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Einsicht in eine Jugendamtsakte


Metadaten

Gericht VG Cottbus 8. Kammer Entscheidungsdatum 22.06.2020
Aktenzeichen 8 K 444/17 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2020:0622.8K444.17.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 1 AIG, § 4 Abs 3 AIG, § 5 Abs 1 Nr 1 AIG, § 65 Abs 1 S 1 SGB 8, §§ 67ff SGB 10, § 83 Abs 1 SGB 10

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Einsicht in die ihre Kinder betreffenden Jugendamtsakten des Beklagten.

Sie ist die Mutter des am 6. September 2006 geborenen L... und der am 30. Juni 2009 geborenen L.... Die elterliche Sorge für die Kinder war Gegenstand eines familiengerichtlichen Verfahrens vor dem Amtsgericht C... (Az.: 54 F 180/12), das durch Beschluss vom 30. Oktober 2013 um ein Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung nach § 1666 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) erweitert wurde. Das Jugendamt des Beklagten war an diesem Verfahren nach § 50 des Sozialgesetzbuches (SGB) VIII beteiligt. Durch Beschluss des Amtsgerichts C... vom 1. April 2014 wurde dem Kindsvater die elterliche Sorge für die Kinder übertragen, woraufhin dieser mit den Kindern nach C... verzog. In der Folge kam es zu weiteren, das Umgangsrecht der Klägerin betreffenden Gerichtsverfahren, u.a. vor dem Familiengericht Chemnitz (Az.: 1 F 975/14).

In diesem Zusammenhang beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 14. April 2016, 4. Juli 2016 und 12. Juli 2016 unter Berufung auf § 25 SGB X und das Brandenburgische Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG) vollständige Einsichtnahme in die ihre Kinder betreffenden Verfahrensakten des Jugendamtes des Beklagten.

Im Rahmen eines persönlichen Termins beim Jugendamt des Beklagten am 13. September 2016 konkretisierte die Klägerin ihr Akteneinsichtsgesuch auf folgende Sachverhalte:

1. Meldung zur Kindeswohlgefährdung, aufgrund derer der Sohn der Klägerin zur Überwachung in ein Krankenhaus eingewiesen wurde.

2. Ummeldung der Kinder durch den Kindesvater ohne Zustimmung der Klägerin

3. Fehlende Zustimmungserklärung der Klägerin zur Umgangsbestimmung am 21. September 2012

4. Falschangaben des Kindesvaters

5. Angaben zum unbefristeten Wechselmodell

6. Angaben, inwieweit das Jugendamt des Beklagten falsch gehandelt hat.

Mit Bescheid vom 30. November 2016 gewährte der Beklagte der Klägerin daraufhin gemäß § 83 Abs. 1 SGB X Auskunft über die in den Verfahrensakten zu ihrer Person gespeicherten Sozialdaten, lehnte das Akteneinsichtsbegehren im Übrigen aber ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass Akteneinsicht nach § 25 Abs. 1 S. 1 SGB X lediglich in Unterlagen gewährt werden könne, die Bestandteile eines Verwaltungsverfahrens im Sinne des § 8 SGB X seien. Das Einsichtsbegehren der Klägerin beziehe sich demgegenüber auf Unterlagen, die zum einen die Mitwirkung des Jugendamtes vor den Familiengerichten nach § 50 SGB VIII und zum anderen die Prüfung einer Kindeswohlgefährdung nach § 8 a SGB VIII beträfen. Um Verwaltungsverfahren im Sinne des § 8 SGB X handele es sich hierbei nicht. Soweit möglicherweise Unterlagen existierten, die Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens bspw. zur Gewährung von Hilfen zur Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII sein könnten, stehe einem Akteneinsichtsanspruch nach § 25 Abs. 1 S. 1 SGB X jedenfalls entgegen, dass sämtliche Verfahren bereits abgeschlossen seien. Der Klägerin könne im Übrigen auch keine Einsicht im Ermessenswege gewährt werden, da nicht ersichtlich sei, inwiefern die Einsichtnahme zur Geltendmachung der rechtlichen Interessen der Klägerin erforderlich sei, zumal ihr die Unterlagen als Bestandteil der familiengerichtlichen Verfahren ohnehin bereits zur Kenntnis gelangt seien. Einem Einsichtsanspruch auf Grundlage von § 1 AIG stehe schließlich der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AIG entgegen, da durch die Gewährung der Akteneinsicht personenbezogene Daten offenbar würden, ohne dass eine Einwilligung der Betroffenen vorliege. Nach § 83 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB X habe das Jugendamt daher lediglich Auskunft über die zur Klägerin gespeicherten Sozialdaten erteilen können.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 27. Dezember 2016 mit der Begründung Widerspruch, dass die nach § 24 SGB X erforderliche Anhörung nicht stattgefunden und ein Verwaltungsverfahren im Sinne des § 8 SGB X fortdauernd vorgelegen habe.

Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2017, zugestellt am 28. Januar 2017, zurück.

Mit der am 27. Februar 2017 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Ihr stehe der geltend gemachte Einsichtsanspruch aus § 25 Abs. 1 SGB X zu. Der Beklagte irre, soweit er davon ausgehe, dass die Unterlagen zur Prüfung einer Kindeswohlgefährdung gemäß § 8 a SGB VIII kein Verwaltungsverfahren beträfen. Dass Teile der Leistungsakten des Jugendamtes möglicherweise auch im Rahmen von dessen Mitwirkung im familiengerichtlichen Verfahren nach § 50 SGB VIII Bedeutung erlangt hätten, ändere nichts daran, dass die entsprechenden Aktenbestandteile ursprünglich einem Verwaltungsverfahren zuzuordnen seien. Diesbezügliche Unterlagen müssten im Sinne einer ordnungsgemäßen Aktenführung ggf. in Kopie zu beiden Akten genommen werden. Im Übrigen ergebe sich auch aus § 83 SGB X ein Auskunftsanspruch hinsichtlich der Daten ihrer Kinder und des Kindesvaters, da diese Daten einen mittelbaren Bezug zu ihr selbst aufwiesen. Als Mutter stehe ihr schließlich aus Art. 6 des Grundgesetzes (GG) ein Anspruch auf Information über ihre Kinder zu.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

1. ihr unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 30. November 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2017 Akteneinsicht in die die minderjährigen Kinder L..., geb. 06.09.2006, und L..., geb. 30.06.2009, betreffenden Leistungsakten des Jugendamtes über die Gewährung von Hilfen zur Erziehung gemäß §§ 8 a, 27 ff. SGB VIII in Form der Übersendung der betreffenden Akten im Original an die Kanzlei der Bevollmächtigten der Klägerin, hilfsweise durch Übersendung an das Jugendamt Stadt S..., B..., 9..., zur dortigen Einsichtnahme, zu gewähren.

2. hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, ihr gemäß § 83 SGB X alle in den die minderjährigen Kinder L..., geb. 06.09.2006, und L..., geb. 30.06.2009, betreffenden Leistungsakten des Jugendamtes über die Gewährung von Hilfen zur Erziehung gemäß §§ 8 a, 27 ff. SGB VIII befindlichen Daten der beiden Kinder und des Kindesvaters in Ablichtung zur Verfügung zu stellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein Vorbringen aus den angegriffenen Bescheiden und führt ergänzend wie folgt aus: Soweit Aktenbestandteile im Rahmen der Mitwirkung des Jugendamtes im familiengerichtlichen Verfahren angelegt worden seien, könne die Klage schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht insoweit nach § 13 des Familienverfahrensgesetzes (FamFG) allein dem Familiengericht zustehe. Ungeachtet der in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen stünden einem Anspruch der Klägerin auf Akteneinsicht zudem auch die Regelungen über den Sozialdatenschutz entgegen. Denn das Einsichtsbegehren betreffe Sozialdaten Dritter, zu deren Weitergabe des Jugendamt mangels Einwilligung nicht befugt sei.

Die Klägerin hat einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt, den die vormals zuständige 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Cottbus abgelehnt hat. Im Rahmen des diesbezüglichen Abhilfeverfahrens hat das Gericht den Beteiligten mitgeteilt, dass die Erfolgsaussichten der Klage wohl als offen anzusehen seien, sofern eine Einwilligung der von der Einsichtnahme betroffenen Personen nicht eingeholt worden sei. Der Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 15. Mai 2018 zunächst erklärt, dass eine Einwilligung nicht eingeholt worden sei. Mit Schriftsatz vom 18. Juni 2020 hat der Beklagte eine E-Mail des Kindesvaters vom 15. Mai 2018 vorgelegt, in der dieser auf entsprechende Nachfrage gegenüber dem Jugendamt erklärt hat, gegen eine Einsichtnahme der Klägerin zu sein.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte zum vorliegenden Verfahren sowie den seitens des Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang (1 Heft) verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage bleibt sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag ohne Erfolg.

Der Bescheid des Beklagten vom 30. November 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung der beantragten Akteneinsicht und Auskunft (vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).

In dem für die vorliegende Verpflichtungsklage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung steht der Klägerin zunächst ein Anspruch auf Gewährung der mit dem Hauptantrag begehrten Einsicht in die Leistungsakten des Jugendamtes nicht zu.

Dabei kann dahinstehen, ob § 13 FamFG andere Akteneinsichtsansprüche verdrängt, soweit Jugendamtsakten betroffen sind, die das Jugendamt zum Zwecke der Unterstützung und Mitwirkung im familiengerichtlichen Verfahren nach § 50 SGB VIII angelegt hat, ob also die Klägerin ein Einsichtsrecht insoweit überhaupt vor dem Verwaltungsgericht erstreiten könnte oder ob sie sich nicht vielmehr – auch nach Abschluss des familiengerichtlichen Verfahrens – an das Familiengericht wenden müsste (vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 3. März 2014 – 20 F 12/13 –, juris Rn. 7; Bayerischer VGH, Beschluss vom 2. Dezember 2011 – 12 ZB 11.1386 –, juris Rn. 10; VG Köln, Urteil vom 13. Dezember 2017 – 26 K 134/17 –, juris Rn. 61 ff.; VG Karlsruhe, Beschluss vom 10. Oktober 2012 – 4 K 2344/12 –, juris Rn. 20). Denn die Klägerin hat ihr Einsichtsbegehren jedenfalls im Klageverfahren abschließend dahingehend konkretisiert, dass es nur diejenigen Aktenbestandteile betreffen soll, die im Rahmen der Prüfung einer Kindeswohlgefährdung nach § 8 a SGB VIII und betreffend die Gewährung von Hilfen zur Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII angelegt worden sind. Hierdurch ist die Ablehnung des Akteneinsichtsanspruchs seitens des Beklagten bestandskräftig geworden, soweit sie ausschließlich im Rahmen der Mitwirkung im familiengerichtlichen Verfahren nach § 50 SGB XIII angelegte Vorgänge betroffen haben sollte.

Ein Anspruch der Klägerin auf die begehre Akteneinsicht ergibt sich nicht aus § 25 Abs. 1 S. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Das nach dieser Vorschrift eingeräumte Akteneinsichtsrecht setzt ein laufendes Verwaltungsverfahrens voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2003 – 5 C 48.02 –, juris Rn. 27), so dass es auf die zwischen den Beteiligten strittige Frage, ob ein auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtetes Verwaltungsverfahren im Sinne des § 8 SGB X in der Vergangenheit vorlag, nicht ankommt. Denn jedenfalls sind etwaige Verwaltungsverfahren, die das Jugendamt des Beklagten als Träger der Jugendhilfe geführt haben mag, nach dem von der Klägerin nicht substantiiert in Zweifel gezogenen Vortrag des Beklagten zwischenzeitlich abgeschlossen.

Aus § 1 des Brandenburgischen Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes (AIG) lässt sich ein Einsichtsanspruch ebenfalls nicht herleiten. Danach hat jeder nach Maßgabe des Gesetzes das Recht auf Einsicht in Akten, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen nach §§ 4 und 5 AIG entgegenstehen oder andere Rechtsvorschriften bereichsspezifische Regelungen für einen unbeschränkten Personenkreis enthalten.

Danach scheitert der Anspruch allerdings nicht bereits daran, dass das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz vorliegend keine Anwendung fände.

Eine entsprechende Regelung, die dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz als bereichsspezifische Regelung vorgeht und seine Anwendung von vorn herein ausschließt, ergibt sich insbesondere nicht aus § 25 Abs. 1 S. 1 SGB X.

Insoweit ist ein Einsichtsrecht nach § 1 AIG angesichts der Regelung des § 2 Abs. 4 AIG zwar während des laufenden Verwaltungsverfahrens, nicht jedoch nach dessen Abschluss ausgeschlossen. Denn anders als das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz, das allen natürlichen Personen unterschiedslos ohne das Anknüpfen an bestimmte Bedingungen vom Grundsatz her einen allgemeinen Zugangsanspruch zu Informationen einräumt, gewährt § 25 Abs. 1 SGB X eine Akteneinsicht nur den an einem Verwaltungsverfahren Beteiligten und steht damit gerade keinem unbeschränkten Personenkreis offen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Juli 2016 – OVG 12 B 33.14 –, juris Rn. 12; für das nordrhein-westfälische Recht vgl. auch OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31. Januar 2005 – 21 E 1487/04 –, juris Rn. 20).

Auch der Umstand, dass die Akten, in die die Klägerin Einsicht begehrt, besonders geschützte Sozialdaten im Sinne der §§ 67 ff. SGB X bzw. des § 65 Abs. 1 S. 1 SGB VIII enthalten mögen, führt nicht bereits zur Nichtanwendbarkeit des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes (a.A. für das nordrhein-westfälische Recht ausdrücklich: VG Aachen, Urteil vom 27. Juni 2012 – 8 K 1026/08 –, juris Rn. 49 ff.).

Richtig ist allerdings, dass insbesondere das besondere Weitergabeverbot des § 65 Abs. 1 S. 1 SGB VIII in seinem Anwendungsbereich der Gewährung von Akteneinsicht ungeachtet der insoweit in Betracht kommenden Rechtsgrundlage eine absolute Grenze setzt (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 01. Juni 2011 – 12 C 10.1510 –, juris Rn. 6; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. März 2008 – 12 E 115/08 –, juris Rn. 8).

Dies führt zur Überzeugung der Kammer indes nicht dazu, dass bereits die Anwendung des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes ausgeschlossen ist.

Denn zum einen sieht das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz mit der Regelung des § 4 Abs. 3 ausdrücklich die Berücksichtigung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten vor. Dieser Regelung hätte es nicht bedurft, wenn man davon ausginge, dass der Anwendungsbereich des Gesetzes im Falle solcher Geheimhaltungspflichten von vorn herein nicht eröffnet wäre.

Vor dem Hintergrund dessen, dass Geheimhaltungsinteressen im Rahmen der in §§ 4 und 5 AIG geregelten Ausschlussgründe ohnehin Rechnung getragen werden muss, werden durch die Anwendung des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes auch im Bereich der Sozialdaten keine unbilligen Ergebnisse erzielt. Im Gegenteil könnte die Nichtanwendung des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz im Bereich besonders geschützter Sozialdaten im Einzelfall dazu führen, dass Akteneinsicht mangels zur Verfügung stehender Anspruchsgrundlage selbst bei Einwilligung des Anvertrauenden nicht gewährt werden müsste. Es gibt aber keinen Grund dafür und dürfte im Übrigen auch der Intention des Gesetzgebers widersprechen, das allgemeine Informationsrecht des § 1 AIG weiter einzuschränken, als es nach § 65 Abs. 1 S. 1 SGB VIII erforderlich ist.

Auch wenn § 1 AIG danach Anwendung findet, so hat die Klägerin gleichwohl keinen Anspruch auf die begehrte Akteneinsicht. Denn insoweit weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass der Gewährung von Akteneinsicht die Ausschlussgründe des § 4 Abs. 3 AIG und des § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AIG entgegenstehen, weil die betroffenen Akten besonders geschützte Sozialdaten enthalten und eine entsprechende Einwilligung nicht erteilt worden ist.

Nach § 4 Abs. 3 AIG bleiben die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufs- oder sonstigen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, unberührt.

Eine gesetzliche Geheimhaltungspflicht in diesem Sinne begründet § 65 Abs. 1 S. 1 SGB VIII im Rahmen seines Anwendungsbereichs (vgl. VG Potsdam, Beschluss vom 2. Dezember 2016 – VG 9 L 1351/16 –, S. 5 BA).

Nach § 65 Abs. 1 SGB VIII besteht in der persönlichen und erzieherischen Hilfe ein besonderer Vertrauensschutz. Sozialdaten, die dem Mitarbeiter eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe zum Zwecke persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind, dürfen von diesem nach § 65 Abs. 1 S. 1 SGB VIII nur weitergegeben oder übermittelt werden mit der Einwilligung dessen, der die Daten anvertraut hat (Nr. 1) oder unter bestimmten weiteren – hier nicht vorliegenden – Voraussetzungen (Nr. 2 bis Nr. 5).

Nach § 67 Abs. 2 SGB X sind Sozialdaten personenbezogene Daten (Art. 4 Nr. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Warenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO), die von einer in § 35 SGB I genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch verarbeitet werden. Nach Art. 4 Nr. 1 der DSGVO wiederum sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf identifizierte und identifizierbare natürliche Personen beziehen.

Die Formulierung ist im Sinne der Intention des Verordnungsgebers, prinzipiell jede Information mit Bezug zu einer natürlichen Person für schutzwürdig zu erklären, weit zu verstehen. Objekt des Datenschutzes ist danach nicht nur die einzelne Information über den Betroffenen selbst, sondern auch ein Sachverhalt mit Bezug zu diesem (vgl. Leopold, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 108. EL März 2020, § 67 SGB X Rn. 6). Von der Begriffsbestimmung umfasst wird daher auch der Inhalt einer Aussage jedenfalls dann, wenn dieser Rückschlüsse auf die betroffene Person zulässt (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 14. Dezember 2009 – 13 A 1158/08 –, juris Rn. 15; VG Göttingen, Urteil vom 09. Februar 2006 – 2 A 199/05 –, Rn. 17, juris).

Neben dem dargestellten persönlichen Bezug setzt der Begriff der Sozialdaten in § 67 Abs. 2 SGB X einen sachlichen Bezug zum Leistungsträger voraus. Erforderlich ist, dass der Leistungsträger die personenbezogenen Daten im Rahmen seiner sozialrechtlichen Aufgabenerfüllung verarbeitet (vgl. Fromm, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Auflage, Stand: 22. Juli 2019, § 67 SGB X Rn. 64 f.).

§ 65 Abs. 1 SGB VIII greift zudem nur dann ein, wenn die Information „zum Zweck persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut“ worden ist.

Der Begriff der „persönlichen und erzieherischen Hilfe knüpft dabei nicht etwa an die „Hilfe zur Erziehung“ gemäß §§ 27 ff. an, sondern an § 11 S. 2 SGB I. Dort wird die persönliche und erzieherische Hilfe – in Abgrenzung zu Sach- und Geldleistungen – den Dienstleistungen zugeordnet (vgl. Mörsberger, in: Wiesner, SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, 5. Auflage 2015, § 65 Rn. 9). Es muss sich also um Sozialdaten handeln, die dem Mitarbeiter des Jugendamtes mitgeteilt worden sind, damit das Jugendamt aufgrund dieser Daten individuelle Hilfe leistet, die nicht bloß wirtschaftlicher oder administrativer Art ist (vgl. Kunkel, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 7. Auflage 2018, § 65 Rn. 7).

Anvertraut sind Daten, die einem Mitarbeiter des Jugendamtes in der Erwartung mitgeteilt worden sind, dass sie Dritten nicht zugänglich sind (vgl. Kunkel, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 7. Auflage 2018, § 65 Rn. 8), wobei es nicht darauf ankommt, dass die Informationen ausdrücklich „unter dem Siegel der Verschwiegenheit“ gegeben wurden. Ausreichend ist vielmehr, dass das Bedürfnis nach Verschwiegenheit aus dem Zusammenhang erkennbar ist (vgl. VG Göttingen, Urteil vom 9. Februar 2006 – 2 A 199/05 –, juris Rn. 18; Mörsberger, in: Wiesner, SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, 5. Auflage 2015, § 65 Rn. 12).

Dies zugrunde gelegt, greift der besondere Sozialdatenschutz des § 65 Abs. 1 SGB VIII vorliegend hinsichtlich aller Unterlagen, die die Kinder der Klägerin bzw. den Kindesvater betreffen oder mittelbar Rückschlüsse auf diese zulassen wie insbesondere deren inhaltliche Angaben gegenüber dem Mitarbeiter des Jugendamtes des Beklagten. Angesichts dessen, dass das Begehren der Klägerin auf die Einsicht in die Originalverwaltungsvorgänge gerichtet ist, die die Prüfung einer Kindeswohlgefährdung nach § 8 a SGB VIII sowie die Gewährung von Hilfen zur Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII betreffen, dürfte dies für nahezu sämtliche Aktenbestandteile gelten (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. März 2008 – 12 E 115/08 –, Rn. 16, juris; VG Würzburg, Urteil vom 26. Januar 2017 – W 3 K 16.885 –, juris Rn. 36; VG Karlsruhe, Beschluss vom 10. Oktober 2012 – 4 K 2344/12 –, juris Rn. 24; zu Angaben im Rahmen der Prüfung einer Kindeswohlgefährdung nach § 8 a SGB VIII vgl. auch: Schleswig-Holsteinisches VG, Urteil vom 11. Mai 2009 – 15 A 160/08 –, juris Rn. 22). Gerade in Beratungssituationen nach §§ 16 ff. SGB VIII und bei allen Formen der Hilfe zur Erziehung nach 27 ff. §§ SGB VIII baut die konkrete Fachkraft im Jugendamt ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Leistungsempfänger auf, in dessen Rahmen es regelmäßig zur Übermittlung von intimen Informationen kommt, die einer Offenbarung gleichkommen (vgl. Fazekas, in: BeckOGK, Stand: 1. November 2019, SGB VIII, § 65 Rn. 6). Insoweit ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass sich die offenbarende Person – hier der Kindesvater bzw. die Kinder der Klägerin – darauf verlässt, dass die von ihr offenbarten Informationen nicht weitergegeben werden. Erst recht gilt dies für Informationen, die dem Mitarbeiter des Jugendamtes im Zusammenhang mit der Prüfung einer Kindeswohlgefährdung mitgeteilt werden (das es sich hierbei um anvertraute Daten handeln kann, zeigt im Übrigen auch schon § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VIII).

Ob es daneben im vorliegenden Fall einzelne Aktenbestandteile gibt, die nicht § 65 Abs. 1 SGB VIII unterliegen und in die der Beklagte nicht bereits Einsicht gewährt hat, kann dahinstehen. Denn der Antrag der Klägerin ist ausdrücklich auf Einsichtnahme in die vollständige Akte und gerade nicht auf die Zurverfügungstellung einer geschwärzten Kopie oder derjenigen Teile gerichtet, die nicht anvertraute Informationen im Sinne des § 65 Abs. 1 S. 1 SGB VIII enthalten.

Soweit schließlich die Klägerin dem hier gefunden Ergebnis unter Berufung auf eine Veröffentlichung von B... in der Neuen Juristischen Wochenschrift („Anvertraute“ Sozialdaten und kindbezogener Elternstreit, NJW 2012, 2321 ff.) entgegenhält, dass § 65 SGB VIII und insbesondere der Begriff „anvertraut“ enger verstanden werden müssten, folgt das Gericht dem im Einklang mit der übrigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht. Dass § 65 SGB VIII damit im Jugendhilferecht regelmäßig zu einer – so Kuchler – „vollständigen Übermittlungssperre“ führt, mag zutreffen, ist als Folge der in § 65 SGB VIII getroffenen gesetzgeberischen Wertung zur Überzeugung der Kammer aber hinzunehmen.

Mit § 65 Abs. 1 S. 1 SGB VIII hat der Gesetzgeber den Datenschutz im Jugendhilferecht höher gewichtet als das nachvollziehbare Interesse von Betroffenen, sich über Behördeninformanten zu informieren, um sich insbesondere gegen eventuelle Falschbehauptung wehren können. Diese Entscheidung erweist sich entgegen der wohl von der Klägerin vertretenen Auffassung auch mit Blick auf das ihr zustehende Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 des Grundgesetzes (GG) für vertretbar. Der Regelung liegt die Erwägung zugrunde, dass die Jugendämter auf die Anzeige von Verdachtsfällen durch Personen, die sich um das Wohlergehen von Kindern oder Jugendlichen sorgen, angewiesen sind, um zum Schutz der jungen Menschen eingreifen zu können. Die Tatsache, dass gerade nahestehende Personen wie Verwandte, Nachbarn, Freunde oder auch Familienangehörige über den dafür notwendigen Einblick in familieninterne Konfliktlagen verfügen, macht es nachvollziehbar, dass eine solche Anzeige entweder gänzlich anonym oder aber unter Angabe von Personendaten unter der Zusicherung erfolgt, dass diese vom Jugendamt nicht weitergegeben werden. Könnten die Jugendämter diese Vertraulichkeit nicht garantieren, wären sie eines wichtigen Mittels beraubt, um eventuelle familiäre Probleme rechtzeitig zu entdecken und zu lösen (VG Oldenburg, Urteil vom 14. Dezember 2009 – 13 A 1158/08 –, Rn. 16, juris; vgl. auch VG Karlsruhe, Beschluss vom 10. Oktober 2012 – 4 K 2344/12 –, juris Rn. 21 ff.; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. März 2008 – 12 E 115/08 –, juris Rn. 11).

Nach alledem könnte die beantragte Akteneinsicht der Klägerin ungeachtet der auf ihrer Seite bestehenden Interessen nur gewährt werden, wenn der Kindesvater im eigenen Namen sowie im Namen der Kinder insoweit seine Einwilligung erteilt hätte. Dies ist im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht der Fall. Vielmehr ist aufgrund der nunmehr seitens des Beklagten vorgelegten Erklärung des Kindesvaters aus Mai 2018 davon auszugehen, dass dieser seine Zustimmung verweigert hat. Anhaltspunkte für die Annahme, dass sich dies zwischenzeitlich geändert haben könnte, liegen der Kammer nicht vor.

Im Übrigen steht dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auch der allgemeine Sozialdatenschutz entgegen.

Nach § 67 b Abs. 1 S. 1 SGB X ist u.a. die Übermittlung von Sozialdaten nur zulässig, soweit die nachfolgenden Vorschriften oder eine andere Rechtsvorschrift in diesem Gesetzbuch es erlauben oder anordnen. Diese Vorschrift schützt die Sozialdaten nicht nur vor einer Preisgabe innerhalb des öffentlichen Bereiches, sondern auch gegenüber anderen Privatpersonen, und zwar erst recht, da sie nicht den besonderen Geheimhaltungspflichten unterliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2003 – 5 C 48/02 –, juris Rn. 29). Da die Übermittlungsbefugnisse der §§ 68 – 77 SGB X nicht vorliegen, kommt eine Übermittlung auch insoweit nur mit der Einwilligung des Kindesvaters in Betracht (§ 67 b Abs. 2 SGB X i.V.m. Art. 6 Abs. 1 lit. a) und Art. 7 DSGVO), an der es hier fehlt.

Schließlich liegt auch der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AIG vor. Danach ist der Antrag auf Akteneinsicht vorbehaltlich des – hier nicht einschlägigen – Satzes 2 und der Absätze 2 und 3 der Vorschrift abzulehnen, soweit personenbezogene Daten offenbart würden, es sei denn, die betroffene Person hat der Offenbarung zugestimmt oder die Offenbarung ist durch eine andere Rechtsvorschrift erlaubt.

Auch mit dem Hilfsantrag bleibt die Klage ohne Erfolg.

Zu Unrecht beruft sich die Klägerin insoweit auf § 83 Abs. 1 SGB X i.V.m. Art 15 DSGVO. Der danach bestehende Auskunftsanspruch besteht ausweislich des eindeutigen Wortlauts der Datenschutz-Grundverordnung nur im Hinblick auf die zur eigenen Person gespeicherten Daten. Insoweit ist der Klägerin seitens des Jugendamtes des Beklagten bereits Auskunft gewährt worden. Weitere Auskunft über die Daten ihrer Kinder und derjenigen des Kindesvaters kann die Klägerin auf Grundlage von § 83 SGB X nicht verlangen (vgl. VG Köln, Urteil vom 13. Dezember 2017 – 26 K 134/17 –, juris Rn. 97; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. März 2008 – 12 E 115/08 –, juris Rn. 3 ff.).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 188 S. 2 1. Hs. VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188 S. 2 1. Hs. VwGO gerichtskostenfrei, da die Daten und Akten, in die die Klägerin Einsicht begehrt, im Rahmen jugendhilferechtlicher Verwaltungsverfahren angelegt wurden. Insoweit handelt es sich bei dem Verfahren auf die Gewährung von Akteneinsicht ungeachtet der insoweit in Betracht kommenden Rechtsgrundlage um ein Nebenverfahren der Jugendhilfe (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. März 2008 – 12 E 115/08 –, juris Rn. 20 f.). Dieser Einschätzung steht die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg nicht entgegen. Danach findet § 188 S. 2 1. Hs. VwGO lediglich in selbstständigen Akteneinsichtsverfahren, die sich gegen nicht am Jugendhilfeverfahren beteiligte Dritte richten und auf das allgemeine Akteneinsichtsrecht nach den Vorschriften des brandenburgischen Akteneinsichts- und Informationsfreiheitsgesetz gestützt sind, keine Anwendung (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Juli 2011 – OVG 12 L 42.11 –, juris Rn. 2). Zwar hat sich die Klägerin vorliegend auch auf das allgemeine Akteneinsichtsrecht berufen. Allerdings handelt es sich nicht um ein Verfahren gegen am Jugendhilfeverfahren nicht beteiligte Dritte. Im Übrigen vermag auch die Berufung auf das allgemeine Akteneinsichtsrecht nichts daran zu ändern, dass das Einsichtsbegehren auf Akten bzw. Daten gerichtet ist, die der Jugendhilfeträger im Rahmen des jugendhilferechtlichen Verwaltungsverfahren angelegt bzw. gespeichert hat. Zu demselben Ergebnis gelangt man im Übrigen, wenn man darauf abstellt, dass es streitentscheidend auf das Vorliegen des Weitergabeverbotes des § 65 Abs. 1 S. 1 SGB VIII ankommt und es sich deshalb der Sache nach um eine Streitigkeit nach dem SGB VIII, namentlich des Kinder- und Jugendhilferechts handelt (so: VG Karlsruhe, Beschluss vom 10. Oktober 2012 – 4 K 2344/12 –, juris Rn. 28 ff.).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 VwGO.