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Einstweilige Anordnung; Beschwerde; Konkurrentenstreit; Auswärtiges Amt; mittlerer Auswärtiger Dienst; Beförderungsdienstposten; Bewerbungsverfahrensanspruch; dienstliche Beurteilung; Aktualitätsgrundsatz; Wartezeit; Bewährungszeit im zuvor erreichten Statusamt; Bewährung in verschiedenen Verwendungen


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 15.10.2010
Aktenzeichen OVG 6 S 3.10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 123 VwGO, § 146 VwGO, Art 33 Abs 2 GG, § 22 Abs 2 BBG

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 15. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, Beamtin auf Lebenszeit (Besoldungsgruppe A 8) im mittleren Auswärtigen Dienst, wendet sich dagegen, dass sie im Rahmen der Beförderungsrunde 2009 nicht für eine Beförderung ausgewählt wurde.

In der Beförderungsrunde 2009 standen auf Grund von 60 Stellenhebungen insgesamt 101 zu besetzende Planstellen der Besoldungsgruppe A 9 zur Verfügung. Ausweislich des Vermerks vom 4. August 2009 wurden in das „Betrachterfeld“ für die Beförderungsauswahl nur Beamtinnen und Beamte aufgenommen, die sich mindestens in zwei Regelbeurteilungszeiträumen im Statusamt der Besoldungsgruppe A 8 bewährt hatten, aus diesem Zeitraum sollten mindestens zwei Beurteilungen vorliegen; alle Beurteilungen in diesem Zeitraum einschließlich der aktuellen Beurteilung mussten feststellen, dass die Anforderungen mindestens in jeder Hinsicht erfüllt wurden, was nur dann angenommen wurde, wenn in der aktuellen Beurteilung kein Kompetenzbereich mit dem Ausprägungsgrad „D“ („schwächer ausgeprägt“) bewertet worden war und die Endnoten der maßgeblichen Vorbeurteilungen jeweils besser als „C1“ ausgefallen waren. Von den insgesamt 247 im Statusamt A 8 beurteilten Beamten wiesen 92 Bewerberinnen und Bewerber nicht die geforderten zwei Beurteilungen für zwei volle Regelbeurteilungszeiträume im Statusamt A 8 auf; in 14 Fällen war in der aktuellen Beurteilung mindestens ein Einzelmerkmal mit dem Ausprägungsgrad „D“ bewertet worden oder der Bewerber hatte in einer der zu berücksichtigenden Vorbeurteilungen die Endnote „C1“ oder schlechter erzielt. Von den 141 in das „Betrachterfeld“ aufgenommenen Beamten wurden drei Beschäftigte mit der Gesamtnote „1“, 13 Beschäftigte mit der Gesamtnote „2“, 28 Beschäftigte mit der Gesamtnote „3“ und 58 Beschäftigte mit der Gesamtnote „4“ und zwei Ausprägungsgraden „B“ zur Beförderung vorgeschlagen; eine beurlaubte Beamtin sollte auf einer Leerstelle geführt werden.

Die Antragstellerin wurde am 1. September 2005 zur Regierungshauptsekretärin (Besoldungsgruppe A 8) befördert. In ihrer letzten Regelbeurteilung zum Stichtag 16. Juni 2008 erzielte sie die Gesamtnote „2“ („übertrifft die Anforderungen erheblich“), in der zuvor erstellten Regelbeurteilung vom 13. März 2006 erhielt sie die Gesamtbewertung „E“ („übertrifft die besonders hohen Anforderungen in herausragender Weise“). Ihren Antrag, in das „Betrachterfeld“ einbezogen zu werden, lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 27. August 2009 ab, da die Antragstellerin sich noch nicht über zwei Beurteilungszeiträume im derzeitigen Statusamt bewährt habe. Die Antragstellerin hat hiergegen Widerspruch erhoben, über den bislang nicht entschieden ist.

Auf Antrag der Antragstellerin hin hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 15. Dezember 2009 der Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung untersagt, vor Ablauf von zwei Wochen nach Zustellung eines Bescheides über den Widerspruch der Antragstellerin gegen ihre Nichtberücksichtigung bei der Beförderungsrunde 2009 die Beigeladenen zu 1) bis 46) in ein Statusamt der Besoldungsgruppe A 9 zu befördern.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs der Antragstellerin festgestellt und der Antragsgegnerin eine Beförderung der Beigeladenen vorläufig untersagt. Die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung wird durch das für die Prüfung des Senats maßgebliche Beschwerdevorbringen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) nicht in Frage gestellt.

Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt (sog. Bestenauslese). Ein Beförderungsbewerber hat einen Anspruch darauf, dass über seine Bewerbung unter Beachtung der vorgenannten Kriterien ermessensfehlerfrei entschieden wird. Bei der erforderlichen Auswahl zwischen mehreren Bewerbern ist demgemäß in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien abzustellen. Entscheidende Bedeutung kommt hierbei den letzten dienstlichen Beurteilungen zu, denn diese geben den jeweils aktuell erreichten und damit maßgeblichen Leistungsstand wieder.

Die Antragstellerin hat in ihrer letzten Regelbeurteilung im Statusamt der Besoldungsgruppe A 8 die Gesamtbewertung „2“ erzielt. Damit ist sie als deutlich leistungsstärker beurteilt worden als 86 der zur Beförderung ausgewählten Beamten, die in dieser Regelbeurteilungsrunde die Gesamtnoten „3“ oder – wie sämtliche Beigeladenen – die Gesamtbewertung „4“ erhalten haben.

Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Antragstellerin bei der Beförderungsrunde 2009 nicht in das „Betrachterfeld“ aufgenommen werden konnte, weil sie die hierfür erforderliche Mindestbewährungszeit von zwei Regelbeurteilungszeiträumen im Statusamt der Besoldungsgruppe A 8 nicht absolviert hatte. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob angesichts des Umstandes, dass in § 22 Abs. 4 BBG gesetzlich vor einer erneuten Beförderung eine Mindestverweildauer im bislang erreichten Statusamt geregelt ist, eine Handhabung, die eine über die dort angeordnete Verweildauer hinausgehende Mindestdienstzeit im zuvor erreichten Statusamt fordert, ebenfalls einer gesetzlichen Regelung bedarf. Eine Beförderungspraxis, die Beförderungsaussichten von einer über die in § 22 Abs. 4 BBG angeordnete Mindestverweildauer hinausgehenden Zeit im zuvor erreichten Statusamt abhängig macht, ist jedenfalls nur dann mit dem Grundsatz der Bestenauslese aus Art. 33 Abs. 2 GG zu vereinbaren, wenn sie der sachgerechten Anwendung des Leistungsgrundsatzes dient. Eine „Wartezeit“ muss demgemäß geeignet und erforderlich sein, um eine zuverlässige Beurteilung des Leistungsvermögens und eine fundierte Prognose über die voraussichtliche Bewährung in einem höheren Amt zu ermöglichen (BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 2 C 23.03 -, BVerwGE 122, 146, Juris Rdnr. 16). Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die von der Antragsgegnerin geforderte Bewährung über zwei volle Regelbeurteilungszeiträume im Statusamt der Besoldungsgruppe A 8 erforderlich ist, um eine zuverlässige Prognose über die voraussichtliche Bewährung im Beförderungsamt abzugeben.

Eine Bewährungszeit, während der der Beamte ein bestimmtes Leistungsniveau erfüllen muss, dient zwar der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit über einen längeren Zeitraum bzw. in verschiedenen Verwendungen und damit der Absicherung der zu treffenden Prognoseentscheidung. Die Besonderheiten des Auswärtigen Dienstes, der auf Grund der regelmäßig stattfindenden Rotation der Mitarbeiter sowie der praktizierten „Topfwirtschaft“ in besonderem Maße darauf angewiesen ist, dass seine Beamten flexibel einsetzbar sind (vgl. auch Nr. II.4. des Personalentwicklungskonzepts für den Auswärtigen Dienst aus Februar 2002) und insbesondere ein Beamter im Spitzenamt einer Laufbahn in der Lage ist, sämtliche - auch schwierige - Posten dieser Laufbahn erfolgreich wahrzunehmen, dürften auch das von der Antragsgegnerin für eine sichere Prognose angeführte Erfordernis rechtfertigen, dass die Bewerber sich grundsätzlich in mindestens zwei unterschiedlichen Verwendungen bewährt haben müssen.

Das gewählte Verfahren stellt aber nicht sicher, dass die Prognose tatsächlich in der Regel auf eine Bewährung in zumindest zwei verschiedenen Verwendungen gestützt wird. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ergibt sich dies zwar nicht schon daraus, dass die Beamten des mittleren Dienstes während einer Standzeit im Inland regelmäßig nicht die Verwendung wechseln, weil diese Standzeit in der Regel nur drei Jahre beträgt (vgl. Nr. II.3 der Hinweise und Erläuterungen zur Vorbereitung der Versetzungsplanung eVT 2010, Anlage 1 zum Runderlass vom 15. Juli 2009). Allerdings ist ein Wechsel der Verwendung während einer vierjährigen Standzeit im Ausland nicht sichergestellt. Zwar werden die Beschäftigten des mittleren Auswärtigen Dienstes grundsätzlich teilfunktionsbezogen an eine Auslandsvertretung versetzt; die Vakanzenlisten weisen lediglich die Funktionen aus, die diese Beamten in der ersten Hälfte ihrer Regelstandzeit wahrnehmen sollen. Für den Einsatz in der zweiten Hälfte der Regelstandzeit ist indes ein Wechsel der Verwendung nicht zwingend vorgeschrieben; vielmehr unterliegt dies dem Direktionsrecht des Leiters der Vertretung (vgl. Nr. III.2 i.V.m. Nr. 1 der Hinweise und Erläuterungen zur Vorbereitung der Versetzungsplanung eVT 2010). Dass in der überwiegenden Zahl der Fälle tatsächlich ein Verwendungswechsel erfolgt, hat die Antragsgegnerin nicht belegt. Dagegen spricht, dass etwa die Antragstellerin zur Mitte ihrer derzeitigen Standzeit an der Botschaft Rom die Verwendung, soweit ersichtlich, nicht wechseln wird, da ihren unwidersprochenen Darstellungen zufolge kein weiterer Beschäftigter an der Botschaft die Qualifikation für ihren Dienstposten hat und dieser auch in der Vakanzenliste 2010 nicht aufgeführt wird. An Vertretungen, bei denen nur ein Beamter des mittleren Dienstes tätig ist, scheidet ein Verwendungswechsel von vorneherein aus.

Darüber hinaus weist die Antragstellerin zutreffend darauf hin, dass eine Mindestbewährungszeit gerade im Statusamt der Besoldungsgruppe A 8 für die Prognose über die künftige Bewährung auf verschiedenen Posten im Spitzenamt des mittleren Auswärtigen Dienstes nicht erforderlich ist. Wie dem Personalentwicklungskonzept für den Auswärtigen Dienst zu entnehmen ist, nehmen erfahrene Beamte der Besoldungsgruppe A 7 dieselben Funktionen wahr wie Beamte der Besoldungsgruppe A 8, nämlich in der Zentrale die Leitung von Einzelregistraturen sowie Bürosachbearbeitertätigkeiten in gehobener Funktion, im Ausland die Leitung von Zahlstellen und Einzelregistraturen und weitgehend selbständige Bürosachbearbeitertätigkeiten in der Verwaltung, im Rechts- und Konsularwesen sowie in technischen Verwendungen (vgl. S. 34 des Personalentwicklungskonzepts). Warum eine Beurteilung dieser Funktionen, soweit sie im Statusamt A 7 wahrgenommen wurde, einen geringeren Aussagegehalt besitzen soll, ist nicht ersichtlich. Der Umstand, dass die Anforderungen im niedrigeren Statusamt geringer sind, eine Beurteilung bei gleicher Leistung also besser ausfällt, kann durch entsprechend höhere Anforderungen an die in diesem Statusamt erzielten Noten ausgeglichen werden. Im vorliegenden Fall ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass auch die Regelbeurteilung vom 13. März 2006 zu einem Zeitpunkt erstellt wurde, in dem die Antragstellerin bereits in das Statusamt der Besoldungsgruppe A 8 befördert war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, da sie keinen Antrag gestellt und sich somit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).