Gericht | OLG Brandenburg 5. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 26.05.2011 | |
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Aktenzeichen | 5 U 102/07 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13. Juli 2007 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer – 1 O 773/04 – des Landgerichts Potsdam teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 24.225,65 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus
3.275,00 € seit dem 15. Januar 2005,
7.850,65 € seit dem 20. Januar 2005,
3.275,00 € seit dem 24. November 2005,
6.550,00 € seit dem 16. Dezember 2006,
3.275,00 € seit dem 9. Januar 2007
zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten beider Rechtszüge tragen die Kläger jeweils zu 15 % und die Beklagte zu 55 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Die Kläger sind (Mit-) Eigentümer des Flurstücks 508/3 der Flur 1 der Gemarkung …. Auf einer Teilfläche des Grundstücks hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten Anfang der 80iger Jahre ein Mehrfamilienhaus nebst Abwassersammelgrube errichtet. Am 6. August 1999 beantragten die Kläger ein Bodenordnungsverfahren nach dem Achten Abschnitt des LwAnpG bei der Flurneuordnungsbehörde.
Mit ihrer Klage begehren die Kläger von der Beklagten Nutzungsentgelt für die Baulichkeiten nebst unstreitiger Funktionsfläche von 1.703,50 qm für die Zeit ab Antragstellung bis zum 31. Dezember 2006. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage in der Hauptsache im aus der Tabelle ersichtlichen Umfang entsprochen.
Zeitraum |
Forderung in € |
Beanspruchte Zinsen aus €-Beträgen |
Zuspruch LG in der Hauptsache in €, S. 7 UG |
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Klage, Bl. 8, 12 d. A. |
06.08.1999- 31.12.2001 |
13.932,21 |
Ab 20.01.2005 (Rechtshängigkeit, Bl. 25 d. A.) |
11.876,80 |
Erweiterung, Bl. 75, 78 d. A. |
01.01.-31.12.2002 |
7.572,06 |
Aus 6.000,75 ab 15.01.2005 und aus 1.571,31 ab 18.01.2006 (Rechtshängigkeit, Bl. 81 d. A.) |
4.948,66 |
Erweiterung, Bl. 131 f., 136 d. A. |
01.01.2003-31.12.2006 |
23.163,34 |
Aus 9.901,22 ab 15.01.2005, aus 1.338,24 ab 01.05.2005, aus 9.182,61 ab 16.12.2006 und aus 2.741,27 ab 09.01.2007 (Rechtshängigkeit, Bl. 151 d. A.) |
17.290,53 |
Summe |
44.667,41 |
34.115,99 |
Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 20. Juli 2007 zugestellte Urteil die am 24.7.2007 bei Gericht eingegangene Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist mit dem am 19. Oktober 2007 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Kläger haben ihre auf Verurteilung zur Zahlung von weiteren 9.538,04 € gerichtete Berufung zurückgenommen.
Die Beklagte tritt ihrer Inanspruchnahme nach Grund und Höhe entgegen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Kläger nicht aktiv legitimiert seien, weil sie sich nicht in den Verfahren auf eine Verhandlung zur Begründung dinglicher Rechte oder eine Übereignung eingelassen hätten. Sie verneint ihre Passivlegitimation mit der Begründung, im streitgegenständlichen Zeitraum den Besitz an den Baulichkeiten in Erfüllung eines Kaufvertrags einem Dritten übertragen zu haben. Außerdem habe das Landgericht der Verurteilung einen „falschen“ Bodenwert zugrunde gelegt. Schließlich erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.
Die Beklagte beantragt,
die Klage in Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat nach Maßgabe der Beweisbeschlüsse vom 30. Oktober 2008 und 26. Juni 2009 Beweis erhoben über den Bodenwert i. S. v. § 19 SachenRBerG des Grundstücks zum 6. August 1999 und die Höhe des üblichen Zinses für die gewerbliche Nutzung zur Erzielung von Mieten des Gebäudes durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Auf das Wertgutachten des Sachverständigen M… vom 14. März 2009 nebst Nachtrag vom 14. Dezember 2009 wird Bezug genommen.
Auf den Nachtrag haben die Parteien weder Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge oder Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitgeteilt noch die Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung des Gutachtens beantragt.
II.
1. Die Kläger können von der Beklagten dem Grunde nach Nutzungsentgelt für die Zeit vom 6. August 1999 bis 31. Dezember 2006 aus Art. 233 § 2a Abs. 1 S. 8 EGBGB beanspruchen.
a) Die Kläger sind Grundstückseigentümer. Sie haben am 6. August 1999 ein Bodenordnungsverfahren nach dem Achten Abschnitt des LwAnpG bei der Flurneuordnungsbehörde beantragt (§§ 64, 53 Abs. 1, 56 ff. LwAnpG).
Die Beantragung eines solchen Bodenordnungsverfahrens ist nach Art. 233 § 2a Abs. 1 S. 8 EGBGB alternative Anspruchsvoraussetzung. Es ist nicht erforderlich, dass sich der Grundstückseigentümer daneben in dem Verfahren auf eine Verhandlung zur Begründung dinglicher Rechte oder eine Übereignung eingelassen hat. Insbesondere das Verfahren nach dem Achten Abschnitt des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes sucht einen von den Vorschriften des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes verschiedenen Ausgleich der Interessen von Eigentümern und Nutzern. Im Vordergrund steht hier der freiwillige Landtausch (§ 54 LwAnpG), subsidiär eine Landabfindung im Rahmen eines Bodenordnungsverfahrens (§§ 56, 58 LwAnpG; vgl. Nies, in: RVI, § 56 LwAnpG Rdn. 1) und – im Falle der Zustimmung des Eigentümers – eine Geldabfindung (§ 58 Abs. 2 LwAnpG). Infolgedessen gehört zur Anspruchsbegründung nach Art. 233 § 2a Abs. 1 S. 8 EGBGB allein der Antrag des Eigentümers nach § 53 Abs. LwAnpG auf Neuordnung der Eigentumsverhältnisse (BGH, Urteil v. 14. Dezember 2001 – V ZR 212/01, zitiert nach juris, dort Rn. 7).
b) Die Beklagte gilt zum Besitz an dem von ihrer Rechtsvorgängerin errichteten Gebäude und der dazugehörigen Teilfläche berechtigt (Art. 233 § 2a Abs. 1 S. 1 lit. b EGBGB). Die Vorschrift umfasst auch Gebäudeeigentum nach § 27 LPGG (Palandt/Bassenge, Palandt-Archiv Teil II, Art. 233 § 2a EGBGB Rn. 4).
Die Beklagte ist auch Nutzerin i. S. v. Art. 233 § 2a Abs. 1 S. 8 EGBGB. Die Vorschrift flankiert die Sachenrechtsbereinigung (hier: § 4 Nr. 3 SachenRBerG, vgl. OLG Naumburg VIZ 1999, 674; Palandt/Bassenge, a. a. O, Rn. 1), so dass sich der Nutzerbegriff nach § 9 SachenRBerG beurteilt. Die Beklagte ist Nutzerin gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG. Obligatorische Besitzrechte beeinflussen die Nutzereigenschaft nicht (OLG Brandenburg – 6. Zivilsenat – VIZ 1996, 597, 598).
Mit dieser Wertung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu der von der Beklagten zitierten Entscheidung des OLG Dresden (Urt. v. 10. Februar 2005 – 10 U 1661/04, Bl. 504 ff. d. A.). Dort ist zunächst – mangels Antragstellung – die Aktivlegitimation verneint worden. Zur selben Problematik verhält sich die vom OLG Dresden in Bezug genommene Entscheidung des BGH (Urt. 11. April 2003 – V ZR 209/02).
Für den Zeitpunkt ab Antragstellung hat das OLG Dresden den Nutzerbegriff zwar an die Besitzausübung geknüpft, dies jedoch nur deshalb, weil selbständiges Gebäudeeigentum an der dort streitgegenständlichen Kaufhalle nicht entstanden war, so dass der Senat in Anwendung von § 14 Abs. 2 (2. Hs.), 2. Alt. SachenRBerG von einer selbständigen Übertragbarkeit des Besitzes ausging.
2. Der Anspruch geht „bis zur Höhe des nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zu zahlenden Erbbauzins“ (Art. 233 § 2a Abs. 1 S. 8 EGBGB). Das ist – wie sich aus einem Gegenschluss aus Art. 233 § 2a Abs. 1 S. 4 EGBGB und dem Zweck des Moratoriumszinses ergibt – der volle, nicht während der Eingangsphase gemäß § 51 SachenRBerG ermäßigte Erbbauzins (BGH, Urteil v. 14. Dezember 2001 – V ZR 212/01, zitiert nach juris, dort Rn. 14 ff.).
a) Der Erbbauzins ist in einem Prozentsatz des Bodenwerts zu bestimmen (§ 43 Abs. 2 S. 1 SachenRBerG) und beträgt für öffentlichen Zwecken dienende oder land-, forstwirtschaftlich oder gewerblich genutzte Gebäude dreieinhalb vom Hundert jährlich des Bodenwerts (§ 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SachenRBerG), so der für diese Nutzung übliche Zinssatz nicht mehr oder weniger als sieben vom Hundert jährlich beträgt (§ 43 Abs. 2 S. 2 SachenRBerG); in diesem Fall beträgt der Zins die Hälfte des sieben vom Hundert über- oder unterschreitenden Zinses (§ 43 Abs. 1 SachenRBerG). Stichtag für die Wert- und Zinssatzfeststellung ist analog § 19 Abs. 1 SachenBerG der Zeitpunkt der Beantragung eines Bodenordnungsverfahren nach dem Achten Abschnitt des LwAnpG, da ab diesem Zeitpunkt die Sachenrechtsbereinigung in gleicher Weise hätte durchgeführt werden können, wie wenn der Grundstückseigentümer ein darauf gerichtetes Angebot zum Vertragschluss abgegeben hätte. Der Stichtag im vorliegenden Fall ist der 6. August 1999.
b) Nach § 19 Abs. 2 S. 1 SachenRBerG bestimmt sich der Bodenwert nach dem um die Abzugsbeträge nach Satz 3 verminderten Wert eines baureifen Grundstücks. Der Wert eines baureifen Grundstücks ist, vorbehaltlich der Regelung in § 20, der Verkehrswert im Sinne des § 194 des Baugesetzbuchs, der sich ergeben würde, wenn das Grundstück unbebaut wäre (§ 19 Abs. 2 S. 2 SachenRBerG).
Diesen Wert hat der Sachverständige unter Zugrundelegung einer dem Wohnhaus dazugehörigen Fläche von unstreitig 1703,50 qm mit 140.000,00 € bemessen. Unter Abzug der Aufwendungen für die Baureifmachung des Grundstücks (§ 19 Abs. 2 S. 3 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 3 SachenRBerG) beläuft sich dieser Wert auf 131.000,00 €. Den für die streitgegenständliche Nutzung üblichen Zinssatz hat der Sachverständige auf 5 vom Hundert veranschlagt.
Gegen diese Feststellungen haben die Parteien keine Einwände mehr erhoben, nachdem sie der Sachverständige mit Nachtrag vom 14. Dezember 2009 erneut erläutert hat. Davon abgesehen hat der Sachverständige die Anknüpfungstatsachen für die Bodenwert- und Zinsbemessung sorgfältig ermittelt und belegt und ist auf dieser Datenbasis zu gedanklich folgerichtigen und inhaltlich überzeugungskräftigen Festlegungen gelangt.
Danach beläuft sich der Nutzungsentgeltanspruch der Kläger auf (1.310 x 2,5 =) 3.275,00 € jährlich. Das sind für die Zeit vom 6. August bis 31. Dezember 1999 anteilig ([3.275 : 365 =] 8,97 x 145 [Tage] =) 1.300,65 € und die Jahre 2000 bis 2006 (7 x 3.275 =) 22.925,00 €, mithin insgesamt 24.225,65 €.
3. Die Beklagte kann die Leistung nicht wegen Verjährung verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB). Die Verjährungsfrist der am 1. Januar 2002 noch unverjährten Forderungen für die Jahre 1999 bis 2001 lief bis zum 31. Dezember 2004, da die Forderung nach der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs der dreißigjährigen Verjährung unterlag (Art. 229 § 6 Abs. 1 und 3 EGBGB, § 195 a. F. und n. F. BGB) und ist durch Einreichung der Klage am 30. Dezember 2004 gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 167 ZPO).
4. Die Zinsforderungen rechtfertigen sich aus § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1, § 291 BGB. Im Einzelnen können die Kläger von der Beklagten Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz) aus
3.275,00 € seit dem 15. Januar 2005,
7.850,65 € seit dem 20. Januar 2005,
3.275,00 € seit dem 24. November 2005,
6.550,00 € seit dem 16. Dezember 2006 und aus
3.275,00 € seit dem 9. Januar 2007
verlangen.
Dagegen können die Kläger von der Beklagten keine vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten verlangen, weil nicht hinreichend vorgetragen ist, dass diese vor der Mahnung vom 21. Dezember 2004 in Verzug geraten ist, so dass die Anwaltskosten nicht auf der Verzögerung der Leistung beruhen (§ 280 Abs. 2 BGB).
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1 S. 1, § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1, § 708 Rn. 10, § 711 S. 1 und 2, § 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Grund für ihre Zulassung nicht vorliegt (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO). Der Senat weicht mit seiner Entscheidung – wie dargelegt – nicht von dem von der Beklagten zitierten Urteil des OLG Dresden (v. 10. Februar 2005 – 10 U 1661/04, Bl. 504 ff. d. A.) ab.
Die von der Beklagten im Übrigen in Bezug genommen BGH-Entscheidungen betreffen:
Urteil v. 15. Dezember 2000 - V ZR 241/99: § 313 BGB a. F.; gemeint ist wohl das Urteil v. 19. November 1999 – V ZR 241/98: die Übertragung von Rechten und Pflichten aus einem „hängenden“ Kaufvertrag nach Art. 233 § 2a Abs. 2 S. 2 EGBGB Urteil v. 3. Mai 2002 – V ZR 246/01: die Rechtsnachfolge eines Gebäudekäufers, wenn selbständiges Gebäudeeigentum nicht entstanden war (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 SachenRBerG)
und geben für die in Rede stehende Rechtsfrage somit nichts her.