 6 K 1623/09 erschienenen Verfahrensbevollmächtigten am 11. Oktober 2012 darüber informiert. Diesen Vorgang hat der Vorsitzende mit Schreiben an die Verfahrensbevollmächtigten vom 12. Oktober 2012 und 20. Dezember 2012 bestätigt. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass - zudem gegen den Willen des Gerichts - eine mündliche Verhandlung im Ausgangsverfahren VG 6 K 1284/09 stattgefunden hätte. Für den von der Erinnerungsführerin behaupteten Aufruf der Sache und deren Vertagung spricht im Hinblick auf die eindeutige Erklärung des Vorsitzenden in den genannten Schreiben nichts; eine Sitzungsniederschrift ist nicht angefertigt worden, weil kein Termin stattgefunden hat.
Nichts anderes ergibt sich, soweit die Verfahrensbevollmächtigten in der Sitzung am 11. Oktober 2012 das Verfahren VG 6 K 1284/09 betreffende Schriftsätze ausgetauscht bzw. ihnen das Gericht Schriftsätze übergeben hat. Dies diente allein einer effizienten Verfahrensgestaltung, durch die eine Übersendung per Post vermieden werden sollte. Die Vornahme derartiger Handlungen lässt grundsätzlich für sich genommen noch nicht den Schluss zu, dass ein Termin stattfindet, durch den eine Terminsgebühr ausgelöst wird (vgl. dazu im Einzelnen Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Kommentar, Vorb. 3 VV 95). Eine ausdrückliche Regelung, wie sie der Gesetzgeber für den Strafprozess in Vorb. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG vorgesehen hat, fehlt für die Verfahren der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten. Daher erhält nur der im Strafprozess tätige und über die Terminsaufhebung nicht rechtzeitig in Kenntnis gesetzte Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch dann, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet. Der von der Erinnerungsführerin zitierte Beschluss des VGH München vom 17. April 2007 - 4 C 07.659 -, juris, gibt schon angesichts des hier entgegenstehenden und auch manifestierten gerichtlichen Willens nichts dafür her, dass ein stillschweigender (konkludenter) Aufruf im Sitzungssaal erfolgt wäre.
2. Der Einwand einer fehlerhaften Besetzung des Verwaltungsgerichts, das ohne Übertragungsbeschluss im Sinne von § 6 Abs. 1 VwGO durch den Einzelrichter über die Erinnerung entschieden habe, greift - unabhängig davon, ob diese Rüge der Beschwerde überhaupt zum Erfolg verhelfen könnte - nicht durch.
Da das Kostenfestsetzungsverfahren ein von der Kostenlastentscheidung in der Hauptsache abhängiges Nebenverfahren ist, entscheidet das Gericht über eine Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten in derselben Besetzung, in der die zugrunde liegende Kostenlastentscheidung getroffen wurde. Ist die Kostenlastentscheidung in einer Entscheidung enthalten, für die - wie hier aufgrund des Übertragungsbeschlusses vom 3. Januar 2013 - der Einzelrichter im Sinne von § 6 VwGO zuständig war, so ist dieser auch im Erinnerungsverfahren funktional zuständig (VGH München, Beschluss vom 3. Dezember 2003 - 1 N 01.1845 -, juris Rn. 10 m.w.N.; Neumann, in: Sodan/Ziekow, Großkommentar, VwGO, § 165 Rn. 22; Olbertz, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, § 165 Rn. 9). Auf die Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Übertragung auf den Berichterstatter als Einzelrichter kommt es nicht an, denn dies ist im Kostenrechtsstreit nicht zu prüfen.
3. Soweit die Beschwerde geltend macht, dass in dem Tenor der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung - ebenso wie in der Begründung des Kostenfestsetzungsbeschlusses - die Bezeichnung der Beteiligten verwechselt worden sei, trifft dies zu. Der in dem Tenor des angefochtenen Beschlusses ausgeworfene Betrag (179,43 Euro nebst Zinsen) ist entgegen der dortigen Formulierung nicht von der Erinnerungsführerin (Beklagte des Ausgangsverfahrens, im Erinnerungsverfahren als Antragstellerin bezeichnet) an die Erinnerungsgegnerin (Klägerin des Ausgangsverfahrens, im Erinnerungsverfahren als Antragsgegnerin bezeichnet) zu erstatten, sondern vielmehr umgekehrt. Dies ergibt sich auch ohne Weiteres aus der Begründung des angegriffenen Beschlusses, vor allem auch aus der von dem Verwaltungsgericht vorgenommenen Neuberechnung zu Lasten der Erinnerungsgegnerin. Die Berechnung knüpft im Übrigen an den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 1. Oktober 2013 an, dessen Tenor hinsichtlich der Bezeichnung der Beteiligten nicht zu beanstanden ist („ werden … die …von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf 154,69 Euro … festgesetzt). Vor diesem Hintergrund ist der Tenor des angegriffenen Beschlusses im Beschwerdeverfahren klarstellend zu berichtigen, ohne dass sich in der Sache etwas ändert.
Der Frage, ob das Verwaltungsgericht im Erinnerungsverfahren die Auslagen des auswärtigen Rechtsanwaltes der Erinnerungsgegnerin (Klägerin des Ausgangsverfahrens) zu Recht nicht in vollem Umfang für erstattungsfähig gehalten hat (§ 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO), ist im Beschwerdeverfahren nicht nachzugehen. Die Neuberechnung durch das Verwaltungsgericht hat dazu geführt, dass der Erinnerungsführerin ein höherer Betrag zu erstatten ist als in dem Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzt. Eine (erneute) Änderung zu Lasten der Erinnerungsführerin kommt wegen des im Kostenfestsetzungsverfahrens und im kostenrechtlichen Beschwerdeverfahren geltenden Verschlechterungsverbotes nicht in Betracht, § 88 VwGO (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 19. Dezember 2013 - 16 E 204/13 -, juris Rn. 3).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil hierfür eine Festgebühr von 50,00 Euro vorgesehen ist, vgl. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz. Eine Herabsetzung dieser Gebühr nach billigem Ermessen kommt nicht in Betracht, weil die den Tenor des angegriffenen Beschlusses betreffende - bloße - Klarstellung gegenüber den nicht durchgreifenden materiell-rechtlichen Einwendungen der Beschwerde nicht ins Gewicht fällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.