Gericht | SG Cottbus 14. Kammer | Entscheidungsdatum | 07.03.2011 | |
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Aktenzeichen | S 14 AS 712/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 7 Abs 1 S 2 SGB 2, § 1 Abs 1 AsyllbLG, § 28 Abs 1 S 1 Nr 1 AufenthG |
Zur Frage des Ausschlusses von Leistungen der Grundsicherung (ALG II) bei Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
I. Die Klage wird, soweit diese über das Teilanerkenntnis vom 07. März 2011 hinausgeht, abgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 20/91.
Die Beteiligten streiten (noch) über die Frage, ob der Klägerin Leistungen nach dem Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) für den Zeitraum 01. April 2010 bis 09. Juni 2010 zustehen.
Die Klägerin bezog Leistungen von dem Beklagten. Sie ist russische Staatsangehörige und in die Bundesrepublik eingereist nachdem sie ihren deutschen Ehemann kennen gelernt hatte. Die beiden schlossen eine Ehe. Zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann kam es zu Auseinandersetzungen, die darin gipfelten, dass die Klägerin in ein Frauenhaus zog und nun ein Scheidungsverfahren anhängig ist. Die Klägerin ist seit April 2010 Mutter des Kindes M B.
Die Klägerin erhielt zunächst einen Aufenthaltstitel nach § 28 Absatz 1 S. 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Der Ehemann der Klägerin gab gegenüber der Ausländerbehörde an, dass die Klägerin unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in die Bundesrepublik eingereist sei und die Ehe nur zum Schein geschlossen worden wäre. Er sei insofern selber von der Klägerin getäuscht worden. Mit Bescheid vom 25. Februar 2010 wurde dieser Titel „aufgehoben“ (wörtlich: nachträglich befristet). Die Klägerin wurde aufgefordert die Bundesrepublik zu verlassen. Diese Aufforderung wurde für sofort vollziehbar erklärt. Hiergegen wurde einstweiliger Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht Cottbus (Az.: ) beantragt. Die Klägerin bezog dann Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Unter dem 10. Juni 2010 wurde der Klägerin ein Aufenthaltstitel nach § 28 Absatz 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG zugesprochen. Sowohl das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren, als auch der Widerspruch gegen die Ausländerbehörde in der Hauptsache wurden darauf hin für erledigt erklärt.
Der Beklagte hob zunächst mit Bescheid vom 05. März 2010 die Leistungsbewilligung gegenüber der Klägerin allein für die Zukunft auf. Eine Aufhebung für die Vergangenheit erfolgte nicht.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06. April 2010 zurückgewiesen.
Mit ihrer am 04. Mai 200 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Auffassung, dass nur rechtmäßig gewährte Leistungen nach dem AslybLG die Berechtigung nach dem SGB II ausschließen könnten. Insofern sei zu berücksichtigen, dass die Entscheidung der Ausländerbehörde sie zur Ausreise zu verpflichten rechtswidrig gewesen sein solle.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 05.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2010 aufzuheben und der Klägerin für den Zeitraum 01. April 2010 bis 09. Juni 2010 Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide.
Unter dem 02. März 2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum 10. Juni 2010 bis 30. Juni 2010 Leistungen nach dem SGB II.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, sowie auf die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die bei der Entscheidungsfindung Berücksichtigung gefunden haben.
I.
Die Klage ist zulässig aber nicht begründet. Der Bescheid vom 05. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. April 2010 ist, nach Erlass der Bewilligung vom 02. März 2011 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II in der Zeit vom 01. April 2010 bis zum 09. Juni 2010.
1.
Ein Bescheid kann, mit Wirkung für die Vergangenheit, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Voraussetzungen des § 45 Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) zurückgenommen werden, wenn die Rechtswidrigkeit schon bei der Antragsstellung vorlag. Oder unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X, regelmäßig mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der tatsächlichen, bzw. rechtlichen Gegebenheiten, aufgehoben werden.
Unabhängig von der Rechtsgrundlage ist eine Aufhebungsfrist von einem Jahr, ab Kenntnis der entscheidungserheblichen Tatsachen einzuhalten (§ 45 Absatz 4 Satz 2 SGB X, bzw. § 48 Absatz 4 Satz 1 SGB X).
Diese Jahresfrist ist hier offenkundig gewahrt.
Die Aufhebung richtet sich nach § 48 SGB X. § 48 SGB X erfasst die Fälle der nachträglichen Änderung von Tatsachen oder rechtlichen Umständen (vgl. oben). Nachträglich ist die Veränderung dann, wenn bei dem Erlass des aufzuhebenden Bescheides eine andere Tatsachen/Rechtslage vorliegt als zurzeit nach der Bekanntgabe des Bescheides.
2.
Hier hat sich der Aufenthaltsstatus der Klägerin nachträglich verändert. Die Klägerin hat dadurch Leistungen nach dem AsylbLG erhalten. Hinsichtlich der persönlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II gilt § 7 SGB II. Hierin ist geregelt, wer Berechtigter im Sinne des SGB II ist. § 7 Absatz 1 S. 2 SGB II bestimmt insofern Ausnahmen von der grds. Berechtigung (die bei der Klägerin unstreitig zunächst vorgelegen hat). Die Reglung schließt Ausländer von Leistungen nach dem SGB II aus. Hierbei werden nicht generell alle Ausländer ausgeschlossen, sondern in den Nummern 1 bis 3 weitere Voraussetzungen für den Ausschluss aufgestellt. Die Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 sind vorliegend nicht erfüllt.
Die Voraussetzung der Nummer 3 beinhaltet alleine einen Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG. Entsteht der Anspruch auf Leistungen nach dem AyslbLG fällt ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II weg. Dieser kann wieder aufleben, wenn die Leistungen nach dem AsylbLG aufgehoben werden. Die Klägerin war auf Grund der Reglung des § 1 Absatz 1 Nr. 5 AsylbLG Berechtigte von Leistungen nach dem AslbLG. Damit ist ihre Berechtigung für die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II (zunächst) entfallen. Die Nr. 5 im § 1 Absatz 1 AsylbLG setzt dabei nicht die Rechtmäßigkeit der vollziehbaren Ausreiseverpflichtung voraus, sondern alleine deren „formelles“ Bestehen. Die Leistungen nach dem AsylbLG werden denjenigen, die die Überprüfung eben jener Ausreiseverpflichtung anstreben gewährt, unter anderem für die Dauer dieses Verfahrens. Der Gesetzgeber hat mit dem Ausschlussgrund der Berechtigung von Empfang von Leistungen nach dem AsylbLG eine Wertentscheidung getroffen welche Leistungen für welchen Verfahrensstand zu gewähren sind. Diese gesetzgeberische Entscheidung ist zu Gunsten der Leistungen nach dem AsylbLG ausgefallen.
Die Argumentation des Bevollmächtigten, dies hätte zur Folge, dass willkürlich Leistungen nach dem AsylbLG „verteilt“ werden könnten um damit Ausländer aus dem Bezug vom Leistungen nach dem SGB II auszuschließen, ist nicht nachvollziehbar. Auch bei der „Vergabe“ von Leistungen nach dem AsylbLG ist die jeweilige Behörde an den Grundsatz der Rechtsmäßigkeit der Verwaltung (Artikel 200 Absatz 3 Grundgesetz) gebunden. Soweit grundrechtswidrige Willkür für die Vergabe von Leistungen nach dem AsylbLG verantwortlich war, könnte die Argumentation des Bevollmächtigten noch gehört werden, dies war hier aber nicht der Fall. Unter den Beteiligten des Aufenthaltsrechtsstreites war ein ganz normales Verfahren anhängig, das nicht von Willkür geprägt war, sondern durch die Angaben des Ehemannes der Klägerin veranlasst war.
Eine teleologische Auslegung des Wortlautes des § 7 SGB II, dahingehend, dass eine ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung die Rechtmäßigkeit des Bezuges von Leistungen nach dem AsylbLG sein müsse, erscheint hier nicht geboten. Der Gesetzgeber hat insofern geregelt, dass für die Dauer des Bezuges von Leistungen nach dem AsylbLG, ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist (vgl. dazu auch BSG B 14 AS 24/07 ER). So hat es sich hier in der Zeit vom 01. April 2010 bis zum 09. Juni 2010 auch verhalten.
Mit der Änderung des Aufenthaltstitels der Klägerin fiel deren Berechtigung nach dem AsylbLG weg, so dass die Beklagte in rechtlich nicht zu beanstandender Weise mit dem Bescheid vom 02. März 2011 der Klägerin hier wieder Leistungen nach dem SGB II bewilligt hat.
3.
Die Übrigen Voraussetzungen für die Aufhebung in der Zukunft lagen nach § 48 SGB X vor, es bestehen auch keine formellen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Aufhebung für die Zukunft.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht der Entscheidung in der Hauptsache.