Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat | Entscheidungsdatum | 07.08.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 11 N 10.14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 32 Abs 1 Nr 2 aF AufenthG, § 32 Abs 2 aF AufenthG, § 32 Abs 3 aF AufenthG |
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das dem Kläger am 30. April 2012 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. April 2012 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Das Verwaltungsgericht hat am 25. April 2012 im Wege schriftlicher Entscheidung das Verpflichtungsbegehren des Klägers abgewiesen, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Ankara vom 18. März 2010 zu verpflichten, ihm ein Visum zum Zwecke des Kindernachzugs zu erteilen. Der gegen dieses Urteil gerichtete Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet. Das Rechtsmittelvorbringen des Klägers rechtfertigt die von ihm allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht. Derartige Zweifel bestehen dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163 f.) und nicht nur die Begründung der angefochtenen Entscheidung oder nur einzelne Elemente dieser Begründung, sondern auch die Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung derartigen Zweifeln unterliegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4/03 -, Buchholz 310 § 124 Nr. 33). Das ist hier nicht der Fall.
Der Kläger kann den von ihm geltend gemachten Nachzugsanspruch im vorliegenden Verfahren nicht mit Erfolg auf § 32 Abs. 3 AufenthG a.F. stützen, weil diese Vorschrift voraussetzte, dass er bei Stellung des maßgebenden Visumantrags das 16. Lebensjahres noch nicht vollendet hatte. Dieses Alterserfordernis ist hier nicht gewahrt. Denn das hier verfahrensgegenständliche, durch den mit der Klage angefochtenen Remonstrationsbescheid vom 18. März 2010 abgelehnte Visumbegehren des Klägers ist erst durch den Visumantrag des Klägers vom 10. November 2009 eingeleitet worden. Zum letztgenannten Zeitpunkt hatte der Kläger das 16. Lebensjahr bereits vollendet. Zwar hatte der Kläger zuvor bereits mit Antrag vom 8. September 2008, mithin vor Vollendung seines 16. Lebensjahres, ein Visum zum Familiennachzug beantragt, das die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Ankara mit Bescheid vom 27. August 2009 abgelehnt hatte. Dieser Bescheid ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsstreitverfahrens geworden. Denn mit der vorliegenden Klage hat der Kläger allein den Remonstrationsbescheid vom 18. März 2010 angegriffen. Dies hat auch der Kläger erstinstanzlich der Sache nach eingeräumt, indem er mit Schriftsatz vom 24. August 2011 ausgeführt hat, er habe bereits vor „dem streitgegenständlichen“ Visumverfahren ein Visum zum Zwecke des Familiennachzugs beantragt und zu diesem Zeitpunkt das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt. Erstinstanzlich ist der Bescheid vom 27. August 2009, der entgegen der Darstellung des Klägers durch den hier angegriffenen Remonstrationsbescheid vom 18. März 2010 auch nicht „ersetzt“ worden ist, nicht in das Verwaltungsstreitverfahren einbezogen worden. Selbst wenn man in dem Schriftsatz des Klägers vom 24. August 2011 eine solche Einbeziehung sehen wollte, dürfte der Bescheid vom 27. August 2009 zu diesem Zeitpunkt selbst unter Berücksichtigung des § 58 Abs. 2 VwGO bereits Bestandskraft erlangt haben. Jedenfalls hat der Kläger einen dem entgegenstehenden Geschehensablauf nicht dargetan und erst Recht nicht glaubhaft gemacht. Im Zulassungsverfahren ist die Einbeziehung des Bescheides vom 27. August 2009 ohnehin nicht mehr möglich, weil dies zu einer Veränderung des Streitgegenstandes führen würde (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 16. Juli 2009 - OVG 11 N 50.07 -; Beschluss v. 13. Januar 2010 - OVG 9 N 5.08 -; OVG Münster, Beschluss v. 7. August 2013 - 10 A 1970/12 -, alle bei juris, jeweils Rz. 7). Der verwaltungsgerichtliche Streitgegenstand ist gekennzeichnet durch den geltend gemachten Anspruch und den ihm zugrundegelegten Lebenssachverhalt (vgl. BVerwG, Beschluss v. 24. Oktober 2011 - 9 B 13/11 -, bei juris, Rz. 17, m.w.N.). Für diesen Lebenssachverhalt ist wiederum maßgebend, wann der Visumantrag gestellt wurde, weil unter anderem dies für die rechtliche Beurteilung relevant ist. Auf die Frage, ob der Vater des Klägers zum Zeitpunkt der ersten Visumantragstellung bereits über einen Aufenthaltstitel im Sinne von § 32 Abs. 3 AufenthG a.F. verfügte, kommt es hiernach nicht mehr an.
Sofern der Kläger ferner geltend macht, er habe einen Anspruch auf Erteilung des Visums nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG a.F., weil er sich bereits am 8. September 2008 und damit in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Einreise seines Vaters um einen Nachzug bemüht habe, führt auch dieser Vortrag nicht weiter, weil das mit Antrag vom 8. September 2008 eingeleitete Visumverfahren wie dargelegt nicht Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsstreitverfahrens geworden ist.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils legt der Kläger auch nicht dar, soweit das Verwaltungsgericht einen Anspruch nach § 32 Abs. 2 AufenthG a.F. verneint hat. Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen dargelegt, dass die vom Kläger nachgewiesenen Deutschkenntnisse nicht ausreichen würden, um im Sinne des Gesetzes von einem Beherrschen der Sprache ausgehen zu können. Die vom Kläger nachgewiesenen Sprachkenntnisse des Niveaus A1 genügten dafür nicht, weil es sich hierbei lediglich um einen Anfängerkurs handle, der einfache Sprachkenntnisse vermittele, wie sie etwa für den Ehegattennachzug in § 30 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorausgesetzt würden. Für ein „Beherrschen“ der Sprache seien vielmehr Kenntnisse und Fähigkeiten vorauszusetzen, wie sie durchschnittlich bei deutschen Jugendlichen gleichen Alters gegeben seien. Es erscheine auch nicht gewährleistet, dass sich der Kläger aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einfügen könne. Dies setze mehr voraus, als dass sich der zuzugswillige Ausländer in Deutschland irgendwie zurechtfinden solle, was bereits die Gleichstellung dieses Erfordernisses mit der Variante des Beherrschens der deutschen Sprache zeige. Daher müsse der zuzugswillige Ausländer mindestens über Fähigkeiten verfügen, die anderen durch Integrationskurse nach § 43 AufenthG und der dazu ergangenen Verordnung erst vermittelt werden sollten. Weder für die bisherige Lebensführung noch die bisherige Ausbildung des Klägers in der Türkei sei etwas vorgetragen oder sonst ersichtlich, das auf das Vorhandensein derartiger Fertigkeiten schließen lasse. Bloße Erwartungen an künftige Eingliederungsbemühungen – etwa durch eine Ausbildung im Kfz-Betrieb seines Vaters – würden dies nicht ausgleichen. Mit dieser Begründung setzt sich der Kläger nicht mit in der für die Darlegung ernstlicher Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gebotenen Weise auseinander. Sein Hinweis, dass seine Stiefmutter gebürtige Deutsche sei und folglich erwartet werden dürfe, dass er seine Deutschkenntnisse rasch verbessern und sich im Bundesgebiet einleben werde, geht am Gesetzeswortlaut vorbei, wonach die Erwartung der Integrationsfähigkeit aufgrund der „bisherigen“ Ausbildung und Lebensverhältnisse des Ausländers gerechtfertigt erscheinen muss.
Soweit das Verwaltungsgericht schließlich einen Anspruch auf Familiennachzug aus Härtefallgründen nach § 32 Abs. 4 AufenthG a.F. verneint hat, geht der Kläger mit seinem Berufungszulassungsvorbringen hierauf überhaupt nicht ein.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).