Gericht | VG Potsdam 12. Kammer | Entscheidungsdatum | 25.10.2013 | |
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Aktenzeichen | VG 12 K 1787/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 125 BauGB, § 127 BauGB, § 128 BauGB, § 242 Abs 9 BauGB, § 8 KAG BB |
Der Bescheid des Beklagten vom 12. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2010 wird aufgehoben soweit er einen Betrag von 1.683,25 € übersteigt; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 7/10 und der Beklagte 3/10; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Zuziehung des Bevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Beteiligten streiten um die Erhebung von Vorausleistungen auf Erschließungsbeiträge für den Bau eines einseitigen Geh/Radweges in der ... straße in ... .
Die ... straße befindet sich in einem Gebiet des ehemaligen Gutes ..., das in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts von der ... -Bodenaktiengesellschaft als Wohnsiedlung aufgeschlossen wurde und entsprechend entwickelt und bebaut worden ist.
Die 968,75 m lange ... straße verfügte vor dem 3. Oktober 1990 über eine ca. 5,50 m breite Fahrbahn, die von der L 792 (... Damm) ausgehend auf einem kleinen Teilstück (ca. 90 m) mit Asphalt und auf der restlichen Strecke mit Kopfsteinpflaster befestigt war. Zu beiden Seiten der Fahrbahn befanden sich Hochborde. Des Weiteren gab es eine Straßenbeleuchtung. Entlang der Straße führte teilweise ein befestigter oder unbefestigter Gehweg oder ein Trampelpfad. Ein Regenwasserkanal existierte nicht. Das anfallende Niederschlagswasser wurde, soweit es nicht schon im Kopfsteinpflaster auf der Fahrbahn versickerte, oberirdisch über sogenannte Schnittgerinne (Rinnsteine), die sich zu beiden Seiten neben der Fahrbahn befanden, unter Ausnutzung der natürlichen Geländegegebenheiten abgeleitet. Die Ableitung des Niederschlagswassers erfolgte aufgrund des natürlichen Gefälles jeweils getrennt für den westlichen und den östlichen Teil der ... straße. Der insgesamt 461,25 m lange westliche Teil der ... straße wurde durch den Hochpunkt zwischen ... und ... vom 507,50 m langen östlichen Teil der Straße getrennt. Im westlichen Teil, d. h. vom ... Damm (L 792) bis zum Hochpunkt, erfolgte die oberirdische Entwässerung über den 123,75 m östlich vom ... Damm gelegenen Tiefpunkt an der ... . Dort gab es zwei Abläufe, die zu einem vor ca. 3 Jahren vollständig instandgesetzten Regenrückhaltebecken im Wald am ... Damm/Ecke ... straße führten. Auf dem östlichen Teilstück, d. h. zwischen dem Hochpunkt und dem ... Weg, gab es ein starkes Gefälle bis zur Straße ... und anschließend bis zum ... Weg ein minimales Gefälle. Das gesamte in diesem östlichen Bereich anfallende Regenwasser wurde über das Gefälle, ausgehend vom Hochpunkt in den ... Weg, geleitet. In dessen Kreuzungsbereich befanden sich zwei Abläufe, die an einen Kanal mit einem 800-Rohr angeschlossen waren. Dieses Rohr führte unterirdisch zu einem 2 m breiten Graben und über diesen in den Glasowbach. Dieser Zustand besteht bis heute unverändert.
Mit Bescheid vom 12. März 2010 zog der Beklagte die Klägerin für das Flurstück … der Flur .. zu Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung des Geh/Radweges in der ... straße in ... in Höhe von 2.440,71 € heran. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. August 2010, zugestellt am 2. September 2010, zurückwies.
Die Klägerin hat am Montag, dem 4. Oktober 2010 Klage erhoben.
Sie ist der Ansicht, der Beitragsbescheid sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten. Bei der ... straße handele es sich um eine vor dem 3. Oktober 1990 bereits hergestellte Straße, so dass die neu hinzukommende Teileinrichtung „Geh/Radweg“ keine Beitragspflicht nach dem Baugesetzbuch i. V. m. der Erschließungsbeitragssatzung der Gemeinde ... -... mehr auslösen könne. Die ... straße sei gemäß einem technischen Ausbauprogramm bzw. entsprechenden den örtlichen Ausbaugepflogenheiten in ihrer gesamten Länge bereits vor dem 3. Oktober 1990 hergestellt gewesen. Von den Städteplanern sei in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts ein städtebaulicher Entwicklungsplan, der im heutigen Sinne einen Bebauungsplan darstelle, für die gesamte Gemeinde ... erarbeitet worden. In diesem sei die Straßenführung, der Ausbau der Fahrbahnen und der Nebeneinrichtungen konkret festgelegt gewesen. Der Plan habe u. a. auch konkrete Bestimmungen für die gesamte Regenentwässerung des Territoriums von ... vorgesehen. Danach sollten die notwendigen Vorfluter in Form von Regenwasserrückhalte- oder Versickerungsbecken angelegt werden und eine Nutzung des Glasowbach erfolgen. Die Zuleitung des Regenwassers zum Vorfluter sollte teilweise über eine Regenwasserkanalisation oder teilweise und zwar insbesondere bei Pflasterstraßen im offenen Schnittgerinne erfolgen. In den Pflasterstraßen ohne Kanalisation sei vereinzelt auch die Errichtung zusätzlicher Sickerschächte geplant gewesen. In den kleinen Nebenstraßen sei bei dem vorhandenen Sandboden eine örtliche Versickerung vorgesehen gewesen. Diese Planungen seien auch umgesetzt worden. Die in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts fertiggestellte Regenentwässerung der Straßen der Gemeinde ... stelle ein gemeindeübergreifendes funktionierendes Regenwassersystem dar, das dem geforderten Mindestmaß an technischer Gestaltung für die Annahme einer vollständigen Herstellung gerecht werde. Die ... straße sei nicht darauf angewiesen gewesen, dass ein beträchtlicher Teil des Regenwassers in der Fahrbahnfläche hätte versickern müssen. Das Regenwasser sei stets beherrscht worden.
Überdies sei die ... straße auch bereits vor dem 03.10.1990 entsprechend den örtlichen Ausbaugepflogenheiten vollständig hergestellt gewesen. Die Straßen von ... seien nach Ausbau und Funktion in 3 Kategorien eingeteilt gewesen. Die ... straße habe alle Anforderungen erfüllt, die an eine damalige Haupterschließungsstraße zu stellen gewesen seien.
Von einer Verbesserung der Erschließungssituation durch den neuen Geh/Radweg könne nicht ausgegangen werden. Es habe lediglich eine Umwidmung stattgefunden. Zuvor sei allein Fußgängerverkehr möglich gewesen, nunmehr dürfe der Gehweg auch von Radfahrern benutzt werden.
Die Anlegung eines Gehweges sei für die Bebaubarkeit ihres Grundstücks nicht erforderlich gewesen. Der seinerzeit schon vorhandene Gehweg habe aus ca. 20 cm starkem Beton bestanden und über seine gesamte Länge eine Breite von 2,10 m aufgewiesen. Die nun errichtete Anlage sei zwar in der Regel 2,50 m breit, jedoch vor ihrem Grundstück weitgehend lediglich 2 m.
Außerdem sei die rechnerische Ermittlung der Beitragshöhe nicht nachvollziehbar.
Die Klägerin beantragt,
den Beitragsbescheid des Beklagten vom 12. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2010 aufzuheben und die Hinzuziehung ihres Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass ihm für die Herstellung des Geh/Radweges in der ... straße ein Erschließungsbeitrag zustehe. Die ... straße sei weder als gemäß einem technischen Ausbauprogramm hergestellt anzusehen noch habe sie den ortsüblichen Ausbaugepflogenheiten entsprochen. Dies ergebe sich aus dem von ihm zusammengetragenen Material aus sämtlichen ihm zugänglichen Quellen, das sich auf die Gestaltung der neu entstehenden Großsiedlung ... bezogen habe, ohne das es sich dabei um die vollständigen Unterlagen handele, weil das gemeindeeigene Archiv aufgrund eines Brandes nicht mehr vollständig erhalten sei.
Die Klägerin habe kein konkretes Ausbauprogramm für die ... straße nachweisen können. Der von der Klägerin angesprochene städtebauliche Entwicklungsplan habe nicht für jede Straße ein konkretes Ausbauprogramm vorgesehen. Insbesondere könne einem solchen Plan kein für die gesamte Ortslage funktionierendes Regenentwässerungssystem im beitragsrechtlichen Sinne entnommen werden. Dieser Plan habe für Sandstraßen ein Versickern des Regenwassers in der Straßenfläche vorgesehen. Die technischen Gegebenheiten in der ... straße seien nicht ausreichend gewesen, um von einer funktionierenden Regenentwässerung, bezogen auf die ... straße, auszugehen. Die Funktionsfähigkeit der Regenentwässerung sei für die Beantwortung der Frage, ob diese Teileinrichtung bereits vorhanden war, als notwendig anzusehen. Die Regenwassermengen in der ... straße, die sich auf der ca. 5,50 m breiten Fahrbahn über eine Länge von 507,5 m bei Regen ansammelten, hätten nicht allein über Schnittgerinne und Gefälle in 2 Abläufe entsorgt werden können. Ein erheblicher Teil des Regenwassers sei auf das Versickern angewiesen gewesen. Andernfalls wäre es nicht möglich gewesen, dass ein Schnittgerinne derartige Wassermengen fassen und über eine solche Länge hätte führen können; insbesondere nicht im Bereich des geringen Gefälles. Zum Beweis dafür, dass das Regenwasser in der ... straße nicht ordnungsgemäß habe abgeleitet werden können, bezieht sich der Beklagte u. a. auf zur Gerichtsakte gereichte Fotos (Bl. 108 bis 111 der Gerichtsakte), die die überflutete ... straße zeigen.
Der Zustand der ... straße habe auch nicht den örtlichen Ausbaugepflogenheiten vor dem 3. Oktober 1990 entsprochen. Im Zuge künftiger Straßeninvestitionen sei nach längerer Ausarbeitung 2005 ein gemeindliches Verkehrskonzept entstanden, das der Gemeinde ... für Investitions- und Unterhaltungsmaßnahmen dienen solle. Dies könne auch als Grundlage für die Einschätzung der örtlichen Ausbaugepflogenheiten der Gemeinde ... -... vor dem 3. Oktober 1990 dienen. Würde man diese Verkehrskonzeption zugrunde legen, entspräche die ... straße nicht den örtlichen Ausbaugepflogenheiten. Es mangele an einem Regenwasserkanal mit Abläufen. In den meisten Fällen sei ein gemeinsamer Geh/Radweg vorhanden gewesen.
Die Beitragshöhe sei nachvollziehbar und verständlich mitgeteilt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den Inhalt der Akten der Verfahren 12 K 1793/10, 12 K 1788/10 sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
In dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Er ist in dieser Höhe aufzuheben. Im darüber hinaus gehenden Umfang ist er jedoch rechtmäßig; insoweit ist die Klage abzuweisen.
Der angefochtene Bescheid ist zu Unrecht auf §§ 127 ff. Baugesetzbuch - BauGB - in Verbindung mit der Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen in der Gemeinde ... -... vom 27. September 2007 - EBS - gestützt, wonach die Gemeinde zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag erhebt. Die Erhebung von Erschließungsbeiträgen ist hier nach § 242 Abs. 9 BauGB ausgeschlossen.
Für Erschließungsanlagen oder für Teile von Erschließungsanlagen, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts im Beitrittsgebiet hergestellt worden sind, können nach § 242 Abs. 9 Satz 1 BauGB keine Erschließungsbeiträge mehr erhoben werden. Bereits hergestellte Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen sind nach § 242 Abs. 9 Satz 2 BauGB die einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertiggestellten Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen. Auf die spätere Entwicklung der Straße kommt es, wenn diese einmal fertiggestellt war, nicht mehr an. So ist es unerheblich, ob der vormalige Ausbauzustand vor Beginn der abzurechnenden Ausbaumaßnahme vorhanden oder wenigstens noch erkennbar war. Die maßgeblichen Erschließungsanlagen oder ihre Teile müssen dabei auf der gesamten Länge der Anlage hergestellt gewesen sein, um diesen Ausschluss annehmen zu können (Beschluss der Kammer vom 12. Januar 2004 - 12 L 527/02 -, juris; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage, § 2 Rn. 48 m. w. N.). Bei der Entscheidung, ob eine Anlage schon hergestellt ist, ist eine Gesamtbetrachtung geboten. War eine Erschließungsanlage vor dem Wirksamwerden des Beitritts im Sinne von § 242 Abs. 9 Satz 2 BauGB „bereits hergestellt“, kann danach ein Erschließungsbeitrag auch dann nicht erhoben werden, wenn dieser Anlage nach dem Wirksamwerden des Beitritts weitere Teile (erstmalig) hinzugefügt werden. Dasselbe gilt für einzelne Teileinrichtungen, die vor dem 3. Oktober 1990 bereits hergestellt waren, selbst wenn die Anlage insgesamt noch nicht in diesem Sinne hergestellt war (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2002 - 9 C 2/02 -, zitiert nach juris).
Maßgebliche Anlage ist hier der gesamte Verlauf der ... straße vom ... Damm (L 792) bis zum ... Weg, denn angesichts des geraden Verlaufs stellt sich die Straße nach „natürlicher Betrachtungsweise“ (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Februar 1991 - 8 C 56.89 - und vom 29. Oktober 1993 - 8 C 53.91 -, zitiert nach juris) als eine einheitliche Anlage dar.
Die hier abgerechnete Teileinrichtung „Geh/Radweg“ war nicht bereits vor dem
3. Oktober 1990 hergestellt, mit der Folge, dass schon allein deshalb keine Erschließungsbeiträge mehr entstehen könnten.
Soweit die Klägerin sich darauf beruft, dass der Gehweg, insbesondere vor ihren Grundstücken, bereits vor dem 3. Oktober 1990 hergestellt gewesen sei, kommt dem keine durchgreifende rechtliche Bedeutung im oben genannten Sinne zu. Denn zum einen war der Gehweg – unstreitig – nicht auf der gesamten Länge der hier zu betrachtenden Anlage hergestellt und zum anderen handelt es sich bei der Baumaßnahme des Beklagten um eine andere Teileinrichtung. Der Beklagte hat nicht die Teileinrichtung „Gehweg“ der ... straße hinzugefügt, sondern die Teileinrichtung “Geh/Radweg“ und damit eine ihrer Funktion nach qualitativ andere Einrichtung.
Will die Kommune für eine neu hinzukommende Teileinrichtung, wie hier, Er-schließungsbeiträge erheben, weil nach ihrer Ansicht die Straße vor dem 3. Oktober 1990 noch nicht hergestellt gewesen ist, muss sie zur Überzeugung des Gerichts darlegen, dass dies der Fall war. Kann sie einen solchen Nachweis nicht erbringen, geht dies zu ihren Lasten (BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2007 - 9 C 5/06 -, zitiert nach juris). Dem Beklagten ist es nicht gelungen, zur Überzeugung des Gerichts darzulegen, dass die ... straße bis zum 3. Oktober 1990 nicht bereits hergestellt, d. h. unfertig gewesen ist.
Aus einer Gesamtschau der vorgelegten Unterlagen lassen sich vielmehr hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme gewinnen, dass die ... straße entsprechend einem technischen Ausbauprogramm in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts bereits fertiggestellt war.
Mit dem Merkmal „technisches Ausbauprogramm“ greift der Gesetzgeber einen Begriff auf, der von der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der gemäß § 132 Nr. 4 BauGB in der Satzung der Gemeinde vorzunehmenden Festlegung der Merkmale der endgültigen Herstellung entwickelt wurde und von dort bekannt ist. Es besteht kein Grund, den Begriff hier anders zu interpretieren. Er ist nach allgemeiner Ansicht weit zu verstehen. Wie durch das Beiwort "technisch" verdeutlicht wird, ist darunter ein Plan zu verstehen, der Vorgaben zur bautechnischen Herstellung der Erschließungsanlage oder deren Teile enthält. Er muss sich mit Fragen des kunstmäßigen Ausbaus der Straße oder ihrer Teileinrichtungen befassen, also z.B. mit der Art der Befestigung der Fahrbahn, etwa dahin, ob sie mit Pflaster, Schwarzdecke, Beton oder Platten oder mit ähnlichem Material ausgestattet sein soll (OVG Greifswald, Beschluss vom 3. Juni 1996 - 6 M 20/95 -, DVBl. 1997, 501, 503). Aus dem "Plan"-Erfordernis folgt weiter, dass das technische Ausbauprogramm in irgendeiner Form schriftlich niedergelegt worden sein muss, etwa in einem Beschlussprotokoll, Aktenvermerk, oder in einer Anweisung an die ausführende Stelle; seine Existenz kann dann aber auch durch Zeugen bewiesen werden. Erforderlich ist, dass der Plan grundsätzlich von einer nach den jeweils geltenden Rechtsvorschriften für den Straßenbau zuständigen staatlichen Stelle stammt, von ihr gebilligt oder ihr sonst wie zuzurechnen ist. Da eine Erschließungsanlage den eigentlich in einem Bebauungsplan niedergelegten Planungsvorstellungen der Gemeinde entsprechen muss (vgl. § 125 Abs. 1 BauGB) und das technische Ausbauprogramm gleichsam nur einen Planersatz darstellt, ist erforderlich, dass dieser Plan von einer für den Straßenbau zuständigen Stelle irgendwie "autorisiert" ist (BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2007, a. a. O.). Diese Voraussetzungen liegen vor.
Es ist davon auszugehen, dass die Herstellung der ... straße dem von den maßgeblichen damaligen Stellen genehmigten Siedlungs- und Parzellierungsplan für das Gebiet von ... entsprach. Jedenfalls fehlt es an jedwedem Anhaltspunkt dafür, dass die ... straße nicht entsprechend diesem Plan ausgebaut worden ist. Die Fahrbahn wurde mit Kopfsteinpflaster belegt, es gab zu beiden Seiten Hochborde mit Rinnsteinen. Die ... straße erhielt eine Straßenbeleuchtung und eine, oben näher dargestellte Entwässerung. Sie war aufgrund dieser Herrichtung zu beiden Seiten entsprechend der Parzellierung bebaubar.
Allerdings konnte kein technisches Ausbauprogramm aufgefunden werden, das sich in der von der Rechtsprechung geforderten Konkretisierung auf die ... straße bezieht. Die vorliegenden Unterlagen lassen aber den Schluss zu, dass es auch für die ... straße ein konkretes technisches Ausbauprogramm gegeben haben muss.
Da hier der Siedlungs- und Parzellierungsplan der ... -Bodenaktiengesellschaft vorliegt, ist davon auszugehen, dass dieser Plan auch konkrete bautechnische Angaben zum Ausbau der jeweiligen Siedlungsstraßen enthielt, zumal das technische Ausbauprogramm gleichsam nur einen Planersatz darstellt. Denn das Ziel dieses Siedlungs- und Parzellierungsplans bestand darin, auf einem bisher unbebauten Gelände durch ein Unternehmen eine neue Siedlung entstehen zu lassen, indem das Land parzelliert wurde, um diese Parzellen anschließend baureif, d. h. erschlossen, zu verkaufen. Die Anlage von Straßen mit unterschiedlichen Funktionen zur verkehrsmäßigen Verbindung der Grundstücke war danach ein fester Bestandteil des Plans. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Übersendungsschreiben des Landrats des Kreises Teltow vom 28. Mai 1931 an den Regierungspräsidenten von Potsdam, in dem um die Genehmigung des anliegenden Siedlungsplans - mit Auflagen zur Entwässerung - gebeten wurde, dem ein Straßenprofilplan beigefügt war, sowie aus den verschiedenen Zeichnungen des Siedlungsplans, der das Straßennetz im Gittermuster mit unterschiedlich breiten Straßen abbildet.
Da die Straße gebaut worden ist, kann dies nur nach Genehmigung bzw. mit Zustimmung der damals zuständigen Stellen, insbesondere des Regierungspräsidenten in Potsdam, des Landrats des Kreises Teltow und vor allen Dingen mit der Genehmigung der Gemeinde ... geschehen sein. Ohne die Anlage von Straßen gab es auch zu damaliger Zeit keine Erlaubnis, ein Grundstück zu bebauen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Bebauung der ... straße nur aufgrund von Ausnahmegenehmigungen erfolgt ist. Die Genehmigung muss danach das damals geltende Recht berücksichtigt haben.
Die damals geltenden Polizeiverordnungen für die Straßenanlagen in ... und den Kreis Teltow sowie das damalige Ortsstatut enthielten sowohl für die Fahrbahn und die Beleuchtung als auch für die Entwässerung detaillierte Vorgaben. Ein Anbau war nach § 1 des Ortsstatuts des Gemeindebezirks ... vom 27. Februar 1931 (Ortsstatut) nur an den nach der Polizeiverordnung vom 1. Juli 1904 fertiggestellten Straßen zulässig. Diese Voraussetzungen galten auch für die Anlegung neuer Straßen durch Unternehmer (vgl. §§ 16, 18 Ortstatut), wie hier. Nach § 16 Abs. 3 des Ortstatuts waren vom Unternehmer ein Situationsplan, ein Nivellierungsplan und Angaben zur Herstellung der Entwässerungsanlagen einzureichen, wobei der Situationsplan die genaue Lage der Grundstücke und die Verbindung mit den angrenzenden schon bestehenden Straßen inklusive Rinnsteinen und Wasserkanälen ersichtlich machen musste.
In der Polizeiverordnung betreffend die Herstellung von Straßen für den öffentlichen Verkehr und den Anbau vom 7. Juni 1932, deren Anwendung aufgrund der mehrfachen Überarbeitung des Siedlungsplan bis zur endgültigen Genehmigung nicht völlig ausgeschlossen erscheint, sind diese Dinge vergleichbar geregelt.
Da der Siedlungs- und Parzellierungsplan nach einigen Überarbeitungen genehmigt wurde und die Straße in die Straßenbaulast der Gemeinde ... überführt worden ist, ist davon auszugehen, dass auch die ... straße entsprechend diesen Vorgaben damals hergestellt worden ist.
Etwaige Unsicherheiten gehen jedenfalls angesichts der Beweislastverteilung zulasten des Beklagten.
Anders als der Beklagte meint, kommt es für die erstmalige Herstellung zur Überzeugung der erkennenden Kammer nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die angelegte Entwässerung auch ausreichend genug dimensioniert war, um das Niederschlagswasser, insbesondere nach Starkregen, problemlos aufzunehmen und entsprechend dem Entwässerungsplan abzuleiten. Denn selbst wenn die Entwässerung nicht zuverlässig funktioniert hätte, würde es sich jedenfalls um eine primitive Form von Straßenentwässerung handeln, die damit über das bloße Versickernlassen, das den Anforderungen an eine bautechnische Herstellung nicht mehr genügen würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2007, a. a. O), hinausginge. Nicht entscheidungserheblich ist deshalb, dass die Entwässerung auch die Versickerung des Niederschlagswassers in den Fugen des Kopfsteinpflasters mit umfasste, denn die konkrete Gestaltung der Entwässerungsanlage in der ... straße durch beidseitige Rinnsteine, Ausnutzung des natürlichen Gefälles und Abläufe geht über das bloße Versickern der anfallenden Niederschläge weit hinaus. Damit handelt es sich um eine bautechnisch gestaltete, d. h. ausgebaute Regenwasserableitung. Etwaigen Problemen bei der Ableitung des Niederschlagswassers, die sich nach der Umsetzung des technischen Plans unter Umständen gezeigt haben sollten, wäre im Wege einer Mängelbeseitigung zu begegnen gewesen. Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass das Konzept zur Regenentwässerung der ... straße schon von vornherein ungeeignet gewesen wäre seinen Zweck zu erfüllen, gibt es nicht, zumal es bis heute so genutzt wird.
Ob die Herstellung der ... straße zusätzlich auch den damaligen örtlichen Ausbaugepflogenheiten i. S. d. § 242 Abs. 9 Satz 2 BauGB entsprochen hat, braucht nicht mehr entschieden zu werden. Für die Annahme, dass die ... straße bereits vor dem 3. Oktober 1990 hergestellt war, reicht es aus, wenn eine der beiden Tatbestandsalternativen verwirklicht ist. Beide Tatbestandsalternativen sind nach dem Wortlaut des § 242 Abs. 9 Satz 2 BauGB durch ein „oder“ getrennt und stehen damit gleichwertig nebeneinander (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. November 2002 und 11. Juli 2007, a. a. O.).
Damit handelt es sich bei der streitgegenständlichen Ausbaumaßnahme um eine Maßnahme an einer vorhandenen öffentlichen Straße, für die das Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg (KAG) Anwendung findet.
Die Anwendung des Erschließungsbeitragsrechts durch den Beklagten macht den angefochtenen Bescheid nicht rechtswidrig; das Gericht hat vielmehr gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Bescheid mit Blick auf das Straßenbaubeitragsrechts aufrechterhalten werden kann. Die Benennung der Rechtsgrundlage gehört lediglich zu den Gründen der angefochtenen Entscheidung des Beklagten, die im Verfahren gegebenenfalls durch eine andere zu ersetzen ist (BVerwG, Urteile vom 18. März 1988 - 8 C 92/87 - und vom 11. August 1993 - 8 C 13/93 -, zitiert nach juris; Urteil der Kammer vom 16. August 2010 - 12 K 2219/06 -, zitiert nach juris, Driehaus a. a. O., § 2 Rn. 65).
Maßgeblich ist damit die Satzung über die Erhebung von Beiträgen nach § 8 KAG für straßenbauliche Maßnahmen in der Gemeinde ... -... vom 12. November 2009 i. d. F. der 1. Änderungssatzung vom 29. April 2010 (SABS).
Nach § 1 SABS erhebt die Gemeinde ... -... zum Ersatz des Aufwandes für die Verbesserung von Anlagen im Bereich der öffentlichen Straßen von den Eigentümern, denen die Anlage durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme wirtschaftliche Vorteile bietet, Beiträge nach Maßgabe dieser Satzung. Sobald mit der Durchführung der Maßnahme begonnen worden ist, kann die Gemeinde Vorausleistungen bis zur Höhe von 70% der voraussichtlichen endgültigen Beitragsschuld verlangen (§ 8 SABS).
Bei der streitgegenständlichen Baumaßnahme handelt es sich um eine beitragspflichtige Verbesserung der Straße. Von einer Verbesserung ist auszugehen, wenn die Ausstattung der Anlage entsprechend ihrer bisherigen verkehrstechnischen Konzeption hinsichtlich der räumlichen Ausdehnung, der funktionalen Aufteilung der Gesamtfläche oder hinsichtlich der Art der Befestigung vorteilhaft verändert wird; die Vorteilhaftigkeit der Veränderung ist unter verkehrstechnischen Gesichtspunkten zu beurteilen, wonach zu prüfen ist, ob der Verkehr bei Zugrundelegung der bisherigen verkehrstechnischen Konzeption auf der neu gestalteten Anlage zügiger, geordneter, unbehinderter oder reibungsloser abgewickelt werden kann als vorher (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31. August 2007 - 9 N 148.05 - zitiert nach juris). Dies ist der Fall.
Die Anlegung eines durchgängigen einheitlich befestigten Geh/Radweges löst die drei unterschiedlichen bisherigen Formen (befestigter und unbefestigter Gehweg sowie Trampelpfad) ab. Mit einem durchgängigen Weg ist auch die Erhöhung der Sicherheit für den Fußgängerverkehr verbunden. Fußgänger müssen nicht mehr zwischendurch die Fahrbahn mitbenutzen. Ebenfalls vorteilhafter ist er für Radfahrer. Auch sie sind nicht mehr darauf angewiesen, neben dem fließenden Straßenverkehr die Fahrbahn benutzen zu müssen. Beiden Verkehrsteilnehmern steht mit der neuen Teileinrichtung eine vom fließenden Verkehr getrennte Einrichtung zur Nutzung zur Verfügung. Diese Trennung der verschiedenen Verkehrsarten erhöht die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer, weil auch die Fahrzeugführer auf der Fahrbahn jetzt nicht mehr auf Fußgänger und Radfahrer Rücksicht nehmen müssen, die zuvor eine Verkehrseinrichtung gemeinsam mit ihnen benutzt haben.
Die Ermittlung der voraussichtlichen Kosten der Ausbaumaßnahme mit 150.000 € ist nicht zu beanstanden. Sie beruht auf den Kostenansätzen der beauftragten Unternehmer für die Planung und den Bau des Geh/Radweges ohne die Kosten für die Zufahrten. Die Gemeinde besitzt bei der Ausgestaltung der Teileinrichtungen einer Straße einen weiten Ermessensspielraum, ob und auch in welchem Umfang sie Straßenbaumaßnahmen durchführen will (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1979 - IV C 28.76 - BVerwGE 59, 249, 252). Dieser Ermessenspielraum ist mit der Anlegung eines gemeinsamen Geh/Radweges an einer Haupterschließungsstraße nicht überschritten.
Der Beklagte hat den nach § 8 SABS vorausleistungsfähigen Aufwand entsprechend den satzungsrechtlichen Vorgaben in den §§ 2 ff. SABS rechnerisch nachvollziehbar und rechtsfehlerfrei mit 1.683,25 € ermittelt. In diesem Umfang erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtmäßig. Hinsichtlich des darüber hinausgehend festgesetzten Beitrages, der auf der Erschließungsbeitragssatzung des Beklagten beruht, ist der Bescheid rechtswidrig und daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.
Die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin für das Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, weil es der Klägerin aus der Sicht einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei nicht zuzumuten war, den Rechtsstreit ohne anwaltliche Hilfe zu führen. Dies gilt insbesondere für das Kommunalabgabenrecht, da hier der Betroffene in aller Regel nicht in der Lage ist, seine Rechte gegenüber der Verwaltung ohne rechtskundigen Rat ausreichend zu wahren (vgl. OVG Land Brandenburg, Beschlüsse vom 6. Dezember 1999 - 2 E 34/99, 2 E 36/99 und 2 E 38/99 -).
Die Berufung war nicht zuzulassen, da Gründe nach § 124 a i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO nicht gegeben sind.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 2.440,71 € festgesetzt.
G r ü n d e:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes.