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Berlin; Sonntagsöffnung 2019; "Lesbisch-Schwulen-Stadtfest": Die Finals-Berlin 2019; Internationale Funkausstellung; Allgemeinverfügung; sofortige Vollziehung; Eilantrag; Sonn- und Feiertagsschutz; öffentliches Interesse; verfassungskonforme Auslegung; große Veranstaltungen; internationale Bedeutung; Beschwerde des Landes (überwiegend erfolgreich)


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 18.07.2019
Aktenzeichen OVG 1 S 62.19 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2019:0718.OVG1S62.19.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 6 Abs 1 S 1 LÖG BE, Art 140 GG, Art 139 WRV, § 80 Abs 5 S 1 VwGO

Leitsatz

1. Der Senat hält daran fest, dass die sog. „Anlassrechtsprechung“ des Bundesverwaltungsgerichts auf die Rechtslage im Land Berlin zur ausnahmsweisen Geschäftsöffnung an einem Sonn- oder Feiertag nicht anzuwenden ist (vgl. bereits Senatsbeschluss zur Internationalen Grünen Woche, Berlinale und Internationalen Tourismus Börse vom 23. Januar 2018 - OVG 1 S 4.18 - juris; vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 20. März 2019 - 6 S 325/17 - juris Rn. 76 ff.).

2. Das Tatbestandsmerkmal des öffentlichen Interesses in § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG ist nach den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857/07 u.a. - (BVerfGE 125, 39 ff.) verfassungskonform auszulegen. Bereits damit ist das nur gebotene Mindestschutzniveau für die sonntägliche Arbeitsruhe hinreichend zu gewährleisten (vgl. Senatsbeschluss vom 26. September 2018 - OVG 1 S 100.18 - juris).

3. Für die festgesetzten Sonntagsöffnungen aus Anlass des "Lesbisch-Schwulen-Stadtfest" und der Internationalen Funkausstellung (IFA), die große, national sowie international bedeutsame Ereignisse für ganz Berlin darstellen, hat die Behörde - anders als für die Verkaufsöffnung anlässlich der Veranstaltung "Die Finals-Berlin 2019" - das erforderliche öffentliche Interesse an einer stadtweiten Sonntagsöffnung beanstandungsfrei bejaht.

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. Juli 2019 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert: Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage - VG 4 K 175.19 - gegen die am 13. Mai 2019 im Amtsblatt von Berlin Nr. 22 veröffentlichte Allgemeinverfügung der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales über das Offenhalten von Verkaufsstellen an den in Ziff. 1 a) und c) der Verfügung genannten Sonntagen (21. Juli 2019 und 8. September 2019) wiederherzustellen, wird abgelehnt. Hinsichtlich der Sonntagsöffnung am 4. August 2019 wird die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen.

Die Kosten des Eilverfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Antragstellerin zu 2/3 und der Antragsgegner zu 1/3.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Die Antragstellerin ist eine Gewerkschaft, die Beschäftigte im Einzelhandel vertritt. Sie wendet sich im Wege vorläufigen Rechtsschutzes gegen die für sofort vollziehbar erklärte „Allgemeinverfügung über das Offenhalten von Verkaufsstellen an zusätzlichen Sonntagen für das zweite Halbjahr 2019“. Danach dürfen Verkaufsstellen im Land Berlin im zweiten Halbjahr 2019 im öffentlichen Interesse ausnahmsweise an insgesamt fünf Sonntagen für das Anbieten von Waren jeweils in der Zeit von 13.00 bis 20.00 Uhr geöffnet sein. Die umstrittenen Sonntage sind der 21. Juli 2019, an dem das „Lesbisch-Schwulen-Stadtfest“ stattfindet, der 4. August 2019 aus Anlass der Veranstaltung „Die Finals - Berlin 2019“ sowie der 8. September 2019 anlässlich der Internationalen Funkausstellung Berlin (IFA). Die weiteren für verkaufsoffen erklärten Sonntage am 8. und 22. Dezember 2019 aus Anlass von Weihnachtsmärkten hat die Antragstellerin nicht angegriffen.

Das Verwaltungsgericht hat dem Eilantrag wie beantragt stattgegeben. Die angegriffenen Sonntagsöffnungen seien mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, weil sie nicht von einem verfassungsrechtlich gebotenen hinreichenden Sachgrund getragen seien. Die Voraussetzungen für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des öffentlichen Interesses in § 6 Abs. 1 Satz 1 des Berliner Ladenöffnungsgesetzes (BerlLadÖffG) vom 14. November 2006 (GVBl. 2006, 1045) seien zunächst dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857/07 u.a. - (BVerfGE 125, 39 ff., juris Rn. 182 ff.) zu entnehmen. Diese Maßgaben habe das Bundesverwaltungsgericht - wenngleich nicht bezogen auf das Berliner Landesrecht - in ständiger Rechtsprechung (vgl. u.a. BVerwG, Urteile vom 12. Dezember 2018 - 8 CN 1.17 -, vom 17. Mai 2017 - 8 CN 1.16 - und vom 11. November 2015 - 8 CN 2.14 - jeweils juris) konkretisiert (sog. „Anlassrechtsprechung“). Anders als das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Beschlüsse vom 23. Januar 2018 - OVG 1 S 4.18 - und 26. September 2018 - OVG 1 S 100.18 - beide juris) sei die Kammer der Auffassung, dass bei Sonntagsöffnungen, die - wie hier - an Veranstaltungen anknüpften, die für diese Konstellation in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Maßgaben nicht deshalb unanwendbar seien, weil der Berliner Landesgesetzgeber die tatbestandlichen Voraussetzungen für Sonntagsöffnungen so weit gefasst habe, dass sie auch aus anderen Gründen als aus Anlass von Veranstaltungen verfügt werden könnten.

II. Die Beschwerde des Antragsgegners hat hinsichtlich der Sonntagsöffnungen am 21. Juli 2019 zum „Lesbisch-Schwulen-Stadtfest“ und am 8. September 2019 anlässlich der IFA Erfolg (siehe dazu 1. und 2.). Insoweit zeigt das für die Prüfung des Senats maßgebliche Beschwerdevorbringen hinreichende Gründe auf, die angegriffene Entscheidung zu ändern (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO). In Bezug auf die Sonntagsöffnung am 4. August 2019 hat das Verwaltungsgericht dem Eilantrag im Ergebnis zu Recht stattgeben, weil die Anlass gebende Veranstaltung „Die Finals - Berlin 2019“ nach den maßgeblichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 1. Dezember 2009 (a.a.O.) im Rahmen der hier allein möglichen summarischen Prüfung kein hinreichendes öffentliches Interesse im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG für die zeitgleich festgesetzte stadtweite Verkaufsöffnung an einem Sonntag rechtfertigt (vgl. 3.).

1. a. Die Beschwerde macht geltend, dass die anlassbezogene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf die Rechtslage im Land Berlin zur ausnahmsweisen Geschäftsöffnung an einem Sonntag auch nach Ansicht des Senats (u.a. Beschluss vom 23. Januar 2018, a.a.O.) nicht anzuwenden sei. Das Bundesverfassungsgericht habe den Maßstab für die Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals des „öffentlichen Interesses“ in § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG und damit den erforderlichen Sachgrund für die Freigabe verkaufsoffener Sonntage im Land Berlin hinreichend konkretisiert. Diesen Prüfungsmaßstab habe das Verwaltungsgericht unzulässig verschärft und sich damit auch gegen die im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Dezember 2009 für die Berliner Rechtslage verbindlich festgelegten Anforderungen zur Festlegung verkaufsoffener Sonntage gestellt. Mit der strikten Anwendung der darüber hinausgehenden Prüfkriterien des Bundesverwaltungsgerichts lege das Verwaltungsgericht Maßstäbe an, die nicht für die Berliner Rechtslage entwickelt worden seien. Damit habe das Verwaltungsgericht die Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung und einer richterlichen Rechtsfortbildung überschritten.

Das Bundesverfassungsgericht habe genügen lassen, dass eine anlassgebende Veranstaltung einzeln oder in ihrem Zusammenwirken Bedeutung für Berlin als Ganzes habe. Darunter fielen Veranstaltungen, die „über die Stadt hinaus Bedeutung haben und zahlreiche Touristen nach Berlin holen“. Dafür komme es neben einer zahlenmäßigen auch auf die inhaltliche Wirkung der Veranstaltung bzw. die Größe des Veranstaltungsformats an. Solche für die ganze Stadt bedeutsamen Veranstaltungen, die eine stadtweite Sonntagsöffnung ausnahmsweise erlaubten, seien die inmitten stehenden Veranstaltungen („Lesbisch-Schwulen-Stadtfest“, „Die Finals - Berlin 2019“ und Internationale Funkausstellung). Ein „herausragend gewichtiges öffentliches Interesse" im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 BerlLadÖffG sei ebenso wenig erforderlich, wie ein in § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG nicht vorgesehener räumlicher Bezug der Veranstaltungen (zum gesamten Stadtgebiet) oder eine räumliche Begrenzung der Verkaufsöffnung auf einzelne Stadtteile (vgl. auch BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009, a.a.O., juris Rn. 184). Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des Begriffs „öffentliches Interesse" führe zu einem maximalen Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe, obwohl nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O., juris Rn. 148 f.) lediglich ein Mindestschutzniveau zu gewährleiten sei.

b. Diese Ausführungen greifen durch. Der Senat hält an seinem rechtlichen Prüfungsansatz fest, dass die „Anlassrechtsprechung“ des Bundesverwaltungsgerichts auf die Rechtslage im Land Berlin zur ausnahmsweisen Geschäftsöffnung an einem Sonn- oder Feiertag nicht anzuwenden ist. Darauf beruht bereits der Senatsbeschluss vom 23. Januar 2018 zur Internationalen Grünen Woche, Berlinale und Internationalen Tourismus Börse - OVG 1 S 4.18 - (juris Rn. 16 und 21, vgl. auch Beschluss zur Berlin Art Week vom 26. September 2018 - OVG 1 S 100.18 - juris Rn. 26, dort nicht tragend). Zu einer Änderung dieser Rechtsprechung besteht auch in Anbetracht der Ausführungen im angegriffenen Beschluss und der Erwägungen in den Urteilen des Verwaltungsgerichts Berlin vom 5. April 2019 - 4 K 527.17 und 4 K 322.18 - (juris Rn. 61 ff.) kein Grund.

aa. Soweit das Verwaltungsgericht (BA, S. 14) meint, dass der beschließende Senat seine Rechtsauffassung nicht im Einzelnen begründet habe, sei daran erinnert, dass

„Gerichtsentscheidungen zu anlassbezogenen Sonntagsöffnungen nach den Ladenschlussgesetzen anderer Bundesländer oder aufgrund des gemäß Art. 125a Abs. 1 GG als Bundesrecht fortgeltenden Gesetzes über den Ladenschluß - LadSchlG - (vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 17. Mai 2017 - 8 CN 1.16 - juris) auf die Rechtslage in Berlin nicht übertragbar sind, soweit sie über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinausgehen, wonach eine Verletzung des Berliner Ladenschlussgesetzes aus verfassungsrechtlicher Sicht nur festgestellt werden kann, `wenn Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen sind, wenn die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben` (BVerfG, a.a.O., Rn. 135 m.w.N.). Gleiches gilt, soweit andere Gerichte von der bundesverfassungsgerichtlich unbeanstandet gelassenen Erwägung des Berliner Landesgesetzgebers abweichen, dass die Festsetzung der ausnahmsweise zulässigen Sonntagsöffnungen angesichts der Struktur und Größe Berlins im Wege einer `flächendeckende(n) Freigabe der Ladenöffnung … ohne warengruppenspezifische Beschränkungen` erfolgen soll“ (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 26. September 2018, a.a.O., juris Rn. 26, wenngleich dort nicht tragend).

Diese Erwägungen hat die Beschwerdebegründung aufgegriffen und vertieft.

bb. Soweit das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, dass die aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Mai 2017 (a.a.O., juris Rn. 16 ff.) folgenden Prüfkriterien für eine Abwägung zwischen den für eine Ladenöffnung sprechenden Gründen und dem Schutzgut des Sonn- und Feiertages auch dann nicht entbehrlich seien, wenn der Landesgesetzgeber - wie neuerdings in Nordrhein-Westfalen - auf Tatbestandsebene lediglich das Vorliegen eines „öffentlichen Interesses“ für eine Sonntagsöffnung verlange, bezieht sich das Verwaltungsgericht zu Unrecht auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 27. April 2018 - 4 B 571/18 - (juris Rn. 27 ff.). Denn die dortige Beschwerde hatte bereits aus einfach-rechtlichen Gründen keinen Erfolg, weil die dortige Antragsgegnerin keine auf den konkreten Einzelfall bezogene, eigene Abwägungsentscheidung vorgenommen hatte (a.a.O., juris Rn. 2 f. und 36). Dass die zuständige Behörde die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen den für eine Ladenöffnung sprechenden Gründen und dem Schutzgut des Sonn- und Feiertagsschutzes im jeweiligen Einzelfall zu prüfen und zu begründen hat, dass ein dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag des Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV genügender Sachgrund für die beabsichtigte sonn- oder feiertägliche Ladenöffnung besteht (OVG Münster, a.a.O., juris Rn. 15 und 27 ff. m.w.N.), versteht sich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O., juris Rn. 180 f.; vgl. auch Senatsbeschluss vom 26. September 2018, a.a.O., juris Rn. 9) von selbst und ist vorliegend nicht streitig. Darüber hinausgehende Erwägungen, wonach die Prüfkriterien des Bundesverwaltungsgerichts auch dann anzuwenden seien, soweit diese inhaltlich über die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts hinausgehen, enthält der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster nicht.

Der aktuellen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster (vgl. Beschluss vom 25. April 2019 - 4 B 517/19.NE - juris Rn. 35 - 40 m.w.N.) ist im Gegenteil zu entnehmen, dass das Oberverwaltungsgericht

„erhebliche Zweifel an der Annahme des Bundesverwaltungsgerichts (hat), das Erfordernis des prognostischen Überwiegens der durch den Anlass selbst angezogenen Besucherzahlen sei verfassungsrechtlich eine notwendige Bedingung der prägenden Wirkung einer Veranstaltung, die die Öffnung von Verkaufsstellen rechtfertigen solle. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich diese Anforderung nach dem Verständnis des Senats nicht ableiten. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zu den Berliner Ladenöffnungszeiten die voraussetzungslose siebenstündige Öffnung von Verkaufsstellen an allen vier Adventssonntagen für unzulässig erklärt. Die Möglichkeit nach dem Berliner Landesrecht, die Öffnung von Verkaufsstellen an höchstens vier (weiteren) Sonn- oder Feiertagen durch Allgemeinverfügung zuzulassen, hat es hingegen bei einschränkender Auslegung für verfassungsgemäß gehalten. Da die Freigabe durch Allgemeinverfügung erfolge, bedürfe es einer Verwaltungsentscheidung, die die Möglichkeit eröffne, die jeweils betroffenen Interessen und Rechtsgüter konkret in eine Abwägung einzubeziehen. Nach der Wertung des Art. 139 WRV sei ein öffentliches Interesse solchen Gewichts zu verlangen, dass Ausnahmen von der Arbeitsruhe rechtfertige. In diesem Zusammenhang hat es aus der Gesetzesbegründung zitiert, wonach dies bei "besondere[n] Ereignisse[n] im Interesse der Berliner und Touristen" möglich sein sollte. …

Gegen eine Ladenöffnung wegen solcher Ereignisse hat das Bundesverfassungsgericht keine Einwände erhoben. Es hat - anders als das Bundesverwaltungsgericht - keine vergleichende Besucherzahlprognose für solche Ereignisse gefordert und gleichwohl die Verfassungskonformität der gesetzlichen Regelung insofern angenommen. …

Allein aus einer zahlenmäßigen Betrachtung der ohnehin nur mit hohen Unsicherheiten grob abzuschätzenden Besucherzahlen dürfte sich die öffentliche Wirkung einer Veranstaltung nicht stets ableiten lassen. Zwar dürfte die prägende Wirkung einer Veranstaltung umso weniger angenommen werden können, je deutlicher die Zahl der allein durch die Veranstaltung angezogenen Besucher hinter der Zahl der von den geöffneten Verkaufsstätten angezogenen Besuchern zurückbleibt. Für die verfassungsrechtlich maßgebliche Frage, ob die öffentliche Wirkung einer Veranstaltung gegenüber der typisch werktäglichen Geschäftstätigkeit der Ladenöffnung im Vordergrund steht, ist aber letztlich entscheidend, inwieweit der öffentliche Charakter des Tages ohnehin in einem Umfang durch Veranstaltungsbesucher gestört ist, der die Öffnung von Verkaufsstätten im Veranstaltungsbereich rechtfertigt. Deshalb nimmt der Senat nicht an, dass der Gesetzgeber im Rahmen seines vom Bundesverfassungsgericht eingeräumten weiten Spielraums bei der Festlegung von Ausnahmetatbeständen von der Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen daran gehindert ist, ein Schutzkonzept zu entwickeln, das ohne - die kommunale Praxis in ihrem Bestreben nach Rechtssicherheit nicht selten überfordernde und zur Heranziehung nicht aussagekräftiger Zahlen verleitende - vergleichende Besucherprognosen auskommt.“

Diese Ausführungen tritt der beschließende Senat bei. Das Verwaltungsgericht Berlin verkennt, dass das Bundesverfassungsgericht das Tatbestandsmerkmal des „öffentlichen Interesse(s)“ in § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG bereits zu beurteilen und hierfür auch die Auslegungskriterien bestimmt hatte, mit deren Ausfüllung dem verfassungsrechtlich nur gebotenen Mindestschutzniveau für den Sonntagsschutz hinreichend Rechnung getragen werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 26. September 2018, a.a.O., und nachfolgend 3.). Weshalb die Kriterien des Bundesverfassungsgerichts zur Auslegung des von ihm geprüften Berliner Ladenschlussgesetzes unvollständig sein sollen, so dass sie einer weiteren und verschärfenden Konkretisierung bedürften, vermag auch das Verwaltungsgericht Berlin nicht überzeugend zu begründen.

cc. Die Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Prüfkriterien würde dazu führen, dass eine Sonntagsöffnung ohne Beschränkung auf Handelssparten oder Warengruppen für das gesamte Gebiet Berlins, einer Großstadt, deren Innenstadtbereich durch eine überdurchschnittliche Anhäufung von Einzelhandelsgeschäften und hiervon ganzjährig angezogenen erheblichen Touristen- und Kundenströmen geprägt ist, nicht länger zulässig wäre. Das Verwaltungsgericht hat diese Konsequenz im Urteil vom 5. April 2019 (a.a.O., juris Rn. 64) zwar in den Blick genommen und jedenfalls für die dortigen Veranstaltungen nicht bezweifelt, jedoch kein Beispiel dafür genannt, welche Veranstaltung bzw. welcher Anlass bei Anlegung der vom Verwaltungsgericht für erforderlich gehaltenen Prüfkriterien eine stadtweite Sonntagsöffnung noch rechtfertigen könnte. Dies erschließt sich auch sonst nicht. Dass anstelle einer berlinweiten Verkaufsöffnung eine räumliche oder sachliche Beschränkung der Ladenöffnung an einem Sonntag zulässig wäre, ändert nichts daran, dass für eine stadtweite Sonntagsöffnung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG kein denkbarer Anwendungsbereich verbliebe. Ein solches Ergebnis widerspräche aber der vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gebilligten Zielsetzung des Berliner Landesgesetzgebers, „im öffentlichen Interesse ausnahmsweise die Öffnung von Verkaufsstellen an jährlich acht, nicht unmittelbar aufeinanderfolgenden Sonn- oder Feiertagen in der Zeit von 13.00 bis 20.00 Uhr“ berlinweit zu ermöglichen (vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 7. Dezember 2017 - 4 B 1538/17 - juris Rn. 27 zum Weihnachtsmarkt in der Düsseldorfer Innenstadt). Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV garantiert lediglich ein Mindestschutzniveau für die Sonn- und Feiertagsruhe (vgl. BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009, a.a.O., juris Rn. 148 f.), dessen Gewährleistung primär den demokratisch legitimierten Landesgesetzgebern und nicht den Verwaltungsgerichten obliegt (so bereits Hennig, NVwZ 2018, 756 <759>). Die konsequente Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten und die Sonntagsöffnung weiter einschränkenden Prüfkriterien würde in der Rechtspraxis zu einer Überdehnung des verfassungsrechtlichen Sonntagsschutzes führen, was weder nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Dezember 2009 erforderlich ist noch dem verfassungsrechtlichen Gebot der praktischen Konkordanz, wonach widerstreitende verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen sind, gerecht würde (sinngemäß ebenso VGH Mannheim, Urteil vom 20. März 2019 - 6 S 325/17 - juris Rn. 76 ff.m.w.N.mit weiteren Argumenten; ebenfalls Kritik an der sog. „Anlass- bzw. Annex-Rspr.“ des BVerwG üben u.a. Schunder, Anm. zu BVerwG, Urteil vom 17. Mai 2017 - 8 CN 1.16 - NVwZ 2017, 1716 f.; und Schink, Neues Ladenöffnungsgesetz NRW - Aktuelle Rechtsprechung, GewArch 2019, 89 ff.). Das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 1. Dezember 2009, a.a.O., juris Rn. 153) hat ausdrücklich bestimmt, dass dem Gesetzgeber ein Ausgleich zwischen dem Sonn- und Feiertagsschutz nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV einerseits und anderen höher- oder gleichwertigen Rechtsgütern aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG andererseits aufgegeben ist.

2. Nach den im vorliegenden Eilverfahren nur anzulegenden Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 1. Dezember 2009 (a.a.O., juris Rn. 181 f.) für die Anwendung von § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG

„ist ein öffentliches Interesse solchen Gewichts zu verlangen, das die Ausnahmen von der Arbeitsruhe rechtfertigt. Dazu genügen das alleinige Umsatz- und Erwerbsinteresse auf Seiten der Verkaufsstelleninhaber und das alltägliche `Shopping-Interesse` auf der Kundenseite nicht.

Der Begriff des `öffentlichen Interesses` soll der Gesetzesbegründung zufolge für "besondere Ereignisse im Interesse der Berliner und Touristen" zusätzliche Öffnungszeiten zulassen. Dabei soll es um `große Veranstaltungen` gehen, die wegen ihrer Bedeutung für die ganze Stadt eine Geschäftsöffnung erforderlich machen. Damit sind Veranstaltungen und Ereignisse gemeint, die auch `über die Stadt hinaus Bedeutung haben und zahlreiche Touristen nach Berlin holen` (Abgeordnetenhaus Drucks 16/0015, S. 13). Auf diese Weise wird dem Umstand Rechnung getragen, dass sich in einem Land von der Struktur Berlins die Versorgung von Touristen und Besuchern von großen Messen und anderen Großveranstaltungen schwer auf bestimmte Bezirke begrenzen lässt. Für die von der Begründung in Bezug genommene Zielsetzung und Kategorie von Ereignissen werden nur Veranstaltungen, die einzeln oder in ihrem Zusammenwirken Bedeutung für Berlin als Ganzes haben, die Ausnahme tragen können."

Danach ist für das öffentliche Interesse im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG im Wesentlichen maßgeblich, ob es sich um „große Veranstaltungen" handelt, die wegen ihrer Bedeutung für die ganze Stadt eine Sonntagsöffnung erforderlich machen. Damit sind Veranstaltungen und Ereignisse gemeint, die auch über die Stadt hinaus Bedeutung haben und zahlreiche Touristen nach Berlin holen. Diesen Vorgaben werden das „Lesbisch-Schwulen-Stadtfest“ (nachfolgend a.) und die Internationale Funkausstellung (b.) gerecht. Insoweit besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug der Allgemeinverfügung (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Januar 2018, a.a.O., juris Rn. 22).

a. Entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts hat der Antragsgegner beanstandungsfrei dargelegt, dass das am kommenden Wochenende (20. bis 21. Juli 2019) stattfindende 27. „Lesbisch-Schwulen-Stadtfest“ „eine hinreichend große und national sowie international bedeutsame Veranstaltung für ganz Berlin“ darstellt, die das öffentliche Interesse im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG für die festgesetzte Sonntagsöffnung rechtfertigt. Neben den erwarteten 350.000 Besuchern aus der ganzen Welt spricht hierfür, das es sich unbestritten um eine Veranstaltung handelt, die bereits seit 27 Jahren immer am dritten Wochenende im Juli am Nollendorfplatz in Berlin-Schöneberg stattfindet und sich mittlerweile zu Europas größtem schwul-lesbischen Stadtfest entwickelt hat, das Jahr für Jahr mehrere hunderttausend Besucher anlockt. Wegen der weiteren Begründung wird auf die angefochtene Allgemeinverfügung (S. 3 bis 5) und auf den Vermerk zur „Bewertung der Veranstaltungen für die Zulassung der Ladenöffnung im 2. Halbjahr 2019“ vom 29. April 2019 (S. 2) verwiesen (vgl. auch www.stadtfest.berlin/de), worauf das Verwaltungsgericht nicht näher eingegangen ist. Dass das „Lesbisch-Schwulen-Stadtfest“ die erforderliche Aufmerksamkeit und Bedeutung genießt, ist - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts (BA, S. 17) keine „unbelegte Behauptung geblieben“, zumal das Verwaltungsgericht nicht angibt, welche weiteren Belege der Antragsgegner noch hätte anführen sollen, und das Gericht zudem für nachvollziehbar hält (BA, S. 18), „dass die Senatsverwaltung den hier zum Anlass für die Ladenöffnungen genommenen Veranstaltungen insbesondere kulturpolitisch eine hohe Bedeutung beimisst.“

Ob die Senatsverwaltung ermittelt hat, „wie viele Personen als Besucher der jeweiligen Veranstaltung und wie viele allein wegen der Öffnung der Verkaufsstellen zu erwarten sind“ und wie sich „das konkrete räumliche Verhältnis von jeweiliger Veranstaltung und Bereich der Ladenöffnung“ darstellt, „bei dem die verfügte Ladenöffnung hinter den am jeweiligen Sonntag stattfindenden Einzelveranstaltungen zurücktritt“ (BA, S. 15 f.), ist nach den Ausführungen unter 1. nicht maßgeblich, zumal die Ermittlung der voraussichtlichen Besucherzahlen auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichts bei summarischer Prüfung keinen rechtlichen Bedenken begegnet.

Die Ansicht des Verwaltungsgerichts (BA, S. 18 f.), eine „Bedeutung für Berlin als Ganzes" dränge sich auch in Ansehung der erwarteten Besucherzahlen nicht auf, weil selbst „die mit 350.000 prognostizierten - und nicht nach Touristen und Einwohnern differenzierten - Besuchern an zwei Tagen größte der hier inmitten stehenden Veranstaltungen, das Lesbisch-Schwule-Stadtfest, … weniger als 10 % der Bevölkerung des Landes Berlin - rund 3,75 Mio. - ausmache, verdeutlicht erneut, dass das Gericht bei der verfassungskonformen Auslegung des „öffentlichen Interesse(s)“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG überzieht, so dass letztlich kaum noch eine Veranstaltung denkbar bleibt, die eine stadtweite Sonntagsöffnung rechtfertigen könnte. Wie bereits erwähnt, entspräche diese Konsequenz weder dem Willen des Gesetzgebers noch dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Dezember 2009 (a.a.O., juris Rn. 135; vgl. auch Senatsbeschluss vom 26. September 2018, a.a.O., juris Rn. 12).

Danach ist es

„grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, ein Schutzkonzept aufzustellen und normativ umzusetzen. Dabei kommt ihm ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu. Das Bundesverfassungsgericht kann die Verletzung einer solchen Schutzpflicht nur feststellen, wenn Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen sind, wenn die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben.“

Für die fachgerichtliche Prüfung gilt nichts anderes. Dass diese Grenzen, innerhalb derer eine gerichtliche Beanstandung ausscheidet, bei dem 27. „Lesbisch-Schwulen-Stadtfest“ überschritten sind, liegt bei einer Veranstaltung, die seit Jahrzehnten durchgeführt wird und jährlich mehrere hunderttausend Besucher aus der ganzen Welt anzieht, fern und stellt sich nicht als „offen“ dar.

Durch den angestellten Vergleich zwischen der Zahl der Besucher einer Anlass gebenden Veranstaltung mit der Einwohnerzahl des Ortes, in dem das Ereignis stattfindet, geht das Verwaltungsgericht noch über die Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts hinaus, das keinen Vergleich zwischen Besucher- und Einwohnerzahlen angestellt hat, sondern lediglich verlangt, „dass der Markt für sich genommen einen beträchtlichen Besucherstrom anzieht, der die bei einer alleinigen Öffnung der Verkaufsstellen zu erwartende Zahl der Ladenbesucher übersteigt (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 11. November 2015, a.a.O., juris Rn. 25). Weshalb zwischen „Touristen und Einwohnern“ differenziert werden sollte, erschließt sich auch sonst nicht. Die Beschwerdebegründung weist zu Recht darauf hin, dass beide Personengruppen nicht nur nach der Gesetzesbegründung (Abgh.-Drs. 16/0015, S. 13), sondern auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Dezember 2009 (a.a.O., juris Rn. 182) im Rahmen der Prognose zur Bedeutung der Veranstaltung gleichermaßen zu berücksichtigen sind.

Die Beschwerde macht des Weiteren darauf aufmerksam, dass die Forderung des Verwaltungsgerichts (BA, S. 16), wonach

„die Senatsverwaltung hätte ermitteln müssen, wie viele Personen am jeweiligen Sonntag im Umfang der Ladenöffnung also berlinweit, allein wegen der Öffnung zu erwarten waren und dies ins Verhältnis zur Anzahl der an diesem Tag zu erwartenden Veranstaltungsbesucher setzen müssen“,

auch insoweit die Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts übersteige, das in seiner Entscheidung vom 12. Dezember 2018 - BVerwG 8 CN 1.17 - (juris Rn. 27) „die Schlüssigkeit und Vertretbarkeit der festgestellten Prognose“ wegen „der außerordentlich hohen Gesamtzahl der vom Weihnachtsmarkt angezogenen Besucher aus dem In- und Ausland“ (im Tagesdurchschnitt von 75.000) und „wegen der touristischen Bedeutung des traditionsreichen Leipziger Weihnachtsmarktes“ für „vertretbar“ gehalten habe und somit davon ausgehe, dass die Ermittlung „lediglich … der vom Weihnachtsmarkt angezogenen Besucher und nicht die Zahl derjenigen, die bei einer bloßen Ladenöffnung im Leipziger Zentrum voraussichtlich zu erwarten gewesen wären“, nicht in jedem Fall erforderlich sei. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 1. Dezember 2009 ebenfalls keine vergleichende Besucherzahlprognose gefordert und trotzdem die Verfassungskonformität der Berliner Regelung angenommen. Dass die prognostische Einschätzung des öffentlichen Interesses an der Sonntagsöffnung auf der Grundlage des vom Verwaltungsgericht Berlin geforderten Maßstabs praktisch nicht umsetzbar sei und die Verwaltung vor unlösbare Probleme stelle, wie die Beschwerde nachvollziehbar geltend macht, sei auch noch erwähnt.

Soweit das Verwaltungsgericht meint (BA, S. 17), es spreche „im Übrigen einiges dafür, dass der Gesetzgeber selbst nicht davon ausgegangen ist, dass Veranstaltungen, die wie die Internationale Grüne Woche (ebenso wie das „Lesbisch-Schwulen-Stadtfest“) im Wesentlichen an einem zentralen Veranstaltungsort stattfinden, eine Ausstrahlungswirkung auf das gesamte Stadtgebiet besitzen“, und sich hierzu auf die Einzelbegründung „Zu § 6 (Weitere Ausnahmen)“ der Vorlage - zur Beschlussfassung - zum Berliner Ladenöffnungsgesetz (Abgh.-Drs. 16/0015 vom 24. Oktober 2006, S. 13) bezieht, überzeugt auch dies nicht. Die in Bezug genommene Aussage, „Berlin ist zu groß, als dass beispielsweise die Grüne Woche zusätzliche Kundinnen und Kunden in Verkaufsstellen in Marzahn bringen würde", besagt nichts über das öffentliche Interesse an dem Anlass gebenden Ereignis für die Sonntagsöffnung, sondern bezieht sich offensichtlich auf die räumliche Reichweite des durch die Anlassveranstaltung ausgelösten Kaufinteresses. Darauf kommt es aber nicht maßgeblich an.

b. Der Antragsgegner hat überzeugend begründet, dass es sich auch bei der Internationalen Funkausstellung um ein für die ganze Stadt bedeutsames Ereignis handele, das eine ausnahmsweise Sonntagsöffnung im öffentlichen Interesse rechtfertige, und auch hierfür - neben den unbeanstandet prognostizierten Besucherzahlen (245.000 an sechs Tagen) - beanstandungsfrei auf die Resonanz und Medienwirksamkeit der Veranstaltung im In- und Ausland abgestellt. Die IFA sei ein wichtiger Impulsgeber für die Industrie und Handelsmärkte. Besonders für interessierte Konsumenten biete sie als „Publikumsevent" Information und Unterhaltung. Dass „Berlin untrennbar mit der IFA verbunden“ sei, zeige sich auch daran, dass der Berliner Funkturm, eines der Wahrzeichen der Stadt, anlässlich der Funkausstellung am 3. September 1926 seiner Bestimmung übergeben worden und Berlin seit 1971 als dauerhafter Veranstaltungsort der IFA etabliert sei. Diese Fakten sprechen für sich und reichen aus, um „die nationale und internationale Aufmerksamkeit, die für Berlin von hoher Relevanz ist und erkennen lässt, dass es sich bei der IFA um eine Veranstaltung handelt, die auch über die Stadt hinaus, Bedeutung hat“, zu belegen. Auf die Bedeutung dieser Veranstaltung für die Annahme eines öffentlichen Interesses im Rahmen von § 6 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG hat der Senat bereits - wenngleich nicht entscheidungstragend - im Beschluss vom 26. September 2018 (a.a.O., juris Rn. 22) hingewiesen. Hieran ist aus den vorgenannten Gründen festzuhalten, zumal die Antragstellerin diese Veranstaltung im vergangenen Jahr „aus gutem Grund nicht in Frage gestellt hat“. Warum sie dies im Jahr 2019 anders sieht, erklärt sie jedenfalls im Beschwerdeverfahren nicht.

3. Die am 3. und 4. August 2019 ausgetragenen „Finals - Berlin 2019“ rechtfertigen eine stadtweite Sonntagsöffnung bei summarischer Prüfung hingegen (noch) nicht.

a. Zwar mag es sich hierbei nach Einschätzung des Antragsgegners „um das größte deutsche Sportereignis des Jahres“ handeln, bei dem rund 3.400 Sportler und Sportlerinnen in sieben Sportstätten innerhalb von 48 Stunden um 194 Titel in 155 Disziplinen kämpfen, etwa 2.000 Helfer sowie 55.000 Zuschauer erwartet und daneben weitere ca. 75.000 Besucher über dieselben zwei Tage am Familiensportfest des Landessportbunds Berlin teilnehmen werden, so dass der Antragsgegner insgesamt 130.000 Besucher prognostiziert. Dennoch hält dieses Ereignis einem Vergleich mit den anderen „Großveranstaltungen“ (Internationale Grüne Woche, Berlinale und Internationale Tourismus Börse, „Lesbisch-Schwulen-Stadtfest“ und Internationale Funkausstellung), die eine stadtweite Verkaufsöffnung an einem Sonntag entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts rechtfertigen, u.a. weil sie „jeweils für sich mehrere hunderttausend Besucher auch aus dem Bundesgebiet und dem Ausland anziehen und zu Recht die Bezeichnung `International` im Namen tragen (Senatsbeschluss vom 26. September 2018, a.a.O., juris Rn. 12), nicht stand.

Soweit die Beschwerde darauf hinweist, dass die im vergangenen Jahr festgesetzte Verkaufsöffnung am 12. August 2018 nach Auffassung des Senats (Beschluss vom 26. September 2018, a.a.O., juris Rn. 22) rechtmäßig gewesen sei, ist zunächst klarzustellen, dass die in Bezug genommene Aussage des Senats zur „Leichtathletik-Europameisterschaft“ zum einen nicht entscheidungstragend war und es sich zum anderen um ein anderes Ereignis handelte. Der Vergleich mit den Leichtathletik-Europameisterschaften im August 2018 überzeugt auch deshalb nicht, weil es sich bei den „Finals-Berlin 2019“ nicht um internationale Wettkämpfe handelt, an denen zwangsläufig auch ausländische Athleten und Besucher teilnehmen, wodurch ein solches Ereignis schon von daher eine weitaus größere Bedeutung für Berlin als Ganzes entfalten dürfte. Hinzu kommt, dass die 24. Leichtathletik-Europameisterschaften vom 6. bis 12. August 2018 im Olympiastadion und somit über einen längeren Zeitraum als „Die Finals-Berlin 2019“ stattfanden. Dass es sich bei den Europameisterschaften um ein für Berlin bedeutendes Ereignis gehandelt haben dürfte, zeigt sich auch daran, dass sich ursprünglich elf europäische Städte um die Ausrichtung dieses Wettbewerbs beworben hatten und Deutschland diese Sportveranstaltung nach Stuttgart 1986 und München 2002 erst zum dritten Mal ausrichten durfte (Quelle: Wikipedia). Auch die Zuschauerzahlen der Leichtathletik-Europameisterschaften 2018 waren mit insgesamt 360.000 Personen deutlich höher; rechnet man die Besucher der „Europäischen Meile am Breitscheidplatz“ noch hinzu, sollen es nach Aussage des Organisationschefs sogar knapp über 500.000 Zuschauer gewesen sein (vgl. TAGESSPIEGEL-Online vom 13. August 2018). Angesichts dessen bleibt abzuwarten, ob die „Finals-Berlin“, bei denen es sich nach den Angaben in der angegriffenen Allgemeinverfügung (S. 6) um ein neues sportliches Event handele, sich von einer unbestreitbar großen Veranstaltung, von denen es in Berlin allerdings nicht wenige gibt (etwa das alljährliche Pokal-Finale im Olympiastadion), zu einer Veranstaltung entwickeln wird, die wegen ihrer Bedeutung für die ganze Stadt eine Sonntagsöffnung im öffentlichen Interesse erforderlich machen kann. Die Allgemeinverfügung (S. 6) geht selbst davon aus, dass das Land Berlin es ermögliche, „das neue Format zu einer herausragenden nationalen Sportveranstaltung von hoher öffentlicher Aufmerksamkeit werden zu lassen“ [Unterstreichung durch den Senat].

b. Eine geltungserhaltende Reduktion der Allgemeinverfügung durch den beschließenden Senat im Wege einer räumlichen Beschränkung des Umfangs der für den 4. August 2019 festgesetzten Verkaufsöffnung kommt nicht in Betracht. Die festgesetzten Sonntagsöffnungen beruhen auf der Konzeption einer stadtweiten Öffnung von Verkaufsstellen. Daher würde eine räumliche Beschränkung dem erkennbar entgegenstehenden Willen der Senatsverwaltung widersprechen. Insoweit kann auf die im Ergebnis zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Beschluss (S. 19) verwiesen werden (vgl. hierzu auch VG Berlin, Urteil vom 5. April 2019, a.a.O., juris Rn. 22; BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2018, a.a.O., juris Rn. 32).

c. Da sich die Sonntagsöffnung am 4. August 2019 voraussichtlich nicht als rechtmäßig erweisen wird, überwiegt das Interesse der Antragstellerin, die insoweit festgesetzte Ladenöffnung zu suspendieren. Gründe des Vertrauensschutzes unter Berücksichtigung der ebenfalls grundgesetzlich geschützten Interessen der Verkaufsstelleninhaber, die unbestreitbar eine ausreichende Vorlaufzeit für eine sonntägliche Ladenöffnung bedürfen, sowie der finanziellen Interessen der an diesem Sonntag arbeitswilligen Arbeitnehmer können sich nicht durchsetzen. Denn ein gewachsenes Vertrauen in den Fortbestand einer erstmalig zugelassenen Sonntagsöffnung, welches ein vorläufiges Absehen von der rechtlich gebotenen Suspendierung u.U. rechtfertigen könnte, ist in Bezug auf diese Verkaufsöffnung nicht erkennbar (vgl. Senatsbeschluss vom 26. September 2019, a.a.O., juris Rn. 24 f. zur Berlin Art Week).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, wobei für jeden verkaufsoffenen Sonntag der Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG anzusetzen ist, welcher wegen der Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu halbieren ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).