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(Aufrechnungsverbot gem. § 55 KO: Zeitpunkt der Entstehung eines Erstattungsanspruchs des Gemeinschuldners wegen Überzahlung durch Aufrechnung erfüllter Steuerschulden)


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 12. Senat Entscheidungsdatum 13.01.2010
Aktenzeichen 12 K 8410/05 B ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 226 Abs 1 AO, § 218 Abs 2 AO, § 387 BGB, § 53 KO, § 54 KO, § 55 S 1 Nr 1 KO, § 240 Abs 1 S 5 AO, § 18 UStG

Leitsatz

Ein Steuererstattunsanspruch aufgrund von Steuervorauszahlungen entsteht im insolvenzrechtlichen Sinne im Zeitpunkt der Entrichtung der Steuer unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des Besteuerungszeitraums die geschuldete Steuer geringer ist als die Vorauszahlung.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer von dem Beklagten erklärten Aufrechnung.

Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der B GmbH i.L. (Gemeinschuldnerin). Das Konkursverfahren wurde am 01. September 1998 eröffnet.

Die Gemeinschuldnerin hatte einen aus dem Jahr 1997 resultierenden Erstattungsanspruch aus Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen in Höhe von DM 266 608,00, der sich aus der Körperschaftsteuerveranlagung vom 09. Dezember 1999 ergab und der unstreitig vor Eröffnung des Konkursverfahrens entstanden ist.

Am 13. Dezember 1999 rechnete der Beklagte durch Umbuchung mit diesem Körperschaftsteuerguthaben der Gemeinschuldnerin gegen Umsatzsteuerschulden der Klägerin in Höhe von DM  41 520,48 (Umsatzsteuer März 1998) sowie in Höhe von DM 225 087,52 (Umsatzsteuer Dezember 1997, ausweislich diverser Unterlagen und des von dem Kläger nicht substantiiert bestrittenen Inhalts der Vollstreckungsakte des Beklagten fällig geworden am 07. August 1998) der Klägerin auf.

Mit Bescheid vom 06. Januar 2005 änderte der Beklagte die Veranlagung für Umsatzsteuer 1997 auf der Grundlage der Ergebnisse einer Außenprüfung. Aufgrund vorangegangener Tilgungen einschließlich der Umbuchung vom 13. Dezember 1999 ergab sich ein Guthaben des Klägers in Höhe von € 108 348,99.

Ebenfalls am 06. Januar 2005 änderte der Beklagte die Festsetzung der Körperschaftsteuer 1997. Es ergab sich nunmehr ein Guthaben in Höhe von € 127 560,68, welches der Beklagte in Höhe von € 11 642,00 mit Zinsen zur Umsatzsteuer 1998, in Höhe von € 19 072,17 mit Umsatzsteuer 1998 sowie in Höhe von € 14 060,53 mit Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer 12/98 aufrechnete. Den Restbetrag in Höhe von € 82 785,98 zahlte der Beklagte an die Konkursmasse aus.

Das Guthaben aus der geänderten Festsetzung der Umsatzsteuer 1997 rechnete der Beklagte am 06. Januar 2005 gegen Forderungen aus Kapitalertragsteuer 12/98 auf. Dem widersprach der Kläger unter Hinweis auf das Abrechnungsverbot des § 55 der Konkursordnung (KO). Daraufhin erklärte der Beklagte mit Schreiben vom 18. April 2005, dass die Aufrechnung betreffend die Umsatzsteuer 1997 „nicht korrekt erklärt“ worden sei, und rechnete nunmehr mit einem Körperschaftsteuerguthaben 1997, ebenfalls in Höhe von € 108 348,99, gegen die Forderungen aus Kapitalertragsteuer 12/98 auf.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Aufrechnung des Beklagten vom 18. April 2005 unzulässig gewesen sei, weil ein Erstattungsanspruch zur Körperschaftsteuer 1997 zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bestanden habe.

Der Kläger beantragt, den Abrechnungsbescheid vom 02. Juni 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02. August 2005 dahingehend zu ändern, dass ein Guthaben wegen Umsatzsteuer 1997 in Höhe von € 108 348,99 besteht.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Seiner Ansicht nach hat die Aufrechnung vom 13. Dezember 1999 im Hinblick auf die Tilgung der Umsatzsteuerschulden aufgrund der Neufestsetzung der Umsatzsteuer 1997 ihre rechtliche Wirkung verloren, so dass das zur Aufrechnung gestellte Körperschaftsteuerguthaben 1997 wiederaufgelebt sei und zur Aufrechnung zur Verfügung gestanden habe.  Die Aufrechnung habe unter der auflösenden Bedingung gestanden, dass weder die Veranlagung für die Umsatzsteuer 1997 noch diejenige für die Körperschaftsteuer 1997 geändert würden. Die Aufrechnung vom 06. Januar 2005 habe bezüglich des Umsatzsteuerguthabens 1997 in Höhe von € 108 348,99 keine rechtliche Wirkung entfalten können, da es dieses Guthaben nicht gegeben habe.

Entscheidungsgründe

1. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung [FGO]). Der Kläger hat keinen Anspruch auf ein Erstattungsguthaben aus überzahlter Umsatzsteuer 1997 in Höhe von € 108 348,99.

Aufgrund der geänderten Festsetzung der Umsatzsteuer 1997 vom 06. Januar 2005 ergab sich ein Guthaben des Klägers in Höhe von € 108 348,99. Mit diesem Guthaben konnte der Beklagte gegen seine Forderung auf Kapitalertragsteuer aufrechnen.

a) Gemäß § 226 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) gelten für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen derartige Ansprüche die Vorschriften des bürgerlichen Rechts sinngemäß, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die Zulässigkeit der Aufrechnung richtet sich folglich nach §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und §§ 53 bis 55 KO.

Nach § 387 BGB setzt die Aufrechnung voraus, dass die Forderung des Aufrechnenden (die Gegenforderung) fällig und die Forderung des Aufrechnungsgegners (die Hauptforderung) erfüllbar ist. Eine vor Eintritt der Aufrechnungslage erklärte Aufrechnung ist unwirksam und bewirkt nicht das Erlöschen der betroffenen Forderungen.

Nach §§ 53 und 54 KO war ein Gläubiger des Gemeinschuldners außerhalb des Konkursverfahrens zur Aufrechnung befugt, wenn die aufzurechnenden Forderungen bereits zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens bestanden haben, wobei es nach §  54 Abs. 1 KO unschädlich war, wenn die Forderungen oder eine von ihnen zu diesem Zeitpunkt noch bedingt waren. § 55 Satz 1 Nr. 1 KO schließt die Aufrechnung aber aus, wenn jemand vor oder nach der Eröffnung des Verfahrens eine Forderung an den Gemeinschuldner erworben hat und nach der Eröffnung etwas zur Masse schuldig geworden ist.

Für die Frage, ob danach § 55 Satz 1 Nr. 1 KO der Aufrechnung durch den Konkursgläubiger entgegensteht, kommt es darauf an, ob die Hauptforderung (hier das Umsatzsteuerguthaben) ihrem Kern nach bereits vor Eröffnung des Konkursverfahrens entstanden ist. Ob ein Steueranspruch bereits vor Eröffnung des Konkurs- bzw. nach heutiger Rechtslage des Insolvenzverfahrens begründet war, richtet sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der der erkennende Senat sich anschließt, nicht danach, ob der Anspruch im steuerrechtlichen Sinne entstanden war, sondern danach, ob im Zeitpunkt der Konkurs- bzw. Insolvenzeröffnung der Rechtsgrund für den Anspruch im insolvenzrechtlichen Sinne gelegt war (BFH-Urteile vom 05. Oktober 2004 – VII R 69/03, Bundessteuerblatt (BStBl.) II 2005, 195, unter II.2.a) der Gründe; vom 16. November 2004 – VII R 75/03, BStBl. II 2006, 193, unter II.2. der Gründe; BFH-Beschlüsse vom 06. Oktober 2005 – VII B 309/04, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2006, 369, unter II.1. der Gründe; vom 07. Juni 2006 – VII B 329/05, BStBl. II 2006, 641; Sterzinger, Betriebs-Berater – BB – 2008, 1480, 1481). Der Anspruch auf eine Steuer ist im insolvenzrechtlichen Sinne dann vor Eröffnung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens begründet, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand, der zur Entstehung der Steuer führt, bereits vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist (BFH in BStBl. II 2005, 195, aaO.; in BStBl. II 2006, 193, aaO.; in BFH/NV 2006, 369, aaO.; BFH-Beschluss vom 20. April 2007 – VII B 252/06, BFH/NV 2007, 1395, m.w.N.). Das gilt auch für Steuererstattungsansprüche (Sterzinger aaO.). Steuererstattungsansprüche aufgrund von Steuervorauszahlungen entstehen im Zeitpunkt der Entrichtung der Steuer unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des Besteuerungszeitraumes die geschuldete Steuer geringer ist als die Vorauszahlung (BFH-Urteil vom 29. Januar 1991 – VII R 45/90, BFH/NV 1991, 791, unter 3. der Gründe; in BStBl. II 2006, 641; Beschluss des Bundesgerichtshofes – BGH – vom 12. Januar 2006 – IX B 239/04, Neue Juristische Wochenschrift – NJW – 2006, 1127, unter III.3. der Gründe, für einen Fall des Lohnsteuerabzuges). Maßgeblicher Lebenssachverhalt ist demnach die Entrichtung der Vorauszahlung (Obermair, BB 2004, 2610, 2611). Auf die Festsetzung des Erstattungsanspruches in einem Erstattungsbescheid kommt es nicht an (BFH in BFH/NV 1991, 791, unter 2.b) der Gründe; Rüsken aaO.); die Entstehung des Erstattungsanspruchs im insolvenzrechtlichen Sinne wird auch nicht dadurch gehindert, dass der Festsetzung des Erstattungsbetrages eine materiell-rechtlich rechtswidrige Steuerfestsetzung als Rechtsgrund der zu erstattenden Leistung entgegensteht (Rüsken, aaO.). Dementsprechend hat der BFH entschieden, dass Steuererstattungsansprüche aus überzahlter Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer des Jahres 1999, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Gemeinschuldnerin im  Mai 2000 noch nicht festgesetzt und daher noch nicht entstanden waren, vor Verfahrenseröffnung dadurch begründet waren, dass im Jahre 1999 die Lebenssachverhalte verwirklicht worden sind, aufgrund deren die Gemeinschuldnerin die Erstattungsansprüche erworben hat (BFH-Urteil vom 31. Mai 2005 – VII R 71/04, juris).

b) Nach diesen Grundsätzen ist der Erstattungsanspruch der Gemeinschuldnerin aus überzahlter Umsatzsteuer 1997 vor Eröffnung des Konkursverfahrens entstanden.

Die Umsatzsteuerverbindlichkeit, deren Überzahlung den bedingten Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch der Gemeinschuldnerin zur Folge hatte, ist am 13. Dezember 1999 durch Aufrechnungserklärung des Beklagten erfüllt worden. Damit ist allerdings – anders als der Kläger meint – nicht auf den 13. Dezember 1999 als Tag der Zahlung abzustellen, denn die Aufrechnung hat andere Rechtsfolgen als eine Tilgung einer Schuld durch Zahlung. Die Aufrechnung des Beklagten hat gemäß § 389 BGB zur Folge, dass die gegenseitigen Forderungen in dem Zeitpunkt als erloschen gelten, zu dem sie sich erstmals aufrechenbar gegenüberstanden. Diese Rechtsfolge gilt nach § 226 Abs. 1 AO in Ermangelung einer abweichenden Regelung auch für die Aufrechnung im Steuerrecht. Das ergibt sich im Umkehrschluss auch aus § 240 Abs. 1 Satz 5 AO, der die Rückwirkung der Aufrechnung – nur – für einen besonderen Fall aufhebt.

Die Aufrechnungslage, auf die die Erklärung der Aufrechnung zurückwirkt, ist gegeben, wenn die Hauptforderung des Aufrechnungsgegners erfüllbar und die Gegenforderung des Aufrechnenden fällig ist (vgl. Rüsken in Klein, AO, 10. Auflage 2009, § 226 Rn. 9). Es kann offen bleiben, ab wann die Hauptforderung (der Körperschaftsteuer-Erstattungsanspruch) erfüllbar war. Die Gegenforderung, mit der der Beklagte aufrechnete, die Umsatzsteuerforderung Dezember 1997, war am 07. August 1998 fällig. Damit gilt die Umsatzsteuer-Überzahlung der Gemeinschuldnerin als zu diesem Zeitpunkt geleistet. Diese Leistung der späteren Gemeinschuldnerin lag vor dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so dass der daraus resultierende Erstattungsanspruch zuvor begründet worden war mit der Folge, dass der Beklagte am 06. Januar 2005 dagegen mit seiner Forderung auf Kapitalertragsteuer aufrechnen konnte.

c) Dem steht das Schreiben des Beklagten vom 18. April 2005, in dem er einräumt, dass die Aufrechnung vom 06. Januar 2005 nicht korrekt erklärt worden sei, nicht entgegen. Mit diesem Schreiben hat der Beklagte die Aufrechnung nicht rückwirkend beseitigt; dies wäre ihm auch gar nicht möglich gewesen. Die weiteren Ausführungen des Beklagten in diesem Schreiben des Inhalts, dass er nunmehr mit einem Körperschaftsteuer-Guthaben aufrechne, entfalten keine Wirkung, da ein solches Körperschaftsteuer-Guthaben nicht – mehr – vorhanden war.

2. Die Revision zum Bundesfinanzhof war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da die Frage, wann Steuererstattungsansprüche, die ihren Grund in der Erfüllung von Steuerverbindlichkeiten durch Aufrechnung durch die Behörde haben, im konkurs- bzw. insolvenzrechtlichen Sinne entstanden sind, von grundsätzlicher Bedeutung ist.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.