Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 7. Senat | Entscheidungsdatum | 23.01.2012 | |
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Aktenzeichen | L 7 KA 71/11 B ER | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 823 BGB, § 824 BGB, § 826 BGB, § 1004 BGB, § 75 Abs 2 SGB 5, § 81 Abs 5 SGB 5, § 198 SGG, § 201 SGG, § 890 ZPO |
1.) Unter Beachtung von §§ 198, 201 SGG ist die Festsetzung des Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO auf einen Betrag von 10.000 € zu begrenzen und auf die Androhung von Ordnungshaft zu verzichten.
2.) Die Befugnis, Vertragszahnärzte zu beraten, ihnen gegenüber rechtliche Hinweise zu geben und gegenüber bestimmten Geschäftpraktiken Bedenken zu äußern, gehört zum Kernbereich verhaltenssteuernder Maßnahmen einer Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen im Rahmen der ihr nach § 75 Abs. 1 und 2 SGB V zugewiesenen Überwachungsaufgaben.
3.) Für einen Dritten besteht kein schützenswertes Recht, gegen die Äußerung von Bedenken einer KZV an einem bestimmten vertragszahnärztlichen Verhalten im Vorfeld einer sachlich-rechtlichen Berichtigung oder einer Disziplinarmaßnahme vorzugehen.
4.) Um den Zusammenhang zur Interessenwahrnehmung und Rechtskontrolle der Leistungserbringung der Vertrags(zahn)ärzte zu wahren, ist das Recht einer Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung zur Äußerung von Bedenken auf die vertrags(zahn)ärztliche Leistungserbringung und Abrechnung selbst begrenzt, darf in Bezug auf Dritte keine falschen Tatsachenbehauptungen enthalten und ist auf Publikationen zu begrenzen, die für die Information der Vertrags(zahn)ärzte bereitstehen.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 20. Mai 2011 geändert: Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, es unter Androhung eines in jedem Fall der Wiederholung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 10.000 € zu unterlassen, im Hinblick auf den Geschäftbetrieb der Antragsgegnerin wörtlich oder sinngemäß folgende Äußerung zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen,
- dass „ neben dem Problem des Eigenlaborstatus auch steuerrechtliche Probleme auftreten können“ und
- „Wir müssen Sie im Gegenteil vor einer weiteren Zusammenarbeit ausdrücklich warnen“.
Im Übrigen werden die Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 20. Mai 2011 zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu ¾, die Antragsgegnerin zu ¼.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für beide Instanzen auf 400.000 € festgesetzt.
I.
Die Antragstellerin, eine in H ansässige Aktiengesellschaft, lässt in B ein „Eigenlaborzentrum“ betreiben. Dafür stellt sie Vertragszahnärzten ein zahntechnisches Labor nebst zahntechnischem Personal und Material zur Verfügung, in dem diese ihre zahntechnischen Leistungen zur Herstellung von Zahnersatz erbringen (lassen) können. Für diese Dienstleistung verlangt die Antragstellerin von den Zahnärzten ein aufwandsbezogenes Nutzungsentgelt, das sich grundsätzlich an den erbrachten und abgerechneten zahntechnischen Leistungen orientiert und bei Abnahme einer individuell vereinbarten Mindeststückzahl 80% der Bemessungsgrundlage der zahntechnischen Leistungen beträgt. Über die von ihr zu erbringenden Leistungen schließt die Antragstellerin mit ihren vertragszahnärztlichen Partnern jeweils einen Rahmenvertrag über die Arbeitnehmerüberlassung von Zahntechnikern, in dem die Rechtsbeziehungen zwischen Zahnarzt, Zahntechnikern und der Antragstellerin geregelt werden. In einem weiteren als Kooperationsvertrag bezeichneten Vertrag vereinbaren Zahnarzt und Antragstellerin die Grundlagen ihrer Kooperation, vor allem die Praxislaborgestellung, die Nutzung des „Eigenlaborzentrums“ der Antragstellerin durch die Zahnärzte, das Nutzungsentgelt, eine „Kennenlernphase“ sowie insbesondere Bestimmungen zur Vertragsdauer und Kündigung.
Die Antragstellerin bewirbt dieses Geschäftsmodell insbesondere damit, dass die Zahnärzte die im „Eigenlaborzentrum“ angefertigten zahntechnischen Leistungen als Eigenlaborleistungen abrechnen können und so 20% der Vergütung der zahntechnischen handwerklichen Leistungen als eigenen Ertrag ohne eigenes Investitions-, Personal und Auslastungsrisiko verbuchen können. In einem an die B Zahnärzte gerichteten Schreiben in der Verbandszeitschrift „B“ () ließ die Antragstellerin durch ihren ehemaligen Vorstand, Franchisenehmer sowie Betreiber der Firma d B für ihr Geschäftsmodell dadurch werben, dass die d B „im Auftrag der Partner-Zahnärzte in Abstimmung mit den KZVen/Kammern den rechtlich einwandfreien Verdienst am Zahnersatz ohne Investitionen organisiere“ und ergänzte diese Werbung durch einen die Leistungen der Antragstellerin in jeder Hinsicht anpreisenden Kurzkommentar des Vorsitzenden der Vertreterversammlung der Antragsgegnerin. Hierauf reagierte die Antragsgegnerin durch eine Notiz in dem an ihre Mitglieder gerichteten Rundschreiben Nr. 3 vom 5. April 2011, in dem es unter Ziffer 1. „Firma D.“ heißt:
¹ In Heft Nr. B aktuell erschien ein Artikel unter der Überschrift „B Zahnärzte haben die Nase stets hart am Wind…“ der Firma D, in welchem äußerst zweifelhafte Versprechungen bezüglich garantierter Mehreinnahmen durch Aquirierung dieser Firma in Aussicht gestellt werden.
² Sowohl ZÄK wie KZV B haben erhebliche Bedenken gegen dieses Geschäftsmodell bereits im Vorfeld der Gründung geäußert, die wir nach wie vor aufrecht erhalten!
³ Die Bedenken der KZV Berlin wurden bereits 2008 schriftlich mitgeteilt.
4 Wesentliche Bedenken waren und sind,
- dass die Kriterien zur Anerkennung von Praxislaborgemeinschaften als Eigenlabor unserer Auffassung nach nicht erfüllt werden,
- dass Management und Organisation des Laborbetriebs eben nicht die Praxis, sondern die D AG übernimmt,
- darüber hinaus sogar Teile des Abrechnungsmanagement durchgeführt,
- und neben dem Problem des Eigenlaborsstatus zusätzlich auch steuerrechtliche Probleme auftreten können.
5 Nach alledem ist die KZV Berlin zu der Einschätzung gelangt, dass die Geschäftsbeziehung zwischen dem Laborzentrum der D und einer kooperierenden Zahnarztpraxis eher den Charakter einer Zusammenarbeit mit einem nicht praxiszugehörigen selbstständigen Dritten, der als Subunternehmer für die Praxis tätig wird, hat und damit nicht die notwendigen Kriterien erfüllt, die zur Führung eines Eigenlabors gelten, wie sie durch die Rechtsprechung seit dem Urteil des LSG Schleswig-Holstein aus dem Jahre 1994 entwickelt wurden.
6 Unserer Ansicht nach sind die Versprechungen der D nicht aufrecht zu erhalten! Wir müssen sie im Gegenteil vor einer (weiteren) Zusammenarbeit nachdrücklich warnen.“
Nach erfolgloser Abmahnung hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Berlin um vorläufigen Rechtsschutz mit dem Begehren nachgesucht, die Antragsgegnerin strafbewehrt zur Unterlassung ihrer Äußerungen aus den Absätzen 2 bis 4 und 6 zu verpflichten.
Das Sozialgericht hat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 20. Mai 2011 aufgegeben, es unter Androhung eines in jedem Fall der Wiederholung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungsgeld bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im Hinblick auf den Geschäftsbetrieb der Antragstellerin wörtlich oder sinngemäß zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, dass „neben dem Problem des Eigenlaborstatus auch steuerrechtliche Probleme auftreten können“ sowie „Wir müssen sie im Gegenteil vor einer (weiteren) Zusammenarbeit ausdrücklich warnen.“ Im Übrigen hat es den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Antragstellerin Beschwerde mit dem Ziel erhoben, die vom Sozialgericht ausgesprochene Unterlassungspflicht auf die in ihrem erstinstanzlichen Antrag genannten Äußerungen auszudehnen. Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten und verlangt mit ihrer Beschwerde die vollständige Aufhebung der sozialgerichtlichen Unterlassungsanordnung.
II.
1.) Die Beschwerden der Beteiligten sind gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Der Senat hat die Antragsbefugnis der Antragstellerin für das vorläufige Rechtsschutzverfahren bejaht, obwohl zweifelhaft sein könnte, ob sie oder nicht vielmehr ihr Berliner Franchisenehmer den Unterlassungsanspruch unter seiner Firma d Bhätte geltend machen müssen. Denn die vorgelegten Verträge und Vertragsmuster nennen als Vertragspartner der B Zahnärzte jeweils die Antragstellerin.
2.) Die Beschwerde der Antragstellerin ist jedoch nicht, die der Antragsgegnerin nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Senat hat den Beschluss des Sozialgerichts ausschließlich hinsichtlich der Androhung von Ordnungsmitteln korrigiert. Die Androhung eines Ordnungsgeldes war auf 10.000 € zu beschränken. Denn die Vorschrift des § 890 Zivilprozessordnung (ZPO) kommt hier nur über § 198 Abs. 1 SGG zur entsprechenden Anwendung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Vollstreckung gegen öffentlich-rechtliche Körperschaften im sozialgerichtlichen Verfahren ungleich geringeren Nachdrucks bedarf als eine Vollstreckung gegen Private in einem Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Denn in aller Regel kann davon ausgegangen werden, dass die öffentliche Hand sozialgerichtliche Entscheidungen beachtet und befolgt (vgl. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz – GG –), so dass es einer Vollstreckung nur ausnahmsweise bedürfen wird. Das kommt auch in § 201 SGG zum Ausdruck, der bezüglich der Vollstreckung insbesondere aus Verpflichtungsurteilen die Androhung eines Zwangsgelds auf einen Betrag von maximal 1.000,-- € beschränkt. Aufgrund dieser Besonderheiten des öffentlichen Rechts ist die Festsetzung des Ordnungsgeldes auf einen Betrag von 10.000 € zu begrenzen (vgl. zu Vorstehendem zum Verwaltungsprozess VGH Mannheim, Beschluss vom 12. Januar 1995, 10 S 488/94, zitiert nach juris). Aus denselben Gründen ist auf die Androhung von Ordnungshaft zu verzichten, weil bei einer Vollstreckung aus Verpflichtungsurteilen gegen eine Behörde nach § 201 SGG ebenfalls nur die Möglichkeit von Zwangsgeld, nicht aber von Zwangshaft vorgesehen ist. Gegen die Anordnung von Ordnungshaft als Zwangsmittel könnte außerdem sprechen: Die Androhung einer Ersatzordnungshaft gegen juristische Personen des Zivilrechts ist mit der Maßgabe grundsätzlich zulässig, dass die Haft an einem organschaftlichen Vertreter zu vollziehen ist. Eine Ordnungshaft gegen Behörden, die an Behördenvertretern zu vollziehen wäre, könnte jedoch u.U. schwerwiegende Eingriffe in ihr organisatorisches Gefüge und in den Ablauf ihrer Verfahren zur Folge haben. Die Vollstreckung darf aber in keinem Fall die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben der Behörde beeinträchtigen. Deshalb dürften die Androhung und die Anordnung von Ordnungshaft gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts im sozialgerichtlichen Verfahren auch aus diesem Grund ausscheiden (vgl. VGH Mannheim, a.a.O.).
3.) Im Übrigen hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin zu Recht nur hinsichtlich ihrer Äußerungen vorläufig zur Unterlassung verpflichtet, in denen die Antragsgegnerin auf steuerrechtliche Bedenken im Zusammenhang mit dem Geschäftsmodell der Antragstellerin hingewiesen und ausdrücklich vor einer (weiteren) Zusammenarbeit mit der Antragstellerin gewarnt hat. Den darüber hinaus gehenden Antrag hat es rechtsfehlerfrei zurückgewiesen. Denn insoweit hat die Antragsstellerin keinen Anordnungsanspruch gemäß § 86b Abs. 2 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht.
a) Der von der Antragstellerin behauptete Anordnungsanspruch kann sich nur aus einem Unterlassungsanspruch aus §§ 823, 824, 826, 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ergeben. Dieser Anspruch setzt voraus, dass die Antragsgegnerin nicht zu den in dem Rundschreiben vorgenommenen Äußerungen befugt war. Kann sie sich hingegen für diese Äußerungen auf eine Rechtsgrundlage stützen, ist der von der Antragstellerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht gegeben und der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schon aus diesem Grund abzulehnen.
aa) Die Antragsgegnerin ist - mit Ausnahme der von ihr geäußerten steuerrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Inanspruchnahme des „Eigenlaborzentrum“ der Antragstellerin durch Berliner Vertragszahnärzte und ihrer ausdrücklichen Warnung an einer Zusammenarbeit mit der Antragstellerin - zu ihrer Stellungnahme zum Geschäftsmodell in ihrem Rundschreiben Nr.3 vom 5. April 2011 aufgrund von § 75 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Sätze 1 und 2 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) berechtigt.
(1) Die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen und die Kassen(zahn)ärztlichen Bundesvereinigungen haben nach § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs. 2 SGB V bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 SGB V haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen und die Kassen(zahn)ärztlichen Bundesvereinigungen die Rechte der Vertrags(zahn)ärzte gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen. Sie haben die Erfüllung der den Vertrags(zahn)ärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und die Vertrags(zahn)ärzte, soweit notwendig, unter Anwendung der in § 81 Abs. 5 vorgesehenen Maßnahmen zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten.
(2) Die vorstehend zitierten Rechtsvorschriften beschreiben die wesentlichen Rechte und Pflichten der öffentlich-rechtlich organisierten Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung gegenüber den Krankenkassen und den Vertrags(zahn)ärzten, die mit ihrer Zulassung Zwangsmitglieder der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung werden. Der Befugnis der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung, die kollektiven Interessen ihrer Mitglieder insbesondere gegenüber den Gesamtvertragspartnern wahrzunehmen, steht die Pflicht gegenüber, den Krankenkassen gegenüber die Gewähr für die Einhaltung der gesetzlichen und vertraglichen Erfordernisse der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung zu übernehmen und die Erfüllung der den Vertrags(zahn)ärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Hierzu stellt das SGB V den Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen insbesondere durch die Möglichkeit der sachlich-rechnerischen Richtigstellung nach § 106a SGB V und der Disziplinierung der Vertrags(zahn)ärzte nach § 81 Abs. 5 SGB V in Verbindung mit ihrer Satzung Maßnahmen der Eingriffsverwaltung zur Verfügung, die sie als Behörde zum Erlass belastender Verwaltungsakte gegenüber ihren Mitgliedern berechtigt. Darüber hinaus hat sie die Wirtschaftlichkeit der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung (vgl. § 12 SGB V) zusammen mit den Krankenkassen zu überwachen (§ 106 Abs. 1 SGB V) und kann hierzu bei den Prüfgremien Anträge zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit vertrags(zahn)ärztlicher Leistungserbringung stellen (vgl. § 106 Abs. 3 Satz 2 SGB V). Verletzt ein Vertrags(zahn)arzt seine Pflichten in besonders schwerem Maße, kann die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung bei den Zulassungsgremien darüber hinaus die Entziehung der Zulassung beantragen (vgl. jeweils § 27 Abs. 1 Satz 2 der Zulassungsverordnung für Vertrags(zahn)ärzte bzw. der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte). Geht die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung durch belastende Verwaltungsakte gegen ihre Mitglieder vor, hat sie die hierfür im Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) genannten Voraussetzungen einzuhalten, insbesondere den betroffenen Vertrags(zahn)arzt vor seiner Inanspruchnahme anzuhören (vgl. § 24 SGB X).
(3) Aus der Befugnis, bestimmte kollektive Rechte der Vertrags(zahn)ärzte wahrzunehmen und die Rechtmäßigkeit der vertrags(zahn)ärztlichen Leistungserbringung zu überwachen, ergibt sich eine Fürsorgepflicht der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung gegenüber ihren Mitgliedern. Diese hat sie über ihre Rechte und Pflichten zu beraten (vgl. § 106 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 SGB V), ihnen Hinweise zur rechtmäßigen vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung zu geben und sie ggf. auf Bedenken an bestimmten Formen der Leistungserbringung oder Abrechnung hinzuweisen, soweit dazu Veranlassung besteht. Auch wenn eine gezielte Beratung einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung und einer Disziplinarmaßnahme in der Regel nicht vorangehen muss, wie dies in § 106 Abs. 5 Satz 1 SGB V für die Ergreifung weiterer Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgeschrieben ist, gehört die Befugnis zur Beratung sowie das Geben von Hinweisen und die Äußerung von Bedenken zum Kernbereich verhaltenssteuernder Maßnahmen der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen im Rahmen der ihnen nach § 75 Abs. 1 und 2 SGB V zugewiesenen Überwachungsaufgaben. Für die Vertrags(zahn)ärzte ist es von außerordentlicher Bedeutung, rechtzeitig darauf hingewiesen zu werden, dass sie ein ausgezahltes Honorar unter Umständen nicht endgültig behalten dürfen, dass ihnen bei einem bestimmten Abrechnungsverhalten eine sachlich-rechtliche Richtigstellung oder Wirtschaftlichkeitsprüfung droht oder sogar ihre Zulassung in Gefahr ist. Denn allein die Durchführung der dafür vorgesehenen Verwaltungs- und sozialgerichtlichen Streitverfahren kann für sie mit erheblicher Mühe und finanziellen Aufwendungen verbunden sein, selbst wenn sie schlussendlich nicht in Anspruch genommen werden (dürfen).
(4) Im vorliegenden Fall war die Antragsgegnerin deshalb befugt, gegenüber ihren Mitgliedern Bedenken an dem Geschäftsmodell der Antragstellerin zu äußern, soweit es um des Status des von der Antragstellerin vorgehaltenen „Eigenlaborzentrums“ geht. Insoweit nimmt der Senat auf die ausführliche Begründung des sozialgerichtlichen Beschlusses Bezug, ohne sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren schon die dort geäußerte endgültige Bewertung zu Eigen zu machen. Denn berechtigte Bedenken begründen die Erwägungen des Sozialgerichts allemal. Zu Recht hat das Sozialgericht auch das Vorliegen eines hinreichenden Anlasses für die Antragsgegnerin bejaht, die umstrittenen Äußerungen abzugeben. Die Antragstellerin hat mit ihrem in dem Verbandsheft „B “ erfolgten Werbeschreiben ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie „in Abstimmung mit den KZVen/Kammern den rechtlich einwandfreien Verdienst am Zahnersatz ohne Investitionen“ organisiere. Eine solche Abstimmung mit der Antragsgegnerin in dem Sinne, dass diese der rechtlichen Unbedenklichkeit des Geschäftsmodells zugestimmt hat, gibt es jedoch nicht. Das Sozialgericht hat hieraus zu Recht den Schluss gezogen, dass die Antragsgegnerin geradezu verpflichtet war, die (ihrerseits) bestehenden Bedenken gegen das Geschäftsmodell der Antragstellerin den Berliner Vertragszahnärzten mitzuteilen, um sich nicht im Nachhinein (etwa gegenüber Honorarberichtigungen im Rahmen von Vertrauensschutzerwägungen) dem Vorwurf auszusetzen, sie habe das Geschäftsmodell der Antragstellerin trotz deren (von dem Vorsitzenden der Vertreterversammlung der Antragsgegnerin unterstützten) Hinweises auf die rechtliche Unbedenklichkeit und auf die Abstimmung mit der Antragsgegnerin wissentlich geduldet.
(5) Bestand deshalb für die Antragsgegnerin im Hinblick auf die bekannten Einzelheiten der Vertragsgestaltung zwischen der Antragstellerin und Berliner Zahnärzten hinreichend Anlass, aus vertragszahnärztlichen Gründen Bedenken am Geschäftsmodell der Antragstellerin zu äußern, soweit dies den Eigenlaborstatus der Einrichtung der Antragstellerin betraf, können weder ein B Vertragszahnarzt noch die Antragstellerin hiergegen erfolgreich mit einem Unterlassungsanspruch vorgehen: Die Vertragszahnärzte werden durch die von der Antragsgegnerin geäußerten Bedenken in Stand gesetzt, mögliche Risiken der Inanspruchnahme des „Eigenlaborzentrums“ der Antragstellerin zu erkennen und eine Abwägung vorzunehmen, ob für sie die Vorteile einer Inanspruchnahme die Nachteile späterer belastender Maßnahmen der Antragsgegnerin überwiegen. Im Übrigen ist ihnen zuzumuten, abzuwarten, ob die Antragsgegnerin gegen sie wegen der Inanspruchnahme des „Eigenlaborzentrums“ der Antragstellerin vorgehen wird. Die Antragstellerin kann gegen die von ihr veranlasste Äußerung von Bedenken an ihrem Geschäftsmodell in Fallgestaltungen wie der vorliegende grundsätzlich nicht vorgehen. Dies ergibt sich aus Folgendem: Gegen eine sachlich-rechnerische Richtigstellung für eine Abrechnung vertrags(zahn)ärztlicher Leistungen kann nur der von einer Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung in Anspruch genommene Vertrags(zahn)arzt selbst Rechtsschutz erlangen. Ein Dritter hingegen kann selbst dann nicht gegen die den Vertrags(zahn)arzt belastende Maßnahme vorgehen, wenn die Richtigstellung ihren Grund in einem von ihm entworfenen Geschäftsmodell hat. Er ist nicht einmal zu dem Verwaltungsverfahren hinzuzuziehen oder in einem sich anschließenden Gerichtsverfahren beizuladen. Denn in seine Rechte greift die Richtigstellung nicht ein; er ist von ihr nur mittelbar betroffen. Das Gleiche gilt für Disziplinarmaßnahmen, Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Entscheidungen über die Zulassung eines Vertrags(zahn)arztes. Erst Recht besteht dann für einen Dritten kein schützenswertes Recht, im Vorfeld der genannten belastenden Maßnahmen gegen eine Anhörung der betroffenen Ärzte oder gegen geäußerte Bedenken einer Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung im Zusammenhang mit den genannten Maßnahmen vorzugehen. Dass die Antragsgegnerin bisher keine sachlich-rechnerische Richtigstellung vorgenommen hat, beseitigt den Zusammenhang ihrer Äußerung mit diesen Maßnahmen nicht, weil sie ihre diesbezüglichen Prüfungen noch nicht abgeschlossen und sich entsprechende Maßnahmen ausdrücklich vorbehalten hat, wie sie im vorliegenden Verfahren klargestellt hat. Eine Verletzung der Rechte der Antragstellerin aus Art. 2, 12 oder 14 GG kann von der Äußerung von Bedenken im Zusammenhang mit den genannten Maßnahmen gegen Vertragszahnärzte deshalb grundsätzlich nicht ausgehen, weil die Antragstellerin davon nur reflexhaft getroffen werden kann, zumal sich „Bedenken“ schon der Sache nach nicht auf ihre Rechtmäßigkeit, sondern allenfalls daraufhin überprüfen lassen, ob eine Berechtigung und ein hinreichender Anlass für ihre Äußerung bestand. Beides war hier aber aus den bereits genannten Gründen gegeben.
bb) Die Berechtigung der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen, Bedenken an einer bestimmten Art der Leistungserbringung und/oder der Abrechnung im Vorfeld zu den oben genannten Maßnahmen zu äußern, besteht jedoch nicht schrankenlos. Abgesehen von dem hier bereits geprüften und bejahten Anlass zur Äußerung der Bedenken ergeben sich weitere Einschränkungen für die Antragsgegnerin, Bedenken äußern zu dürfen, aus § 75 SGB V: Um den Zusammenhang zur Interessenwahrnehmung und Rechtskontrolle der Leistungserbringung der Vertrags(zahn)ärzte zu wahren, ist das Recht einer Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung zur Äußerung von Bedenken auf die vertrags(zahn)ärztliche Leistungserbringung und Abrechnung selbst begrenzt, darf in Bezug auf Dritte keine falschen Tatsachenbehauptungen enthalten und ist auf Publikationen zu begrenzen, die für die Information der Vertrags(zahn)ärzte bereitstehen. Diese Voraussetzungen hat die Antragstellerin mit Ausnahme ihrer Stellungnahme zu den steuerrechtlichen Problemen der Inanspruchnahme des „Eigenlaborzentrums“ der Antragstellerin und ihrer ausdrücklichen Warnung vor einer weiteren Zusammenarbeit mit der Antragstellerin erfüllt. Die im Zusammenhang mit dem Eigenlaborstatus der Antragstellerin geäußerten Bedenken beziehen sich auf die vertragszahnärztliche Leistungserbringung, stützen sich auf Bewertungen und nicht auf Tatsachenbehauptungen und sind in einem nur für die Berliner Vertragszahnärzte bestimmten und nur ihnen übersandten Rundschreiben veröffentlicht worden.
(1) Hinsichtlich der Äußerung steuerrechtlicher Bedenken sind die Voraussetzungen dagegen nicht eingehalten; sie sind nicht von § 75 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB V gedeckt. In diesem Umfang hat das Sozialgericht deshalb zu Recht den geltend gemachten Anordnungsanspruch bejaht. Nicht zu beanstanden sind insbesondere die Darlegungen des Sozialgerichts, wonach die steuerliche Behandlung der Einkünfte eines Vertragszahnarztes allein sein Verhältnis zu den Finanzbehörden betrifft und daher nur deren Zuständigkeit unterfällt. Weder die vertragszahnärztliche Versorgung noch die Abrechnung der von Vertragszahnärzten vorgenommenen Leistungen stehen mit diesen steuerrechtlichen Fragen in unmittelbarem Zusammenhang. Sowohl aus dem Sicherstellungsauftrag als auch der öffentlich-rechtlichen Organisationsform und vor allem der Zwangsmitgliedschaft der Vertrags(zahn)ärzte eines Landes ergibt sich, dass der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung nur die sich aus dem Sozialgesetzbuch ergebenden Aufgaben und Kompetenzen zustehen. Darüber hinausgehende Befugnisse, wie sie insbesondere berufsständische Organisationen oder Gewerkschaften auf der Grundlage des Art. 9 Abs. 1 und Abs. 3 GG wahrnehmen, haben sie nicht (Urteil des Senats vom 5. Dezember 2001, L 7 KA 17/99, zitiert nach juris). Sie sind deshalb insbesondere nicht befugt, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder gegenüber den Steuerbehörden eines Landes tätig zu werden. Die Antragsgegnerin ist deshalb nicht berechtigt, allgemein zu Themen Stellung zu nehmen, die den berufsrechtlichen Status ihrer Mitglieder als Zahnärzte und wirtschaftliche Probleme ihrer Praxis betreffen; dies kann ggf. Aufgabe der berufsständischen zahnärztlichen Vereinigungen, nicht jedoch der Antragsgegnerin im Rahmen des SGB V sein. Die von der Antragsgegnerin ins Auge gefassten steuerrechtlichen Probleme (Verlust der Freiberuflichkeit durch eine gewerbliche Betätigung bei wirtschaftlicher Beteiligung am „Eigenlaborzentrum“ der Antragstellerin) betreffen denn auch nicht spezifisch vertragszahnärztliche Probleme, sondern stellen sich für alle Zahnärzte, die das „Eigenlaborzentrum“ der Antragstellerin nutzen wollten. Zahnärzte, die nicht zur Behandlung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen sind, darf die Antragsgegnerin jedoch nicht beraten und ihre Interessen nicht wahrnehmen.
(2) Das gleiche gilt für die ausdrückliche Warnung der Antragsgegnerin, mit der Antragsstellerin weiter zusammenzuarbeiten. Da sich diese Warnung u.a. auf die zuvor geäußerten steuerrechtlichen Bedenken bezieht, wirkt sich die Unzulässigkeit dieser Äußerung auch auf die sich daran anschließende Warnung aus. Darüber hinaus setzt eine „ausdrückliche Warnung“ vor einem bestimmten Verhalten in der Sache eine abschließende Prüfung der Rechtmäßigkeit dieses Verhaltens voraus, die die Antragsgegnerin mit der Äußerung der „Bedenken“ am Geschäftsmodell der Antragstellerin gerade nicht vornehmen wollte und durfte. Denn eine Befugnis, die Rechtmäßigkeit des Geschäftsmodells der Antragstellerin in einem Rundschreiben losgelöst von den Befugnissen der Rechtmäßigkeitskontrolle der Leistungserbringung und Abrechnung der Berliner Vertragszahnärzte zu prüfen und hierüber eine Entscheidung zu treffen, steht der Antragsgegnerin nicht zu. Aus dem SGB V ergibt sich keine Befugnis für eine Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung, Geschäftsmodelle Dritter, an denen sich Vertrag(zahn)ärzte beteiligen, quasi zu zertifizieren und geltend zu machen, die „Unbedenklichkeit“ bescheinigen zu dürfen. Mit der Berechtigung der Antragsgegnerin, im „Vorfeld“ der Prüfung der sachlich-rechnerischen Berichtigung oder der Disziplinierung gegenüber ihren Mitgliedern Bedenken an einer bestimmten Leistungserbringung oder Abrechnung äußern zu dürfen, wenn dazu ein Anlass besteht, ohne auf die Interessen Dritter Rücksicht nehmen zu müssen, korrespondiert die Pflicht, sich abschließender rechtlicher Bewertungen außerhalb von Verwaltungsentscheidungen gegenüber ihren Mitgliedern zu enthalten.
b) Der Senat bejaht im Hinblick auf das offensichtliche Bestehen eines Anordnungsanspruchs im vorliegenden Fall hinsichtlich der Äußerung steuerrechtlicher Bedenken durch die Antragsgegnerin und ihrer ausdrücklichen Warnung vor einer weiteren Zusammenarbeit mit der Antragstellerin auch ein eiliges Reglungsbedürfnis und damit einen Anordnungsgrund i.S.d. § 86b Abs. 2 SGG, zumal bei Verneinung eines Anordnungsgrundes die Beschwerde der Antragsgegnerin Erfolg haben würde und dann die Gefahr bestünde, dass auch diese Äußerungen sowohl den Mitgliedern der Antragsgegnerin als auch Dritten auf der Internetseite der Antragstellerin (wieder) zur Einsichtnahme zur Verfügung stehen würde. Soweit die Antragsgegnerin ihre Äußerungen auf ihrer Internetseite verbreitet und/oder veröffentlicht, würde die Rechtsverletzung als gleichsam sich selbst realisierende Wiederholungsgefahr (dauerhaft) perpetuiert (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06. September 2010, L 11 KA 3/10 B ER, zitiert nach juris).
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sowie aus §§ 52 und 53 Gerichtskostengesetz (GKG).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).