Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 7. Senat | Entscheidungsdatum | 24.07.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 7 S 39.14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 146 Abs 4 VwGO, § 4 Abs 4 S 2 PostPersRG, § 62 Abs 2 BBG, § 72 Abs 1 BBG, § 78 BBG, § 92 Abs 1 BBG, § 46 BBesG |
Zur Bedeutung der Fürsorgepflicht bei der dauerhaften Zuweisung von Tätigkeiten an Beamte der Postnachfolgeunternehmen.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. April 2014 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten der Beschwerde.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von dem Rechtsbehelf vorgebrachten Gründe rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses. Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur die dargelegten Gründe. Gemessen an dem hiernach durch den Beschwerdevortrag begrenzten Prüfungsstoff hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 14. Februar 2014 gegen den Zuweisungsbescheid vom 3. Februar 2014 wiederherzustellen, zu Recht zurückgewiesen.
1. Die Antragstellerin hat nicht dargetan, dass ihr keine ihrem Amt entsprechende Tätigkeit zugewiesen worden sei.
Ohne Erfolg wendet sich die Antragstellerin gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, die angefochtene Zuweisung enthalte hinreichend bestimmte Angaben, denen sich ein Aufgabenkreis entnehmen lasse, der einem abstrakt-funktionellen Amt gleichkomme und die darüber hinaus ein diesem abstrakten Tätigkeitsfeld entsprechendes konkretes Tätigkeitsfeld beschrieben. Der Anspruch des Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung bei einer dauerhaften Zuweisung nach § 4 Abs. 4 Satz 2 des Postpersonalrechtsgesetzes (PostPersRG) vom 14. September 1994 (BGBl I S. 2325) in der hier maßgeblichen Fassung der Norm vom 21. November 2012 (BGBl I S. 2299) erfordert die Übertragung eines dem jeweiligen Statusamt entsprechenden Aufgabenbereichs. Es ist daher notwendig, dass die Übertragung zum einen eines allgemein bei dem betreffenden Unternehmen möglichen Aufgabenkreises, die wie bei einem abstrakt-funktionellen Amt den Kreis der dort amtsangemessenen Tätigkeiten festlegt, und zum anderen eines konkreten Aufgabenbereichs, die - als Teilmenge des allgemein möglichen Aufgabenbereichs - wie bei einem konkret-funktionellen Amt den Kreis der aktuell zu erfüllenden amtsangemessenen Aufgaben bestimmt. In der Zuweisungsverfügung dürfen und müssen die dem Beamten möglichen und die von ihm aktuell konkret zu erfüllenden Aufgabenbereiche - entsprechend dem abstrakt-funktionellen Amt und dem konkret-funktionellen Amt - festgelegt werden (BVerwG, Beschluss vom 3. April 2014 – 2 B 70.12 – juris Rn. 21). Davon ausgehend hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass der Antragstellerin sowohl ein „abstraktes“ Tätigkeitsfeld eines „Sachbearbeiters der Besoldungsgruppe A 9 entsprechend im nichttechnischen Bereich“ als auch eine konkrete Tätigkeit als „Sachbearbeiter Backoffice“ im Unternehmen V... in ..., die mit der Darstellung der 20 Einzelaufgaben beschrieben ist, zugewiesen worden ist.
Gegen die weitere Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die abstrakte und konkrete Tätigkeitsbeschreibung bestimmt genug sei (entsprechend ebenfalls zur Tätigkeit als „Sachbearbeiter/in Backoffice“: Nieders. OVG, Beschlüsse vom 5. Juni 2013 – 5 LA 260/12 – juris Rn. 26 und vom 18. Mai 2011 – 5 ME 5/11 – juris Rn. 16; Bay. VGH, Beschluss vom 15. April 2013 – 6 ZB 12.2691 – juris Rn. 5; Hamb. OVG, Beschluss vom 30. März 2012 – 1 Bs 51/12 – juris Rn. 24; OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 20. Oktober 2011 – 1 B 1084/11 – juris Rn. 30 f.), dringt die Beschwerde nicht durch. Die hinreichende Genauigkeit soll im Interesse der betroffenen Beamten sicherstellen, dass die Dienstherrenbefugnisse durch das Postnachfolgeunternehmen selbst wahrgenommen werden (BVerwG, Beschluss vom 3. April 2014, a.a.O., Rn. 21) und nicht ihre wesentliche Konkretisierung durch die aufnehmende Gesellschaft erfahren. Exakte Vorgaben hinsichtlich der zeitlichen und mengenmäßigen Aufteilung der Einzelaufgaben sind dabei nicht erforderlich (Bay. VGH, Urteil vom 19. Juni 2012 – 6 BV 11.2713 – juris Rn. 25, 30). In der Auseinandersetzung mit der Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass die Tätigkeitsfestlegung der Antragsgegnerin den Anforderungen genüge, hätte es der Antragstellerin oblegen, Einwände gegen diese Bewertung dazulegen. Der bloße Hinweis der Antragstellerin auf die allgemein gehaltene Formulierung der im Bescheid aufgelisteten 20 Einzelaufgaben zieht die Annahme des Verwaltungsgerichts noch nicht in Zweifel. Denn mit Blick auf den Inhalt der Liste liegt es nicht ohne Weiteres auf der Hand, dass die V... nach Belieben den Einsatz der Antragstellerin variieren könnte, ohne die ihr durch den Zuweisungsbescheid gezogenen Grenzen zu verletzen.
Ebenfalls ohne Erfolg bleiben die Rügen der Antragstellerin gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass sie amtsangemessen beschäftigt werde. Das Vorbringen der Antragstellerin, es fehle an einem Funktionsvergleich zwischen der zugewiesenen Tätigkeit und dem früheren Dienstposten bei der Deutschen Bundespost, steht in diesem Zusammenhang. Es ist indes mit dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. April 2014 geklärt, dass es der (zweite) Zweck der abstrakten und der konkreten Tätigkeitsbeschreibung im Zuweisungsbescheid ist, der Sicherung der amtsangemessenen Beschäftigung zu dienen (a.a.O., Rn. 21). Eine zusätzliche Herleitung in der Begründung des Bescheids oder eine gesonderte Dokumentation ist vom Postnachfolgeunternehmen nicht ohne Weiteres geschuldet (anders noch der früher für das Bundesbeamtenrecht zuständige 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. September 2011 – OVG 6 S 28.11 – juris Rn. 16). Die Überlegungen, auf denen die Antragsgegnerin ihre Tätigkeitszuteilungen aufbaut, erlangen erst dann Bedeutung, wenn die Zuordnung zu einer Besoldungsgruppe ernstlichen Zweifeln unterliegt. Das ist hier nicht der Fall. Die Antragsgegnerin bewertet die hier im Streit befindliche Tätigkeit mit der Besoldungsgruppe A 9. Die Antragstellerin macht sich diese Bewertung der Antragsgegnerin zu Eigen.
Die Antragstellerin legt mit der daran anknüpfenden Rüge, sie werde als Fernmeldeobersekretärin (Besoldungsgruppe A 7) unangemessen hochwertig verwendet, keinen Rechtsfehler des Verwaltungsgerichts dar. Der Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung nach Art. 33 Abs. 5, Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG gewährt Schutz vor dem vollständigen Entzug der übertragenen Funktionsämter und einer dauerhaft unterwertigen Beschäftigung (BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2006 – 2 C 26.05 – juris Rn. 12). Eine höherwertige Verwendung ist nicht ohne Weiteres dem Amt unangemessen. Das lässt sich aus § 46 BBesG schließen, der an eine länger währende Beschäftigung in einer höherwertigen Funktion unter bestimmten Umständen eine Wahrnehmungszulage knüpft. Angesichts dessen ist es mit der Behauptung der Antragstellerin, sie sei „permanent der Gefahr ausgesetzt“, die höherwertige Tätigkeit „nicht bewältigen zu können und Fehler zu machen, was wiederum disziplinarische Konsequenzen nach sich ziehen“ könne, ohne nähere Erläuterung nicht getan. Die Antragstellerin wäre gehalten gewesen zu schildern, welche der Aufgaben aus welchen Gründen sie voraussichtlich nicht würde erfüllen können.
2. Soweit die Antragstellerin meint, es fehle an einem dringenden betrieblichen und personalwirtschaftlichen Interesse der Zuweisung, zumindest sei es von der Antragsgegnerin nicht hinreichend dargelegt, setzt sie sich nicht mit der in dem angefochtenen Beschluss angeführten Ansicht auseinander, dass die Beendigung der Beschäftigungslosigkeit der alimentierten Antragstellerin im dringenden betrieblichen Interesse liege. Die Pflicht des Dienstherrn, einen Zustand der Beschäftigungslosigkeit zu beenden, ist in der Rechtsprechung anerkannt (BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2006, a.a.O., Rn. 16). Angesichts dessen kann der Senat wie schon das Verwaltungsgericht offen lassen, ob eine Zuweisung nach der Gesetzesänderung weiterhin ein betriebliches Interesse voraussetzt.
Die von der Antragstellerin angefügte Frage, „weshalb genau die Antragstellerin als Beamtin der Besoldungsgruppe A 7 zwingend für eine Tätigkeit der Besoldungsgruppe A 9 in B... benötigt“ werde, führt zu keiner Auseinandersetzung mit der Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass bei der Deutsche Telekom AG ein Arbeitsposten für die Antragstellerin nicht verfügbar sei. Davon abgesehen wäre nach der Entscheidung der Einigungsstelle vom 20. Januar 2014, die einen Grund zur Verweigerung der Zustimmungen durch die Gesamtschwerbehindertenvertretung und den Betriebsrat verneinte, von der Antragstellerin näher darzulegen gewesen, welche B... oder b... nahe Beschäftigungsmöglichkeit in Betracht hätte gezogen werden müssen. Das hätte auch deshalb nahegelegen, weil die Beteiligungsgremien die persönlichen Belange der betroffenen Beschäftigten unter Einbeziehung der Belange anderer Beschäftigter zu vertreten haben. Bei einer pflichtgemäßen Gremientätigkeit drängt es sich nicht auf, dass Beschäftigungsmöglichkeiten am Heimatort nicht eruiert würden.
3. Schließlich ist die Ansicht des Verwaltungsgerichts, wonach die Zuweisung der Antragstellerin nach - so der Wortlaut des § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG - allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen zumutbar sei und keine Ermessensfehler aufweise, mit Blick auf die dagegen vorgebrachten Rügen der Antragstellerin nicht zu beanstanden. Die Beschwerde macht geltend, die Antragstellerin müsse wegen der Entfernung zwischen ihrem jetzigen Wohnort B... und dem ihr zugeteilten Dienstort B... umziehen, ein Umzug sei ihr jedoch wegen der gesundheitlichen Einschränkungen ihres Ehemannes und dessen in einem B... Pflegeheim lebender Mutter, die ihr Ehemann betreue, nicht zumutbar.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, Bundesbeamte müssten damit rechnen, an einen anderen Dienstort im Bundesgebiet versetzt zu werden oder eine dort zu erbringende Tätigkeit zugewiesen zu erhalten. Nach § 62 Abs. 2 BBG haben Beamte dem Dienstherrn bei organisatorischen Veränderungen Folge zu leisten und gemäß § 72 Abs. 1 BBG ihre Wohnung so zu nehmen, dass die ordnungsgemäße Wahrnehmung ihrer Dienstgeschäfte nicht beeinträchtigt wird. Daran anschließend setzt weder eine Versetzung (§ 28 Abs. 2 BBG) noch eine dauerhafte Zuweisung (§ 4 Abs. 4 PostPersRG) in jedem Fall die Zustimmung des betroffenen Beamten voraus. Der Dienstherr muss allerdings bei seiner Entscheidung wegen der gesetzlichen Fürsorgepflicht (§ 78 BBG) die wohlverstandenen Interessen des Beamten in gebührender Weise berücksichtigen. Dies erfordert eine Abwägung zwischen den Belangen des Beamten einerseits und den dienstlichen Bedürfnissen andererseits (BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2005 – 2 BvR 583.05 – juris Rn. 10 f.; OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 29. September 2013 – 1 B 571.13 – juris Rn. 14). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der Dienstherr grundsätzlich nicht gehalten ist, auf die Dienstleistung der Antragstellerin aufgrund eines von ihr angemeldeten Betreuungsbedarfs in der Familie zu verzichten und ihre Beschäftigungslosigkeit seit dem 1. August 2013 unter Fortzahlung der Bezüge hinzunehmen. Das Verwaltungsgericht entnimmt diese Wertung zutreffend dem § 92 Abs. 1 BBG, der einem Beamten die Beurlaubung ohne Bezüge bei der tatsächlichen Betreuung und Pflege von Angehörigen ermöglicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).