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Grundsicherung für Arbeitsuchende; einstweilige Anordnung; effektiver Rechtsschutz; Versagungsbescheid; Bestandskraft; Überprüfungsantrag; Verletzung von Mitwirkungspflichten; Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft; Folgenabwägung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 25. Senat Entscheidungsdatum 01.11.2011
Aktenzeichen L 25 AS 1646/11 B ER ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 19 Abs 4 GG, § 60 Abs 1 S 1 SGB 1, § 65 Abs 1 Nr 2 SGB 1, § 65 Abs 1 Nr 3 SGB 1, § 66 SGB 1, § 7 Abs 3a Nr 1 SGB 2, § 44 SGB 10

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 1. August 2011 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für den Zeitraum vom 1. Oktober 2011 bis zum 31. Oktober 2011 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 406,75 € monatlich sowie für den Zeitraum vom 1. November 2011 bis zum 31. Dezember 2011, längstens jedoch bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 453,75 € monatlich zu zahlen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller 1/2 der außergerichtlichen Kosten des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens für beide Instanzen zu erstatten.

Dem Antragsteller wird für die Zeit ab 4. Oktober 2011 für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Festsetzung von Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlenden Beträgen unter Beiordnung von Rechtsanwältin IF bewilligt. Für die Zeit vor dem 4. Oktober 2011 wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes die Gewährung laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Der 1951 geborene Antragsteller erhält von dem Antragsgegner seit dem 1. Januar 2005 fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er ist seit dem 29. Juli 1999 Alleineigentümer des Grundstücks P, S, welches zuvor im hälftigen Miteigentum seiner bereits im Jahr 1979 von ihm geschiedenen Ehefrau C L stand Das Grundstück ist u. a. mit einem Wohnhaus bebaut, welches von dem Antragsteller bewohnt ist. Nach den Angaben des Antragstellers wird die obere Etage des Hauses, bei der es sich um ein ausgebautes Dachgeschoss handelt, von der 1940 geborenen Frau W W bewohnt. Der Antragsteller hatte das Alleineigentum an dem Gründstück aufgrund des Grundstückskaufvertrages vom 4. Mai 1998 erworben, mit dem er sich zur Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von 60.000,- DM an seine geschiedene Ehefrau verpflichtet hatte. Den Kaufpreis zahlte der Antragsteller nach seinen Angaben seiner geschiedenen Ehefrau im Jahr 1998 aus. Zur Finanzierung des Kaufpreises gewährte die Bausparkasse S dem Antragsteller am 18. Mai 1998 ein Bauspardarlehen in Höhe von 60.000 DM. In dem von Frau W als Mitschuldnerin mit unterzeichneten Bauspardarlehensvertrag zwischen dem Antragsteller und der S vom 8. Juni 1998 erteilte diese der Bausparkasse zur Tilgung des dem Antragsteller gewährten Baudarlehens eine Einzugsermächtigung zu Lasten ihres Girokontos. Nach dem von dem Antragsteller eingereichten und auf den 1. Januar 2002 datierten Vertrag hatte der Antragsteller Frau W ein Nutzungsrecht auf Lebenszeit „auf nicht erfassten Wohnraum von 20 qm“ eingeräumt und diese sich im Gegenzug verpflichtet, das Bauspardarlehen in Höhe von (umgerechnet) 30.677,53 € durch monatliche Überweisungen in Höhe von 180 € auf ein Konto der geschiedenen Ehefrau des Antragstellers zu tilgen.

Am 31. Mai 2011 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum ab 1. Juli 2011. Aufgrund der Aufforderungen des Antragsgegners vom 9. Juni 2011, 4. Juli 2011, und 14. Juli 2011 reichte der Antragsteller neben den vorstehend bezeichneten Unterlagen u. a. Kontoauszüge seines Bauspardarlehens-, Bausparvorausdarlehens- und Bausparkontos für den Zeitraum von 1998 bis 2010 und zwei Kontoauszüge des Girokontos der Frau W ein, denen u. a. zwei Abbuchungen vom 2. März 2000 in Höhe von 571,00 DM und 3. Mai 2011 in Höhe von 184,06 € zu Gunsten des Bauspar- bzw. Bauspardarlehenskontos des Antragstellers zu entnehmen sind.

Auf den am 12. Juli 2011 bei dem Sozialgericht eingegangenen Antrag des Antragstellers vom 11. Juli 2011 hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 1. August 2011 den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller zwei Lebensmittelgutscheine im Wert von jeweils 150,00 € für die Monate August 2011 und September 2011 zu gewähren und im Übrigen den vorläufigen Rechtsschutzantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt: Der sinngemäß auf die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Juli 2011 bis zum 31. Dezember 2011 gerichtete Antrag sei nach § 86 b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig und im vorgenannten Umfang begründet. Zwar gehe das Gericht vom Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und FrauW aus. Denn diese lebten länger als ein Jahr zusammen, sodass nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II das Bestehen einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft zu vermuten sei. Diese Vermutung sei durch das Vorbringen des Antragstellers nicht widerlegt. Jedoch sei es im Rahmen einer Folgenabwägung geboten, dem Antragsteller zur Überbrückung seiner gegenwärtigen Notlage Lebensmittelgutscheine für die Monate August und September 2011 zuzusprechen, weil im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht zu klären sei, in welcher Höhe der Bedarfsgemeinschaft Einkommen oder Vermögen zur Verfügung stehe. Für den Zeitraum vor Antragstellung am 12. Juli 2011 fehle es mangels Eilbedürftigkeit an einem Anordnungsgrund. Auch für den Zeitraum ab Oktober 2011 fehle es an einem Anordnungsgrund, weil es dem Antragsteller und Frau W möglich und zumutbar sei, die erforderlichen Angaben nachzuholen und Unterlagen einzureichen.

Der einstweiligen Anordnung ist der Antragsgegner durch Aushändigung von acht Lebensmittelgutscheinen über einen Betrag in Höhe von jeweils 37,50 € an den Antragsteller nachgekommen.

Mit Schreiben vom 3. August 2011 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, bis zum 23. August 2011 für Frau W Erklärungen gemäß den Anlagen WEP (Weitere Personen der Bedarfsgemeinschaft) und EK (Einkommenserklärung) nebst fortlaufenden Nachweisen über Einkünfte ab dem 1. Januar 2005 abzugeben und Erklärungen gemäß der Anlage VM (Vermögen) nebst fortlaufenden Nachweisen über Vermögenswerte ab dem 1. Januar 2005 sowie Nachweise über die Herkunft des Sparguthabens in Höhe von 16.061,51 €, welches am 30. Juni 2006 auf den Bausparvertrag des Antragstellers eingezahlt worden sei, einzureichen. Für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs kündigte der Antragsgegner die Versagung der beantragten Leistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung an. Zur Begründung führte der Antragsgegner unter Bezugnahme auf den Beschluss des Sozialgerichts vom 1. August 2011 aus: Der Antragsteller habe keinen eigenständigen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt, weil er mit Frau W Bedarfsgemeinschaft bilde. Deshalb seien die angeforderten Unterlagen erforderlich, um seine und die Hilfebedürftigkeit der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Frau W zu prüfen Hierauf erwiderte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 16. August 2011, mit Frau W bestehe keine Bedarfsgemeinschaft, sie wirtschafteten nicht aus einem Topf.

Mit Schreiben vom 17. August 2011 forderte der Antragsgegner auch Frau W auf, die Anlagen WEP, EK und VM nebst fortlaufenden Nachweisen über Einkünfte und Vermögenswerte für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2005 einzureichen und ggf. die Herkunft des oben genannten Sparguthabens des Antragstellers in Höhe von 16.061,51 € nachzuweisen. Mit weiterem Schreiben vom 17. August 2011 setzte der Antragsgegner dem Antragsteller eine Nachfrist zur vollständigen Erledigung des Schreibens vom 3. August 2011 bis zum 5. September 2011 und kündigte für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs nochmals die Versagung der beantragten Leistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung an.

Am 2. September 2011 hat der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 1. August 2011 Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen: Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts stehe ihm für den Zeitraum vom 1. Juli 2011 bis zum 31. Dezember 2011 sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund zur Seite. Denn er verfüge über kein Einkommen und sei über die ihm zugesprochenen Lebensmittelgutscheine hinaus dringend auf laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe der Regelleistung und seiner Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich durchschnittlich 177,54 € angewiesen. Frau W sei seine Nachbarin gewesen und habe nach ihrer Scheidung und dem Auszug aus der ehelichen Wohnung (1995) in der unmittelbaren Nähe wohnen bleiben wollen. Er habe ihr die obere Etage seines Hauses und einen Teil des Gartens unter der Voraussetzung zur Nutzung angeboten, dass sie sich an den Betriebskosten beteilige. Im Jahr 1998 habe seine geschiedene Ehefrau dann darauf gedrängt, ihren hälftigen Grundstücksanteil ausgezahlt zu bekommen. Da er arbeitslos gewesen und keine Bank bereit gewesen sei, ihm ein Darlehen zu gewähren, habe Frau W, die damals gut verdient habe, ihm angeboten als Gegenleistung dafür, dass sie bei ihm wohnen dürfe, die Kreditverbindlichkeit mit zu übernehmen. Ab 18. Mai 1998 habe sie statt einer Miete/Nutzungsentschädigung monatlich 271 DM auf das Vorausdarlehen und 300 DM auf den Bausparvertrag gezahlt. So erkläre sich das Bausparguthaben in Höhe von 16.061,61 €, welches im Jahr 2006 zur Ablösung des Vorausdarlehens verwendet worden sei. Derzeit zahle Frau W auf die Kreditverbindlichkeit monatlich 184,06 €; diese werde voraussichtlich mit Ablauf des ersten Quartals 2015 getilgt sein. Zur Glaubhaftmachung seines Vorbringens hat der Antragsteller eidesstattliche Versicherungen von ihm und Frau W zu den Akten gereicht.

Mit Bescheid vom 9. September 2011 versagte der Antragsgegner dem Antragsteller die für den Zeitraum ab 1. Juli 2011 beantragten Leistungen und begründete die Entscheidung mit einer mangelnden Mitwirkung des Antragstellers gemäß den Aufforderungen vom 3. und 17. August 2011. Gegen diesen, gemäß Abvermerk des Antragsgegners am 9. September 2011 abgesandten Bescheid, legte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 26. September 2011, der dem Antragsgegner erst am 18. Oktober 2011 übermittelt wurde, Widerspruch ein. Mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2011 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner vorsorglich die Überprüfung des Bescheides vom 9. September 2011 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X).

Mit Beschluss vom 29. September 2011 hat der Senat dem Antragsgegner im Wege der richterlichen Zwischenverfügung aufgegeben, dem Antragsteller mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2011 vorläufig (längstens) bis zum 31. Oktober 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 406,75 € zu zahlen. Zur Umsetzung des Beschlusses hat der Antragsgegner dem Antragsteller ein Darlehen in Höhe von 406,75 € gewährt.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 1. August 2011, mit der er sinngemäß im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Zahlung von monatlichen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich Kosten der Unterkunft und Heizung bis zu einem Höchstbetrag in Höhe von 541,54 € (364 € + 177,54 €) für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2011 begehrt, ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 SGG zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet. Der angegriffene Beschluss ist unzutreffend, soweit dem Antragsteller hiermit die ihm nunmehr für die Zeit ab der Entscheidung des Senats zuerkannten Leistungen versagt worden sind.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86 b Abs. 2 SGG ist zulässig, insbesondere statthaft. Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsgegner die vom Antragsteller begehrte Leistung mit Bescheid vom 9. September 2011 nach § 66 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch (SGB I) wegen fehlender Mitwirkung des Antragstellers versagt hat. Gegen diesen Bescheid müsste der Antragsteller im Hauptsacheverfahren zwar richtigerweise mit der Anfechtungsklage vorgehen (vgl. Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 1. Juli 2009 – B 4 AS 78/08 R –, zitiert nach juris). Im Lichte des in Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) verankerten Gebots effektiven Rechtsschutzes kann er jedoch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht darauf verwiesen werden, zur Durchsetzung seines Rechtsschutzziels nach § 86 b Abs. 1 SGG vorzugehen. Denn Ziel seines Antrags ist die vorläufige Zahlung von Leistungen, die durch eine vorläufige Aussetzung der Vollziehung des Versagungsbescheides nicht erreicht werden könnte (vgl. Beschluss des Senats vom 18. Mai 2009 – L 25 AS 770/09 B ER –, LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Mai 2008 – L 5 B 125/08 AS ER – zitiert nach juris, m. w. N.).

Der Statthaftigkeit des Antrages steht auch nicht entgegen, dass der Versagungsbescheid vom 9. September 2011 nach Lage der Akten bestandskräftig geworden ist, weil der Antragsteller hiergegen erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist Widerspruch erhoben hat. Ebenso wenig führt die Bestandskraft des Bescheides dazu, dass sein Rechtsschutzbedürfnis mangels noch streitigen Rechtsverhältnisses entfallen wäre. Zwar ist der Versagungsbescheid im Hinblick auf die nach Lage der Akten eingetretene Bestandskraft zwischen den Beteiligten nach § 77 SGG bindend geworden. Angesichts der in seinem Fall vorliegenden Besonderheiten hat dies jedoch nicht zu Folge, dass er sich nicht auf ein der vorläufigen Regelung fähiges Recht berufen könnte. Denn das Bestehen eines solchen Rechts ist jedenfalls dann nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn der Antragsteller bei dem Antragsgegner – wie hier – einen auf die Durchbrechung der Bestandskraft des Versagungsbescheides gerichteten Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt hat, dem sich eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht absprechen lässt (vgl. Beschlüsse des Senats vom 18. Mai 2009 – L 25 AS 770/09 B ER –, a. a. O., und vom 12. Februar 2009 – L 25 AS 70/09 B ER, veröffentlicht in juris; siehe auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 5. Juli 2011 – L 5 AS 437/10 – zitiert nach juris). So spricht nach Lage der Akten viel dafür, dass der Versagungsbescheid von Anfang an rechtswidrig gewesen ist, weil dem Antragsteller nach §§ 60, 66 SGB I keine Verletzung von Mitwirkungspflichten vorzuwerfen ist. Denn der Antragsteller war nach § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB I nicht verpflichtet, entsprechend den Aufforderungen des Antragsgegners vom 3. und 17. August 2011 Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Frau W zu machen und diese durch entsprechende Nachweise zu belegen. Der Antragsteller kann sich insoweit auf § 65 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 SGB I berufen, wonach Mitwirkungspflichten nach §§ 60 bis 64 SGB I nicht bestehen, soweit ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann und/oder sich der Leistungsträger die erforderlichen Kenntnisse durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller bzw. Leistungsberechtigte selbst beschaffen kann. Danach dürfte dem Antragsteller die Vorlage der von dem Antragsgegner angeforderten Unterlagen nicht zuzumuten sein, soweit diese im Wesentlichen nicht ihn, sondern Frau W privaten Dritten betreffen, weil ihm eine entsprechende Mitwirkung ohne die Mitwirkung von Frau W nicht möglich ist. Im Übrigen ist der Antragsteller nach § 65 Abs. 3 SGB I auch berechtigt, Angaben zu verweigern, die ihm, dem Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehenden Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung <ZPO>) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden. Geht der Antragsgegner also vorliegend davon aus, dass zwischen dem Antragsteller und Frau W Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft besteht, ist er gehalten, die von ihm für entscheidungserheblich gehaltenen Auskünfte unmittelbar nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II von ihr zu beschaffen, indem er – wie nunmehr mit dem allerdings ohne Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 17. August 2011 geschehen – einen entsprechenden Verwaltungsakt erlässt und diesen ggf. im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchsetzt (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Mai 2008 – L 5 B 125/08 AS ER –, a. a. O., LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14. Januar 2008 – L 7 AS 772/07 ER –, LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15. November 2010 – L 2 AS 316/10 B ER –, jeweils zitiert nach juris, vgl. auch BSG , Urteil vom 1. Juli 2009 – B 4 AS 78/08 R –, a. a. O.).

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erweist sich darüber hinaus bezogen auf die dem Antragsteller nunmehr zuerkannten Leistungen auch als begründet. Im Lichte des sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Gebots effektiven Rechtsschutzes erweist sich die Sache insoweit zunächst als eilbedürftig, weil der Antragsteller die nunmehr zuerkannten Leistungen benötigt, um seinen zur Bestreitung des Lebensunterhalts notwendigen Bedarf zu decken. Dies gilt im Lichte von Art. 19 Abs. 4 GG insbesondere auch für die durch die Zwischenverfügung des Senats vom 29. September 2011 abgedeckten Leistungen für den Zeitraum vom 1. Oktober 2011 bis zum 31. Oktober 2011. Diese Zeit liegt aus heutiger Sicht zwar in der Vergangenheit, so dass an sich eine gegenwärtige Notlage verneint werden müsste. Hierfür ist jedoch im vorliegenden Fall kein Raum, weil sich die Zwischenverfügung des Sentas nur als vorverlagerte Entscheidung in der Sache selbst darstellt, mit der aus damaliger Sicht Leistungen zur Deckung eines zukünftigen Bedarfs zuerkannt worden sind, die nunmehr der Bestätigung durch die Entscheidung in der Sache selbst bedürfen.

Hinsichtlich der nunmehr zuerkannten Leistungen ist auch ein Anordnungsanspruch zu bejahen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in den Fällen, in denen – wie hier – Leistungen in Rede stehen, die der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens zu dienen bestimmt sind, das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nur dann verneint werden darf, wenn das Gericht sich die Überzeugung gebildet hat, dass die Sach- und Rechtslage geklärt ist und es einer weiteren Sachaufklärung nicht bedarf. Ist eine volle Überzeugungsbildung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht möglich, muss dass Gericht in diesen Fällen im Lichte des sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Gebots effektiven Rechtsschutzes eine Folgenabwägung vornehmen. Bei dieser Folgenabwägung sind in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 32 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes die Folgen abzuwägen, die eintreten würden, wenn die begehrte Anordnung nicht erginge, der Rechtsschutzsuchende im Hauptsacheverfahren aber obsiegen würde, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die Anordnung erlassen würde, der Rechtsschutzsuchende im Hauptsacheverfahren indes keinen Erfolg hätte. Die Erwägung, wie die Entscheidung in der Hauptsache ausfallen wird, hat demgegenüber regelmäßig außer Betracht zu bleiben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 –, zitiert nach juris).

Eine solche Folgenabwägung ist vorliegend zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes erforderlich. Denn die Entscheidung, ob und ggf. in welcher Höhe dem Antragsteller die mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrten Leistungen tatsächlich zustehen, hängt maßgeblich davon ab, ob zwischen dem Antragsteller und Frau W Bedarfsgemeinschaft besteht und ggf. in welchem Umfang sie über Einkommen und/oder Vermögen verfügt, welches in diesem Fall auf den Hilfebedarf des Antragstellers anzurechnen wäre. Soweit vorliegend das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft in Streit steht, erscheint schon zweifelhaft, ob die Vermutungsregel in § 7 Abs. 3 a Nr. 1 SGB II zur Anwendung kommen kann, weil der Antragsteller – bisher nicht widerlegt – angegeben hat, mit Frau W nicht zusammenzuleben und auch keinen gemeinsamen Haushalt zu führen. Im Übrigen kann die Vermutungsregel auch widerlegt werden, sodass sich das Gericht jedenfalls dann, wenn sich der Betroffene auf Tatsachen beruft, die geeignet sein können, die Vermutungsregel zu entkräften, im Rahmen einer Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls die volle Überzeugung bilden muss, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Solche Umstände hat der Antragsteller hier vorgetragen. Sein insbesondere durch eine eidesstattliche Versicherung der Frau W bekräftigtes Vorbringen zu den Hintergründen ihres Einzuges in sein Haus, den von ihr übernommenen Zahlungsverpflichtungen aus seinem Bauspardarlehensvertrag und den Wohnverhältnissen können auch im Hinblick auf ihren Altersunterschied, auf den der Antragsteller hingewiesen hat, nicht ohne weiteres von der Hand gewiesen werden. Insoweit bedarf es weiterer Sachaufklärung, z. B. der Augenscheinnahme der von dem Antragsteller und Frau W bewohnten Räumlichkeiten und der Vernehmung der Frau W, die den Charakter des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens sprengen würde.

Die zur Gewährung effektiven Rechtsschutz gebotene Folgenabwägung fällt vorliegend im tenorierten Umfang zugunsten des Antragstellers aus. Dabei hat der Senat als unabweisbaren monatlichen Bedarf des Antragstellers die Regelleistung in Höhe 364,- € und Kosten der Unterkunft in Höhe von grundsätzlich 89,75 € zu Grunde gelegt (Schornsteinfeger 6,46 €, Schuldzinsen 15,75 €, Gebäudeversicherung 15,40 €, Grundsteuer 8,33 €, Wasser- und Abwassergebühren 29,- €, Abfallentsorgung 4,06 €, Heizungswartung 10,75 €). Die genannten Kosten der Unterkunft hat der Senat nicht nach Kopfteilen umgelegt, weil darüber hinaus weitere unterkunftsbezogene Aufwendungen aus dem Bauspardarlehensvertrag zu berücksichtigen sind, die von Frau W übernommen werden. Dabei geht der Senat im Rahmen der Folgenabwägung zu Gunsten des Antragstellers davon aus, dass der in den von Frau W geleisteten Zahlungen in Höhe von monatlich 184,06 € enthaltene Tilgungsanteil zu den Kosten der Unterkunft zu rechnen ist (vgl. dazu BSG, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/11b AS 67/06 R – zitiert nach juris). Soweit der Antragsteller zusätzlich einen monatlichen Heizölbedarf in Höhe von monatlich umgerechnet 85,96 € geltend gemacht, war dem nicht zu entsprechen. Denn einen dringenden Heizkostenbedarf hat er nicht vorgetragen und ein solcher ist nach Lage der Akten auch nicht ersichtlich. Zuletzt hat der Antragsteller seinen Heizöltank am 30. September 2010 mit 2.002 Litern befüllen lassen, wofür er vom Antragsgegner eine Brennstoffbeihilfe in Höhe von insgesamt 670,64 € erhalten hat.

Danach ergibt sich ein monatlicher Leistungsbetrag in Höhe von 453,75 €, der dem Antragsteller im Rahmen der hier vorzunehmenden Folgenabwägung für den Zeitraum vom 1. November 2011 bis zum 31. Dezember 2011 zuzuerkennen ist, weil ihm bei einer hinter diesem Betrag zurückbleibenden Entscheidung existenzielle Nachteile drohen, die er aus eigener Kraft nicht imstande ist, von sich abzuwenden. Diesen Nachteilen stehen auf der Seite des Antragsgegners lediglich finanzielle Interessen gegenüber, die sich im Hinblick auf den in Rede stehenden Betrag für die Zeit vom 1. November bis 31. Dezember 2011, längstens jedoch bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, in einem für den Antragsgegner überschaubaren Rahmen halten und dementsprechend hinter den dem Antragsteller drohenden Nachteilen zurückzutreten haben. Für den aus heutiger Sicht in der Vergangenheit liegenden Zeitraum vom 1. Oktober 2011 bis zum 31. Oktober 2011 muss es hingegen bei den bereits im Wege der Zwischenverfügung zuerkannten Leistungen in Höhe von 406,75 € monatlich verbleiben, weil es hinsichtlich der Differenz zwischen dem grundsätzlich unabweisbaren monatlichen Bedarf in Höhe von 453,75 € - 406,75 € = 47,- € an einem gegenwärtigen Nachteil fehlt. Hinsichtlich dieses Differenzbetrages war die Beschwerde mithin zurückzuweisen.

Zurückzuweisen war die Beschwerde im Übrigen auch für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis zum 30. September 2011, weil sich die Sache auch insoweit nicht (mehr) als eilbedürftig erweist. Ebenso wie hinsichtlich des Differenzbetrages in Höhe von 47,- € für den Monat Oktober 2011 ist es dem Antragsteller insoweit nämlich (mittlerweile) auch im Lichte des in Art. 19 Abs. 4 GG verankerten Gebots effektiven Rechtsschutzes zuzumuten, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 114 ff. ZPO für den Zeitraum ab 4. Oktober 2011 zu entsprechen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach dem Vorstehenden hinreichende Erfolgsaussicht geboten hat. Für die Zeit vor dem 4. Oktober 2011 war der Antrag hingegen abzulehnen, weil über diesen erst mit dem Eingang der Erklärung des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse am 4. Oktober 2011 entschieden werden konnte.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).