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Entscheidung 10 WF 111/18


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 14.05.2019
Aktenzeichen 10 WF 111/18 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2019:0514.10WF111.18.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 25.07.2018 gegen die Kostenentscheidung im Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 03.07.2018 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf zwischen 8001 € und 9000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Es kann dahinstehen, ob die Beschwerde zulässig ist.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Kostenentscheidung, welche das Amtsgericht im Rahmen des Scheidungsverbundbeschlusses auf der Grundlage von § 150 FamFG erlassen hat. Es handelt sich mithin um eine Kostenentscheidung, die in einer Ehesache ergangen ist. In Ehesachen und Familienstreitsachen ist Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung im Falle von Antragsrücknahme, Erledigung oder Anerkenntnis die sofortige Beschwerde, die binnen zwei Wochen nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung einzulegen ist, § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. §§ 269 Abs. 5 ZPO, 91 Abs. 2, 99 Abs. 2, 569 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, NJW 2011, 3654 = FamRZ 2011, 1933; Schael, FPR 2009, 11,12 ff. a. A. noch OLG Bremen, Beschluss vom 18.04.2011 – 4 WF 23/11, FamRZ 2011, 1615). Ein isoliertes Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung ist hingegen dann nicht gegeben, wenn das Amtsgericht eine Entscheidung in der Hauptsache getroffen hat, §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 99 Abs. 1 ZPO (Keidel/Weber, FamFG, 19. Aufl., § 150 Rn. 17; Verfahrenshandbuch Familiensachen – FamVerf -/Große-Boymann, 2. Aufl., § 1 Rn. 522; N. Schneider, FamFR 2010,17). Dies spricht – worauf der Senat bereits durch Verfügung vom 20.08.2018 hingewiesen hat – grundsätzlich dafür, dass der Antragsteller, der ein Rechtsmittel weder gegen den Scheidungsausspruch noch gegen die Entscheidung in der Folgesache über den Versorgungsausgleich eingelegt hat, ein zulässiges Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung nicht einlegen kann.

Allerdings hat der Bundesgerichtshof (BGH) auf der Grundlage des früheren § 93 a ZPO, der im Wesentlichen der seit dem 01.09.2009 geltenden Vorschrift des § 150 FamFG entspricht, entschieden, dass auch eine einheitliche Kostenentscheidung insoweit isoliert anfechtbar sei, als sie neben dem Obsiegen und Unterliegen in dem zur Hauptsache entschiedenen Teil auch auf einer teilweisen Rücknahme, einer teilweisen Erledigung oder einem teilweisen Anerkenntnis beruht, so genannte gemischte Kostenentscheidung (BGH, Beschluss vom 28.02.2007 – XII ZB 165/06, FamRZ 2007, 893 Rn. 8). In dem dort entschiedenen Fall hatte ein Ehegatte seinen Antrag auf nachehelichen Unterhalt als Folgesache zurückgenommen, so dass das Amtsgericht nur noch die Scheidung auszusprechen und den Versorgungsausgleich durchzuführen hatte. Die Kostenentscheidung des Amtsgerichts betraf aber zu Recht auch die Folgesachen über den nachehelichen Unterhalt. In einer solchen Konstellation hat der BGH ein Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung, soweit sie auf der Rücknahme der Folgesache beruht, für zulässig erachtet.

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Allerdings hat das Amtsgericht auch im vorliegenden Fall allein die Scheidung der Ehe ausgesprochen und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Hinsichtlich der Folgesachen über die Ehewohnung und den Zugewinnausgleich hatten die beteiligten Ehegatten jedoch im Scheidungstermin vom 03.07.2018 einen Vergleich geschlossen. Die Grundsätze, die der BGH in seiner Entscheidung vom 28.02.2007 aufgestellt hat, sind auf den vorliegenden Fall daher nur dann zu übertragen, wenn man in der vergleichsweisen Regelung der beiden Folgesachen auch eine Erledigung derselben sehen wollte, obwohl ausdrückliche Erledigungserklärungen im Sinne von § 91 a Abs. 1 ZPO nicht abgegeben worden sind. Dies kann aber auf sich beruhen. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels des Antragstellers kann hier offenbleiben, da es jedenfalls unbegründet ist (vgl. BGH, NJW-RR 2006, 1346, 1347 Rn. 4; Obermann, in: Hahne/Schlögl/Schlünder, BeckOK FamFG, 30. Edition, § 68 Rn. 29).

II.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht die Kosten des Verfahrens insgesamt gegeneinander aufgehoben.

Wird die Scheidung der Ehe ausgesprochen, so sind die Kosten der Scheidungssache und der Folgesachen grundsätzlich gegeneinander aufzuheben, § 150 Abs. 1 FamFG. Erscheint die Kostenverteilung insbesondere im Hinblick auf eine Versöhnung der Ehegatten oder auf das Ergebnis einer als Folgesache geführten Unterhaltssache oder Güterrechtssache als unbillig, kann das Gericht die Kosten nach billigem Ermessen anderweitig verteilen, § 150 Abs. 4 S. 1 FamFG. Auf die Anwendung dieser Vorschrift in Bezug auf das Ergebnis der Folgesache über den Zugewinnausgleich beruft sich der Antragsteller hier ohne Erfolg.

1.

Bei der Prüfung, ob die Vorschrift des § 150 Abs. 4 S. 1 FamFG Anwendung findet, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Diese hat der Senat als zweite Tatsacheninstanz selbst vorzunehmen.

Allerdings hat der BGH in seinem Beschluss vom 28.02.2007 (a.a.O., Rn. 15) ausdrücklich entschieden, dass das Beschwerdegericht die Ermessensentscheidung nach § 93 a Abs. 1 S. 2 ZPO a. F. nur auf Ermessensfehler überprüfen und ein vom erstinstanzlichen Gericht fehlerfrei ausgeübtes Ermessen nicht durch seine eigene Ermessensentscheidung ersetzen dürfe. Diese Entscheidung ist aber überholt. Der BGH ist inzwischen auch in Bezug auf Rechtsmittel gegen eine Kostenentscheidung ohne weiteres davon ausgegangen, dass das Beschwerdegericht selbst sein Ermessen auszuüben habe (vgl. BGH, FamRZ 2015, 570 Rn. 8 ff.; NJW-RR 2014, 129 Rn. 5; BeckRS 2014,06236 Rn. 17 NJW 2013, 3523 Rn. 23; NJW 2011, 2356 Rn. 26 ff.). Bezüglich der Entscheidung über den Ausgleich eines geringfügigen Anrechts nach § 18 VersAusglG hat der BGH nunmehr eine eigenständige Ermessensentscheidung des Beschwerdegerichts sogar ausdrücklich verlangt (vgl. BGH, Beschluss vom 12.10.2016 - XII ZB 23/16, NJW-RR 2016, 1478). Eine Differenzierung hinsichtlich des Umfangs der Ermessensausübung durch das Beschwerdegericht je nach Einzelfall (vgl. zu den entschiedenen Fallgruppen Obermann, a.a.O., § 69 Rn. 31 ff.) ist weder sachgerecht noch lässt sie sich dogmatisch begründen. Es spricht daher alles dafür, dass das Beschwerdegericht als zweite Tatsacheninstanz grundsätzlich ermächtigt ist, sein eigenes Ermessen an die Stelle des erstinstanzlichen Gerichts zu setzen (vgl. auch Augstein, FamRZ 2016, 1833). Mithin ist der Senat unabhängig von der Frage, ob und ggf. in welchem Umfang das erstinstanzliche Gericht überhaupt sein Ermessen ausgeübt hat, zu einer eigenen Ermessensentscheidung berufen.

2.

Mit Rücksicht darauf, dass in Ehesachen grundsätzlich sowohl die Kosten der Scheidungssache als auch die Kosten der Folgesachen gegeneinander aufzuheben sind, kommt eine Anwendung von § 150 Abs. 4 S. 1 FamFG im Hinblick auf das Ergebnis einer als Folgesache geführten Unterhaltssache oder Güterrechtssache nur dann in Betracht, wenn die Kostenaufhebung ausnahmsweise unbillig wäre. Nicht schon immer dann, wenn die Folgesache nicht damit geendet hat, dass die beteiligten Ehegatten mit ihren Anträgen etwa in gleichem Umfang durchgedrungen sind, ist die Anwendung der Ausnahmevorschrift gerechtfertigt. Diese ist vielmehr vorrangig dann anzuwenden, wenn der Antrag in der Folgesache über den nachehelichen Unterhalt oder den Zugewinnausgleich entweder komplett abgelehnt oder aber in vollem Umfang zuerkannt worden ist (Kemper, in Sänger, ZPO, 8. Aufl., § 150 FamFG Rn. 10; Kemper/Schreiber, Familienverfahrensrecht, 3. Aufl., § 150 FamFG Rn. 10). Von einem vollständigen Obsiegen oder Unterliegen in der Folgesache abgesehen kommt die Anwendung der Vorschrift allenfalls dann in Betracht, wenn der Antragsteller eine deutlich überhöhte Forderung verlangt oder mit seinem Begehren nahezu vollständig durchdringt (vergleiche Musielak/Borth, FamFG, 6. Aufl., § 150 Rn. 13). Die Kostenverteilung nach § 150 Abs. 1 FamFG erscheint im Hinblick auf das Ergebnis eine als Folgesache geführten Unterhalts- oder Güterrechtssache jedenfalls dann nicht als unbillig im Sinne von § 150 Abs. 4 S. 1 FamFG, wenn die Zuvielforderung des einen Ehegatten von Faktoren beeinflusst wurde, die ein Laie nicht zuverlässig prognostizieren kann (vergleiche Senat, Beschluss vom 13.05.2015 – 10 UF 85/13, BeckRS 2015,17579). So liegt es hier.

Der Antragsteller hat in seiner Beschwerdebegründung maßgeblich darauf abgestellt, dass der Betrag, auf den sich die beteiligten Ehegatten im Wege des Vergleichs geeinigt hätten, deutlich unter dem Betrag liege, den die Antragsgegnerin ursprünglich als Zugewinnausgleich verlangt habe. Dies reicht aber seine Unbilligkeit im Sinne von § 150 Abs. 4 S. 1 FamFG nach den vorstehenden Grundsätzen nicht aus. Hier ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das Amtsgericht, als es durch Beschluss vom 13.03.2018 seinen Vergleichsvorschlag unterbreitet hat, deutlich gemacht hat, dass im Falle einer streitigen Entscheidung sowohl ein Gutachten über den Wert des Grundstücks S… 18 in N… zum Stichtag für das Anfangsvermögen als auch über weitere streitige Grundstückwerte ein Wertgutachten einzuholen wäre. Dabei hat das Amtsgericht offensichtlich berücksichtigt, dass der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 09.10.2017 sowohl den in einem Privatgutachten ermittelten Grundstückswert zum 03.10.1990 (Seite 5 des dortigen Schriftsatzes) als auch den Wert des Grundstücks … Allee 2… in N… zum Endvermögenstichtag (Seite 12 des Schriftsatzes) bestritten hat. Nach alledem lässt sich das Ergebnis des Zugewinnausgleichsverfahrens im Fall einer streitigen Entscheidung nicht sicher bestimmen. Von einer Unbilligkeit der Kostenentscheidung, die das Amtsgericht für das Scheidungsverbundverfahren insgesamt getroffen hat, kann daher nicht ausgegangen werden.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 97 Abs. 1 ZPO (vgl. Senat, Beschluss vom 18.05.2015 - 10 WF 45/15, BeckRS 2015,17584; OLG Brandenburg, 5. Senat für Familiensachen, Beschluss vom 21.03.2012 – 3 UF 7/12, BeckRS 2013,14689).

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.