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Ausgleichsleistungsrecht


Metadaten

Gericht VG Cottbus 1. Kammer Entscheidungsdatum 23.04.2020
Aktenzeichen 1 K 1763/15 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2020:0423.1K1763.15.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 1 Abs 4 Alt 4 AusglLeistG

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten für den Beklagten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Entscheidung des Beklagten, ein Anspruch auf Gewährung einer Leistung nach dem Gesetz über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können (Ausgleichsleistungsgesetz – AusglLeistG) stehe ihnen für den Eigentumsverlust an Druckereien in S... und R... nicht zu, weil das Unternehmen dem nationalsozialistischen System erheblich Vorschub geleistet habe.

Die Kläger sind Rechtsnachfolger nach G... und E... (nachfolgend vereinfachend bezeichnet als: die Alteigentümer), die jeweils zur Hälfte Eigentümer der ehemaligen Firma Gebrüder G... in S... mit Druckereien in S..., L... (der Hauptniederlassung), und in R..., B..., waren. Die Grundstücke Flurstück 3143/618 (alt – 1.669 m²) und 3144/618 (1.334 m²) der Flur 2 in S..., eingetragen ehemals im Grundbuch von S... Band 58, Blatt 1570, und 1455/82 sowie 2709/82 der Flur 4 in R... (insgesamt 454 m²), eingetragen ehemals im Grundbuch von R... Band 1, Blatt 13, standen im Eigentum der Brüder und wurde betrieblich genutzt.

Der „Verlag und Rotationsdruck von Gebrüder G... Buchdruckerei in S..., R... und O... " gab seit 1876 den „S... Anzeiger – Nachrichtenblatt und Anzeiger für den N... Industriebezirk, insbesondere für den Amtsgerichtsbezirk S... “ sowie „Tageszeitung für Stadt und Land, Publikations-Organ für die Reichs-, Staats- und Kommunal-Behörden“ heraus, der an Werktagen täglich von Montag-Sonnabend erschien. G... war seit 1934 bis 1938 „Hauptschriftleiter“ des „S... Anzeigers“ (§ 18 des Schriftleitergesetzes vom 04. Oktober 1933 [RGBl. I S. 713]). Die Zeitung hatte im Jahre 1934 eine Auflage von 9.544 Exemplaren und ab 1937 eine Auflage von 10.023 Exemplaren. Darüber hinaus gab die Firma Gebrüder G... das „C... Kreisblatt“ und die „E... Chronik“ heraus.

In der Ausgabe vom 04. April 1932 berichtete die Titelseite des „S... Anzeigers“ unter der Überschrift „Der neue Wahlkampf beginnt“ über den Wahlkampf zur Wahl des Reichspräsidenten (2. Wahlgang) am 10. April 1932 und zur Wahl des preußischen Landtags am 24. April 1932. Veröffentlicht wurde die Wahlunterstützung des Kronprinzen des Hauses Hohenzollern für den Kandidaten der Nationalsozialisten zur Reichspräsidentenwahl folgenden Inhalts:

„Der Kronprinz richtet folgende Kundgebung an die Öffentlichkeit: „Wahlenthaltung im 2. Wahlgang der Reichspräsidentenwahl ist unvereinbar mit dem Gedanken der Harzburger Front. Da ich eine geschlossene Nationale Front für unbedingt notwendig halte, werde ich im 2. Wahlgang Adolf Hitler wählen.

Schloss Oels, den 1. April 1932 gezeichnet Wilhelm, Kronprinz.“

Anschließend folgte der redaktionelle Beitrag „Hitler auf der Agitationsreise“, in dem die Reden des Kandidaten der N... auf den „großen Kundgebungen“ in D..., L..., C... und P... skizziert wurden und in dem über die Aussagen des Reichstagsabgeordneten H... in D... und des Prinzen A... in L... berichtet wurde. Zu den Bekundungen des Letztgenannten hieß es:

„In L... sprach Prinz A..., der Hitler den „Führer des kommenden Deutschland“ nannte. Er habe in den Jahren seiner Tätigkeit Millionen hinter sich gebracht. Nie habe er nachgegeben, wenn man versucht habe ihn einzuspinnen in politische Bündnisse.“

In der Ausgabe vom darauffolgenden Tag veröffentlichte die Zeitung Anzeigen der N... Ortsgruppe R... „Warum wählt die deutsche Frau Adolf Hitler?“ und eines Schriftstellers zugunsten der Wahl Adolf Hitlers zum Reichspräsidenten; zugleich wurde im redaktionellen Teil über die „Tagung der nationalsozialistischen Lehrer“ berichtet.

In der Ausgabe vom 11. April 1932 berichtete die Zeitung über die beiden Erstplatzierten des 2. Wahlgangs der Reichspräsidentenwahl Paul von Hindenburg und Adolf Hitler. Zu dem Gewinner der Reichspräsidentenwahl Paul von Hindenburg hieß es.

„Und wir glauben der Dolmetsch des ganzen Volkes zu sein, wenn wir dem Wunsch Ausdruck geben, dass es in den nächsten 7 Jahren seiner Präsidentschaft gelingen möge, die Ketten des deutschen Volkes, das er mit jeder Faser seines Herzens lebt, zu sprengen und es wieder emporvorzuführen zu neuer Blüte, Glück und neuer Freiheit.“

In dem „S... Anzeiger“ vom 06. Januar 1933 wurde eine Anzeige der N... -Ortgruppe S... mit der Ankündigung einer Rede zur „Nationalsozialistischen Wirtschaftsauffassung“ bekannt gemacht; in der Zeitung vom 21. Januar 1933 findet sich eine Anzeige der Sturmabteilung der N... (SA) mit dem „Programm der Gründungsfeier des neuen Sturms 2... “.

In der Ausgabe vom 09. Januar 1933 wurde unter der Überschrift „Erklärung Röhms und Graf Helldorfs“ ausführt, die Behauptung, es bestehe ein Zusammenhang zwischen der Erholungsreise des Stabschefs der SA und des SA-Obergruppenführers von B... und B... nach Italien und Meinungsverschiedenheiten mit Adolf Hitler sei „frei erfunden“; die Genannten stünden „in selbstverständlicher Treue hinter ihrem Führer Adolf Hitler, mehr denn je überzeugt von der Richtigkeit seiner Politik“. In derselben Ausgabe wurden die Artikel „Massenkundgebung der N... – Stärkste Anteilnahme bei der Beisetzung des ermordeten Hitler-Jungen in B... “ – der unter anderem Erklärungen des Oberführers der B... SA und des „Reichsjugendführers“ von Schirach enthält – und „Kommunistische Sensationsmache um einen Selbstmord“ veröffentlicht.

In der Ausgabe vom 13. Januar 1933 finden sich ein redaktioneller Beitrag über „Hitler im lippeschen Wahlkampf“ und eine Mitteilung der Pressestelle der N... mit der Überschrift „Die N... über Zersetzungsversuche“.

In der Ausgabe vom 16. Januar 1933 wurde auf der Titelseite in einem Artikel über die „Landtagswahlen in L... “ berichtet. In einer Übersicht wurden die Wahlergebnisse – das Gesamtwahlergebnis in dem seinerzeitigen Freistaat (heute: Bundesland N... ) und die Einzelergebnisse aus den Städten D..., L... und B... – jeweils für die Wahltermine 1929, 31. Juli 1932, 06. November 1932 und 1933 aufgeführt; die an ersten Stelle benannten Nationalsozialisten („Nat.Soz.“) hatten danach in L... und in allen benannten Städten die meisten Einzelstimmen erhalten.

Darunter fanden sich eine Erklärung des Parteiorgans der N... („Der ‚Völkische Beobachter‘ zum Wahlergebnis“) und der redaktionelle Beitrag „Der Verlauf der Wahl“, der mit folgendem Résumé schloss:

„Der Ausfall der Landtagswahl in L... soll, wie in politischen Kreisen in den letzten Wochen immer wieder betont worden ist, auf die weitere Entwicklung der Politik im Reiche nicht ohne Einfluss sein. Von dem Wahlergebnis sollte nämlich abhängig gemacht werden, ob der Reichstag wie vorgesehen am 24. Januar zusammentreten wird; das Ergebnis sollte aber auch Einfluss haben vor allem auf die Stellung der Nationalsozialisten zum Kabinett S... . Man war der Meinung, dass die Nationalsozialisten das Kabinett S... tolerieren würden, falls sie bei den Wahlen in L... Einbußen erleiden würden, daß andererseits die Nationalsozialisten der S... -Regierung gegenüber in schärfste Opposition treten würden, falls sie aus den Wahlen gestärkt hervorgehen würden. Die Würfel sind nun gefallen, man wird daher auch bald im Reiche klarer sehen können als bisher.“

In derselben Ausgabe heißt es unter der Überschrift „Der Reichskanzler warnt“, die Presse habe Aufrufe verbreitet, die geeignet seien, die Ruhe und Ordnung in erheblichem Maße zu stören. Der Reichskanzler warne die Öffentlichkeit, die Freiheiten nicht auszunutzen, denn anderenfalls müsse er mit Maßnahmen vorgehen, die unter anderem die Zeitungen für längere Zeit empfindlich treffen könnten. Hierzu kommentiert der Redakteur:

„Nach allem, was man über die neue Verordnung gehört, würde sie tatsächlich weitestgehende Eingriffe in die politische und persönliche Freiheit bringen. So wird von der Möglichkeit einer Schutzhaft gegen Personen gesprochen, die zur Störung von Ordnung und Sicherheit beitragen und auch von ganzen langfristigen Zeitungsverboten, die praktisch überhaupt auf ein Verbot der Zeitung für absehbare Zeit hinauslaufen würden.“

In dem „S... Anzeiger“ vom 17. Januar 1933 wurde über eine „SA.-Kreistagung der N... “ in S... unter anderem wie folgt berichtet:

„…Nach der Mittagspause sprechen der Kreistagsabgeordneter W... über Deutschlands kulturelle Wiedergeburt und die politische Lage, Redner H... über die Rettung der deutschen Landwirtschaft und zum Schluss ein Landtagsabgeordneter E... über Arbeitsrecht und Sozialpolitik. Mit dem Gesang des Horst-Wessel-Liedes und einem ‚Sieg Heil‘ auf den Führer der deutschen Freiheitsbewegung fand die arbeitsreiche Tagung ihr Ende.

Nachdem die SA die üblichen Speckerbsen eingenommen hatte, unternahm sie einen Propagandamarsch durch das Dorf, die Siedlungen und durch Büdgen. Abschließend wurde aufgerufen, für Hitlers Idee zu werben und Dank abgestattet für alle Beteiligten, die zur Verwirklichung des Tages beigetragen hatten.“

Die Ausgabe der Zeitung vom 23. Januar 1933 berichtete auf der Titelseite über die „Horst-Wessel-Kundgebung in B... “, die vor dem Karl-Liebknecht-Haus auf dem Bülowplatz abgehalten wurde. In dem Artikel ist unter anderem die Rede davon, dass „überall einzeln gehende Nationalsozialisten von Kommunisten überfallen und misshandelt“ worden seien. Das Karl-Liebknecht-Haus, „auf dem eine große Sowjetfahne wehte“, sei von der Polizei nach Waffen durchsucht und durch eine starke Polizeitruppe besetzt worden. Die Kommunisten hätten „durch Ausstreuung unwahrer Gerüchte die Massen aufzupeitschen (versucht)“, „immer wieder … (seien) einzeln gehende Nationalsozialisten und kleinere Trupps von Kommunisten überfallen“ worden.

Im Anschluss findet sich eine Artikel über „Hitlers Ansprache bei der Gedenksteinenthüllung“, die ausführlich über die Enthüllung eines Gedenksteins für H... auf dem Nikolaifriedhof in Anwesenheit von Hitler, Dr. Goebbels, Röhm, Himmler, des Prinzen August Wilhelm von Preußen und von General Epp berichtete, sowie ein Artikel „Hitler an die N... -Führerschaft“, in der die Rede vor den Amtswaltern der Berliner nationalsozialistischen Parteiorganisation im B... Sportpalast (auszugsweise) wörtlich widergegeben wurde. Des Weiteren finden sich Artikel über politische Zusammenstöße zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten in D..., A... und B... und über eine Anordnung Hitlers, den bisherigen G... mit dem G... zum G... “ zu vereinigen; der Artikel endet mit dem Schluss, der neue Gau „soll(e) ein Bollwerk gegen die ‚Slavengefahr‘ im bayerischen Osten darstellen“.

In den Ausgaben des „S... Anzeigers“ vom 30./31. Januar sowie 01. Februar 1933 wurde über die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler und das neue Kabinett geschrieben und es wurden die einzelnen Minister mit Lebenslauf vorgestellt.

Ausführlich wurde über die Fackelzüge von SA, SS und Stahlhelm in B... referiert. In dem Artikel „Große Begeisterung in B... “ (Ausgabe vom 31. Januar 1933) hieß es:

„Als symbolisch wertete man es, dass SA und Stahlhelm brüderlich vereint durchs Brandenburger Tor zur W... marschierten, um dem Reichspräsidenten und dem Reichskanzler, also dem schon historisch gewordenen lebenden Sinnbild des einigen nationalen Deutschlands, Hindenburg und Hitler, in dem Millionen die Idee eines neuen Deutschland verkörpert sehen, einen Fackelzug zu bringen.“

In dem Artikel „Die historische Nacht in B... “ (Ausgabe vom 1. Februar 1933) wurde über die historische Begeisterung, die der Fackelzug im In- und Ausland hervorgerufen habe, berichtet. So wurde die Berichterstattung in der Presse Frankreichs dahingehend wiedergegeben, Pariser Zeitungen hätten die Begeisterung als „geradezu übermenschlich bezeichnet“. Man habe den Eindruck gehabt, „als ob die nach Tausenden zählende Menschenmasse sich plötzlich auf die Knie werfen werde, um dem Herrgott zu danken.“ Selbst die Polizei sei „von der Begeisterung mitgerissen worden“. Es hieß weiter:

„…Der 30. Januar wird als der Tag des nationalen Deutschlands bezeichnet, der Tag, an dem das deutsche Deutschland die Führung des Landes aus den geschwächten Händen der Linken und gemäßigten Parteien übernommen habe. Die Weimarer Zeit sei abgeschlossen. Ein neuer Abschnitt der deutschen Politik beginne.“

Unter der Überschrift „Großfeuer im Reichstagsgebäude. Brandstiftung die Ursache. - Ein Täter bereits verhaftet. - Reichskanzler und Vizekanzler begaben sich sogleich zum Tatort." wurde am 28. Februar 1933 über den Brand des Reichstages berichtet, der „von kommunistischer Hand in Brand gesteckt“ worden sei. Es hieß weiter:

„…Die amtlichen Stellen sind in Auskünften noch außerordentlich zurückhaltend, da der Umkreis der tatsächlichen und intellektuellen Täterschaft bei dem Brande im Reichstag noch nicht abgesteckt ist und weitere Nachforschungen im Gange sind.

Fest steht jedoch, dass der Brand nicht etwa nur einzelnen Individuen kommunistischer Weltanschauung der KPD als solcher auf das Schuldkonto zu setzen ist. (…)

Die Anweisung, die Funktionäre der KPD zu verhaften, ist insofern von Erfolg gewesen, als bis jetzt 80 bis 100 Kommunisten festsitzen, darunter auch der Abgeordnete R... . Andere hohe Funktionäre haben sich anscheinend rechtzeitig aus dem Staub gemacht, zumal sie sich denken konnten, was nach der Entdeckung der Tat ihnen bevorstand (…)"

Der „S... Anzeiger“ vom 01. März 1933 referierte ausführlich zu der „Verordnung zum Schutze von Volk und Staat", die „nur in der Erkenntnis höchster Gefahr für Volk und Staat“ von der Reichsregierung „gegen jeden Terror“ beschlossen worden sei. In einer Rubrik über „Schutzmaßnahmen außerhalb Preußens“ hieß es, in O... sei die kommunistische und die sozialdemokratische Presse verboten worden, in M... sei wegen „drohender kommunistischer Unruhen größeren Umfangs“ die vorübergehende Einsetzung von Hilfspolizisten „aus den nationalen Verbänden, SA, SS und Stahlhelm“ beschlossen worden und es würden „schärfste Maßnahmen gegen die kommunistische Partei sowie gegen alle sonstigen Unruhestifter“ geplant. Grundsätzlich sollten am Sonnabend vor der Wahl alle politischen Versammlungen und auch Mitgliederversammlung aller politischen Parteien mit Ausnahme der Kundgebungen für die „nationale Erhebung“ verboten werden.

In der Ausgabe vom 03. März 1933 wurde ausführlich und im Wortlaut über die Rede Adolf Hitler im B... Sportpalast unter der Überschrift „Die Weltgefahr des Bolschewismus“ berichtet. Eingangs wurden die Worte des Reichspropagandaleiters der N... D... wiedergegeben:

„Noch rauchen die Trümmer des Reichstages, noch steht ganz Deutschland unter dem Eindruck dieses furchtbaren empörenden Attentats gegen das deutsche Volk. Aber die Öffentlichkeit des Landes hat nun wenigstens die eine beruhigende Gewissheit: Das Untermenschentum, daß da aus seinen Löchern kroch und das Gesindel, das Deutschland mit der Fackel des Bürgerkrieges bedrohte, um mit den Plünderungen beginnen zu können, beißt diesmal auf Granit. Es steht ihm jetzt die Reichsregierung der nationalen Erhebung gegenüber. In dieser entscheidenden Stunde ergreift der Führer der Bewegung, der Reichskanzler, wiederum vor der Berliner Partei das Wort. Er spricht über die Frage, die jetzt nicht nur in Deutschland, sondern in aller Welt in aller Munde ist: Die Weltgefahr des Bolschewismus in Deutschland.“

Es folgte eine „Abrechnung“ Hitlers mit „den früheren Machthabern“, von deren Versprechungen „nichts übrig geblieben sei, als ein Deutschland in Trümmern“.

Einzelne Ausführungen Hitlers – allerdings unklar, ob es sich nur um eine Aussage Hitlers oder auch die Meinung des Verfassers des Artikels handelt –, etwa zum „Wesen des Marxismus“, werden, wie etwa die Aussage „trauriger ist noch kein System von seinen Platz gewichen als das demokratische System in Deutschland“, graphisch herausgehoben. Im Anschluss an die vorzitierte Aussage hieß es in dem Beitrag:

„In Verbindung damit erzählt nun der Reichskanzler einen Fall, der dem Minister G... begegnet ist: Minister G... hat einen sehr bekannten Vertreter der Sozialdemokratie in hohem Amt erklärt, dass er unter den veränderten Verhältnissen nicht mit ihm zusammenarbeiten könne. Der sozialdemokratische hohe Beamte bat darauf den Minister, ihn doch bis zum Oktober im Amte zu lassen

dann habe er die Altersgrenze erreicht.

Göring erwiderte: Wir wollen nicht rachsüchtig sein, damit Sie ihre Altersgrenze erreichen können, will ich Sie bis zum Oktober beurlauben. Der hohe sozialdemokratische Beamte ging weg, kam aber plötzlich zurück und sagte, er hätte n o c h e i n e B i t t e: Ob ihm nicht auch der Umzug ersetzt werden könne. Das war – so fuhr der Reichskanzler fort – eine E i c h e unter den sozialdemokratischen Pflanzen! Als ihm aus der Masse der Ruf ertönte, Namen zu nennen, erwiderte der Reichskanzler: Erlassen Sie mir das. Ich werde den Namen nur nennen, wenn die Sozialdemokratie etwa Zweifel äußern sollte, dass ich die Wahrheit gesagt habe.“

In dem Artikel „Im Zeichen des historischen Wahlsonntags! – Die Wende am 5. März“ („S... Anzeiger“ vom 4. März 1933) hieß es zu der bis Kriegsende letzten „demokratischen“ Reichstagswahl am Folgetag:

„Der Wahlkampf ist im Wesentlichen abgeschlossen. Noch einmal wird, ehe der Marsch der Millionen zu den Wahlurnen einsetzt, am Vorabend des 5. März die nationale Welle gewaltig ansteigen, wenn der Kanzler vom deutschen Osten, von der alten Krönungsstadt her, den letzten Appell an das Volk richten wird. Gewaltige Vorbereitungen sind für diesen ‚Tag der erwachenden Nation‘ getroffen worden. Es wird ein grandioses noch nie erlebte Schauspiel sein, wenn die Tausende von Fackelzügen der Nationalsozialisten und der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot sich durch die Dörfer und Städte bewegen werden, wenn von den Bergen und Höhen die Flammenzeichen leuchten, und wenn schließlich die Stimme Adolf Hitlers, von Riesenlautsprechern über ganz Deutschland verbreitet, zum Aufbruch der Nation für die nationale Regierung aufrufen wird.

Die überragende politische Bedeutung der Wahl zum Reichstag und zum preußischen Landtag ist in den letzten Tagen in einer Hochflut von Schriften und Flugblättern gekennzeichnet worden. Die Aufdeckung der kommunistischen Umsturzpläne und die verbrecherische Brandlegung im Reichstag dürfte auch dem letzten deutschen Volksgenossen die Augen darüber geöffnet haben, worauf es am Sonntag ankommt. Am 5. März soll darüber entschieden werden, ob das deutsche Volk der Regierung Hitler-Papen-Hugenberg die Ermächtigung zum politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Wiederaufbau Deutschlands geben will, ob ein für alle mal mit der schwarz-roten Mißwirtschaft aufgeräumt werden oder ob in Deutschland weiter Zwietracht und Internationalismus triumphieren wollen. Hindenburg hat das Werk der nationalen Einigung eingeleitet. Sein Wille ist es, daß von den Männern der Rechten wieder ein ordentliches und sauberes Deutschland ausgebaut werden soll. Das Volk soll nun dieses Werk vollbringen. Es soll am 5. März der nationalen Regierung den festen Unterbau geben, der es ermöglicht, im Sinne Hindenburgs und der geeinten Rechten auf dem Weg vorzuschreiben, der seit dem historischen 30. Januar richtungsgebend war. Das ist der tiefere Sinn des Wahlsonntags. Die Aussichten, daß es der Regierung gelingt, die notwendigen 51 v. H. aller abgegebenen Wählerstimmen auf sich zu vereinigen, sind denkbar günstig.

(…)

Und keine Stimme den kleinen Splitterparteien! Alle Kräfte für die geeinte Rechte! Gegen den Marxismus! Für ein neues großes Deutschland! Wenn das deutsche Volk dieser Parole folgt, dann werden wir auch wieder einmal besseren und glücklicheren Tagen in Deutschland entgegensehen!“

Es folgen in den Ausgaben des „S... Anzeigers“ aus dem Jahr 1933 u. a. folgende Schlagzeilen:

- „Ein Erlass und eine Rede G... “ sowie „Aufruf des Reichskanzlers Hitler an die SA und SS“ (Ausgabe vom 11. März 1933, Titelseite),

- „Nationale Erhebung siegreich!“ und „Hakenkreuz und Schwarz=Weiß=Rot sind gemeinsam zu hissen.“ (Ausgabe vom 13. März 1933, Titelseite),

- „Die Heimat im Flaggenschmuck. Heute Abend großer Fackelzug/Freudenfeuer auf dem Bismarckturm/Der Beginn der machtvollen Kundgebung für Deutschlands Erneuerung“ (Ausgabe vom 21. März 1933, 1. Beilage zur Nr. 68),

- „Des deutschen Volkes Weihestunde! – Im Geiste Friedrichs des Großen" und „Gewaltige Treuekundgebungen für das neue Reich. – Riesige Fackelzüge allerorts. – Begeisterung und Freude aus vollem Herzen." (Ausgabe vom 22. März 1933, Titelseite),

- „Gegen die Greuelpropaganda in Amerika – Erklärungen aus der nächsten Umgebung Hitlers.", „Auswirkungen des schamlosen Lügenfeldzuges. – Deutscher Pressevertreter in London von Juden tätlich bedroht“ (Ausgabe vom 27. März 1933),

- „Schärfster Abwehrkampf gegen die Auslandshetze.“ (Ausgabe vom 28. März 1933),

- „Scharfe Maßnahmen gegen die Gräuelhetze – Aufruf der N... “ (Ausgabe vom 29. März 1933, Titelseite),

- „Der Reichskanzler zur Abwehrreaktion. Hitler über die Boykottmaßnahmen.“ (Ausgabe vom 30. März 1933),

- „Der Abwehrkampf gegen die Auslandshetze – Erste Boykottanordnungen“ (Ausgabe vom 31. März 1933, Titelseite), unter anderem mit einem Abdruck der zum Kampf gegen die „jüdische Gräuel- und Boykotthetze“ anzubringenden Transparente (unter anderem: „Die Juden sind unser Unglück“).

Der Verlag der Gebrüder G... gehörte dem „Deutschen Buchdruck-Verein“ an.

In der Ausgabe des “S... Anzeigers“ vom 30. März 1933 (2. Beilage zu Nr. 76) wurde eine Erklärung dieses Vereins mit „10 Punkten für die Presse" bekannt gemacht, in denen es unter anderem heißt:

„(…)

2. Grundlage für Form und Inhalt einer Zeitung ist die geschichtliche Tatsache der völkischen Revolution und der Sieg der nationalsozialistischen Idee. Ein Bekämpfen dieser die Zukunft unseres Volkes bestimmenden Idee wird als Volksverrat angesehen werden.

(…)

5. In der Berichterstattung wird Wahrheit verlangt. Die Schnelligkeit hat an 2. Stelle zu stehen. Wahrheit und Klarheit sind zehnmal wichtiger als das berüchtigte Tempo oder die ‚ jüdischer Hast‘.

(…)

7. Ehrensache der deutschen Presse ist es, im Nachrichten-, Unterhaltungs- und Anzeigenteil fremdrassige internationale jüdische Einflüsse auszuschalten.

(…)

9. Die von der nationalsozialistischen Regierung der Presse gestellte erzieherische Aufgabe ist ungeheuer groß. Planmäßig muss der Geschmack unseres Volkes auf eine höhere Stufe gehoben werden. Durch Geschichte, Gegenüberstellung von Kitsch und echter Kunst muss es gelingen, das von den Marxisten und Juden planmäßig verflachte Denken und Fühlen unseres Volkes wieder zu verfeinern und zu veredeln.

(…)

10. Diesen Aufgaben kann die Presse in vollem Maße nur gerecht werden, wenn alle ihre Vertreter sich nun eingehend – soweit es noch nicht geschehen ist – mit der nationalsozialistischen Weltanschauung beschäftigen. Ein Schriftsteller z.B., auf dessen Schreibtisch oder in dessen Bibliothek heute noch nicht Hitlers ‚Mein Kampf‘ steht, hat eine Ehrenpflicht seinem Beruf und seinem Volk gegenüber versäumt. Nicht umsonst hat ein Mann wie Adolf Bartels gesagt, er erachte dieses Buch für die bedeutendste politische Veröffentlichung nach Bismarcks ‚Gedanken und Erinnerungen‘.“

In derselben Ausgabe ist der Aufruf „Lies das Heimatsblatt!“ des Verlags und der Schriftleitung folgenden Inhalts veröffentlicht:

„Es verbreitet tausendfältiges Wissen/Dem Armen und Beschäftigungslosen gibt es wertvolle Fingerzeige/Dem Unternehmungslustigen einen Überblick über den Geldmarkt/Dem Kranken einen Hoffnungsstrahl, vielleicht einen Weg zur Gesundheit/Es warnt vor Betrügern, unterrichtet den Sportsmann, zeigt dem, der Vergnügen sucht, wo er es finden kann/In Steuer-, Miets- und Geldverfallsachen und vielen anderen gibt es Aufschluß, regt es an und macht klug/Das Heimatblatt gewährleistet in seinen Spalten schnellste, zuverlässige und erschöpfende Information aus Politik und Wirtschaft/Es tritt mit allen wahrhaften und aufrechten Deutschen für das neue Deutschland ein/Die sich täglich erhöhende Auflagenziffer, die ohnehin bedeutend höher ist als die im hiesigen Bezirk in Vertrieb gegebenen auswärtigen Zeitungen zusammen, beweist aufs Neue, daß es in allen Kreisen der Bevölkerung begehrt und beliebt ist.

Gebr. G... Verlag und Schriftleitung“

Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges wurden die Herren E... und G... verhaftet. Während G... an den Folgen der Inhaftierung verstarb, kam E... 1946 frei.

Die Druckerei in S... einschließlich der Betriebsgrundstücke wurde durch SMAD-Befehl Nr. 1... im Jahre 1946 sequestriert und durch Beschluss der Provinzialregierung Brandenburg vom 14. Februar 1947 auf besatzungshoheitlicher Grundlage gemäß SMAD-Befehl Nr. 6... enteignet. Von der Enteignung ausdrücklich ausgenommen wurden die im Eigentum der beiden Inhaber stehenden Wohnhäuser in S..., W... und A... . Der „Filialbetrieb der Fa. Gebr. G... in R..., B... ", einschließlich des Betriebsgrundstückes wurde mit Feststellungsbescheid der Landesregierung Sachsen vom 01. November 1948 in die Enteignung einbezogen wurde. Am 14. Februar 1949 wurden die betrieblich genutzten Grundstücke in das Eigentum des Volkes, Rechtsträger Brandenburger Grundstücks- und Vermögensverwaltung GmbH, übertragen. Das Grundstück 3144/618 der Flur 2 in S... wurde im Juli 1952 in Privateigentum zurückgegeben.

Der am 28. September 1945 verstorbene G... wurde dem Erbschein des Kreisgerichtes S... vom 21. April 1993 (81 (8) 52/93 und 53/93) nach von seiner Ehefrau M... beerbt, die am 15. März 1946 verstarb und aufgrund eines gemeinschaftlichen Testamentes und Zusatzes vom 16. Juli 1942 von ihrem Sohn G... beerbt wurde. G... verstarb am 17. Juni 1997 und wurde dem gemeinschaftlichen Erbschein des Amtsgerichtes B... vom 23. September 1997 (61 VI 358/97) nach von seiner Ehefrau I... und seiner Tochter J... – den Klägerinnen zu 3. und 4. – jeweils zur Hälfte beerbt.

E... ist am 29. Juni 1959 verstorben. Er wurde dem Erbschein des Staatlichen Notariats S... vom 15. Juli 1959 (2. NR.1... ) nach von seiner Schwester G... und seinem Neffen G... jeweils zur Hälfte beerbt.

G... verstarb am 27. Februar 1984, sie wurde dem Erbscheines des Staatlichen Notariats S... vom 27. April 1984 (60 -191 – 84) nach von ihrem Sohn G... allein beerbt. H... verstarb am 26. November 1984 und er wurde dem gemeinschaftlichen Erbschein des Amtsgerichtes R... vom 04. Januar 1985 (9 VI 778/84) nach von seiner Ehefrau E... zur Hälfte und von seinen Söhnen H... und K... – den Klägern zu 1. und 2. – jeweils zu ¼ beerbt. E... ist am 03. Oktober 1991 verstorben und sie wurde dem gemeinschaftlichen Erbschein des Amtsgerichtes R... vom 07. Februar 1992 (9 VI 831/91) nach von ihren Söhnen H... und K... jeweils zur Hälfte beerbt.

Den Antrag auf Rückübertragung des ehemaligen Unternehmens E... und G... GbR Druckerei S... und Filiale R... einschließlich der betrieblich genutzten Grundstücke in S... und R... – Flur 13, Flurstück 34 (1.334 m²) und Flur 4, Flurstück 743/1 (454 m²) lehnte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen des Landes Brandenburg (nachfolgend vereinfachend: Landesamt) mit bestandskräftigem Bescheid vom 07. November 1994 ab, weil die Vermögenswerte einer Enteignung auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage unterlagen.

Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens nach dem Ausgleichsleistungsgesetz ließen die Kläger vortragen, der „S... Anzeiger“ sei ein „relativ unbedeutendes, regionales Tagesblatt mit einem begrenzten Leserkreis“ gewesen. Die Zeitung habe sich lediglich darauf beschränkt, Vorgaben des Reichsministeriums für Propaganda und Volksaufklärung bzw. des Reichspresseamtes zu erfüllen, so dass davon auszugehen sei, dass „gezwungenermaßen die NS-ldeologie verbreitet“ worden sei. Eine eigenverantwortliche und von den Vorgaben des Ministeriums unabhängige menschenverachtende Agitation habe die Zeitung nicht betrieben. Daher sei eine Differenzierung vorzunehmen. Auf das Urteil des VG Dresden vom 08. Januar 2008 (7 K 2543/05) in dem Verfahren zum „C... Tagesblatt“ sei zu verweisen.

Unter dem 03. Februar 2014 hörte das Landesamt die Kläger zu der seinerzeit beabsichtigten Entscheidung an, der Erbengemeinschaft nach E... für den Anteil an der ehemaligen Druckerei sowie den Miteigentumsanteil an den Grundstücken in S... und R... eine Ausgleichsleistung i. H. v. 47.550,14 € zuzüglich des Zinsanspruchs zuzusprechen. Der Entwurf geht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 AusglLeistG nicht vorlägen, insbesondere seien die Inhaber des Unternehmens nicht Mitglied der N... gewesen und es habe nicht festgestellt werden können, ob sie als Schriftführer eingesetzt worden seien. Vor dem Machtantritt Hitlers habe der „S... Anzeiger“ eine „rein konservative Berichterstattung“ verfolgt und „erst nach der Machtergreifung“ habe er für das nationalsozialistische Gedankengut Partei ergriffen. Dies sei jedoch der damaligen Entwicklung und Einflussnahme der N... auf die Presse geschuldet gewesen. Als zentrale Überwachungs- und Anleitungsinstitution sei am 13. März 1933 das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda errichtet worden, das der Presse Anweisungen erteilt habe. „Vor dieser Entwicklung“ sei im „S... Anzeiger“ vom 16. Januar 1933 „eindringlich gewarnt“ worden. Bereits zu diesem Zeitpunkt „wurde eingeschätzt, dass die angekündigten Verordnungen einen wesentlichen Eingriff in die politische und persönliche Freiheit darstellen“.

Das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen teilte dem Landesamt unter dem 12. Juni 2014 mit, die vorstehende Auffassung werde nicht geteilt. Eine Anfrage bei der Zeitungsabteilung der Staatsbibliothek zu B... habe ergeben, dass G... seit 1934 selbst Hauptschriftleiter der Zeitung gewesen sei. Diese habe ab 1934 eine Auflagenstärke von 9.544 und ab 1937 bereits eine Auflage von 10.023 Exemplaren gehabt. Es solle eine repräsentative Auswertung der Ausgaben der Jahre 1933 bis 1945 erfolgen.

Nach weiterer Sachverhaltsaufklärung hörte das Landesamt die Kläger unter dem 09. Juni 2015 zur beabsichtigten Ablehnung des Antrages auf Gewährung von Ausgleichsleistungen an. Im Anschluss an die Stellungnahme der Verfahrensbevollmächtigten der Kläger vom 23. September 2015, auf welche Bezug genommen wird, lehnte das Landesamt die Anträge der jeweiligen Mitglieder der Erbengemeinschaften nach E... und nach G... auf Gewährung einer Ausgleichsleistung für die Anteile der Verstorbenen an der ehemalige Firma Gebrüder G... sowie für die Betriebsgrundstücke in S..., L..., und R..., B..., mit Bescheid vom 05. Oktober 2015 ab.

Mit der Herausgabe des „S... Anzeigers“ habe die Firma Gebrüder G... dem nationalsozialistischen System erheblich Vorschub geleistet. Zeitungen seien in der damaligen Zeit vor allem ein wichtiges Propagandawerkzeug des nationalsozialistischen Systems gewesen, um deren Ziele und Ideologien zu verbreiten. Vor dem Machtantritt Hitlers habe der „S... Anzeiger“ „konservativ“ berichtet, bereits kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten jedoch zunehmend – und ausschließlich – für das nationalsozialistische Gedankengut Partei ergriffen. Insbesondere nach dem Anschlag auf den Legationssekretär v... im November 1938 sei durch die Berichterstattung die Grundlage für die (späteren) Aktionen und die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung in S... gelegt worden. In der Ausgabe vom 12. November 1938 sei ausgeführt worden, dass „die Volksgenossen äußerste Disziplin bewahrt(en)" und „keinem Juden auch nur ein Haar gekrümmt" worden sei, wodurch der Eindruck entstanden sei, es habe sich um eine friedliche Kundgebung seitens der Bevölkerung gehandelt. Konkrete Übergriffe seien in den hier vorliegenden Auszügen des „S... Anzeigers“ vom November 1938 nicht benannt; dem widerspreche jedoch ein Artikel in der L... Rundschau vom 14. Juli 2007, der von den Übergriffen in der Reichspogromnacht auf jüdische Bürger in S... berichtet habe, an deren Folge der Rechtsanwalt und Notar D... verstorben sei. Durch die einseitige Berichterstattung im „S... Anzeiger“ nach der Machtergreifung sei maßgeblich und stetig zur Meinungsbildung der Bevölkerung und damit zur Festigung des nationalsozialistischen Systems beigetragen worden.

Der Nutzen, den das Regime aus der Herausgabe der Zeitung gezogen hat, sei ihrer Auflagenzahl nach auch nicht ganz unbedeutend gewesen, zumal in den eigenen Angaben aus dem Jahr 1933 gerade die Bedeutung für die gesamte Region hervorgehoben und betont worden sei, dass die Auflage höher als die aller auswärtigen Zeitungen zusammen sei.

G... sei zumindest von 1934 bis 1938 als Hauptschriftleiter des „S... Anzeigers“ tätig gewesen und er habe als Verleger und Hauptschriftleiter daher vorsätzlich gehandelt. Dass ein erheblicher Druck auf ihn ausgeübt worden sei, etwa seine Freiheit, sein Leib oder sein Leben gefährdet gewesen seien, habe durch die vorliegenden Unterlagen nicht belegt werden können und sei auch nicht vorgetragen worden.

Die Kläger haben am 29. Oktober 2015 Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vortragen lassen:

Es sei „diskriminierend“, dass der angefochtene Bescheid tragend darauf abstelle, dass G... als Hauptschriftleiter des „S... Anzeigers“ tätig gewesen sei. Dieser sei lediglich Hauptschriftleiter gewesen, weil er „Reichsdeutscher und ‚arischer Abstammung‘“ gewesen sei; eine positive Einstellung gegenüber dem Nationalsozialismus sei mit dieser Position nicht verbunden gewesen.

Die Bedeutung des „S... Anzeigers“ mit einer Auflage 1938 von „nur 10.798 Exemplaren“ sei „weit überhöht dargestellt“ worden, es habe sich um ein „eher untergeordnetes Provinzblatt“ gehandelt; das „C... Tageblatt“ habe demgegenüber eine Auflage von 23.000 Exemplaren gehabt. Dem stehe nicht entgegen, dass die Verleger verständlicherweise die Bedeutung ihres Blattes in der zitierten Ausgabe vom 30. März 1933 überhöht dargestellt hätten.

Ebenso „unhaltbar“ seien die Feststellungen, G... habe als Schriftleiter und hauptverantwortlicher Verleger frei von Zwang gehandelt. Der Beklagte negiere historische Tatsachen. Ein Hauptschriftleiter habe nicht „frei schalten und walten“ können und habe inhaltlichen Kontrollen durch die Reichspressekammer in Form einer Zensur unterlegen, wie die anliegende Ausarbeitung des Gutachters F... vom 28. November 1946 im Einzelnen belege. Das Propagandaministerium und das Reichspropagandaamt hätten bestimmt, wie der Schriftleiter und der Verleger-Hauptschriftleiter im Einzelnen den Inhalt der wesentlichen Teile seiner Zeitung, des politischen und des kulturellen Teils, zu gestalten gehabt hätten; beide seien nichts anderes als „Befehlsempfänger“ gewesen. Die publizistische Stellung des Verleger-Hauptschriftleiters innerhalb der Redaktion einer privateigenen Heimatzeitung während des Hitler-Regimes habe die Geltendmachung einer eigenen politischen Anschauung völlig ausgeschlossen, wenn sie von den offiziellen Anweisungen, Tagesparolen und Sprachregelungen des Propagandaministeriums und der Reichspropagandaämter abgewichen sei. Auch die wirtschaftliche Stellung des Verlegers einer privateigenen Zeitung sei alles andere als die eines selbständigen Unternehmers gewesen. Es könne daher keinem Zweifel unterliegen, dass die beanstandete Berichterstattung im „S... Anzeiger“ auf „Grund von Zwang“ erfolgt sei. G... habe die Enteignung und Verhaftung gedroht.

Die Kläger beantragen sinngemäß schriftlich,

den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Landesamtes vom 05. Oktober 2015 zu verpflichten, ihnen für die Einziehung des betrieblichen Vermögens der Fa. Gebr. G..., Buchdruckerei und Zeitungsverlag in S... und R..., Ausgleichsleistungen zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen vor: Die Tatsache, dass G... als Hauptschriftleiter der Zeitung die volle Verantwortung für die Veröffentlichungen innegehabt habe, diffamiere ihn nicht. Zwar sei die Auflagenstärke des „S... Anzeigers“ im Gegensatz zu überregionalen Zeitungen nicht sehr hoch gewesen, aber gerade die Tatsache, dass diese Zeitung als auflagenstärkste Regionalzeitung der Region ausgewiesen sei, zeigt auch den Einfluss auf die in dieser Region lebenden Bürger. Insofern komme der Zeitung selbst sehr wohl eine besondere Bedeutung zu.

Das zitierte Gutachten des F... könne letztlich nicht dazu führen anzunehmen, der Hauptschriftleiter hätte ausschließlich unter Zwang gehandelt, immer in Angst, bei eigenständiger Berichterstattung enteignet zu werden. Grundsätzlich sei – in Kenntnis vieler gleichgelagerter Fälle – bekannt, dass bei Zeitungen im NS-Staat versucht worden sei, eine „Gleichschaltung“ herbeizuführen. Es sei allerdings auch bekannt, dass gerade kleinere Zeitungen je nach Einstellung der Redakteure/Schriftleiter die Möglichkeit gehabt hätten, eigenständige Berichterstattung zu veranlassen. Dies habe insbesondere auch für die Informationen über regionale Veranstaltungen gegolten. Auch sei es üblich gewesen, dass die Zeitungen eigene Leitartikel hätten verfassen können. Dass im konkreten Fall ein Hauptschriftleiter, dessen politische Einstellung angeblich nicht national-sozialistisch eingefärbt gewesen sei, sich trotzdem in seinen Leitartikeln in den Ausgaben vom 11. und 31. August 1939 für die herrschende Rolle der N... eingesetzt habe, zeuge davon, dass der Hauptschriftleiter auch aus eigenem Antrieb die Rolle des Unterstützers des System gewollt habe.

Die Kammer hat den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 01. März 2018 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (3 Ordner) Bezug genommen. Sämtliche Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Gerichts.

Entscheidungsgründe

I. 1. Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Kläger in der mündlichen Verhandlung weder anwesend waren noch durch ihre Prozessbevollmächtigten vertreten wurden, denn diese sind ordnungsgemäß und unter Hinweis auf diese Möglichkeit geladen worden, § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

2. Die Rubren waren zu berichtigen.

Das Aktivrubrum war dahingehend klarzustellen, dass nicht jeweils „die Erbengemeinschaft“ nach E... und nach G... klagt, sondern dass die Klage von den Klägern zu 1. – 4. als natürliche Personen, § 61 Nr. 1 1. Alt. VwGO, erhoben wurde.

Zwar lässt die Klageschrift der Prozessbevollmächtigten der Kläger auf den ersten Blick darauf schließen, dass jeweils „die Erbengemeinschaft“ als solche nach den Verstorbenen Klage erhoben hat – was in Ermangelung der Beteiligtenfähigkeit einer Erbengemeinschaft im Verwaltungsprozess zur Unzulässigkeit der Klage geführt hätte (vgl. etwa: Sächsisches OVG, Beschl. v.11. März 2013 – 5 A 751/10 –, juris Rn. 8 m. w. N.; v. Albedyll in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/v. Albedyll, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl. 2018, § 61 Rn. 8 m. w. N.). –, dieser Schluss verliert jedoch angesichts entgegenstehender Umstände an Überzeugungskraft: Die Prozessbevollmächtigten der Kläger haben sich in der Gestaltung des Aktivrubrums der Klage („1.) der Erbengemeinschaft nach …“ und „2.) „der Erbengemeinschaft nach …“) ersichtlich an dem vergleichbar gestalteten Bescheid des Landesamtes vom 05. Oktober 2015 orientiert, entsprechend die Klägerinnen zu 3. und 4. als Beteiligte beider Erbengemeinschaften aufgeführt sowie das Rubrum des Landesamtes berichtigt („(nicht: E... !)“. Jedenfalls durch die Bezeichnung der Klagenden als „Kläger zu 1)“ – und nicht Klägerin zu 1) – und „Klägerinnen zu 2) – und nicht Klägerin zu 2) – haben sie jedoch zu erkennen gegeben, dass die Mitglieder der Erbengemeinschaften als (beteiligungsfähige) natürliche Personen Rechtsschutzsuchende sein sollen.

Zwar ist bei einem Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten ein strengerer Maßstab als bei einem anwaltlich nicht vertretenen Beteiligten anzulegen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13. Januar 2012 – BVerwG 9 B 56.11 –, juris Rn. 7/8 [zur Auslegung eines Klagebegehrens im Rahmen des § 88 VwGO) –, auch in diesem Zusammenhang ist jedoch auf ein sinnvolles Auslegungsergebnis und darauf Bedacht zu nehmen, dass dem Rechtsschutz möglichst Rechnung getragen werden kann (BGH, Beschl. v. 25. Juli 2012 – IV ZR 233/09 –, juris Rn. 6; BGH, Urt. v. 26. Mai 2009 – VI ZR 174/08 –, juris Rn. 13; BFH, Beschl. v. 13. Juni 2019 – VIII B 146/18 –, juris Rn. 4). Dieses Gebot bedingt die Berichtigung des Rubrums und steht einer Abweisung der Klage als unzulässig entgegen.

Das Gericht hat des Weiteren das Passivrubrum dahingehend berichtigt, dass das jetzige Ministerium der Finanzen und für Europa beklagt ist. Die Zuständigkeit des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen wurde mit Art. 1 § 1 Abs. 7 der Zweiten Verordnung zur Änderung der Vermögensgesetzdurchführungsverordnung vom 29. Oktober 2014 (GVBI. II Nr. 84) auf das – seinerzeitige – Ministerium der Finanzen übertragen.

II. Die Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch unbegründet.

Den Klägern steht kein Anspruch zu, den Beklagten zu verpflichten, ihnen eine Ausgleichsleistung für den Eigentumsverlust an den streitgegenständlichen ehemaligen Druckereien einschließlich der im Tatbestand bezeichneten, betrieblich genutzten Grundstücke zu gewähren. Der angefochtene Bescheid des Landesamtes vom 05. Oktober 2015 hat dieses Begehren zutreffend versagt, § 113 Abs. 5 VwGO.

Nach § 1 Abs. 1 S. 1 AusglLeistG erhalten natürliche Person, die Vermögenswerte im Sinne des § 2 Abs. 2 VermG durch entschädigungslose Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage im Beitrittsgebiet verloren haben, oder ihre Erben oder weiteren Erben (Erbeserben) eine Ausgleichsleistung nach Maßgabe dieses Gesetzes. Das streitgegenständliche Unternehmen war Gegenstand einer entschädigungslosen Enteignung im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 AusglLeistG und unmittelbar geschädigt waren die Alteigentümer.

Leistungen nach diesem Gesetz werden allerdings nicht gewährt, wenn der nach den Absätzen 1 und 2 Berechtigte oder derjenige, von dem er seine Rechte ableitet, oder das enteignete Unternehmen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen, in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht oder dem nationalsozialistischen oder dem kommunistischen System in der sowjetisch besetzten Zone oder in der Deutschen Demokratischen Republik erheblichen Vorschub geleistet hat, § 1 Abs. 4 AusglLeistG.

So liegt es hier. Der Gewährung einer Ausgleichsleistung steht § 1 Abs. 4 3. Alt. AusglLeistG entgegen, weil der „Verlag und Rotationsdruck von Gebrüder G... Buchdruckerei in S..., R... und O... " als Herausgeber des „S... Anzeigers“ dem nationalsozialistischen System erheblich Vorschub geleistet hat.

Diese Ausschlussregelung soll ihrem Sinn und Zweck nach verhindern, dass diejenigen, die die Hauptverantwortung für die zu revidierenden Unrechtsmaßnahmen tragen, das Ausgleichsleistungsgesetz zu ihren Gunsten in Anspruch nehmen können; der Ausschlusstatbestand entspricht damit im Grundsatz den Ausschlüssen in anderen vergleichbaren Gesetzen (vgl. BT-Drs. 12/4887, S. 38), etwa in § 8 des früheren Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes (BWGöD), in § 3 Abs. 2 Nr. 1 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) und in § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Häftlingshilfegesetzes (HHG), so dass die zu den entsprechenden Vorschriften ergangene Rechtsprechung auch im Rahmen des Ausgleichsleistungsgesetzes zu Grunde gelegt werden kann (BVerwG, Urt. v. 17. März 2005 – BVerwG 3 C 20.04 –, juris Rn. 12).

Das „erhebliche Vorschubleisten“ zugunsten des nationalsozialistischen Systems enthält eine objektive und eine subjektive Komponente:

In objektiver Hinsicht muss der Betroffene nicht nur gelegentlich oder beiläufig, sondern mit einer gewissen Stetigkeit Handlungen vorgenommen haben, die dazu geeignet waren, die Bedingungen für die Errichtung, die Entwicklung oder die Ausbreitung des nationalsozialistischen Systems und seiner spezifische Ziele zu verbessern oder Widerstand zu unterdrücken, und dieses auch zum Ergebnis hatten; der Nutzen für das Regime darf nicht nur ganz unbedeutend gewesen sein (vgl. grds.: BVerwG, Urt. v. 17. März 2005 – BVerwG 3 C 20.04 –, juris Rn. 12 ff. m. w. N.; BVerwG, Beschl. v. 12. Februar 1991 – BVerwG 9 B 244.90 –, juris Rn. 4; BVerwG, Urt. v. 14. Dezember 2006 – BVerwG 3 C 36.05 –, juris Rn. 21).

Im Falle einer – wie vorliegend – Unternehmensunwürdigkeit ist ausschließlich das Verhalten des enteigneten Unternehmens maßgebend.

Hierfür ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass die den jeweiligen Ausschlusstatbestand erfüllenden Handlungen dem Unternehmen zugeordnet werden können; sie müssen sich nach außen hin als Tätigwerden des Unternehmens darstellen; nicht notwendig ist hingegen, diese Handlungen auf eine einzelne Person (etwa den Betriebsinhaber oder einen Gesellschafter) zurückzuführen (BVerwG, Urt. v. 23. April 2015 – BVerwG 5 C 10.14 –, juris Rn. 12). Eine solche objektive Zuordnung ist nicht nur bei einem unmittelbaren Handeln der Unternehmensleitung zu bejahen, sondern unter anderem auch bei einem Handeln der Personen im Unternehmen, die befugt und damit verantwortlich gewesen sind, für das Unternehmen tätig zu werden; an ihr kann es fehlen, wenn die den Ausschlusstatbestand erfüllende Handlung auf einer ausschließlichen Außensteuerung beruhte (vgl. BVerwG, Urt. v. 23. April 2015 – BVerwG 5 C 10.14 –, juris Rn. 14; BVerwG, Beschl. v. 12. Dezember 2008 – BVerwG 5 B 104.08 –, juris Rn. 2/4 [ebenfalls zu einem Presseunternehmen]).

Für die subjektiven Voraussetzungen eines Anspruchsausschlusses nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG ist hinreichend, dass der Betreffende wissentlich und willentlich zu Gunsten des nationalsozialistischen System tätig geworden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. März 2005 – BVerwG 3 C 20.04 –, juris Rn. 21; Urt. v. 14. Dezember 2006 – BVerwG 3 C 36.05 –, juris Rn. 24; BVerwG, Beschl. v. 20. März 2007 – BVerwG 5 B 88.06 –, juris Rn. 7).

Entsprechendes gilt bei der Unternehmensunwürdigkeit. Insoweit ist auf die für das Unternehmen handelnden natürlichen Personen abzustellen, die dessen Handeln nach außen hin tatsächlich maßgeblich bestimmt haben, ohne dass es auf deren gesellschaftsrechtliche Stellung ankommt. Können die den Vorwurf des erheblichen Vorschubleistens begründenden Handlungen dem Unternehmen objektiv zugeordnet werden, ist in der Regel zu vermuten, dass das Unternehmen für diese auch subjektiv verantwortlich ist. Etwas anderes kann auch insoweit lediglich dann angenommen werden, wenn das Vorschubleisten auf einer ausschließlichen Außensteuerung durch außerhalb des Unternehmens stehende Personen beruht, die ein willentliches Handeln derjenigen, die das Handeln des Unternehmens nach außen hin maßgeblich bestimmen, ausschließt (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. März 2005 – BVerwG 3 C 20.04 –, juris Rn. 15).

Die Voraussetzungen der objektiven und subjektiven Unternehmensunwürdigkeit liegen vor.

In objektiver Hinsicht ist das Landesamt zutreffend davon ausgegangen, dass auf Grund der von ihm ermittelten Berichterstattung des „S... Anzeiger“ ab dem 30. Januar 1933, das enteignete Unternehmen dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet hat. Insoweit kann mit der Behörde ohne Weiteres von einer „ausschließlich nationalsozialistischen Berichterstattung“ gesprochen werden, die sich in den von ihr hervorgehobenen Umständen – der Veröffentlichung der „10 Punkten für die Presse“ des „Deutschen Buchdruck-Vereins“, der menschenverachtenden Diktion nach dem Attentat auf den Legationssekretär v... im November 1938 und der ersichtlich falschen und beschönigenden Berichterstattung nach der „Reichskristallnacht“ im November 1938 –, aber auch weiteren Umständen augenfällig manifestiert. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Berichterstattung des „S... Anzeigers“ nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler und vor Inkrafttreten des Schriftleitergesetzes vom 04. Oktober 1933 und vor der letzten jedenfalls noch eingeschränkt freien und demokratischen Wahl vom 05. März 1933:

Schon die Berichterstattung unmittelbar nach dem 30. Januar 1933 macht deutlich, dass die Zeitung nicht nur objektiv über die Geschehnisse in Berlin berichtete, sondern dass das Blatt selbst dem im Wesentlichen von der N... und dem Reichskanzler Adolf Hitler getragenen „neuen Deutschland“ positiv gegenübersteht und werbend für die N... und ihre Gliederungen eintritt. Dieser Eindruck aus den Ausgaben des „S... Anzeigers“ vom 30./31. Januar und 01. Februar 1933 wird durch die Berichterstattung der folgenden Tage bekräftigt und verstärkt. Die Berichterstattung über den Reichstagsbrand ist von einer ersichtlichen Sympathie für die Nationalsozialisten und dem Bemühen getragen, die Geschehnisse der kommunistischen Partei – und zwar ihr als solcher – anzulasten. „Schärfste Maßnahmen“ gegen diese Partei und alle weiteren „Unruhestifter“ – mit Ausnahme derjenigen, die für die „nationale Erhebung“ eintreten – werden, so in der Ausgabe vom 01. März 1933, der Sache nach gerechtfertigt. Diese Berichterstattung kulminiert in den Ausgaben vom 03. März 1933 und 04. März 1933, in denen u. a. Vertreter demokratischer Parteien, insbesondere der Sozialdemokratie, verächtlich gemacht werden und in denen die Zeitung nunmehr ganz offen in einem redaktionellen Beitrag dazu aufruft, „ein für alle mal mit der schwarz-roten Mißwirtschaft … (aufzuräumen)“ und der von Adolf Hitler geführten Regierung zu einer Mehrheit der abgegeben Stimmen zu verhelfen.

Auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids, S. 13 – 15, wird, auch was die subjektiven Voraussetzungen des Anspruchsausschlusses angeht, zur Meidung von Wiederholungen nach § 117 Abs. 5 VwGO Bezug genommen.

Das Gericht teilt allerdings die Auffassung des angefochtenen Bescheids nicht, der „S... Anzeiger“ habe v o r dem 30. Januar 1933 „eine rein konservative Berichterstattung“ verfolgt. Vielmehr war auch die Berichterstattung v o r der sogenannten „Machtergreifung“ Adolf Hitlers nach Überzeugung des Gerichts über eine „konservative“ oder „nationale“ Berichterstattung weit hinausgehend dem äußersten rechten Rand des politischen Spektrums zuzuordnen, von einer offenkundigen Sympathie für die N... und ihren „Führer“ Adolf Hitler geprägt und bestrebt, diesem zur Macht im Deutschen Reich zu verhelfen. Dieser Umstand trägt schon für sich genommen die Entscheidung des Beklagten zur fehlenden Unternehmenswürdigkeit.

Der vorgenannte Schluss ergibt sich für das Gericht insbesondere aus den im Tatbestand zitierten Ausgaben des Jahres 1932: Die Bekanntmachung der Wahlaufrufe des dem Nationalsozialismus zugetanen und von der N... bewusst als „Stimmenfänger“ eingesetzten Prinzen August Wilhelm von Preußen zugunsten des Kandidaten Adolf Hitler zur Reichspräsidentenwahl am 10. April 1932 auf der Titelseite der Ausgabe vom 04. April 1932 und der redaktionelle Beitrag über die Wahlkampfreise des Kandidaten der N..., ebenfalls auf der Titelseite, können – auch und vor allem angesichts des Umstandes, dass entsprechende Berichte zu Gunsten der anderen beiden Kandidaten nicht veröffentlicht wurden – nur als Wahlkampfhilfe für die Nationalsozialisten als „Führer des kommenden Deutschland“ verstanden werden.

Entsprechendes gilt für die Berichterstattung in den Ausgaben vom 09., 13. und 16. Januar 1933. Zwar ist es angesichts der von der Zeitung in der Ausgabe vom 16. Januar 1933 vertretenen Auffassung, die Landtagswahl in L... habe Bedeutung für die Regierungsbildung im Reich, nachvollziehbar, dass über den dortigen Wahlkampf und die Wahlergebnisse auch in einer Kreiszeitung der Provinz Brandenburg berichtet wird – die großflächige Darstellung der Stimmenergebnisse der Parteien verfolgt angesichts des Sieges der Nationalsozialisten jedoch ersichtlich den Zweck, der N... auch im Reich zum Durchbruch zu verhelfen; anders kann diese Darstellung der Wahlergebnisse vor allem angesichts der sich unmittelbar anschließenden Erklärung des „Völkischen Beobachter“ nicht verstanden werden.

Dem steht im Übrigen der redaktionelle Beitrag „Der Reichskanzler warnt“ nicht entgegen; dieser Beitrag könnte zwar – für sich genommen betrachtet – als ein Votum für Demokratie und Pressefreiheit verstanden werden, wie das Landesamt in der beabsichtigten Entscheidung vom 03. Februar 2014 noch meint. Nach Überzeugung des Gerichts ist dieser Artikel jedoch allenfalls als eine „neutrale“ Berichterstattung zu verstehen; ebenso gut konnte damit die Zielsetzung verfolgt werden, das Kabinett K... zu desavouieren, indem darauf hingewiesen wurde, dass der Reichskanzler wortbrüchig wird, indem er seine Ankündigung aus dem Regierungsprogramm, „einige die Freiheiten der Staatsbürger und der Presse einschränkenden Verordnungen“ aufzuheben, nicht umsetzt.

Für die letztgenannte Auslegung spricht nicht nur die Berichterstattung in der Ausgabe von demselben Tag, sondern in besonderem Maße die nachfolgende Berichterstattung in den Ausgaben vom 17. Januar 1933 – Adolf Hitler als „Führer der deutschen Freiheitsbewegung“ – und insbesondere vom 23. Januar 1933, die nur als Werbung zu Gunsten des Nationalsozialismus verstanden werden kann.

Der „S... Anzeiger“ erfüllt nach alledem bereits vor dem 30. Januar 1933 die 2. Tatbestandsalternative des § 1 Abs. 4 AusglLeistG, indem er durch seine Berichterstattung seit 1932 und damit über einen längeren Zeitraum versuchte, die Bedingungen für die Errichtung und Ausbreitung des nationalsozialistischen Systems und seiner spezifischen Ziele zu verbessern. Bereits – und vor allem – dieser Umstand steht der Gewährung einer Ausgleichsleistung entgegen.

Entgegen der Auffassung der Kläger kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Nutzen, den der Nationalsozialismus aus dieser massiven Beeinflussung gezogen hat, nur unbedeutend gewesen sei, und zwar selbst dann nicht, wenn zu Gunsten der Kläger davon ausgegangen würde, dass die Auflage der Jahre 1932 und 1933 unter der Auflage des Jahres 1934 von 9.544 Exemplaren gelegen haben könnte. In diesem Zusammenhang ist nicht nur zu berücksichtigen, dass es sich bei dem „S... Anzeiger“ um eine in der Regel sechs Mal in der Woche erscheinende Kreiszeitung und ein „Publikations-Organ für die Reichs-, Staats-und Kommunal-Behörden“ gehandelt hat, sondern dass die Auflage nicht mit der Anzahl der Leser identisch ist, vielmehr die Leserschaft einer Tageszeitung – vor allem in der damaligen Zeit – deutlich über die Auflage als solche hinausgeht.

Anders als mit dem Vortrag der Kläger suggeriert, steht diesem (Zwischen-)Ergebnis das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 08. Januar 2008 (7 K 2543/05) in dem Verfahren zum „C... Tagesblatt“ nicht entgegen. Das dortige Verwaltungsgericht hat entscheidungstragend darauf abgestellt, dass „schon in objektiver Hinsicht ein erhebliches Vorschubleisten nicht zu bejahen“ sei, weil „Beiträge (…), in denen die nationalsozialistische Rassenideologie befürwortet oder positiv dargestellt oder politische Gegner des nationalsozialistischen Regimes in ihrer menschlichen Würde herabgesetzt oder erniedrigt werden, (…) nicht festzustellen“ seien; „zur Wahl gerade der N... (werde) an keiner Stelle aufgerufen“ (Urteilsabdruck [UA], S. 7) und die vorstehend zitierten Veröffentlichungen seien „weder nach ihrer Zahl, noch nach ihrem Inhalt oder den Gesamtumständen ihres Erscheinens geeignet gewesen, einen mehr als unbedeutenden Beitrag zur Stützung oder Förderung des nationalsozialistischen Regimes zu leisten“ (UA S. 8). Auf den dortigen Vortrag der Klägerseite, die Zeitung sei wegen ihres „begrenzten Verbreitungsgebietes nicht geeignet gewesen, auf die Meinungsbildung Einfluss zu nehmen (UA S. 4), ist das Gericht hingegen nicht (explizit) eingegangen.

Schließlich sind auch insoweit die subjektiven Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes des erheblichen Vorschubleistens im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schon deshalb erfüllt, weil zu vermuten ist, dass die objektive Unwürdigkeit den Brüdern G... auch subjektiv zuzurechnen ist. Die Kontinuität der dem Nationalsozialismus zugetanenen Berichterstattung des „S... Anzeigers“ ab 1932 spricht für sich.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 i. V. m. § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 135 i. V. m. § 132 Abs. 2 VwGO.

Der Anregung der Kläger aus der Klagebegründung vom 13. Januar 2016, die Revision mit Blick auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und die von Seiten der Kläger formulierten Fragen zuzulassen, ist nicht zu folgen, weil es an einer grundsätzlichen Bedeutung dieser Fragen fehlt.

Die in dem vorliegenden Verfahren maßgeblichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (u. a. Urt. v. 24. April 2015 – BVerwG 5 C 10.14) und dieses Urteil führt entgegen der Annahme der Kläger auch nicht dazu, „generell jedem Presseverlag .. ein erhebliches Vorschubleisten zu bescheinigen“.