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Untätigkeitsklage; Erledigung; Fortsetzungsfeststellungsinteresse; Verschuldenskosten


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 2. Senat Entscheidungsdatum 29.04.2010
Aktenzeichen L 2 U 234/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 88 SGG, § 131 SGG, § 192 SGG

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 1. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Klägerin werden Verschuldenskosten in Höhe von 1.000,00 € auferlegt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt nach Erledigung der ursprünglich erhobenen Untätigkeitsklage nunmehr die Feststellung, dass der Bescheid vom 08. August 2006 bis zum 13. Februar 2009 bzw. bis zum 29. Oktober 2009 bestanden hat.

Die 1972 geborene Klägerin erlitt am 6. März 1985 im Beitrittsgebiet während des Sportunterrichts, geübt wurde der so genannte Kerzenstand, einen Unfall, der als akuter vertebragener Schiefhals mit schmerzhafter Verspannung der Nackenmuskulatur diagnostiziert wurde. Mit Bescheid vom 13. Februar 1986 stellte der Rat des Stadtbezirks Berlin-Mitte fest, dass der Rat des Stadtbezirks B, Fachorgan Volksbildung, verpflichtet sei, jeden weiteren Schaden aus dem Unfallereignis vom 6. März 1985 zu ersetzen.

Mit Bescheid vom 28. Juli 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 1993 lehnte die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen die Gewährung einer Entschädigung aus Anlass dieses Ereignisses ab. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen idiopathische cervicothoruko-lumbale Skoliose mit einer double major curve bei fixiertem Überhang nach rechts, sekundärer Lidskoliose sowie vollständiger Aufhebung der Bewegungsfunktion der thorakalen, hochlumbalen und tiefzervikalen Segmente, stelle eine anlagebedingte Gesundheitsstörung dar, die durch den Unfall auch nicht verschlimmert worden sei.

Dagegen erhob die Klägerin unter dem Aktenzeichen S 69 U 161/93 Klage vor dem Sozialgericht Berlin, die mit Urteil vom 18. Juni 1996 abgewiesen wurde, nachdem zuvor ein Gutachten gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H vom 9. Juli 1995 sowie ein Gutachten von dem ärztlichen Direktor der orthopädischen Klinik und Poliklinik der F Universität B O-Heim Prof. Dr. W vom 29. Februar 1996 eingeholt worden waren. Im dagegen vor dem Landessozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen L 3 U 155/96 geführten Berufungsverfahren wurde ein Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S (Chefarzt der neurologischen Abteilung der Kliniken im T B) vom 28. April 1997, ein Gutachten des Prof. Dr. Sch (Chefarzt des Zentrums für Orthopädie, B) vom 18. April 2000 sowie des Prof. Dr. E, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie des Universitätsklinikums C vom 15. Februar 2002 eingeholt. In der mündlichen Verhandlung am 27. März 2003 haben die Beteiligten folgenden Vergleich geschlossen:

1.) Die Beklagte verpflichtet sich, einen traumatischen Schiefhals als Folge des Unfalls vom 6. März 1985 anzuerkennen.

Die Beklagte verpflichtet sich weiterhin, ab 1. Januar 1992 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. zu gewähren.

2.) Die Klägerin nimmt die weitergehende Berufung, insbesondere soweit Verletztenrente nach einer höheren MdE als 20 v.H. beantragt wurde, zurück.

3.) Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

4.) Die Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin ein Drittel der Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Mit Bescheid vom 20. Oktober 2003 gewährte die Beklagte der Klägerin wegen der Folgen des Arbeitsunfalls eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v.H. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, der Arbeitsunfall habe zu nachstehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt, die bei der Beurteilung der MdE berücksichtigt worden seien:

Nach Verrenkung der Halswirbelsäule:

- nicht dystoner traumatischer Schiefhals

Folgende Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes lägen unabhängig von dem Arbeitsunfall vor:

- spastisch dystone Bewegungsstörung

- schwere thorakolumbale Skoliose

- rechts betonte generalisierte Dystonie

- rechts betontes paraspastisches Syndrom

- links konvexe Brustwirbelsäulenskoliose.

Die Entscheidung zu den Folgen des Arbeitsunfalls zur MdE stütze sich auf den am 27. März 2003 vor dem Landessozialgericht Berlin geschlossenen Vergleich.

Den Widerspruch gegen diesen Bescheid, den die Klägerin unter anderem damit begründete, der Bescheid sei nicht vollständig und für sie nicht vollständig nachvollziehbar, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2004 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin unter dem Aktenzeichen S 67 U 387/04 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, die mit Urteil vom 13. Januar 2006 abgewiesen wurde. Das dagegen vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erhobene Berufungsverfahren, das unter dem Aktenzeichen L 27 U 56/06 geführt wurde, endete mit einem Vergleich der Beteiligten. Die Beklagte verpflichtete sich, den Bescheid vom 20. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2004 insoweit aufzuheben, als dieser statt eines traumatischen Schiefhalses einen nicht dystonen traumatischen Schiefhals als Unfallfolge anerkennt und Feststellungen zu unfallunabhängigen Erkrankungen trifft.

Mit Bescheid vom 8. August 2006 in Ausführung des am 28. Juni 2006 vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg geschlossenen Vergleichs führte die Beklagte aus, der Arbeitsunfall habe zu nachstehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt, die bei der Beurteilung der MdE berücksichtigt worden seien:

- traumatischer Schiefhals.

Die Entscheidung stütze sich auf den am 28. Juni 2006 vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg geschlossenen Vergleich. Im Übrigen habe der Bescheid vom 20. Oktober 2003 weiterhin Bestand.

Daraufhin führte der Rechtsanwalt, der die Klägerin im Berufungsverfahren vertreten hatte, in einem Schreiben vom 10. August 2006 aus, auch dieser Bescheid sei nicht mit der Niederschrift der Sitzung vom 28. Juni 2006 vereinbar. Ausweislich der Niederschrift habe sich die Beklagte verpflichtet, den Bescheid insoweit aufzuheben, als der Bescheid Feststellungen zu unfallunabhängigen Erkrankungen treffe. Die Beklagte habe also im Termin auch nicht erklärt, dass sie diesen Bescheid insofern aufhebe. Möglicherweise sei die Sache dann anders zu beurteilen. Letztlich bedeute dies, dass in dem ausführenden Bescheid nun in irgendeiner Form vermerkt sein müsse, dass die Feststellungen zu unfallunabhängigen Erkrankungen nicht getroffen würden. Möglicherweise sei es sachgerecht, den Bescheid vom 20. Oktober 2003 insgesamt neu abzufassen. Er habe sich rein vorsorglich die Widerspruchsfrist notiert. Er gehe jedoch davon aus, dass die Beklagte von Amts wegen dieses Versehen berichtigen würde.

Mit weiterem Bescheid vom 22. August 2006 führte die Beklagte aus, wegen der Folgen des Arbeitsunfalls erhalte die Klägerin eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v.H. Diese beginne am 1. Januar 1992 und betrage bei Beginn monatlich 224,49 DM. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Arbeitsunfall habe zu nachstehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt, die bei der Bewertung der MdE berücksichtigt worden seien:

- traumatischer Schiefhals

Die Entscheidung zu den Folgen des Arbeitsunfalls und zur MdE stütze sich auf den am 27. März 2003 vor dem Landessozialgericht Berlin und den am 28. Juni 2006 vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg geschlossenen Vergleich.

Am 5. September 2006 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 8. August 2006 und am 18. September 2006 gegen den Bescheid vom 22. August 2006 ein.

Mit Schreiben vom 15. April 2007, 18. Juni 2007, 9. Juli 2007, 14. August 2007, 21. August 2007, 23. August 2007 sowie 24. August 2007 wandte sich die Klägerin erneut an die Beklagte und begründete ihre Widersprüche weiter beziehungsweise widersprach der „Einordnung und Behandlung der Bescheide vom 20. Oktober 2003 und 8. August 2006 analog zu § 38 SGB X“.

Mit Bescheid vom 19. September 2007 hat die Beklagte der Klägerin wegen fehlender Mitwirkung - nicht Bekanntgabe ihrer Bankverbindung - die zustehende Verletztenrente bis zur Nachholung der Mitwirkung - Bekanntgabe der Bankverbindung - versagt.

Auch gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 17. Oktober 2007 Widerspruch eingelegt.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 15. und 18. Februar 2008 wurden die Widersprüche gegen den Bescheid vom 19. September 2007 sowie den Bescheid vom 22. August 2006 zurückgewiesen. Zur Begründung des zweiten Bescheides führte die Beklagte unter anderem aus, ohne gegen den Bescheid vom 8. August 2006 Widerspruch zu erheben, habe der Rechtsanwalt der Klägerin in seinem Schreiben vom 10. August 2006 beanstandet, dass der Bescheid vom 20. Oktober 2003 durch die Ausführungen im Bescheid vom 8. August 2006 - abgesehen von der berichtigten Unfallfolge - weiterhin Bestand habe. Seinem Erachten nach hätte im Bescheid vom 8. August 2006 in irgendeiner Form vermerkt werden müssen, dass Feststellungen zu unfallunabhängigen Veränderungen nicht getroffen würden. Er habe es für sachgerecht gehalten, den Bescheid vom 20. Oktober 2003 insgesamt neu zu fassen und sei davon ausgegangen, dass die Berufsgenossenschaft den Bescheid vom 8. August 2006 insoweit von Amts wegen berichtige, ohne dass es eines Widerspruches bedurft hätte. Dem sei die Berufsgenossenschaft gefolgt, indem sie von Amts wegen anstelle der Bescheide vom 20. Oktober 2003 und 8. August 2006 schließlich den ausführlichen Bescheid vom 22. August 2006 erteilt habe, mit dem neben der Benennung der Anspruchsgrundlage, der Feststellung einer MdE von 20 v.H., dem Rentenbeginn sowie der Rentenberechnung und Rentenabrechnung entsprechend dem am 28. Juni 2006 vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg geschlossenen Vergleich als Unfallfolge ein traumatischer Schiefhals anerkannt worden sei und die unfallunabhängigen Veränderungen darin gänzlich unerwähnt geblieben seien. Hierbei sei anzumerken, dass der Bescheid vom 22. August 2006 zuvor mit dem Rechtsanwalt inhaltlich abgestimmt worden sei. Dieser habe in seinem Schreiben vom 15. August 2006 gegen den ihm im gleichen Wortlaut vorab übersandten Bescheidentwurf keine Bedenken geäußert. Erst mit Schreiben vom 5. September 2006 sei gegen den Bescheid vom 8. August 2006 Widerspruch eingelegt worden, welcher zu diesem Zeitpunkt bereits von Amts wegen durch den Bescheid vom 22. August 2006 ersetzt worden sei. Mit weiterem Schreiben vom 18. September 2006 sei auch gegen den Bescheid vom 22. August 2006 Widerspruch erhoben worden. Es sei nach wie vor die Umsetzung des vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg geschlossenen Vergleichs vom 28. Juni 2006 beanstandet worden. Der Widerspruch sei zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid sei nicht rechtswidrig.

Gegen den Bescheid vom 19. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2008 war vor dem Sozialgericht Berlin eine Klage unter dem Aktenzeichen S 68 U 324/08 anhängig. Nachdem die Beklagte den Versagungsbescheid vom 19. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2008 im Erörterungstermin vom 16. März 2010vollständig aufgehoben hatte, war die Klägerin zunächst nicht bereit, die Erledigung des Rechtsstreits zu erklären, da sie befürchtete, dass ihr hieraus etwas Nachteiliges für die Frage erwachse, bis zu welchem Zeitpunkt Zinsen zu zahlen seien. Mit Schreiben vom 17. März 2010 erklärte die Klägerin die Klage hinsichtlich der Rentennachzahlung und der laufenden Rentenzahlung für erledigt, hielt sie jedoch bezüglich der Zahlung von Zinsen aufrecht.

Mit Gerichtsbescheid vom 30. März 2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es unter anderem aus, die Anträge der Klägerin, (1) festzustellen, dass die Versagung der Zinszahlung nicht rechtmäßig sei und (2) die Beklagte zu verpflichten, für die Zinsen bezüglich der Nachzahlung der Rente die gesamte Nachzahlungszeit und den dazugehörenden Nachzahlungsbetrag vollständig zu Grunde zu legen und die Feststellung und Berechnung dieser Zinsen nach § 44 SGB I ohne Kürzung vorzunehmen und mitzuteilen, seien unzulässig. Die Beklagte habe dem ursprünglich auf Aufhebung des Versagungsbescheides vom 19. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides gerichteten Klagebegehren der Klägerin im Rahmen des Erörterungstermins am 16. März 2010 vollständig entsprochen. Das ursprüngliche Klagebegehren der Klägerin habe sich damit materiell erledigt. Bezüglich der Rentennachzahlung und der laufenden Rente habe die Klägerin mit Schriftsatz vom 17. März 2010 eine prozessbeendende Erklärung abgegeben, so dass über den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache nicht mehr zu entscheiden sei. Gemäß § 131 Abs. 1 S. 3 SGG könne das Gericht, sofern sich ein Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt habe, auf Antrag durch Urteil aussprechen, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen sei, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung gehabt habe. Die Klägerin habe ihre Klage bezüglich der Zinsen mit Schriftsatz vom 17. März 2010 auf eine solche, so genannte Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt. Ihr fehle es jedoch an dem von § 131 Absatz 1 S. 3 SGG vorgeschriebenen Feststellungsinteresse. Ein solches Interesse werde in der Regel nur dann bejaht, wenn eine akute Wiederholungsgefahr bestehe (erste Fallgruppe), die Feststellung eine Präjudizwirkung für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen enthalte (zweite Fallgruppe) oder der Kläger ein besonderes Rehabilitationsinteresse geltend machen könne (dritte Fallgruppe). Nach Überzeugung der Kammer sei keine dieser Fallgruppen einschlägig. Der Feststellung einer möglichen Rechtswidrigkeit der Versagung der Leistungen speziell in Bezug auf die Zinsen komme insbesondere keine Präjudizwirkung hinsichtlich der Frage zu, für welchen Zeitraum die Beklagte zur Verzinsung des von ihr anerkannten Rentenanspruchs verpflichtet sei. Diese Frage sei ausschließlich in einem möglichen Rechtsstreit gegen den zwischenzeitlich erlassenen Bescheid über die Höhe der Verzinsung vom 17. März 2010 zu klären. Die Zulässigkeit des Antrags zu (2) scheitere bereits daran, dass statthafte Klageart zur Erreichung des von der Klägerin erstrebten Ziels, eine Verzinsung des Anspruchs der Klägerin bis Ende 2009 zu erreichen, die Anfechtungsklage gegen den in der Zwischenzeit erlassenen Bescheid der Beklagten über die Höhe der Zinsen vom 17. März 2010 sei. Die Klägerin sei insofern gehalten, zunächst ein Widerspruchsverfahren gegen diesen Bescheid durchzuführen und im Anschluss hieran gegebenenfalls eine Anfechtungsklage zu erheben. Bei dem Antrag zu (2) handele es sich zudem um eine Klageerweiterung im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG, die nicht sachdienlich sei. Die Frage nach der Dauer der Verzinsung gehe auch unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie weit über die im hiesigen Verfahren streitgegenständlichen Fragen hinaus. Die Beklagte habe sich auch nicht im Sinne des § 99 Abs. 2 SGG auf die geänderte Klage eingelassen.

Gegen den Bescheid vom 22. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2008 war vor dem Sozialgericht Berlin eine Klage unter dem Aktenzeichen S 67 U 305/08 anhängig, die mit Urteil vom 13. Februar 2009 abgewiesen worden ist. In der mündlichen Verhandlung vom 13. Februar 2009 hat der Beklagtenvertreter erklärt: „Der Bescheid vom 08. August 2009 wird hiermit zurückgenommen. Auch der frühere Bescheid vom 20. Oktober 2003, der mit dem Bescheid vom 22. August 2006 ersetzt werden sollte, wird hiermit klarstellend zurückgenommen.“ Die hiergegen gerichtete Berufung (L 3 U 48/09) hat die Klägerin zurückgenommen.

Am 30. Juni 2008 hat die Klägerin im hiesigen Verfahren eine Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Berlin erhoben und ausgeführt, ihr Widerspruch vom 5. September 2006 gegen den Bescheid der Beklagten vom 8. August 2006 sei bisher nicht beschieden worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 29. Juni 2009 ist die Klage abgewiesen worden, zur Begründung hat das Sozialgericht unter anderem ausgeführt, die gemäß § 88 SGG als Untätigkeitsklage erhobene Klage sei unzulässig. Der Klägerin fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis für die Klage. Nach Überzeugung des Gerichts seien die Bescheide vom 20. Oktober 2003 und vom 8. August 2006 durch den Bescheid vom 22. August 2006 inhaltlich ersetzt worden. Die Klägerin habe Widerspruch gegen den Bescheid vom 8. August 2006 von vornherein erst nach Erlass des Bescheides vom 22. August 2006 eingelegt. Da die Bescheide vom 20. Oktober 2003 und vom 8. August 2006 zu diesem Zeitpunkt bereits ersetzt worden seien, habe die Klägerin zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch darauf, einen Widerspruchsbescheid isoliert in Bezug auf den Bescheid vom 8. August 2006 zu bekommen. Der gegen den Bescheid vom 22. August 2006 eingelegte Widerspruch sei von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2008 inhaltlich beschieden worden. Wenn sich die Klägerin gegen die Ersetzung der Bescheide vom 20. Oktober 2003 und vom 8. August 2006 durch den Bescheid vom 22. August 2006 wenden wolle, müsse sie dies im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 15. Februar 2008 tun. Da die Bescheide vom 20. Oktober 2003 und vom 8. August 2006 inhaltlich bereits mit Erlass des Bescheides vom 22. August 2006 gegenstandslos geworden seien, habe der Erklärung des Beklagtenvertreters im Rahmen der mündlichen Verhandlung zum Verfahren S 67 U 305/08 ohnehin nur noch klarstellende Bedeutung zukommen können.

Gegen diesen ihr am 1. Juli 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 28. Juli 2009 Berufung eingelegt und ihr Begehren, einen Widerspruchsbescheid hinsichtlich des Widerspruchs vom 5. September 2006 gegen den Bescheid vom 8. August 2006 zu erhalten, zunächst weiter verfolgt. Mit Schreiben vom 12. Januar 2010 hat sie die Untätigkeitsklage für gegenstandslos sowie erledigt erklärt und ihre Untätigkeitsklage als Fortsetzungsfeststellungsklage weiter geführt.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

(1) den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. Juni 2009 aufzuheben,

(2) festzustellen, dass der Bescheid vom 8. August 2006 bis zum 13. Februar 2009 existiert habe und

(3) festzustellen, dass der Bescheid vom 8. August 2006 über den 13. Februar 2009 hinaus bis zum 29. Oktober 2009 existiert habe sowie

(4) festzustellen, dass sie einen Anspruch auf einen Widerspruchsbescheid gehabt habe.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt sämtlicher Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Der Inhalt dieser Unterlagen war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig.

Der Antrag der Klägerin zu (1), den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. Juni 2009 aufzuheben, ist unzulässig, da sich die Berufung insoweit durch die Erledigungserklärung der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 12. Januar 2010 erledigt hat (Leitherer, in: Meyer/Ladewig/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, München 2008, § 102 RN 9). Auch diese einseitige Erledigungserklärung erledigt die Untätigkeitsklage, die Zustimmung der Beklagten oder eine übereinstimmende Erledigungserklärung ist nicht notwendig (Leitherer, in: Meyer/Ladewig/Leitherer, a. a. O., § 88 RN 11).

Auch die Anträge der Klägerin zu (2), (3) und (4) sind als Fortsetzungsfeststellungsanträge unzulässig, denn der Klägerin fehlt das von § 131 Absatz 1 S. 3 SGG vorgeschriebene berechtigte Interesse an den begehrten Feststellungen. Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag ist nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat (Keller, in: Meyer/Ladewig/Leitherer, a. a. O., § 131 RN 10). Ein solches Interesse wird in der Regel nur dann bejaht, wenn eine akute Wiederholungsgefahr besteht (erste Fallgruppe), die Feststellung eine Präjudizwirkung für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen enthält (zweite Fallgruppe) oder der Kläger ein besonderes Rehabilitationsinteresse geltend machen kann (dritte Fallgruppe). Vorliegend ist keine dieser Fallgruppen einschlägig. Der Feststellung, wie lange der Bescheid der Beklagten vom 08. August 2006 bestanden hat, ob er bereits durch den Bescheid vom 22. August 2006 ersetzt worden ist oder noch bis zu seiner (erneuten) ausdrücklichen Aufhebung in den mündlichen Verhandlungen vor dem Sozialgericht Berlin am 13. Februar 2009 oder vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg am 29. Oktober 2009 bestanden hat sowie der Frage, ob die Beklagte verpflichtet war, auf den Widerspruch der Klägerin vom 05. September 2006 trotz Erlass des Bescheides vom 22. August 2006 noch einen Widerspruchsbescheid zu erlassen, kommt insbesondere keine Präjudizwirkung hinsichtlich der Frage zu, für welchen Zeitraum die Beklagte zur Verzinsung des von ihr anerkannten Rentenanspruchs verpflichtet ist. Diese Frage ist ausschließlich in einem möglichen Rechtsstreit gegen den zwischenzeitlich erlassenen Bescheid über die Höhe der Verzinsung vom 17. März 2010 zu klären. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Wiederholungsgefahr bestünde oder die Klägerin ein Rehabilitationsinteresse hat.

Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen, denn die Fortsetzungsfeststellungsklage ist unzulässig.

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Rechtsstreits Rechnung.

Die Entscheidung, dass die Klägerin 1000,00 € an die Staatskasse zu zahlen hat, folgt aus § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Danach kann das Gericht einem Beteiligten Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Die genannten Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das mit der Berufung als Fortsetzungsfeststellungsklage verfolgte Begehren der Klägerin ist erkennbar ohne jede Aussicht auf Erfolg, denn ein besonderes Feststellungsinteresse der Klägerin ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ersichtlich. Dies ist der Klägerin bereits in einem Erörterungstermin und erneut in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegt worden. Gesichtspunkte, die für ein Vorliegen eines besonderen Feststellungsinteresses sprechen könnten, hat die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung nicht nachvollziehbar vorgetragen, sondern im Wesentlichen geltend gemacht, das vorliegende Verfahren solle der Vorbereitung der Durchsetzung weiterer Zinsansprüche gegen die Beklagte dienen. Hierzu ist ihr mehrmals mitgeteilt worden, dass Zinsansprüche nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, sondern gesondert verfolgt werden müssen. Die Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung war aus Sicht des Senats auch für die Klägerin zu diesem Zeitpunkt ohne weiteres erkennbar. Bei der Bemessung der Kosten, die die Klägerin zu entrichten hat, hat der Senat neben dem Maß der Missbräuchlichkeit berücksichtigt, dass die allgemeinen Gerichtskosten für ein Verfahren in zweiter Instanz im Durchschnitt auf mindestens 2.000,00 € zu schätzen sind (vgl. LSG Thüringen, Urteil vom 18. September 2003, L 2 RA 379/03, zitiert nach Juris). Dem Senat erscheint demgemäß die Auferlegung von Kosten in Höhe von 1000,00 € angemessen.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG genannten Gründe vorliegt.