Gericht | LG Potsdam 2. Zivilkammer | Entscheidungsdatum | 07.04.2016 | |
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Aktenzeichen | 2 O 436/14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Teilurteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin getrennt nach Kalenderjahren und beginnend mit dem 01.01.2005 Auskunft zu erteilten, über den Umfang der im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs vorgenommenen Kabelweitersendungshandlungen bezogen auf Kabelnetze, an die jeweils mehr als 75 Wohneinheiten angeschlossen waren/sind,
unter Angabe der Anzahl der je Kabelnetz direkt versorgten Kabelendkunden sowie der jeweils erzielten Einnahmen,
insbesondere unter Angabe
a) der laufenden Entgelte für Kabelanschlüsse, wenn sie nicht ausschließlich für andere zwecke als die Bereitstellung von Rundfunkprogrammen durch die Beklagte dienen („Kabelanschlussentgelte“),
b) der Signalbezugsentgelte, die die Beklagte von nicht mit ihr verbundenen nachgelagerten Kabelnetzbetreibern erhält,
jeweils einschließlich der Umsätze, die mit der Weiterverbreitung von Rundfunkprogrammen in Abschattungsgebiete zusammenhängen, sowie der Umsätze, die zusätzlich zu den Kabelanschlussentgelten wiedererkennend für die gesonderte Freischaltung eines verschlüsselten digitalen Free-TV-Paketes erwirtschaftet werden, sowie anderer Entgelte oder Gegenleistungen, soweit sie aus Endkunden-Sicht wirtschaftlich an die Stelle der sonstigen Kabelanschlussentgelte oder Signalbezugsentgelte treten.
II. Eine Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteilt vorbehalten.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin, ein wirtschaftlicher Verein kraft staatlicher Verleihung, ist die deutsche Wahrnehmungsgesellschaft für die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an den geschützten Werken der Musik. Ihr ist die nach § 1 Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (UrhWG) erforderliche Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb einer Verwertungsgesellschaft erteilt worden. Aufgrund von Berechtigungsverträgen mit den ihr angeschlossenen Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern sowie aufgrund von gegenseitigen Wahrnehmungsverträgen mit den ausländischen Verwertungsgesellschaften vertritt die Klägerin das gesamte Weltrepertoire geschützter Werke der Musik und insbesondere der Unterhaltungs- und Tanzmusik (für weitere Einzelheiten wird auf Seiten 3f der Klageschrift, Bl. 36f GA, Bezug genommen). Im Kabelweitersendungsbereich übernimmt die Klägerin zusätzlich das Inkasso für auf vergütungspflichtige Kabelweitersendungshandlungen beruhende Vergütungsansprüche weiterer Verwertungsgesellschaften (für Einzelheiten wird auf Seite 4 der Klageschrift, Bl. 37 GA, Bezug genommen).
Die Beklagte betreibt als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (auf Bl. 109 GA wird Bezug genommen) seit 1990 ein Kabelnetz, über welches sie ihre Mitglieder mit Rundfunkprogrammen versorgt. Nach Auskunft der Beklagten gegenüber der Klägerin waren dies im Jahre 2014 2.100 Wohneinheiten. Der Jahresbeitrag zur Beklagten beträgt 30,00 € pro Wohneinheit. Die Klägerin ermittelte aus den Angaben der Beklagten die Lizenzierungsbedürftigkeit und forderte die Beklagte mit Schreiben vom 29.04.2014 auf, den Muster-Lizenzvertrag zur Kabelweitersendung zu unterzeichnen und an sie zurückzusenden. Der Muster-Lizenzvertrag umfasst die Nutzungszeiträume ab dem 01.01.2007 (auf Bl.48 GA, § 10). Zur Abgeltung der Forderungen für die Nutzungen in den Zeiträumen vor dem 01.01.2007 will die Klägerin die erzielten Einnahmen der Beklagten für die Jahre 2005 und 2006 zugrunde legen. Der Vergütungssatz der Klägerin beträgt 5,5 % der in diesen Jahren erzielten Einnahmen. Die Beklagte lehnte den Abschluss eines Lizenzvertrages mit der Klägerin bzw. Schadensersatzleistungen ab und verweigerte die von der Klägerin nunmehr in der ersten Klagestufe geltend gemachten Auskünfte.
Die Klägerin meint, sie habe gegen die Beklagten einen Anspruch auf Auskunft. Die Beklagte habe über einen langen Zeitraum ein lizenzierungspflichtiges Kabelnetz betrieben, ohne hierfür die erforderlichen Nutzungsrechte zu erwerben. Sie, die Klägerin, habe – soweit unstreitig – die alleinigen Kabelweitersendungsrechte gem. §§ 20, 20b UrhG. Die Kabelweitersendung ohne entsprechende Lizenz stelle eine Rechtsverletzung dar. Die Beklagte sei daher lizenz- und schadensersatzpflichtig. Die Beklagte habe durch die Kabelweitersendung von geschützten Werken diese ohne eine entsprechende Lizenz unerlaubt und schuldhaft der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Hierfür komme es weder auf eine Gewinnerzielungsabsicht noch auf die Höhe der Einnahmen an. Es reiche aus, wenn die Grenze von 75 Wohneinheiten erreicht und überschritten werden und damit der Bereich des lizenzfreien organisierten Privatempfangs verlassen werde. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die erforderlichen Nutzungsrechte zum Betrieb des lizenzierungspflichtigen Kabelnetzes bei ihr einzuholen, was sie trotz positiver Kenntnis nicht getan habe. Die Klägerin habe daher Ansprüche aus Eingriffskondiktion sowie Schadensersatzansprüche wegen Urheberrechtsverletzung. Die Beklagte habe schuldhaft gehandelt, denn sie habe gewusst, dass Kabelweitersendungen lizenzpflichtig sind; sie habe von der Verwertungsgesellschaft VG Media für den hier relevanten Zeitraum Nutzungsrechte erworben (auf Seite 5 des Schriftsatzes der Klägerin vom 30.04.2015,Bl. 192 GA, wird Bezug genommen). Sie – die Klägerin – habe keine Möglichkeit, sich die zur Bezifferung ihrer Ansprüche erforderlichen Kenntnisse selbst zu beschaffen. Die Beklagte sei daher auskunftspflichtig.
Die Ansprüche der Klägerin seien nicht verjährt. Sie habe erst 2014 von der Person der Beklagten und dem Betrieb eines lizenzierungspflichtigen Kabelnetzes durch diese erfahren. Die Verjährungsfrist betrage zehn Jahre. Sie habe aber auch keine fahrlässige Unkenntnis gehabt. Eine Marktbeobachtungspflicht habe sie nicht.
Das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 17.09.2015 (I ZR 228/14) sei nicht anwendbar. Die Beklagte sei gerade keine private Gruppe.
Die Klägerin beantragt in der ersten Stufe,
I. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin getrennt
nach Kalenderjahren und beginnend mit dem 01.01.2005 Auskunft zu erteilten, über den Umfang der im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs vorgenommenen Kabelweitersendungshandlungen bezogen auf Kabelnetze, an die jeweils mehr als 75 Wohneinheiten angeschlossen waren/sind,
unter Angabe der Anzahl der je Kabelnetz direkt versorgten Kabelendkunden sowie der jeweils erzielten Einnahmen,
insbesondere unter Angabe
a) der laufenden Entgelte für Kabelanschlüsse, wenn sie nicht ausschließlich für andere zwecke als die Bereitstellung von Rundfunkprogrammen durch die Beklagte dienen („Kabelanschlussentgelte“),
b) der Signalbezugsentgelte, die die Beklagte von nicht mit ihr verbundenen nachgelagerten Kabelnetzbetreibern erhält,
jeweils einschließlich der Umsätze, die mit der Weiterverbreitung von Rundfunkprogrammen in Abschattungsgebiete zusammenhängen, sowie der Umsätze, die zusätzlich zu den Kabelanschlussentgelten wiedererkennend für die gesonderte Freischaltung eines verschlüsselten digitalen Free-TV-Paketes erwirtschaftet werden, sowie anderer Entgelte oder Gegenleistungen, soweit sie aus Endkunden-Sicht wirtschaftlich an die Stelle der sonstigen Kabelanschlussentgelte oder Signalbezugsentgelte treten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und meint, Ansprüche, die bis einschließlich 2010 entstanden sein sollten, seien verjährt. Die Verjährungsfrist betrage drei Jahre. Die Klägerin hätte durch Einsichtnahme in das im Internet verfügbare Verzeichnis von Telekommunikationsdiensteanbietern, das auch Angaben über Kabelnetzbetreiber enthalte, von der Beklagten Kenntnis erlangen können. Unter der Registernr. 97/009 sei dort auch die Beklagte verzeichnet. Die Unkenntnis der Klägerin sei daher zumindest grob fahrlässig. Die Beklagte habe nicht schuldhaft gehandelt (für weitere Einzelheiten wird auf Seiten 8ff der Klageerwiderungsschrift, Bl. 113ff GA, Bezug genommen). Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes in der „Ramses“-Entscheidung vom 17.09.2015 (I ZR 228/14) sei für die Weiterübertragung der über eine Gemeinschaftsantenne per Satellit empfangenen Fernseh- und Hörfunksignale durch ein Kabelnetz an die Empfangsgeräte keine urheberrechtliche Vergütung geschuldet. Diese Entscheidung sei auf den vorliegenden Fall übertragbar. Der Betrieb der streitgegenständlichen Gemeinschaftsantennenanlage erfolge nicht zu Erwerbszwecken. Die Beklagte erhebe lediglich Unkostenbeiträge, die die mit dem Betrieb der Anlage verbundenen Kosten decken solle. Es würden keine Erlöse erzielt. Die Beklagte sei eine Antennengemeinschaft, die als Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisiert sei (für Einzelheiten wird auf Seite 19 des Schriftsatzes der Beklagten vom 08.12.2015, Bl. 316 GA, Bezug genommen). Es handele sich daher ebenso wie in dem von dem Bundesgerichtshof entschiedenen „Ramses-Fall“ um gemeinschaftlich organisierten Privatempfang.
Für Einzelheiten des weiteren Vortrages der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der überreichten Unterlagen, im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Die Klageschrift ist am 22.12.2014 bei Gericht eingegangen und der Beklagten am 03.02.2015 zugestellt worden.
I.
Die als Stufenklage gem. § 254 ZPO zulässige Klage ist hinsichtlich des in der ersten Stufe geltend gemachten Auskunftsanspruches der Klägerin begründet.
1.) Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auskunft wie tenoriert gem. §§ 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB, 97 Abs. 2 UrhG i.V.m. § 242 BGB.
Aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergibt sich immer dann eine Auskunftspflicht, wenn die Rechtsbeziehung der Parteien es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, während der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderlichen Auskunft unschwer geben kann (vgl. Palandt-Grüneberg, 75. Aufl. 2016, § 260 Rz 4). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, denn Kenntnisse über die verlangten Angaben kann nur die Beklagte selbst haben.
Voraussetzung für den gewohnheitsrechtlichen Auskunftsanspruch nach Treu und Glauben ist weiter eine Sonderverbindung zwischen den Parteien (vgl. Palandt-Grüneberg, 75. Aufl. 2016, § 260 Rz 5), die hier in einem Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz im Wegen der Lizenzanalogie gem. § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG sowie einem kenntnis- und verschuldensunabhängigen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten im Wege der Lizenzanalogie gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB (Eingriffskondiktion) besteht. Beide Ansprüche bestehen für den Zeitraum ab dem 01.01.2005, denn die Ansprüche der Klägerin sind nicht verjährt.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert, die Ansprüche auf Schadensersatz und Herausgabe geltend zu machen. Für sie streitet die sogenannte GEMA-Vermutung, nach der nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Klägerin zur Wahrnehmung der Aufführungs-, Wiedergabe-, Sende- und Tonträgerrechte befugt ist und die genutzten Musikwerke urheberrechtlich geschützt sind (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 12.02.2015 – I ZR 204/13 – Trassenfieber, zitiert nach juris.de). Die Beklagte tritt dieser Vermutung nicht entgegen.
2.) Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG. Die Beklagte, vertreten durch ihren Geschäftsführer, hat die durch die Klägerin wahrgenommenen Kabelweitersendungsrechte der Berechtigten gem. §§ 20, 20b UrhG verletzt, indem sie, ohne über eine entsprechende Lizenz zu verfügen, diese i.S.d. §§ 15 Abs. 3, 20 UrhG der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat.
Gem. § 20 Abs. 1 UrhG umfasst das Kabelweitersendungsrecht das Recht, ein gesendetes Werk im Rahmen eines zeitgleich, unverändert und vollständig weiterübertragenen Programms durch Kabelsysteme oder Mikrowellensysteme weiterzusenden. Die Beklagte sendet die geschützten Werke technologisch im vorgenannten Sinne unzweifelhaft weiter; sie versorgt die ihr angeschlossenen Haushalte über ihr Kabelnetz mit Rundfunkprogrammen. Für eine Weitersendung ist es ausreichend, wenn der Rundfunkempfang technisch verbessert wird, ohne einen neuen Hörer- oder Zuschauerkreis zu eröffnen (st. Rspr. des BGH, vgl. BGH Beschluss vom 16.08.2012 – I ZR 44/10 – zitiert nach juris.de).
Eine Kabelweitersendung setzt darüber hinaus die öffentliche Wiedergabe der geschützten Werke im Sinne des §§ 15 Abs. 3, 20 UhrG voraus, da die in § 20b UrhG geregelte Kabelweitersendung eine besondere Form des allgemeinen Senderechts gem. § 20 UrhG darstellt. Die Anforderungen an eine öffentliche Wiedergabe sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Wege einer Auslegung der Vorschriften der §§ 15 Abs. 3, 20 UrhG im Sinne der Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG (ABl. L 167 vom 22.06.2001, S. 10-19) und Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG (ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 28-35) sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu bestimmen. Danach setzt eine öffentliche Wiedergabe voraus,
dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig wird, um Dritten einen Zugang zum geschützten Werk oder der geschützten Leistung zu verschaffen, den diese ohne sein Tätigwerden nicht hätten. Dabei reicht es aus, wenn Dritte einen Zugang zu dem geschützten Werk oder der geschützten Leistung haben, ohne dass es darauf ankommt, ob sie diesen nutzen.
Der Begriff der „Öffentlichkeit“ ist danach nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt; die Wiedergabe muss für Personen allgemein erfolgen, sie darf also nicht auf besondere Personen beschränkt sein, die einer privaten Gruppe angehören.
Mit dem Kriterium „recht viele Personen“ ist gemeint, dass der Begriff der Öffentlichkeit eine bestimmte Mindestschwelle enthält und eine allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen ausschließt. Zur Bestimmung dieser Zahl von Personen ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Dabei kommt es darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben.
Für eine Einstufung als „öffentliche Wiedergabe“ ist es weiter erforderlich, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder - ansonsten - für ein neues Publikum wiedergegeben wird, also für ein Publikum, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte. Erfolgt die nachfolgende Wiedergabe nach einem spezifischen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet, braucht nicht geprüft zu werden, ob das Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird, sondern bedarf die Wiedergabe ohne Weiteres der Erlaubnis des Urhebers.
Schließlich ist es nicht unerheblich, allerdings auch nicht zwingend Voraussetzung, ob die betreffende Nutzungshandlung Erwerbszwecken dient. Der Erwerbszweck kann für die Einstufung einer Weiterverbreitung als Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG unter Umständen auch unerheblich sein (vgl. für das Vorstehende BGH, Urteil vom 17.09.2015 – I ZR 228/14 – „Ramses“, Rz. 43ff, zitiert nach juris.de, mit zahlreichen w.N.).
Gemessen an diesen Maßstäben ist die hier gegenständliche Weiterübertragung der geschützten Werke durch die Beklagte an die von ihr durch ihr Kabelnetz versorgten Haushalte eine öffentliche Wiedergabe im Sinne §§ 15 Abs. 3, 20 UrhG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG. Unproblematisch ist dabei zu bejahen, dass die Beklagte Dritten absichtlich und gezielt die geschützten Werke zugänglich macht und diese Dritten ohne das Tätigwerden der Beklagten diesen Zugang nicht hätten. Denn ohne das Betreiben des Kabelnetzes hätten die an dieses angeschlossenen Publikumskreise keinen Zugang zu den auf diese Weise weitergesendeten Rundfunkprogrammen. Die Beklagte verschafft dabei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen – und damit der Öffentlichkeit – Zugang zu den Werken. Die Beklagte versorgt nach eigenen Angaben 2.100 Haushalte mit den weitergesendeten Rundfunkprogrammen. Die diesen Haushalten angehörenden Personen haben zeitgleich und kumulativ (gleichzeitig und nacheinander) Zugang zu den unveränderten und vollständigen Weiterübertragungen der Sendesignale und damit zu denselben Werken und Leistungen. Die Anzahl von 2.100 Haushalten und somit auch mindestens 2.100 Personen überschreitet die dem Begriff der Öffentlichkeit innewohnende Mindestschwelle „recht vieler Personen“. Für das Kriterium der Öffentlichkeit ist es unerheblich ob der Zugang auch genutzt wird (vgl. BGH, a.a.O., Rz 59).
Die Beklagte verschafft dabei auch – anders als die Beklagte meint – einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten Zugang zu den geschützten Werken. Bei den dem Kabelnetz der Beklagten angeschlossenen 2.100 Haushalten handelt es sich nicht um eine private Gruppe (was der Bundesgerichtshof in der „Ramses“-Entscheidung für eine aus 343 Eigentumswohnungen bestehenden Wohnanlage, die über eine Gemeinschaftsantenne versorgt wurde, mit dem Argument, es handele sich quasi um Selbstversorgung, jedoch angenommen hatte, vgl. BGH a.a.O, Rz 60ff). Die an das Kabelnetz der Beklagten angeschlossenen Haushalte bzw. die diesen angehörenden Personen verbindet kein übergeordneter Zweck, wie dies bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft der Fall ist. Diese hat ihren Zweck in der gemeinsamen Verwaltung des Gemeinschaftseigentums und der in gemeinschaftlicher Verwaltung betriebenen Versorgung der jeweiligen Eigentümer mit den erforderlichen Medien (z.B. Strom, Gas, Wasser, Rundfunk und Fernsehen etc.), während die dem Kabelnetz der Beklagten angeschlossenen Haushalte aus beliebigen Wohneinheiten bestehen, die lediglich die Antennengemeinschaft verbindet. Es kann auch ohne konkreten Vortrag hierzu davon ausgegangen werden, dass dieser Personenkreis durch Beitritt oder Vertragsabschluss bzw. Beendigung beliebig erweitert oder verkleinert werden kann.
Es ist auch davon auszugehen, dass durch die Weitersendung durch die Beklagte die geschützten Werke einem neuem Publikum zugänglich gemacht werden. Die Weitersendung durch ein von einer Antennengemeinschaft betriebenen Kabelnetz ist von der ursprünglichen Sendeerlaubnis nicht umfasst, denn durch die Zwischenschaltung einer weiteren Gesellschaft, die weitersendet, wird ein Personenkreis erfasst, der bereit ist, für die Weitersendung per Kabelnetz und einen Kostenbeitrag zu zahlen und sich nur für diesen Zweck der Publikumsgruppe angeschlossen hat. Dies ist vergleichbar mit einer Personengruppe, die ein Theaterstück oder ein Kino besucht, diese verbindet auch nur dieser Zweck. Damit handelt es sich aber um „neues“ Publikum, das nicht nur seine Endgeräte benutzt. Darauf, dass nur im familiären oder privaten Kreis die Sendungen empfangen werden, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, denn die Gesamtheit des neuen Publikums, die Antennengemeinschaft ist, wie ausgeführt, unter Heranziehung der Kriterien der Öffentlichkeit im Sinne der Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 Richtlinie 2006/115/EG keine sich selbst versorgende private Gruppe, sondern eine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten.
Dieses Ergebnis ist auch sachgerecht. Denn andernfalls könnte ein Zusammenschluss einer Personenmehrheit, die das Kriterium der unbestimmten Anzahl und recht vieler Personen erfüllt, zu dem alleinigen Zweck, eine „Weitersendungsgemeinschaft“ zu bilden, zum Unterlaufen des Schutzes des Kabelweitersendungsrechts führen.
Dass die Beklagte, wie sie vorträgt, lediglich einen Kostenbeitrag von ihren Mitgliedern erhebt und keinen Erwerbszweck verfolgt, beseitigt nicht die Widerrechtlichkeit der Weitersendung durch sie. Das Fehlen eines Erwerbszweckes kann zum einen für das Vorliegen der öffentlichen Wiedergabe unerheblich sein (vgl. BGH, a.a.O., Rz 49). Auf einen Erwerbzweck im Sinne einer Gewinnerzielung kommt es hier jedoch auch nicht an. Der Erwerbzweck der in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebenen Beklagten besteht hier in der Erwirtschaftung der durch den Betrieb der Antennenanlage entstehenden Kosten. Die Beklagte erwirtschaftet zwar nach ihrem unwidersprochenen Vorbringen keine Gewinne, sie betreibt das Kabelnetz jedoch auch nicht unentgeltlich, sondern gegen Zahlung eines Kostenbeitrages. Damit verlangt sie aber Entgelte in einer Höhe, die ihre Kosten decken sollen und somit den Betrieb des Kabelnetzes wirtschaftlich absichern sollen.
Die öffentliche Wiedergabe der geschützten Werke durch die Beklagte erfolgte auch schuldhaft. Der Beklagten war bewusst, dass sie für die rechtmäßige Weitersendung von Rundfunkprogrammen Lizenzrechte von den Berechtigten erwerben muss. Die Klägerin trägt unwidersprochen (§ 138 Abs. 3 ZPO) vor, die Beklagte habe für den fraglichen Zeitraum von der VG Media Nutzungsrechte erworben (auf Bl. 192 GA wird Bezug genommen).
3.) Die Klägerin hat gegen die Beklagte weiter wegen der unerlaubten Kabelweitersendung aus den vorstehend erörterten Gründen einen kenntnis- und verschuldensunabhängigen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB (Eingriffskondiktion).
4.) Die Ansprüche der Klägerin sind hier nicht verjährt.
Beide Ansprüche der Klägerin gem. §§ 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG und § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB (Eingriffskondiktion) verjähren gem. § 102 Satz 2 UrhG i.V.m. § 852 BGB in zehn Jahren von ihrer Entstehung an. Gem. § 102 Satz UrhG finden auf die Verjährung der Ansprüche wegen Verletzung des Urheberrechts oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Rechts die Verjährungsvorschriften der §§ 195ff BGB entsprechende Anwendung; hat der Verpflichtete jedoch durch die Verletzung auf Kosten des Berechtigten etwas erlangt, findet § 852 BGB entsprechende Anwendung. Danach verjährt dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an, § 852 Satz 2 BGB. § 102 UrhG erfasst sowohl Schadensersatz- als auch Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche. Entscheidend für die Anwendung der zehnjährigen Verjährungsfrist ist, ob der geltend gemachte Schaden dem des durch die unerlaubte Handlung Erlangten entspricht. Ist dies der Fall, ist auf den entsprechenden Anspruch die zehnjährige Verjährungsfrist anzuwenden. Der § 852 BGB ist lediglich eine Rechtsfolgenverweisung in das Bereicherungsrecht, nicht eine Rechtsgrundverweisung. Dies führt dazu, dass Schadenersatzansprüche, mit denen das durch einer unerlaubte Handlung Erlangte geltend gemacht wird, in zehn Jahren ab Entstehung verjähren (vgl. MüKoBGB/Wagner, 6. Aufl. 2013, § 852 Rn. 5). So liegt der Fall hier. Die Klägerin macht hier als Schadenersatz das durch den widerrechtlichen Eingriff der Beklagten im Wege der Lizenzanalogie geltend. Die Klägerin verlangt Auskunft für den Zeitraum ab 01.01.2005. Die auf diesen Anspruch entfallenden Ansprüche verjährten nach dem oben Ausgeführten mit Ablauf des Jahres 2015. Die Klage ist in unverjährter Zeit, nämlich am 03.02.2015, erhoben worden. Die Verjährungsfrist ist gehemmt gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
Auch eine dreijährige Verjährungsfrist gem. § 199 Abs. 1 BGB war jedoch bei Klageerhebung nicht abgelaufen. Die Klägerin hatte vor dem Jahr 2014 keine fahrlässige Unkenntnis von den die Ansprüche begründenden Umständen und der Person der Beklagten als Schuldnerin. Anders als die Beklagte meint, trifft die Klägerin keine Marktbeobachtungspflicht in Bezug auf etwaige Eingriffe in die Rechte der von ihr vertretenen Berechtigten (vgl. MüKo/Grothe/BGB, 7. Aufl. 2015, § 199 Rn. 34 für Wettbewerbsverstöße).
5.) Die Beklagte hat den Auskunftsanspruch gem. § 242 BGB der Klägerin bislang nicht erfüllt (§ 362 BGB). Die von der Klägerin verlangten Angaben, die auf den Bemessungsgrundlagen des Tarifsystems der Klägerin beruhen, werden von der Beklagten inhaltlich nicht angegriffen.
II.
Die Kammer hatte durch Teilurteil gem. § 301 Abs. 1 ZPO zunächst über den Auskunftsanspruch der Klägerin zu entscheiden. Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen.
III.
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
IV.
Die Entscheidung zur Vollsteckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.