Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 29.03.2012 | |
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Aktenzeichen | L 3 R 69/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 46 Abs 2 SGB 6, § 303 S 1 SGB 6, Art 2 § 17a Abs 2 AnVNG, § 1360 BGB, § 1360a BGB |
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 18. November 2009 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitig ist die Gewährung von Witwerrente nach der 2007 verstorbenen Versicherten I W (Versicherte).
Der 1934 geborene Kläger war seit 1976 mit der Versicherten verheiratet. Die Eheleute erklärten mit Schreiben vom 03. Februar 1987 gegenüber dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG), dass für sie die am 31. Dezember 1985 geltenden Rechtsvorschriften für Renten an Witwen und Witwer weiter Anwendung finden sollten (Eingang beim HVBG am 05. Februar 1987). Das Schreiben wurde vom HVBG mit Schreiben vom 12. Februar 1987 an die Datenstelle der Rentenversicherungsträger weitergeleitet (Eingang am 14. Februar 1987). Die Versicherte bezog ab dem 01. August 1995 Altersrente für Frauen, zuletzt in Höhe von 846,90 Euro brutto bzw. 766,45 Euro netto. Der Kläger bezog im Zeitpunkt des Todes der Versicherten ebenfalls seit Jahren Rente wegen Alters, zuletzt in Höhe von 1.004,28 Euro brutto bzw. 909,88 Euro netto.
Am 19. März 2007 beantragte der Kläger die Gewährung von Witwerrente. Unter dem 03. April 2007 erklärte er gegenüber der Beklagten, der Haushalt sei in vollem Umfang von der Versicherten geführt worden. Er selber sei Diabetiker und habe sich im Juli 2006 für 4 Wochen im Krankenhaus befunden.
Mit Bescheid vom 14. Mai 2007 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Witwerrente gemäß § 46 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) ab, weil die zusätzlichen Voraussetzungen des § 303 SGB VI nicht vorlägen. Nach § 303 SGB VI könne eine Witwerrente bei Tod der versicherten Ehefrau vor dem 01. Januar 1986 oder bei Abgabe einer wirksamen Erklärung über die weitere Anwendung des bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Hinterbliebenenrechts nur gewährt werden, wenn die Verstorbene den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten habe. Eine entsprechende Erklärung hätten die Eheleute am 03. Februar 1987 abgegeben. Im maßgebenden Zeitraum vom 01. Februar 2006 bis zum 31. Januar 2007 habe die Versicherte nicht den überwiegenden Unterhalt bestritten.
In seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe gegenüber seiner Ehefrau nur über geringe Mehreinnahmen verfügt. Aufgrund der für ihn erforderlichen Dauermedikation und dem damit verbundenen finanziellen Aufwand (Arzt- und Apothekenkosten, Fahrgeld für die Fahrten zu den Ärzten, Diabetikerkost) seien diese Mehreinnahmen aufgezehrt worden. Er überreichte hierzu einen Auszug aus dem Wohnungsmietvertrag der Eheleute, Auszüge des gemeinsamen Kontos der Eheleute für die Zeiträume vom 17. Oktober bis zum 31. Oktober 2006, 01. November bis 02. November 2006 und 13. bis 16. November 2006, eine ärztliche Bescheinigung der Gemeinschaftspraxis Dr. B u. a. vom 08. Juni 2007 sowie Arztbriefe derselben Praxis vom 24. Februar 2007, 04. Juni 2007 (Diagnosen: Niereninsuffizienz im Stadium der kompensierten Retention, insulinpflichtiger Diabetes mellitus, diabetische Nephropathie, Zustand nach Niereninfarkt, arterielle Hypertonie, benigne Prostatahyperplasie) und 28. Juli 2005 (Diagnose u. a.: akutes Nierenversagen), Zuzahlungsbescheinigungen der A-Apotheke vom 07. Juni 2007 betreffend den Zeitraum Januar bis Dezember 2006 sowie Januar bis April 2007, eine ärztliche Bescheinigung der Praxis für Podologie M vom 11. Juni 2007 und eine Verdienstabrechnung der R Unterstützungskasse GmbH für die Versicherte betreffend den Monat Dezember 2006 über eine Rente in Höhe von 86,60 Euro sowie eine Kopie der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung der Versicherten für Januar bis Februar 2007 über einen Bruttoarbeitsverdienst in Höhe vom 173,20 Euro.
Die Beklagte veranlasste zunächst eine Stellungnahme der beratenden Ärztin Dr. W vom 18. Juli 2007, wonach sich den eingereichten medizinischen Unterlagen keine Hinweise dafür entnehmen ließen, dass der Kläger krankheitsbedingt wesentlich in seiner Verpflichtung zur Beteiligung an der Haushaltsführung beschränkt gewesen wäre. Pflegebedürftigkeit habe nicht bestanden. Es habe lediglich eine Einschränkung für die Ausübung schwerer körperlicher Arbeiten vorgelegen.
Anschließend hat die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2007 zurückgewiesen. Unter Einbeziehung der Leistungen der Zusatzkasse habe die Versicherte im Zeitraum von Februar 2006 bis Januar 2007 über Einnahmen in Höhe von 10.236,60 Euro netto verfügt. Die vom Kläger geltend gemachten Ausgaben für Medikamente seien vom Familieneinkommen zu bestreiten gewesen. Hinsichtlich der Haushaltstätigkeit bemesse sich der Anteil der Versicherten nach dem Prozentsatz, zu welchem sie zur Haushaltstätigkeit verpflichtet gewesen sei. Den vorgelegten Unterlagen hätten sich keine Hinweise dafür entnehmen lassen, dass der Kläger krankheitsbedingt wesentlich in seiner Verpflichtung zur Haushaltsbeteiligung eingeschränkt gewesen sei. Demzufolge hätten die Eheleute sich die zu bewältigenden Arbeiten entsprechend aufteilen können. Auch wenn die Versicherte tatsächlich den Haushalt alleine geführt habe, könne dies nicht zu einer anderen Bewertung führen. Der Kläger habe einen Anteil von 10.918,56 Euro am Familienunterhalt erbracht. Als Gesamtanteil errechne sich 21.155,16 Euro : 2 = 10.577,58 Euro. Beim Vergleich des Anteils durch die verstorbene Versicherte ergebe sich, dass sie nicht den überwiegenden Unterhalt bestritten habe.
Mit seiner hiergegen vor dem Sozialgericht Potsdam (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren aus dem Verwaltungsverfahren weiter verfolgt und vertieft. Es werde bestritten, dass eine wirksame Erklärung zur Fortgeltung des bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Hinterbliebenenrentenrechts vorliege. Die Beklagte möge beweisen, dass eine entsprechende Beratung vorher stattgefunden habe. Unabhängig davon stehe ihm Witwerrente bereits deshalb zu, weil er in der Zeit vom 01. Februar 2006 bis zum 31. Januar 2007 nicht den überwiegenden Teil des Familieneinkommens erwirtschaftet habe. Er sei schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 (Bescheid des Versorgungsamtes Cottbus vom 18. Februar 2008). Daraus gehe hervor, dass er gesundheitlich nicht in der Lage gewesen sei, den Haushalt in dem Umfang zu führen, wie die Beklagte meine, dass es eherechtlich angemessen gewesen sei. Die Beklagte habe darüber hinaus einkommensmindernde Familienlasten, die ausschließlich seiner medizinischen und medikamentösen Versorgung zuzuordnen gewesen seien, nicht berücksichtigt. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Versicherte als ehemalige Beschäftigte der Firma R dort auch als Rentnerin das Recht gehabt habe, auf das gesamte Sortiment 20 % Rabatt zu erhalten. Selbstverständlich hätten sie ausschließlich R-Filialen genutzt, um ihren Lebensunterhalt zu decken. Hierbei seien durch die Versicherte Einkommensersparnisse von durchschnittlich mindestens 160,00 Euro im Monat erwirtschaftet worden. Einzelnachweise zu den jeweils getätigten Einkäufen in den verschiedenen R-Filialen lägen dem Kläger nicht vor. Die Einkäufe seien auch stets bar bezahlt worden. Der Kläger hat ein Schreiben der Fa. O R Supermarkt GmbH vom Juni 2006 vorgelegt, wonach an folgenden Verkaufstagen Kundenrabatte von 20 % angeboten wurden: 05. und 06. Juli 2006, 02. und 03. August 2006, 27. und 28. September 2006, 01., 02., 29. und 30. November 2006 sowie 20. und 21. Dezember 2006.
Die Beklagte hat Faxkopien der gemeinsamen Erklärung vom 03. Februar 1987 vorgelegt.
Das SG hat die Klage durch Urteil vom 18. November 2009 abgewiesen und zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 15. November 2007 verwiesen. Hinzuzufügen sei lediglich, dass es nicht auf die tatsächlich erbrachten Dienstleistungen des Klägers in seinem Haushalt ankommen, sondern auf seine rechtliche Verpflichtung hierzu, die sich aus § 1360 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ergebe. Im Übrigen habe der Kläger den von ihm behaupteten geldwerten Vorteil aus der Möglichkeit der verstorbenen Versicherten, bei der Fa. R an einzelnen Verkaufstagen zu einem Rabatt von 20 % einzukaufen, nicht im Einzelnen belegt und nachgewiesen.
Gegen das am 08. Januar 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27. Januar 2010 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) eingelegt. Das erstinstanzliche Urteil sei in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft.
Zum einen habe das SG zu hohe Beweisanforderungen an ihn - den Kläger gestellt -, wenn es Einkaufsbelege für die Rabatteinkäufe verlangt habe. Die Eheleute hätten die Rabatteinkaufsgelegenheiten immer wahrgenommen. Er habe die Versicherte im Auto begleitet, weil die Einkäufe immer sehr umfangreich gewesen seien. Ab Juli 2006 hätten er und die Versicherte im Prinzip nur noch zweimal monatlich und zwar bei R eingekauft. Sie hätten monatlich für 500 Euro eingekauft und nur 400 Euro bezahlt. Durch die Einkäufe ergebe sich ein jährlicher geldwerter Vorteil von 700 Euro, so dass die Versicherte den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten habe. Frau R W könne bestätigen, dass die Versicherte vom Rabatt-Einkauf regen Gebrauch gemacht habe. Die Rabatte zählten auch zum Familienunterhalt, denn hierfür seien im Ergebnis alle regelmäßig wiederkehrenden Leistungen zu berücksichtigen, die den Familienangehörigen im maßgeblichen Zeitraum zugeflossen seien.
Des Weiteren bestreite er, im Rahmen der Abgabe der gemeinsamen Erklärung von der „Information für Renten für Ehegatten und frühere Ehegatten über die Möglichkeit einer Erklärung zur weiteren Anwendung des am 31. Dezember 1985 geltenden Rechts für Witwen- und Witwerrenten der gesetzlichen Unfallversicherung“ Kenntnis genommen zu haben. Er könne sich an Einzelheiten im Zusammenhang mit der Abgabe der gemeinsamen Erklärung nicht mehr erinnern. Er und seine Ehefrau seien damals völlig überfordert gewesen und hätten daher nach Absendung des Schreibens vom 03. Februar 1987 an den HVBG einen Termin bei der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) erbeten. Die dortige Mitarbeiterin habe Ihnen lediglich die Auskunft erteilt, dass man derzeit nicht beurteilen könne, wie sich die Einkommen der Eheleute in Zukunft gestalten würden. An Einzelheiten einer Erklärung, die er von der Rentenversicherung bekommen habe, könne er sich nicht erinnern. Das Gespräch habe ihnen keinerlei Aufschluss gebracht. Sie hätten kein schriftliches Material bekommen, Renteninformationen hätten ihnen nicht vorgelegen. Da er und die Versicherte damals noch nicht Rentner gewesen seien, hätten sie die Erklärung ohne jede Sachkenntnis abgegeben. Es sei davon auszugehen, dass ihm nur durch die Wahl des „neuen“ Rechts ein Anspruch auf eine Witwerrente hätte erwachsen können. Es wäre für die Eheleute zum damaligen Zeitpunkt vorteilhafter gewesen, die gemeinsame Erklärung über die Fortgeltung des alten Rechts nicht abzugeben. Außerdem sei zu fragen, warum er sich an der gemeinsamen Erklärung festhalten lassen müsse, obwohl der Rentenfall erst 20 Jahre nach der Abgabe der Erklärung eingetreten sei. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seinem Urteil vom 12. März 1975 den Gesetzgeber verpflichtet, für eine grundgesetzverträgliche Neuregelung des Hinterbliebenenrentenrechts zu sorgen. Daher habe der Gesetzgeber durch den Erlass des HZEG vom 11. Juli 1985 mit Wirkung ab dem 01. Januar 1986 das Hinterbliebenenrentenrecht dergestalt neu gefasst, dass nun Witwern unabhängig von der Frage der vorherigen Unterhaltsleistung einen unbedingter Rentenanspruch gewährt worden sei und sowohl für Witwen als auch Witwer Einkommensanrechnungsvorschriften eingeführt worden seien. Es sei zu fragen, warum der Gesetzgeber die Frist zur Abgabe der gemeinsamen Erklärung auf drei Jahre nach dem 01. Januar 1986 begrenzt habe. Sicher habe der Gesetzgeber in Betracht gezogen, dass Rentenfälle, die 20 Jahre nach Abgabe der gemeinsamen Erklärung eingetreten seien, nicht mehr nach § 303 SGB VI allein beurteilt werden könnten. Hier liege ein Fall vor, in dem er als Witwer gegenüber der Witwe benachteiligt werde, weil er nur dann Witwerrente erhalte, wenn die Versicherte den Familienunterhalt überwiegend bestritten habe, während im umgekehrten Fall die Versicherte ohne eine entsprechende Voraussetzung in den Genuss der Rente gelangt wäre. Durch die Beklagte und den HVBG sei eine fehlerhafte Auskunft und Beratung vorgenommen worden, weshalb ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch (SHA) bestehe. Außerdem sei die Regelung des § 303 SGB VI im vorliegenden Fall verfassungswidrig, denn zwischen der Abgabe der gemeinsamen Erklärung und dem Rentenfall lägen 20 Jahre. Im Hinblick auf den Wandel des Erwerbsverhaltens verheirateter Frauen sei die Norm im Jahr 2007 verfassungswidrig geworden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 18. November 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 14. Mai 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Antragstellung eine Witwerrente nach der verstorbenen Versicherten I W zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Bei den von der Firma R gewährten Rabatten habe es sich nicht um Einkommen im Sinne des § 303 SGB VI gehandelt. Ein Rabatt sei keine Unterhaltsleistung. Es habe weder ein rechtlicher Anspruch gegenüber der Firma R noch gegenüber der Versicherten dahingehend gestanden, diesen Rabatt in Anspruch zu nehmen. Vielmehr sei der Rabatt von der Firma R nur gelegentlich an bestimmten Tagen angeboten worden und sei vollständig von der Willkür der Firma R abhängig gewesen. Ob der Rabatt tatsächlich genutzt worden sei und in welchem Umfang, sei nicht nachgewiesen. Des Weiteren sei davon auszugehen, dass der möglicherweise getätigte rabattierte Einkauf aus dem gemeinsamen Einkommen der Eheleute gezahlt worden sei. Von einer Fehlberatung zur Abgabe der Erklärung zu weiteren Anwendung des „alten“ Hinterbliebenenrentenrechts könne nicht ausgegangen werden und ein entsprechender Nachweis sei nicht erbracht worden. Die Interessenlage der Eheleute möge zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung eine andere gewesen sein als später. Niemand sei unberaten zur Abgabe einer solchen Erklärung gezwungen. Dass die Beratung fehlerhaft gewesen sei, werde im Übrigen bestritten.
Der Senat hat die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes Cottbus betreffend den Kläger (Gz. 56309-68602975) beigezogen und Auszüge hieraus in den Rechtsstreit eingeführt. Darüber hinaus hat der Senat Befundberichte von den behandelnden Nephrologen Dr. B u. a. vom 20. September 2010 sowie den Internisten Dres. S und L vom 27. September 2010 nebst weiteren medizinischen Befunden eingeholt.
Die Beklagte vertritt hierzu die Auffassung, aus den nephrologischen Befundunterlagen des Jahres 2006 gehe eine deutliche Nierenfunktionseinschränkung bei kompensierter Niereninsuffizienz hervor. Die Verlaufsbefunde über das gesamte Jahr 2006 zeigten im III./IV. Quartal eine Besserung der Funktionswerte. Parallel bestehe eine durch die Nierenfunktionsstörung herbeigeführte Anämie, die jedoch nicht so schwergradig gewesen sei, dass daraus eine Einschränkung der Wegefähigkeit resultiert sei. Daher seien die Ausführungen um internistischen Befundbericht zur absolvierbaren Wegstrecke von ca. 100 Meter nicht plausibel. Insbesondere sei darauf hinzuweisen, dass die Blutarmut noch nicht therapiepflichtig gewesen sei. Dagegen stehe im Übrigen die Aussage der behandelnden Nephrologen, die keine Angabe zur Gehstrecke hätten machen können, aber mitgeteilt hätten, dass kein Teilbedarf für Einkäufe, Wohnungspflege und zur Verlassen/Aufsuchen der Wohnung erforderlich gewesen sei. Insgesamt sei der Kläger im maßgeblichen Zeitraum zwar nicht gesund, aber sicherlich in der Lage gewesen, sich an der Haushaltstätigkeit zu beteiligen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Die frist- und formgerecht erhobene Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Urteil des SG vom 18. November 2009 und der Bescheid der Beklagten vom 14. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2007 sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Witwerrente.
Anspruchsgrundlage für das vom Kläger geltend gemachte Recht auf große Witwerrente ist § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI i. V. m. § 303 Satz 1 SGB VI.
Danach haben nicht wiederverheiratete, über 47-jährige Witwer, die mit ihrem Ehegatten bis zum 31. Dezember 1988 eine wirksame Erklärung über die weitere Anwendung des bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Hinterbliebenenrechts abgegeben haben, nach dem Tode der versicherten Ehefrau, wenn diese die allgemeine Wartezeit erfüllt hatte, ein Recht auf große Witwerrente nur dann, wenn die Versicherte den Unterhalt ihrer Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode überwiegend bestritten hat. § 303 Satz 1 SGB VI ergänzt lediglich die allgemeinen Vorschriften über die kleine/große Witwerrente in § 46 Abs. 1 und Abs. 2. SGB VI um eine weitere Anspruchsvoraussetzung. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 303 SGB VI entsprechen dem bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Recht (§§ 43 Abs. 1 Angestelltenversicherungsgesetz <AVG>, 1266 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung <RVO>, die nach den Übergangsregelungen der Art. 2 §§ 18 Abs. 2, 19 a Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArVNG), Art. 2 §§ 17a, 18a Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) über diesen Zeitpunkt hinaus gegolten haben.
Nach § 43 Abs. 1 AVG (=§ 1266 Abs. 1 RVO) in der bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Fassung stand dem Witwer nach dem Tode seiner versicherten Ehefrau ein Recht auf Witwerrente nur zu, „wenn die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat". Diese Vorschrift ist zwar durch Art. 2 Nr. 17 des Gesetzes zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung (Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz <HEZG> vom 11. Juli 1985 <BGBl. I 1450>) mit Wirkung ab dem 01. Januar 1986 gestrichen worden und damit zu diesem Zeitpunkt außer Kraft getreten. Nach der durch Art. 5 Nr. 2 HEZG eingefügten Übergangsvorschrift des Art. 2 § 17a Abs. 2 AnVNG bzw. Art. 2 § 18 Abs. 3 ArVNG konnten jedoch die Ehegatten gegenüber dem für einen der Ehegatten zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bis zum 31. Dezember 1988 übereinstimmend erklären, dass für sie die am 31. Dezember 1985 geltenden Rechtsvorschriften für Renten an Witwen und Witwer anzuwenden sind, wenn beide Ehegatten vor dem 01. Januar 1936 geboren sind und ihre Ehe vor dem 01. Januar 1986 geschlossen worden ist. Eine diesbezügliche übereinstimmende Erklärung haben der Kläger und die Versicherte mit Zugang beim HVBG am 05. Februar 1987 wirksam abgegeben. Bei der formfrei abzugebenden übereinstimmenden Erklärung handelt es sich um zwei einseitige empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärungen, die mit dem Zugang beim zuständigen Rentenversicherungsträger eines der Ehegatten oder einer der in § 16 SGB I genannten Stellen wirksam werden (vgl. Verbands-Kommentar Randnr. 3 zu § 303 SGB VI). Die Erklärung muss wirksam sein (§§ 104 ff BGB). Die Erklärung konnte gem. Art. 2 § 17a Abs. 2 Satz 1 AnVNG bzw. Art. 2 § 18 Abs. 3 Satz 1 ArVNG nur von Ehegatten abgegeben werden, die beide vor dem 01. Januar 1936 geboren waren und deren Ehe vor dem 01. Januar 1986 geschlossen worden war. Ferner konnte die Erklärung nur bis zum 31. Dezember 1988 abgegeben werden. Anhaltspunkte für eine Geschäftsunfähigkeit eines der beiden Ehegatten existieren nicht. Eine nach § 618 RVO (d. h. gegenüber dem HVBG) abgegebene Erklärung gilt auch für Renten an Witwen und Witwer aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Art. 2 § 17a Abs. 2 Satz 6 AnVNG; Art. 2 § 18 Abs. 2 Satz 6 ArVNG). Die genannten Voraussetzungen liegen hier alle vor, so dass keine Zweifel an der Wirksamkeit der übereinstimmenden Erklärung bestehen. Dass die Eheleute das Formblatt für die Gemeinsame Erklärung nicht unterschrieben haben, ist daher unschädlich. Zur Wirksamkeit der Erklärung i. S. d. § 130 BGB ist eine vorherige Beratung durch einen Träger der Rentenversicherung nicht erforderlich.
Der Kläger ist entgegen seiner Auffassung auch nicht aufgrund eines SHA so zu behandeln, als hätte er die gemeinsame Erklärung nicht abgegeben. Dieses richterrechtlich aus den sozialen Rechten entwickelte verschuldensunabhängige „sekundäre Recht“ knüpft u. a. an die Verletzung „behördlicher" Auskunfts-, Beratungs- und Betreuungspflichten im Sozialversicherungsverhältnis an. Der 4. Senat des BSG hat unter Hinweis auf frühere Entscheidungen zu den Voraussetzungen dieses Herstellungsrechts ausgeführt (Urteil des BSG vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 13/03 -, in SozR 4-1200 § 46 Nr. 1): (1) Es müsse eine sich aus dem jeweiligen Sozialrechtsverhältnis ergebende Pflicht des Sozialleistungsträgers oder eines anderen Organs oder Leistungsträgers (sofern dieser mit der Erfüllung der Pflicht für den Sozialleistungsträger beauftragt gewesen ist) bestehen, diese Pflicht müsse (2) dem Sozialleistungsträger gerade dem Versicherten gegenüber obliegen und (3) objektiv rechtswidrig nicht oder schlecht erfüllt worden sein, ferner (4) müsse die Pflichtverletzung zumindest gleichwertig einen dem Sozialleistungsträger zurechenbaren sozialrechtlichen Nachteil verursacht haben (Kausalität). Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist grundsätzlich und soweit notwendig sowie rechtlich und tatsächlich möglich der Zustand wieder herzustellen, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre und der Sozialleistungsträger sich rechtmäßig verhalten hätte.
Eine sich aus dem Sozialrechtsverhältnis ergebende Fürsorgepflicht der Leistungsträger findet ihre Rechtfertigung in § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB I. Der Sozialleistungsträger soll danach eine möglichst weit gehende Verwirklichung der sozialen Rechte sicherstellen. Im Hinblick hierauf trifft den Sozialleistungsträger im Rahmen seiner Zuständigkeit eine Pflicht zur ausreichenden Information und Beratung über die sozialen Rechte nach dem SGB, wenn der Bürger dies beantragt. Die Pflicht zu einer konkreten individuellen (Spontan-)Beratung besteht auch nur mit Blick auf die Verwirklichung der sozialen Rechte des SGB und nur dann, wenn sich dem Sozialleistungsträger eine klar zu Tage liegende Gestaltungsmöglichkeit zu Gunsten des Versicherten aufdrängt (vgl. BSG in SozR 3-1200 § 14 Nr. 16 S 49 ff). § 2 Abs. 2 SGB I enthält somit eine Zielvorgabe und Schutzgrenze für das Herstellungsrecht (vgl. hierzu Jung in Festschrift für Gitter, Die Berücksichtigung des Fehlverhaltens Dritter beim sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, S 417, 420 f). Einerseits sind die Sozialleistungsträger im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit verpflichtet, alles zu veranlassen, damit die im SGB umschriebenen sozialen Rechte verwirklicht werden. Andererseits ergibt sich bereits aus der Thematik und dem insoweit angesprochenen Kreis der Sozialleistungsträger eine Begrenzung dahingehend, dass im Bereich der Massenverwaltung ein derartiger Träger nicht von Amts wegen für jeden einzelnen Versicherten eine an alle Eventualitäten angepasste individuelle Beratung vornehmen kann, sondern lediglich eine solche, die sich auf Grund von konkreten Fallgestaltungen unschwer ergibt, etwa wenn eine klar zu Tage liegende Dispositionsmöglichkeit besteht, die so zweckmäßig ist, dass jeder verständige Versicherte sie mutmaßlich nutzen würde (vgl. hierzu BSG in SozR 3-1200 § 14 Nr. 5 S 7, Nr. 16 S 49 f; Hase, Der Herstellungsanspruch bei pflichtwidrig unterlassener Beratung, SGb 2001, 593, 595).
Tatsächlich war die Ausübung des den Ehegatten nach Art. 2 § 17a Abs. 2 AnVNG ermöglichten Erklärungsrechts an sich nicht unproblematisch, weil zum Zeitpunkt der Erklärung nicht bekannt war, wie die Verhältnisse beim Eintritt des Versicherungsfalls sein würden. Entscheidend war nämlich zum einen, ob der überlebende Ehegatte nach dem Tod des Ehepartners anrechenbares Einkommen nach § 97 SGB VI erzielen würde und damit eine Einkommensanrechnung bei der Hinterbliebenenrente nach dem Recht ab dem 01. Januar 1986 zu erwarten war und zum anderen, ob die Ehefrau und Versicherte im Zeitpunkt ihres Todes den „überwiegenden Unterhalt der Familie“ bestreiten und damit eine Witwerrente nach dem Recht bis zum 31. Dezember 1985 in Betracht kommen würde. Auch die voraussichtliche Lebenserwartung der Ehegatten konnte entscheidungserheblich sein. Daher konnten die Rentenversicherungsträger keine individuelle auf den persönlichen Einzelfall bezogene Empfehlung zum Erklärungsrecht aussprechen. Auch verbindliche Vergleichsberechnungen waren nicht möglich. Deswegen konnte nur eine Beratung in allgemeiner Form erfolgen (vgl. hierzu Verbands-Kommentar Randnr. 3 zu § 303 sowie Diel in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB VI, Randnr. 11 zu § 303).
Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch bereits am Nachweis einer Pflichtverletzung der Beklagten oder des HVBG, denn nach den eigenen Angaben des Klägers haben er und sie Versicherte die schriftliche Erklärung vom 03. Februar 1987 abgegeben, ohne sich zuvor beraten zu lassen. Vielmehr haben sie erst danach um eine Beratung bei der Beklagten nachgesucht, die von dem Kläger und der Versicherten im Hinblick auf die bereits genannten Schwierigkeiten einer sinnvollen Beratung als unbefriedigend empfunden wurde. Nach dem Vortrag des Klägers steht somit fest, dass der Abgabe der gemeinsamen Erklärung der Eheleute keine (fehlerhafte) Beratung zugrunde gelegen haben kann.
An die wirksame Erklärung gem. Art. 2 § 17a Abs. 2 AnVNG bzw. Art. 2 § 18 Abs. 3 ArVNG knüpft § 303 Satz 1 Regelung 2 SGB VI an. Die Entstehung eines Rechts auf große Witwerrente setzt daher zusätzlich voraus, dass „die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode überwiegend bestritten hat."
Für die Auslegung des „überwiegenden Bestreitens des Familienunterhalts im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode" i. Sinne des § 303 Satz 1 SGB VI sind die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 43 Abs. 1 AVG (= § 1266 Abs. 1 RVO) entwickelten Grundsätze heranzuziehen. Danach hat eine Versicherte den Unterhalt der Familie „überwiegend bestritten", wenn ihr Unterhaltsbeitrag während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustands vor dem Tode mehr als die Hälfte des gesamten Familienunterhalts ausgemacht hat (vgl. BSG SozR 2200 § 1266 Nr. 23; BSG, Urteil vom 16. März 1989 - 4/1 RA 17/87 -, veröffentlicht in Juris). Unter „Unterhalt der Familie" i. S. d. §§ 1360, 1360a BGB ist alles zu verstehen, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und - hier nicht einschlägig - den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder zu befriedigen (vgl. BSG a. a. O.). Hinsichtlich der Unterhaltsleistungen sind die tatsächlichen Verhältnisse während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustands mit der Folge maßgebend, dass als Unterhaltsbeiträge nur solche Leistungen und Aufwendungen berücksichtigt werden können, die in diesem Zeitraum effektiv beigesteuert bzw. getätigt worden sind (vgl. BSG SozR 2200 § 1266 Nr. 21; BSG, Urteil vom 16. März 1989 - 4/1 RA 17/87 -, veröffentlicht in Juris). Es kommt für den Familienbedarf auf das tatsächlich Gegebene und Empfangene an; erst daraus kann hypothetisch geschlossen werden, ob der Witwer durch den Tod der Versicherten einen versicherungsrechtlich relevanten Unterhaltsverlust erlitten hat (vgl. BSG SozR 2200 § 1266 Nr. 20).
Der letzte wirtschaftliche Dauerzustand vor dem Tode der Versicherten bezieht sich grundsätzlich auf ein Jahr, im Regelfall das Jahr vor dem Tode der Versicherten. Es beginnt ausnahmsweise entsprechend früher, wenn ein sog. zum Tode führendes Leiden eingesetzt und unmittelbar zum Tode geführt hat, d. h. wenn es wegen seiner Dauer nicht selbst einen neuen wirtschaftlichen Dauerzustand begründet hat. Ändern sich die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Familienmitglieds innerhalb des maßgebenden Jahres dauerhaft, kommt es ebenfalls ausnahmsweise auf den dadurch begründeten Zustand an (BSG SozR 2200 § 1266 Nr. 23; BSG, Urteil vom 16. März 1989 - 4/1 RA 17/87 -, veröffentlicht in Juris). Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass der hier maßgebliche Dauerzustand vom Februar 2006 bis zum Januar 2007 bzw. bis zum Tode der Versicherten bestanden hat. Denn Anhaltspunkte für eine gravierende Änderung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse bestehen seit dem Eintritt der Altersrentenberechtigung des Klägers nicht.
Der Senat ist nicht im nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG gebotenen Maße davon überzeugt, dass die Versicherte den Unterhalt der Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor ihrem Tode überwiegend bestritten hat.
Dazu ist in einem ersten Schritt zu prüfen, wie hoch nach den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen der Ehegatten der gesamte Lebensbedarf der Familie i. S. der §§ 1360, 1360a BGB im letzten Jahr vor dem Tode der Versicherten war. Danach ist in einem zweiten Schritt festzustellen, mit welchen Mitteln und von welcher Person der Bedarf gedeckt wurde. In einem dritten Schritt ist dann durch eine Gegenüberstellung der von jedem Ehegatten wirklich aufgebrachten Mittel der Anteil jedes Ehegatten festzustellen, der dann den Schluss auf das überwiegende Bestreiten des Familienunterhalts zulässt (vgl. Urteil des BSG vom 16. März 2006 – B 4 RA 15/05 R -, in SozR 4-2600 § 46 Nr. 3).
Lebensbedarf der Familie (Familienunterhalt) ist nach §§ 1360, 1360a BGB alles, was nach den (wirtschaftlichen und persönlichen) Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und - hier nicht einschlägig - den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder zu befriedigen (vgl. stellv. BSG SozR 2200 § 1266 Nr. 23). Begrenzt ist der Familienunterhalt durch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten (vgl. Scholz in Wendel/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. A. 2010, Randnr. 22 zu § 3). Zu den Kosten des Haushalts gehören u. a. alle Aufwendungen für Nahrung, Kleidung, Heizung sowie alle Aufwendungen für die Beschaffung des erforderlichen Wohnraums (Miete; Bau- und Renovierungskosten), aber auch die Kosten für die Haushaltsführung selbst, z. B. die Aufwendungen für die Entlohnung und Verköstigung von Hausangestellten (vgl. dazu Gürtner in Kasseler Kommentar Randnrn. 19 ff. zu § 303 SGB VI). Das Maß der erforderlichen Aufwendungen zur Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen, es hängt von den Lebensumständen und -verhältnissen der Ehegatten ab, nicht nur allein von ihrer wirtschaftlichen und finanziellen, sondern auch von ihrer sozialen und persönlichen Lage, die sie entscheidend durch ihre eigene Lebensgestaltung prägen, also auch vom Gesundheitszustand der Ehegatten (vgl. Weber-Monecke in Münchener Kommentar zum BGB, 5. A., Randnrn. 2 ff. zu 1360a; Scholz in Wendel/Staudigl, a. a. O., Randnr. 22 zu § 3). Zum gemeinsamen Lebensbedarf zählen auch die Aufwendungen für nicht von der Krankenversicherung oder sonstigen Kostenträgern gedeckte Krankheitskosten, soweit sie notwendig sind oder jedenfalls im Rahmen des üblichen Lebenszuschnitts der Familie liegen (vgl. Scholz in Wendel/Staudigl, a. a. O., Randnr. 23 zu § 3), so dass z. B. die vom Kläger geltend gemachten Kosten für Medikamentenzuzahlungen für Februar 2006 bis Januar 2007 in Höhe von 126,50 Euro oder auch etwaige Zusatzkosten für eine Diabetikerkost im Rahmen der Bestimmung des Lebensbedarfs (Familienunterhalts) bzw. Fahrtkosten als erhöhende und nicht als sein eigenes Einkommen mindernde Faktoren zu berücksichtigen sind.
Zwar kann allein anhand der vom Kläger vorgelegten Nachweise der Lebensbedarf der Ehegatten nicht abschließend festgestellt werden, denn es fehlt an Darlegungen und Nachweisen sowohl z. B. für die Haushaltskosten (Verpflegung, Kleidung, Reinigung, Körper- und Gesundheitspflege) als auch für die Fahrtkosten. Derzeit ist nur folgendes bekannt (monatlich):
Kaltmiete | 403,35 Euro |
Vorauszahlungen | 64,35 Euro |
Strom | 39,00 Euro |
Hundesteuer | 10,75 Euro |
Rundfunkgebühren | 17,03 Euro |
Zuzahlungen durchschnittlich | 10,54 Euro |
Gesamt | 546,02 Euro |
Da der Lebensbedarf der Ehegatten jedoch nach oben begrenzt ist durch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten und den Familienunterhalt belastende Verbindlichkeiten nach dem Vortrag des Klägers nicht ersichtlich sind, ist der maximale Lebensbedarf letztlich anhand der Einkünfte der Ehegatten zu bestimmen:
Nettorente der Versicherten | 766,45 Euro |
Nettorente des Klägers | 909,88 Euro |
Zahlungen Renoka | 86,60 Euro |
Gesamt | 1.762,93 Euro. |
Nach der Feststellung des individuell erforderlichen Lebensbedarfs ist in einem zweiten Schritt festzustellen, mit welchen Mitteln und von welcher Person dieser tatsächlich bestritten wurde, d. h. wer in welcher Höhe Unterhaltsbeiträge der Familie zur Verfügung gestellt hat. Bei Erwerbsersatzeinkommen wie Renten ist in der Regel davon auszugehen, dass die der Familie zur Verfügung gestellt wurden (vgl. Diel in Hauck/Noftz, a. a. O. Randnr. 20 zu § 303 SGB VI), etwas Gegenteiliges ist hier auch nicht vorgetragen.
Der Kläger hat folgende monatliche Unterhaltsbeiträge geleistet:
Nettorente des Klägers | 909,88 Euro. |
Die Versicherte hat daher folgende monatliche Unterhaltsbeiträge geleistet:
Nettorente der Versicherten | 766,45 Euro |
Zahlungen Renoka | 86,60 Euro |
Gesamt | 853,05 Euro. |
Soweit der Kläger geltend macht, auch die von der Firma R an die Klägerin gewährten Rabatte seien als Einkünfte i. S. d. § 2 Einkommenssteuergesetz (EStG) zu werten, kann dem nur beschränkt gefolgt werden. Zwar können im Zusammenhang mit Arbeitseinkommen bzw. Erwerbsersatzeinkommen gewährte Rabattvorteile grundsätzlich Einkünfte i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 5 EStG darstellen. Dazu müsste jedoch seitens der Versicherten ein Rechtsanspruch auf die Rabattgewährung gegenüber der Firma R bestanden haben, welcher hier ebenso wenig ersichtlich ist wie ein Rechtsanspruch des Klägers darauf, dass die Versicherte derartige Rabatte einlöst. Allein die im völligen Belieben der Firma R stehende tatsächliche Gewährung von Rabatten begründete keinen Rechtsanspruch der Versicherten. Ferner ist es nach dem im Steuerrecht geltenden Zuflussprinzip (vgl. z. B. § 11 Abs. 1 EStG) erforderlich, dass der Versicherten tatsächlich konkrete bezifferbare Vorteile zugeflossen sind. Nur die Vergünstigungen, die die Versicherte tatsächlich in Anspruch genommen hat, könnten überhaupt Berücksichtigung finden. Die Tatsache, dass die Versicherte die Möglichkeit hatte, Rabatte in Anspruch zu nehmen, stellt zunächst nur eine abstrakte Chance auf einen konkreten Vorteil und keine Einkünfte im steuerlichen Sinne dar. Tatsächlich bleibt hier völlig unklar, dass und in welchem konkret zu beziffernden Umfang Rabatte in Anspruch genommen worden sind. Allein die Einlassung des Klägers, es sei regelmäßig bzw. ausschließlich bei der Firma R an den bezeichneten Rabattverkaufstagen eingekauft worden, überzeugt nicht. Zum einen ist daraus nicht erkennbar, in welcher konkreten Höhe Vorteile erzielt worden sind. Dazu bedürfte es in der Tat einer Auflistung der konkreten Einkäufe bzw. der Vorlage der Einkaufsbons, was dem Kläger nach eigenem Vortrag nicht mehr möglich ist. Darüber hinaus ist der Vortrag des Klägers auch nicht plausibel, denn einerseits können Frischwaren nicht nur ein- bis zweimal im Monat eingekauft werden, d. h. die Ehegatten müssen auch zwischen den Rabattverkaufstagen Einkäufe getätigt haben. Des Weiteren ist es kaum nachvollziehbar, dass die Ehegatten nicht auch andere günstige und örtlich näher gelegene Einkaufsmöglichkeiten in ihrem Wohnort G wahrgenommen haben sollen, während sich R-Supermärkte nur in B finden. Soweit der Kläger hier schriftsätzlich Frau R W als Zeugin zum Beweis der Tatsache, dass die Versicherte rege von den Rabatteinkaufsmöglichkeiten Gebrauch gemacht habe, benannt hat, konnte von einer Vernehmung der Zeugin abgesehen werden. Denn entscheidend ist nicht, ob die Versicherte „rege“ von den Rabattmöglichkeiten Gebrauch gemacht habt, notwendig ist vielmehr der Nachweis der konkreten Vorteile und ihrer Höhe mit Datum und Bezifferung.
Auch unter Berücksichtigung der im gemeinsamen Haushalt angefallenen Arbeiten kann nicht festgestellt werden, dass die Versicherte den Familienunterhalt überwiegend bestritten hat.
Bei der rechtlichen Zuordnung des Wertes der Haushaltsführung kommt es nicht allein darauf an, welche Arbeiten ein Ehegatte tatsächlich verrichtet hat, sondern es muss auch die familienrechtliche Verpflichtung zur Hausarbeit Beachtung finden, unabhängig davon, ob und wie diese erfüllt wird (BSG in SozR § 1266 Nr. 10). Die Aufteilung der Hausarbeit wird von den Ehegatten in gegenseitigem Einvernehmen geregelt (§ 1356 Abs. 1 BGB). So können Ehegatten ohne weiteres vereinbaren, dass einer allein sämtliche anfallenden Hausarbeiten verrichtet, obwohl auch der andere durchaus in der Lage wäre, sich an der Hausarbeit angemessen zu beteiligen. Für den Anspruch auf Witwerrente kann diese Aufteilung der Hausarbeiten von erheblicher Bedeutung sein: Übernimmt der Ehemann allein die Haushaltsführung, so kann sein Anspruch auf Witwerrente daran scheitern, dass er durch den Wert der ihm zurechenbaren Hausarbeiten den Familienunterhalt überwiegend bestritten hat. Übernimmt dagegen die Ehefrau alle Hausarbeiten, so kann durch den ihr zurechenbaren Wert dieser Arbeiten der Witwerrentenanspruch erst begründet werden. Auf diese Weise könnte im Ergebnis durch eine privatrechtliche Vereinbarung ein Rentenanspruch begründet oder aufgehoben werden. Es stünde damit in der Verfügungsmacht einer Versicherten durch eine Vereinbarung mit ihrem Ehemann über die Haushaltsführung den Rentenversicherungsträger zur Zahlung einer Rente zu verpflichten. Deswegen kann nicht allein auf die tatsächliche oder vertragliche Verteilung der Hausarbeit abgestellt werden, sondern es muss auch die familienrechtliche Verpflichtung zur Hausarbeit Beachtung finden (BSG, Urteil vom 01. Dezember 1983 - 4 RJ 33/82 -, veröffentlicht in Juris; Gürtner in Kasseler Kommentar, Randnr. 36 zu § 303 SGB VI).
Im Normalfall ist dabei von einer beiderseitigen gleichwertigen Haushaltsführung durch beide Ehegatten auszugehen. Dies ist immer dann gerechtfertigt, wenn beide Ehegatten nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in gleichem Umfang die Hausarbeiten ausführen können, wie dies vielfach z. B. bei Ehepaaren mit gleicher beruflicher Belastung (vgl. BSG-Urteil vom 03. Februar 1977 - 11 RA 38/76 -, in SozR 2200 § 1266 Nr. 5) oder bei Rentnerehepaaren der Fall ist (vgl. Urteil des BSG vom 01. Dezember 1983 - 4 RJ 33/82 -, veröffentlicht in Juris; auch: Scholz in Wendel/Staudigl, a. a. O., Randnr. 45 zu § 3). Diese gemeinsame Haushaltsführung hat zur Folge, dass sich der Wert der Hausarbeit der beiden Ehegatten gegenseitig aufhebt und deswegen im Ergebnis nicht zur Begründung eines Rentenanspruches beiträgt. Demgegenüber können zwar andere Möglichkeiten der Verteilung der Hausarbeit nicht ausgeschlossen werden (vgl. § 1356 Abs. 1 BGB), für die Bewertung im Rahmen des § 303 Abs. 1 SGB VI bedarf es dazu jedoch des Vorliegens verständiger Gründe. So ist es als durchaus sachgerecht anzusehen, wenn bei einem rentenbeziehenden Ehemann und einer pflegebedürftigen Ehefrau der Wert der Hausarbeit zum weitaus überwiegenden Teil oder auch voll dem Ehemann zugerechnet wird (vgl. BSG-Urteil vom 29. November 1979 - 4 RJ 47/79 -, veröffentlicht in Juris).
Vorliegend hat der Kläger keine solchen Gründe dargetan, die es rechtfertigen, im Rahmen des § 303 Abs. 1 SGB VI von einer alleinigen Haushaltsführung der Versicherten als Unterhaltsbeitrag auszugehen. Die Ehegatten waren im maßgeblichen Zeitraum annähernd gleich alt, nämlich 71 (Versicherte) und 72 (Kläger) Jahre, und beide nicht erwerbstätig. Zwar trägt der Kläger vor, er sei gesundheitlich nicht bzw. oder nicht im selben Umfang wie die Versicherte in der Lage gewesen, an der Haushaltsführung mitzuwirken. Den von ihm vorgelegten medizinischen Unterlagen sowie den vom Senat eingeholten Befundberichten der behandelnden Ärzte bzw. den beigezogenen medizinischen Unterlagen aus der Schwerbehindertenakte lässt sich für den maßgeblichen Zeitraum jedoch kein derartig schlechter Gesundheitszustand entnehmen, dass es dem Kläger unmöglich gewesen wäre, zumindest leichte körperliche Haushaltstätigkeiten wie etwa Geschirrspülen, Abtrocknen, Postverkehr erledigen, Abstauben, Mahlzeiten zubereiten, Wäsche pflegen, (kleinere) Einkäufe erledigen, zu übernehmen. Darüber hinaus hat der Kläger selbst vorgetragen, die geltend gemachten Großeinkäufe bei der Firma R zusammen mit seiner Ehefrau im gemeinsamen Auto erledigt zu haben. Der Kläger litt im Zeitraum von Februar 2006 bis Januar 2007 an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus, einer chronischen Niereninsuffizienz im Stadium der kompensierten Retention, Bluthochdruck (unter Therapie Normalwerte laut dem Befundbericht der Dres. L und S vom 27. September 2010), einer renalen Anämie (ohne weitere Therapie), einer gutartigen Prostatahyperplasie mit Miktionsbeschwerden sowie Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule, der Hüfte und der Knie (Arztbrief des Orthopäden Dr. H vom 06. März 2006). Anhand der vorliegenden Arztbriefe der behandelnden Nephrologen Dr. B u. a. vom 27. März 2006, 27. Juni 2006, 31. Juli 2006, 13. November 2006 und 24. Februar 2007 lässt sich eine leichte, wenn auch nach Auffassung der behandelnden Ärzte in den Befundberichten vom 20. und 27. September 2010 nicht wesentliche, Besserungstendenz der Nierenfunktionswerte im maßgeblichen Zeitraum erkennen. Das Befinden des Klägers wird in den Arztbriefen vom 27. März 2006, 27. Juni 2006, 31. Juli 2006, 13. November 2006 und 24. Februar 2007 jeweils als gut beschrieben. Pflegebedürftigkeit bestand nicht. Der Kläger bedurfte nach der Einschätzung der behandelnden Nephrologen in ihrem Befundbericht vom 20. September 2010 keinerlei dauernder fremder Hilfe bei den alltäglichen Verrichtungen des täglichen Lebens wie Spülen, Reinigen der Wohnung, Nahrungszubereitung und –aufnahme, Wäschewaschen und -wechseln, Einkaufen etc. Eine relevante Einschränkung der Gehfähigkeit wird von ihnen nicht bescheinigt. Nach der Einschätzung von Dr. L und Dr. S bedurfte der Kläger dauernder Hilfe beim Einkaufen, Reinigen der Wohnung, Spülen sowie Wechseln und Waschen der Wäsche. Die Wegstrecke sei auf ca. 100 Meter eingeschränkt gewesen. Dies widerspricht dem Befundbericht derselben Ärzte vom Januar 2008 für das Versorgungsamt, wo von einer Wegstrecke von 500 Metern berichtet wurde. Seitens des Versorgungsamtes wurde auch keine Behinderung der Gehfähigkeit i. S. e. Merkzeichens wie z. B. „G“ – erhebliche Gehbehinderung – festgestellt. Noch in ihrem Arztbrief vom 04. Juni 2007 schlossen die behandelnden Nephrologen Dr. B u. a. lediglich körperlich schwere Aktivitäten aus.
Es verbleibt daher im maßgeblichen Zeitraum letztlich bei einer Differenz zwischen den Unterhaltsbeiträgen des Klägers und der Versicherten von 56,83 Euro, so dass der Kläger und nicht die Versicherte den Unterhalt der Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode überwiegend bestritten hat.
§ 303 Abs. 1 SGB VI ist zur Überzeugung des Senats auch nicht verfassungswidrig, soweit er Ehegatten an einer einmal abgegebenen übereinstimmenden Erklärung festhält. Denn die Regelung knüpft allein an eine freie Wahl der Ehegatten an. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ist hierin nicht ersichtlich.
Nach alldem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.