Gericht | VG Frankfurt (Oder) 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 24.05.2012 | |
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Aktenzeichen | 5 K 1216/08 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Das Verfahren wird hinsichtlich der Inhaltsbestimmungen II. 4 – 8 im Genehmigungsbescheid vom 19. Oktober 2006 eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Die Klägerin wendet sich gegen die Anordnung von nachträglichen Nachweismessungen, die im Zusammenhang mit der von ihr beantragten und ihr erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von zwei Windkraftanlagen aus Gründen des Lärmschutzes verfügt wurden.
Mit Antrag vom 09. Juni 2005 beantragte die Klägerin formblattmäßig unter Beifügung der erforderlichen Unterlagen die Genehmigung nach § 4 Bundesimmissionsschutzgesetz zur Errichtung und zum Betrieb von zwei Windkraftanlagen des Typs „AN BONUS 2,3 MW / 93-VS“ mit einer Nabenhöhe von 103 m, einem Rotordurchmesser von 93 m und einer Gesamthöhe von 149,5 m in der Gemarkung Sieversdorf. Die Anlagen haben eine Leistung von 2,3 MW.
Mit Bescheid vom 19. Oktober 2006 erteilte das vormalige Landesumweltamt Brandenburg – Regionalabteilung Ost -, dessen Nachfolger der Beklagte ist, der Klägerin die Genehmigung, zwei Windkraftanlagen in ..., Gemarkung ..., Flur ..., Flurstücke ... und ... zu errichten und zu betreiben.
Der Genehmigungsbescheid wurde unter anderem mit folgender Regelung, im Bescheid als Nebenbestimmung benannt, versehen:
5. Immissionsschutz
5.4 Frühestens drei Monate und spätestens zwölf Monate nach Inbetriebnahme der Anlagen und anschließend wiederkehrend alle drei Jahre ist jeweils durch Messung einer nach § 26 BImSchG im Land Brandenburg bekannt gegebenen Messstelle nachweisen zu lassen, dass die in Inhaltsbestimmung Nr. 11 genannten Grenzwerte eingehalten werden.
Zur Begründung der oben genannten Regelung führte der Beklagte im Genehmigungsbescheid aus:
Die Einhaltung der Immissionsrichtwerte ist dauerhaft sicherzustellen. Deshalb haben wir die Einhaltung der in der Inhaltsbestimmung II. 11. genannten Immissionsanteile an den maßgeblichen Aufpunkten verlangt. Diese Auflagen sind auch verhältnismäßig, weil sie mit der beantragten Anlagentechnik auch erreicht werden können.
Die Überprüfung der Auflagen im späteren Anlagenbetrieb ist nur mit Hilfe von Messungen möglich. Deshalb sind die in der Nebenbestimmung 5.4 verlangten Nachweismessungen erforderlich und angemessen.
Hiergegen erhob die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten am 16. November 2006 Widerspruch. Der inhaltlich beschränkte Widerspruch richtete sich u.a. gegen die Regelung in Ziffer 5.4. des Bescheides sowie gegen luftfahrtrechtliche Kennzeichnungspflichten.
Zur Begründung ihres Widerspruchs ließ die Klägerin ausführen, dass die Bestimmungen hinsichtlich der luftfahrtrechtlichen Kennzeichnung unter II. Ziffer 4. bis 9 (gemeint war: Ziffer 4. bis 8.) nicht schlüssig seien. Weiterhin rügte die Klägerin, dass bei der Bewertung der Schallprognose ungerechtfertigt hohe Zuschläge erfolgt seien. Zudem sei an allen maßgeblichen Immissionsorten mindestens ein Mittelwert von 42,5 dB (A) zulässig. Hilfsweise sei der schallreduzierte Modus nur für den Fall anzuordnen, dass der Wind aus der maßgeblichen Richtung wehen würde, was anlagentechnisch ohne weiteres zu realisieren sei. Der detaillierten Aufzeichnung der Betriebsparameter bedürfe es nicht. Schließlich beanstandeten die Bevollmächtigten der Klägerin die Festsetzung kontinuierlicher Nachweismessungen. Hierfür sei weder eine Ermächtigungsgrundlage noch eine sachliche Rechtfertigung erkennbar.
Dem Widerspruch der Klägerin half der Beklagte mit einem Teilabhilfebescheid vom 31. Januar 2007 hinsichtlich der Sicherheitsleistung ab. Am 18. Juli 2008 erging der Widerspruchsbescheid, in dem der Beklagte dem Widerspruch erneut teilweise abhalf, diesen hinsichtlich der streitgegenständlichen Bestimmungen jedoch zurückwies. Insbesondere wurde der Widerspruch gegen die Nebenbestimmung Nr. III 5.4 vollständig zurückgewiesen.
Zur Begründung führte der Beklagte im Widerspruchsbescheid aus:
Die Nebenbestimmung III 5.4 beruhe auf § 26 Bundesimmissionsschutzgesetz und § 28 Satz 1 Nr. 2 Bundesimmissionsschutzgesetz. Ohne Nachweismessungen könne nicht festgestellt werden, ob tatsächlich keine schädlichen Umwelteinwirkungen von der Anlage ausgehen würden. Die Norm sei auch bei Genehmigungen anwendbar. Ein bestimmter Zeitraum sei gesetzlich nicht bestimmt. Hintergrund der Anordnung sei die Überlegung, dass alle Maschinen und besonders Windkraftanlagen einem Verschleiß unterliegen würden, der durch die wirkenden mechanischen Kräfte hervorgerufen werde. Auf Grund der Verschlechterung des akustischen Verhaltens von Windkraftanlagen könne dies zu unzulässig hohen Schallimmissionen an den Immissionspunkten führen. Daher seien nach Inbetriebnahme der Anlage und sodann nach Ablauf von jeweils drei Jahren, Anordnungen nach § 26 BImSchG auch ohne die dort genannten Voraussetzungen zu treffen. Das Ermessen des Beklagten sei dahingehend ausgeübt worden, dass die Nachweismessungen verlangt werden würden. Die geforderten Wiederholungen würden der Erfassung veränderlicher Geräuschemissionen dienen, die durch veränderte Umweltbedingungen oder den Verschleiß der Anlage hervorgerufen werden können. Der Beklagte wolle sich davon überzeugen, dass beim Betrieb der Anlage die Grenzwerte auch dauerhaft eingehalten werden würden. Anhaltspunkte für das Vorliegen von schädlichen Umwelteinwirkungen seien nicht erforderlich.
Die Klägerin hat am 18. August 2008 Klage erhoben. Sie hält die im Abhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2008 enthaltene Regelung über die Nachweismessungen (im Ausgangsbescheid: Nebenbestimmung Nr. III. 5.4) für rechtswidrig.
Zur Begründung führt die Klägerin aus, für die Verpflichtung, die Immissionen nach jeweils drei Jahren durch eine zugelassene Messstelle überprüfen zu lassen, sei eine Ermächtigungsgrundlage nicht ersichtlich. § 26 Bundesimmissionsschutzgesetz stelle jedenfalls keine Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung kontinuierlicher Nachweismessungen dar, wie sie die Nebenbestimmung III 5.4 vorsehe. Ob schädliche Umwelteinwirkungen durch die Anlage hervorgerufen würden, sei durch die erstmalige Nachweismessung hinreichend zu klären. Es spreche mit Blick auf die Schallimmissionsprognose nichts dafür, dass nach Durchführung der erstmaligen Nachweismessung weitere Messungen wegen der Besorgnis schädlicher Umwelteinwirkungen erforderlich seien. Ebenso biete § 28 Satz 1 Nr. 2 Bundesimmissionsschutzgesetz keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung regelmäßiger Nachweismessungen. Dies verbiete schon der Wortlaut der Norm. Dieser ermächtige die Behörde nicht, die Nachweismessungen von vornherein im Genehmigungsbescheid festzulegen. Selbst wenn § 28 Satz 1 Nr. 2 Bundesimmissionsschutzgesetz als Ermächtigungsgrundlage in Betracht käme, sei vorliegend der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt. Denn derartige Messungen seien ausgesprochen aufwändig und verursachten deshalb beim Betreiber hohe Kosten. Hinzu komme, dass vorliegend keinerlei Anhaltspunkte für eine Verursachung schädlicher Umwelteinwirkungen durch die Windkraftanlagen vorliegen würden.
Die Klägerin beantragt,
die Regelung Nr. III. 5.4 im Genehmigungsbescheid vom 19. Oktober 2006 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 31. Januar 2007 und des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2008 aufzuheben,
hilfsweise,
den Beklagten unter Aufhebung von Nr. III. 5.4 des Genehmigungsbescheides vom 19. Oktober 2006 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 31. Januar 2007 und des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2008 zu verpflichten, die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ohne die zuvor genannte Nebenbestimmung zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte tritt der Klage entgegen und verteidigt die angefochtenen Nebenbestimmungen. Eine bereits durchgeführte Nachweismessung habe ergeben, dass der im Genehmigungsverfahren ursprünglich zu Grunde gelegte Schallleistungspegel der Anlagen nunmehr um bis zu 1,2 dB(A) überschritten werden würde. Das Ansteigen des Schallleistungspegels sei Folge des Verschleißes der Anlage. Der Verschleiß wiederum sei Folge von Witterungseinflüssen, welche die Rauhigkeit der Rotorblätter erhöhen würden. Dies würde eine Änderung der Strömungsverhältnisse nach sich ziehen. Es sei daher nunmehr offensichtlich, dass es erforderlich sei, nachträgliche Messungen durchzuführen.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 24. Mai 2012 das Verfahren abgetrennt, soweit sich die Klägerin gegen die Inhaltsbestimmung II.11 im Genehmigungsbescheid vom 19. Oktober 2006 in Gestalt des Abhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2008 wendet. Das abgetrennte Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 5 K 613/12 fortgeführt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten (2 Ordner) verwiesen, die vorgelegen haben und - soweit wesentlich – zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie der Beratung der Kammer gemacht wurden.
Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Klage hinsichtlich der Inhaltsbestimmungen II. 4 bis II. 8 konkludent zurückgenommen hat, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.
Im Übrigen ist die Klage im Hauptantrag zulässig, jedoch unbegründet.
Die Klägerin wendet sich nunmehr allein gegen die Nebenbestimmung III 5.4 des Genehmigungsbescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2008, diese Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Klägerin begehrt die Aufhebung einer Anordnung nach § 28 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) i. V. m. § 26 BImSchG, deren isolierte Aufhebung möglich ist. Dabei geht die Kammer davon aus, dass es sich - unbeschadet der Frage nach ihrer isolierten Aufhebbarkeit - hier nicht um eine Nebenbestimmung zur Genehmigung im Sinne von § 12 Abs. 1 BImSchG handelt (Urteil der Kammer vom 17. März 2008, - (5 K 1999/03 -). Gemäß § 12 Abs. 1 BImSchG kann die Genehmigung unter anderem mit Auflagen verbunden werden, soweit dies erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 6 genannten Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 ergebenden Pflichten erfüllt werden. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen (Vorsorgegrundsatz).
Hier handelt es sich nach Auffassung der Kammer - auch im Sinne der spezielleren Rechtsgrundlage, die eine Anwendung von § 12 Abs. 1 BImSchG ausschließt - um eine Anordnung nach § 28 BImSchG i. V. m. § 26 BImSchG, die als solche jedoch selbständig anfechtbar ist. Diese Anordnung findet ihre Rechtsgrundlage in dem vom Beklagten herangezogenen § 28 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG i. V. m. § 26 BImSchG. Nach diesen Bestimmungen kann die zuständige Behörde bei genehmigungsbedürftigen Anlagen nach der Inbetriebnahme oder einer wesentlichen Änderung und sodann nach Ablauf eines Zeitraumes von jeweils drei Jahren anordnen, dass der Betreiber Art und Ausmaß der von der Anlage ausgehenden Emissionen sowie die Immissionen im Einwirkungsbereich der Anlage durch eine der von der nach Landesrecht zuständigen Behörde bekannt gegebenen Stellen ermitteln lässt, und zwar ausdrücklich auch dann, wenn nicht zu befürchten ist, dass durch die Anlage schädliche Einwirkungen hervorgerufen werden („auch ohne die dort genannten Voraussetzungen“; vgl. hierzu auch: OVG Münster, NVwZ-RR 2002, 327 ff.).
Die vorliegend nunmehr allein streitgegenständliche Anordnung im Genehmigungsbescheid in III. Ziffer 5.4. ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung der Kammer (Urteil der Kammer vom 17. März 2008, - 5 K 1999/03 -) rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlagen (§ 28 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG i. V. m. § 26 BImSchG) liegen vor. Die Windenergieanlage der Klägerin ist unstreitig eine genehmigungsbedürftige Anlage im Sinne des § 4 Abs. 1 BImSchG (vgl. Ziff. 1.6 im Anhang zur 4. Bundesimmissionsschutzverordnung). Die Messanordnung genügt auch den in § 28 BImSchG geregelten zeitlichen Vorgaben. Soweit sie mit dem Genehmigungsbescheid vom 19. Oktober 2006 als antizipierende Anordnung nach § 28 BImSchG für eine erstmalige Schallimmissionsmessung und wiederkehrende Messungen (und nicht i. S. kontinuierlicher Messungen gemäß § 29 BImSchG) ergangen ist, ist die Möglichkeit der Einbindung von Anordnungen nach § 28 BImSchG in dem Genehmigungsbescheid anerkannt (vgl. OVG Münster NVwZ 2002, 337 ff. und Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, §§ 26-31 BImSchG Nr. 9). Die zuständige Behörde kann demgemäß in einem Verwaltungsakt - z. B. im Genehmigungsbescheid - anordnen, dass bestimmte Ermittlungen nach Inbetriebnahme und danach alle drei Jahre durchzuführen sind (so Hansmann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 28 Bundesimmissionsschutzgesetz Rdnr. 11). Mithin wird der frühestmögliche Zeitpunkt der Anordnung nicht erst durch die Inbetriebnahme der Anlage bestimmt, sondern die Anordnung kann schon während der Errichtungsphase getroffen werden. Allerdings kann der Anlagenbetreiber nur verpflichtet werden, die Ermittlungen nach der Inbetriebnahme durchführen zu lassen; dem trägt die Anordnung in Ziffer 5.4. Rechnung (vgl. hierzu Hansmann a. a. O., Rdnr. 7).
Soweit die Behörde im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessensspielraums den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel zu beachten hat, und demgemäß sich die Anordnung kostspieliger Ermittlungen verbietet, wenn nur eine geringe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Anlagenbetreiber höhere Emissionen oder Immissionen verursacht, als sie nach § 5 BImSchG oder Rechtsverordnungen aufgrund des § 7 BImSchG zulässig sind, brauchen im Falle des § 28 BImSchG seinem Wortlaut nach keine konkreten Anhaltspunkte für das Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzuliegen. Gleichwohl könnte ein Ermessensfehler insbesondere dann vorliegen, wenn von vornherein feststünde, dass von der betroffenen Anlage schädliche Umwelteinwirkungen nicht ausgehen und behördliche Maßnahmen nicht getroffen werden dürften (vgl. hierzu auch Hansmann a. a. O., Rdnr. 16). So liegt der Fall hier aber nicht. Die dem Beklagten eröffnete Ermessensentscheidung, die das Gericht nur in dem durch § 114 VwGO gesetzten Rahmen überprüfen kann, lässt Rechtsfehler nicht hervortreten. Der Beklagte hat von dem ihm eingeräumten Ermessen und der hiervon umfassten Befugnis, Einzelheiten über Art und Umfang der Ermittlungen sowie über die Vorlage des Ermittlungsergebnisses vorzuschreiben, in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Art und Weise Gebrauch gemacht und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens gewahrt. Zweck des § 28 Satz 1 BImSchG ist es, der zuständigen Behörde - neben der Überwachungsbefugnis nach § 52 BImSchG - die Möglichkeit zu geben, sich Klarheit über die Immissions- und Emissionssituation einer genehmigungsbedürftigen Anlage zu verschaffen, um auf der Basis dieser Feststellungen den Betreiber erforderlichenfalls zur Einhaltung seiner Betreiberpflichten anhalten zu können. Diesem Zweck entspricht die streitige Messanordnung. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es eben nicht darauf an, ob tatsächlich Anhaltspunkte für eine Verursachung schädlicher Umwelteinwirkungen vorliegen. Vielmehr dient die streitgegenständliche Anordnung in Ziffer 5.4. des Genehmigungsbescheides ersichtlich dem Zweck, die Einhaltung immissionsschutzrechtlicher Verpflichtungen durch den Betrieb der klägerischen Windfarm zu überwachen. Sie zielt nämlich auf die Überwachung der individuellen Pflicht der Klägerin zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG) in Gestalt von Lärmimmissionen.
Dem Beklagten kann die Klägerin auch nicht entgegenhalten, er habe sein Ermessen zweckwidrig ausgeübt, weil - so die Klägerin - „keinerlei Anhaltspunkte für eine Verursachung schädlicher Umwelteinwirkungen vorliegen“ und dass - sinngemäß verstanden - schon deswegen der Vorsorgepflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG genügt wird. Allerdings trifft es zu, dass die Messung und Bewertung der Lärmauswirkungen von Windkraftanlagen in Anlehnung an die Regelungen der auf der Grundlage des § 48 BImSchG erlassenen TA Lärm zu erfolgen hat und für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärmimmissionen grundsätzlich die in Nr. 6.1 der TA Lärm aufgeführten Immissionsrichtwerte einschlägig sind. Die TA Lärm entfaltet als allgemeine Verwaltungsvorschrift normkonkretisierende Wirkung und legt ein einheitliches Ermittlungs- und Beurteilungssystem zur Feststellung der maßgeblichen Geräuschkenngrößen sowie bestimmte Immissionsrichtwerte als Zumutbarkeitsmaßstab fest. Sie ist für die Verwaltungsbehörde und auch für die Verwaltungsgerichte grundsätzlich verbindlich (vgl. hierzu OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. September 2007, - 12 ME 38/07 -, zitiert nach juris, Rdn. 22). Ebenso ist in der Rechtsprechung allerdings anerkannt, dass die Behörde im Hinblick auf den ihr obliegenden vorbeugenden Umweltschutz unterhalb der Gefahrenschwelle und unterhalb der Immissionsrichtwerte liegende Beurteilungspegel festlegen darf (s. o.).
Soweit - wie hier - die beklagte Behörde die Einhaltung von bestimmten Beurteilungspegeln an vier Immissionsorten fordert, zielt schon die Bestimmung von im Vergleich zu den Tageswerten deutlich herabgesetzten Nachtrichtwerten in Nr. 6.1. Satz 1 a) - f) der TA Lärm darauf ab, Störungen des Ruhe- und Schlafbedürfnisses möglichst zu vermeiden. Diese Immissionsrichtwerte tragen der um etwa 10 - 15 dB (A) größeren Befindlichkeit des vegetativen Nervensystems in der Nacht Rechnung. Von daher besteht nicht nur ein (naheliegendes) Bedürfnis für die Anerkennung niedriger Immissionsrichtwerte bzw. - im Rahmen der Vorsorgepflicht - der Festlegung darunter liegender Beurteilungspegel; es besteht auch das Bedürfnis, durch wiederkehrende Messungen nachweisen zu lassen, dass die durch den Betrieb der Anlage verursachten Geräusche nicht zu einer Überschreitung der festgelegten Beurteilungspegel führen.
Dass Lärmimmissionen bei dem Betrieb ihrer Anlage gänzlich ausgeschlossen sind, behauptet auch die Klägerin nicht. Ob die Anlage die Immissionsrichtwerte für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden entsprechend Ziffer 6.1 der TA Lärm und die festgeschriebenen Beurteilungspegel an den Immissionsorten für die Nachtzeit einhält, kann tatsächlich nur durch die angeordneten Messungen festgestellt werden. Diese Feststellung ist zur Bejahung der zweckentsprechenden Ermessensausübung des Beklagten ausreichend, weil es - wie schon ausgeführt - für den Erlass einer Messanordnung nach § 28 BImSchG im Gegensatz zu einer Anordnung nach § 26 BImSchG eben keiner Verdachtsmomente dafür bedarf, dass schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden. Wegen des besonderen Gefährdungspotentials genehmigungsbedürftiger Anlagen ermächtigt § 28 BImSchG die zuständige Behörde vielmehr zur Anordnung gleichsam routinemäßiger Kontrollmessungen (vgl. hierzu auch OVG Münster, NVwZ-RR 2002, 337, 339).
Die Messanordnung ist auch unter Beachtung der gesetzlichen Ermessensgrenzen ergangen. Sie ist zur Überwachung der Vorsorgepflicht in Bezug auf Lärmimmissionen insbesondere geeignet und erforderlich. Auch ist die Messanordnung nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne. Der Schutz vor Lärmimmissionen begründet ein gewichtiges öffentliches Interesse daran, dass über das tatsächliche Ausmaß dieser Immissionen und die tatsächliche Einhaltung der Immissionsrichtwerte und der festgelegten Beurteilungspegel im Einzelfall Gewissheit herrscht, wenn und solange - wie hier - nicht unverrückbar feststeht, dass die Immissionen immer vernachlässigenswert sind und keine weiteren Vorsorgemaßnahmen erforderlich machen. Dem steht schon der von dem Beklagten vorgetragene nachvollziehbare Aspekt entgegen, dass alle Maschinen und besonders Windkraftanlagen einem Verschleiß unterliegen, der durch große mechanische Kräfte hervorgerufen wird. Infolge dessen erscheint es weiter nachvollziehbar, dass bei laufendem Betrieb eine Verschlechterung des akustischen Verhaltens von Windkraftanlagen festzustellen ist. Die Schlussfolgerung des Beklagten, dass dies zu unzulässig hohen Schallimmissionspunkten führen kann, ist nach alledem nicht zu beanstanden.
Vorliegend hat der Beklagte im Klageverfahren zudem dargelegt, dass die Anlagen der Klägerin zwischenzeitlich tatsächlich den im Genehmigungsverfahren zu Grunde gelegten Schallleistungspegel überschreiten. Dies ist Folge des durch Witterungseinflüsse verursachten Verschleißes der Anlagen.
Diesem öffentlichen Interesse stehen auf Seiten der Klägerin die gemäß § 30 Satz 1 BImSchG von ihr zu tragenden Kosten für die Durchführung der Messungen und die Kosten für die eventuell anfallenden „immissionsbegrenzenden Maßnahmen“ entgegen. Stellt sich bei den angeordneten Messungen heraus, dass die Immissionswerte für die Einhaltung des Vorsorgegebotes durch den Betrieb der Windfarm sprechen, wird es dabei sein Bewenden haben. Sollte sich bei den Messungen herausstellen, dass die Anlage der Klägerin nicht entsprechend dem Stand der Immissionsminderungstechnik bzw. im Einklang mit den Nebenbestimmungen zum streitgegenständlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid betrieben wird, ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Kosten der Ermittlungen in einem unangemessenen Verhältnis zu den Kosten etwaiger Abhilfemaßnahmen stehen, zumal der Betreiber der Anlage - grundsätzlich - auch noch Garantieleistungen in Anspruch nehmen kann. Schließlich bestimmt auch der WEA-Geräuschsimmissionserlass vom 31. Juli 2003, dass der Nachweis der Erhaltung des anlagenbezogenen Immissionsgrenzwertes nach Buchst. A.3 der TA Lärm (i. d. R. durch Messung und Berechnung) nach Inbetriebnahme und wiederkehrend alle drei Jahre zu erfolgen hat und in begründeten Fällen auf Antrag bei der Überwachungsbehörde auf die jeweilige Wiederholungsmessung verzichtet werden kann. Hat sich die Behörde hinsichtlich ihrer Ermessensausübung derart selbst gebunden, darf von dieser Verwaltungspraxis unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebots und des Willkürverbots nicht zu Lasten (oder zu Gunsten) einzelner abgewichen werden. Die Erwägungen des Beklagten entsprechen dieser Verwaltungspraxis.
Im Hinblick darauf, dass die streitgegenständliche Regelung isoliert anfechtbar war, war die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage unzulässig. Im Übrigen hätte die Klägerin gemäß dem Vorstehenden keinen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung ohne die streitgegenständliche Regelung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung. Die Berufung wurde gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Es entspricht der ständigen Verwaltungspraxis des Beklagten, nachträgliche Nachweismessungen anzuordnen, gegen die außergerichtliche Widerspruchsverfahren anhängig sind. Die Rechtsfragen sind bisher nicht durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entschieden worden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Mai 2011, - OVG 11 B 20.10 -).