Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 12. Senat | Entscheidungsdatum | 23.05.2011 | |
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Aktenzeichen | OVG 12 N 50.10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 33 ArchBKG BE, § 41 Abs 1 Nr 4 ArchBKG BE, § 41 Abs 3 ArchBKG BE |
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. Juni 2010 wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren zweiter Instanz auf 5 000 EUR festgesetzt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
1. Soweit der Kläger mit dem am 3. September 2010 beim Oberverwaltungsgerichteingegangenen Schriftsatz vom 2. September 2010 die Begründungsfrist des § 124 a Abs. 4 Satz 4, wonach die Zulassungsgründe innerhalb von zwei Monaten seit Zustellung des angefochtenen Urteils darzulegen sind, versäumt hat, war ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Grund der eingetretenen Verzögerung lag in einer am Abend des 2. September 2010 aufgetretenen vorübergehenden technischen Störung im Faxempfangsgerät des Gerichts.
2. Ein Grund für die Zulassung der Berufung liegt indessen nicht vor. Entgegen der Auffassung des Klägers in seinem Schriftsatz vom 2. September 2010 bestehen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die Voraussetzungen dieser Zulassungsgründe wären nur dann erfüllt, wenn für den Ausgang des Rechtsstreits auf der Grundlage der Darlegungen des Klägers in der Zulassungsbegründung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Obsiegen des Klägers zu erwarten wäre (ernstliche Zweifel) oder wenn der Ausgang nach dem Zulassungsvorbringen jedenfalls als offen angesehen werden müsste (besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten). Dass es sich in der einen oder anderen Weise verhielte, hat der Kläger nicht in ausreichender Weise dargelegt.
a) Soweit der Kläger bereits in Zweifel zieht, ob die Errichtung einer Baukammer im Land Berlin auf der Grundlage des Berliner Architekten- und Baukammergesetzes vom 6. Juli 2006 (GVBl. S. 720) mit höherrangigem Verfassungsrecht zu vereinbaren ist, kann ihm nicht gefolgt werden. Es besteht nach Auffassung des Senats kein Zweifel daran, dass der Berliner Landesgesetzgeber mit der Errichtung öffentlich-rechtlicher Verbände (Architektenkammer und Baukammer) auf der Grundlage des zitierten Gesetzes legitime öffentliche Interessen verfolgt. Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass dem Staat ein weites Ermessen hinsichtlich der Einschätzung zusteht, ob diese Voraussetzungen vorliegen (z.B. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2001 - 1 BvR 1806/98 -, NVwZ 2002, 335 ff.). Dass der danach bestehende Spielraum durch die Gesetzgebung in Berlin überschritten worden wäre, ist nicht dargetan. Soweit der Kläger durch Vorlage der „Offiziellen Kammer-Nachrichten und Informationen der Baukammer Berlin“ darzulegen versucht, die Tätigkeit der Baukammer sei für ihn nicht von Nutzen, ist eine solche konkretisierte Betrachtungsweise in Bezug auf den Einzelfall bereits im Ansatz verfehlt.
b) Soweit das Berliner Architekten- und Baukammergesetz Pflichtmitgliedschaften in den Kammern vorsieht, entspricht dies nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten der Rechtslage in insgesamt 14 Bundesländern. Bereits daraus wird deutlich, dass es sich insoweit nicht um einen zweifelhaften Alleingang des Landes Berlin handelt. Dass die Begründung von Pflichtmitgliedschaften in Verbänden, die legitime öffentliche Interessen verfolgen, ein verfassungsrechtlich beanstandungsfreies Instrument ist, ist im Übrigen seit langem anerkannt (vgl. BVerwG, a.a.O.).
c) Auch mit der Regelung in § 41 Abs. 1 Nr. 4 ABKG hat der Berliner Landesgesetzgeber das ihm zustehende Gestaltungsermessen nicht überschritten. Im Bauwesen tätigen Ingenieurinnen und Ingenieuren, die ihren Beruf als gesetzliche Vertretungsberechtigte einer Ingenieurgesellschaft oder eines Vereins ausüben, welche dabei auch Aufgaben gemäß § 30 ABKG wahrnehmen und Leistungen für Vorhaben im Land Berlin erbringen, die Pflichtmitgliedschaft in der Baukammer aufzuerlegen, erscheint angesichts der vom Land Berlin mit dem Architekten- und Baukammergesetz verfolgten Absichten systemgerecht und keinesfalls unverhältnismäßig. Soweit der Kläger geltend macht, eine entsprechende Regelung fehle in den Kammergesetzen anderer Länder, auch wenn diese Pflichtmitgliedschaften vorsähen, ergibt sich allein daraus kein tragfähiger Gesichtspunkt dafür, dass das Land Berlin im Rahmen der ihm zustehenden Gesetzgebungsbefugnisse seinen Gestaltungsspielraum überschritten hätte.
Ergänzend mag darauf hingewiesen werden, dass in dem von dem Kläger zitierten Artikel 12 des Gesetzes über die Bayerische Architektenkammer und die Bayerische Ingenieurekammer - Bau (vom 9. Mai 2007 - GVBl. S. 308) zwar eine den § 41 Abs. 1 Nr. 4 ABKG - Berlin korrespondierende Vorschrift fehlt, dies allerdings dadurch kompensiert wird, dass eine Ingenieurgesellschaft nach bayerischem Recht verantwortlich nur von Mitgliedern der Ingenieurekammer - Bau geführt werden kann (Artikel 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c des Bayerischen Gesetzes), während eine solche Anforderung nach dem Berliner Landesrecht (§ 33 ABKG) nicht besteht.
d) Dem Kläger kann gleichfalls nicht gefolgt werden, soweit er meint, § 41 Abs. 1 Nr. 4 ABKG müsse aus Gründen verfassungskonformer Interpretation so ausgelegt werden, dass er nur dann zur Anwendung komme, wenn die vertretene Ingenieurgesellschaft ihren Hauptsitz in Berlin habe. Das Berliner Architekten- und Baukammergesetz stellt durch Artikel 41 Abs. 3 Personen, die Pflichtmitglieder einer anderen Ingenieurkammer im Geltungsbereich des Grundgesetzes sind, von der Pflichtmitgliedschaft in Berlin frei. Damit werden Doppel-Pflichtmitgliedschaften in öffentlich-rechtlichen Verbänden mit identischer oder vergleichbarer Aufgabenstellung von vornherein vermieden. Den Anforderungen eines Übermaßverbotes ist damit Rechnung getragen.
e) Ernstliche Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils oder jedenfalls die Prognose der Offenheit des Verfahrensausganges ergeben sich schließlich auch nicht aus der Darlegung des Klägers, die ihm auferlegte Pflichtmitgliedschaft in der Baukammer Berlin verstoße gegen höherrangige Vorschriften des Europäischen Rechts, insbesondere gegen die Niederlassungsfreiheit nach Artikel 49 AEUV oder die Dienstleistungsfreiheit nach Artikel 56 AEUV. Bei der Ingenieurgesellschaft, die der Kläger vertritt, handelt es sich ohne Zweifel um ein in Deutschland ansässiges Unternehmen. Daran ändert nichts, dass dieses Unternehmen möglicherweise Dienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union anbietet oder Zweitniederlassungen in solchen Staaten unterhält. Bei diesem Ausgangspunkt liegt in der Auferlegung einer Pflichtmitgliedschaft für den Geschäftsführer des Unternehmens in einem deutschen Bundesland von vornherein kein Umstand, der die genannten Grundfreiheiten beeinträchtigen könnte (vgl. dazu Diefenbach, Gewerbearchiv 2006, 217 ff.).
3. Soweit der Kläger die Zulassung der Berufung auch unter dem Gesichtspunkt einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO begehrt, hat er die dafür bestehenden Voraussetzungen nicht in ausreichender Weise dargelegt. Allein der Umstand, dass der Senat die vom Kläger aufgeworfenen, unter 2. dargestellten Rechtsfragen in der Vergangenheit noch nicht zu beurteilen hatte, verleiht dem streitgegenständlichen Begehren des Klägers keine grundsätzliche Bedeutung.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).