Gericht | FG Berlin-Brandenburg 7. Senat | Entscheidungsdatum | 02.06.2016 | |
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Aktenzeichen | 7 K 7247/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Ablehnungsbescheid vom 30.10.2009 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 12.07.2013 werden aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Revision wird zugelassen.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Kosten des Verfahrens werden den Beteiligten je zur Hälfte auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Beteiligten streiten darum, ob dem Kläger eine Vorsteuerrückforderung wegen der Rückgängigmachung eines Grundstückskaufvertrages in Höhe von 65.876,00 € zu erlassen ist.
Der Kläger erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 11.06.2002 das Flurstück 253, Flur 2, Gemarkung B… und diverse Flurstücke in C…, D…-straße zum Gesamtkaufpreis in Höhe von 680.604,55 € von der E… GmbH. Von dem Kaufpreis entfielen 203.000,00 € auf den Erwerb des Grundstücks, 411.728,06 € auf den Erwerb des Inventars und 65.876,49 € auf die auf den Erwerb des Inventars entfallende Umsatzsteuer. Den daraus resultierenden Vorsteuererstattungsanspruch aus Juni 2002 trat der Kläger am 26.06.2002 an die E… GmbH ab. Die Abtretungsanzeige ging beim Beklagten am 17.07.2002 ein. Dem kam der Beklagte in Höhe des Guthabens aus der Umsatzsteuervoranmeldung des Klägers für das zweite Quartal 2002, welches 61.138,52 € betrug, nach. Der Vorsteuererstattungsanspruch des Klägers wurde mit der von der E… GmbH unter anderem für diesen Kaufvertrag geschuldeten Umsatzsteuervorauszahlung für Juni 2002 verrechnet.
Das steuerliche Konto der zunächst auch beim Beklagten geführten E… GmbH wurde am 23.04.2003 an das Finanzamt F… abgegeben und dort (wohl nur steuerlich) zum 01.01.2007 gelöscht. Mit Beschluss vom 09.01.2007 wurde die E… GmbH zum 31.12.2006 aufgelöst und am 20.07.2009 im Handelsregister gelöscht (HR-Ausdruck, 32 Gerichtsakte).
Am 16.06.2004 trat die E… GmbH in Ausübung des vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechts vom Kaufvertrag zurück, weil der Kläger den Kaufpreis nicht gezahlt hatte. Die Löschungsbewilligung der Auflassungsvormerkung erteilte der Kläger am 07.07.2004.
In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2004 machte die E… GmbH gegenüber dem Finanzamt F… eine Berichtigung der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze gemäß § 17 Umsatzsteuergesetz -UStG- aufgrund des Rücktritts vom Kaufvertrag vom 11.06.2002 geltend. Dem kam das Finanzamt F… nach und minderte die Umsatzsteuerschuld der E… GmbH im Jahre 2006 um 65.876,49 €. Dieser Betrag wurde nach Auskunft des Finanzamtes F… an die E… GmbH ausgezahlt.
In den Umsatzsteuervoranmeldungen für 2004 und für 2005 und auch in der am 20.04.2006 beim Beklagten eingegangenen Umsatzsteuererklärung 2004 machte der Kläger zu dem Rücktritt der E… GmbH vom Kaufvertrag keine Angaben. Er berichtigte den Vorsteuerabzug aus dem Kaufvertrag vom 11.06.2002 nicht. Die Umsatzsteuererklärung stand gemäß § 168 Satz 2 Abgabenordnung -AO- und der allgemein als erteilt geltenden Zustimmung einer Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO gleich.
In den Jahren 2006 und 2007 führte der Beklagte beim Kläger eine Außenprüfung für die Jahre 2002 bis 2004 unter anderem betreffend Umsatzsteuer durch. Der Prüfer stellte fest, dass die E… GmbH mit Rücktrittserklärung vom 16.06.2004 von dem Kaufvertrag aus 2002 zurückgetreten war und dass der Kläger am 07.07.2004 notariell die Löschung der Auflassungsvormerkung im Grundbuch beantragt hatte. Dies wertete er als eine bereits im Jahre 2004 feststehende Rückabwicklung des Kaufvertrages. Der Vorsteueranspruch sei daher schon im Jahre 2004 gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 3 UStG zu korrigieren. Wegen der Einzelheiten der Feststellungen und Bewertungen des Prüfers wird auf den Außenprüfungsbericht vom 15.02.2007, insbesondere Textziffer 16, verwiesen (Betriebsprüfungsakte Veranlagungsstelle).
Der Beklagte folgte der Auffassung des Prüfers und erließ am 02.03.2007 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid 2004, mit dem er die Vorsteuer aus dem Kaufvertrag vom 11.06.2002 in Höhe von 65.876,49 € gemäß § 17 UStG wegen der Änderung der Bemessungsgrundlage berichtigte.
Dagegen legte der Kläger Einspruch ein, mit dem er geltend machte, dass die Rückabwicklung erst im Jahr 2005 zu einer Vorsteuerkorrektur führe. Mit Schreiben vom 02.05.2007 beantragte er, im Erhebungsverfahren die E… GmbH für etwaige Steuerrückzahlungen in Anspruch zu nehmen.
Der Beklagte wies den Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid 2004 mit seiner Einspruchsentscheidung vom 19.05.2008 als unbegründet zurück. Darin wies der Beklagte darauf hin, dass die Inanspruchnahme der E… GmbH, des Zessionars, geprüft werde.
Am 13.05.2009 stellte der Kläger einen Antrag auf Vollstreckungsaufschub gemäß § 258 AO, auf die Inanspruchnahme des Zessionars und hilfsweise auf Erlass der Umsatzsteuer 2004 in Höhe von 65.876,49 € aus Billigkeitsgründen. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Schreiben vom 03.06.2009 ab. Eine Inanspruchnahme der E… GmbH sei nicht mehr möglich, weil diese bereits gelöscht worden sei. Diesem Schreiben war keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt.
Mit Schreiben vom 16.09.2009 hielt der Kläger dem Beklagten gegenüber seinen Antrag auf Erlass der Umsatzsteuer 2004 aufrecht und beantragte weiterhin die Inanspruchnahme des Zessionars.
Mit Bescheid vom 30.10.2009 lehnte der Beklagte den Erlassantrag (nochmals) ab, da weder sachliche noch persönliche Billigkeitsgründe vorgetragen worden seien. Sachliche Billigkeitsgründe lägen weder in der Festsetzung der Umsatzsteuer 2004, die der Kläger zudem nicht mit der Klage angefochten habe, noch in der bislang unterlassenen Inanspruchnahme des Zessionars. Eine Inanspruchnahme des Zessionars sei im Jahre 2007 nicht mehr möglich gewesen, weil dieser zum 01.01.2007 gelöscht worden sei. Eine Inanspruchnahme des Zessionars vor dem 22.06.2008 sei nicht in Betracht gekommen, weil für die Umsatzsteuer 2004 bis zu diesem Zeitpunkt Aussetzung der Vollziehung gewährt worden sei. Ferner komme auch ein Erlass aus persönlichen Gründen nicht in Betracht. Eine Erlassbedürftigkeit sei nicht gegeben. Es sei auch ohne den begehrten Erlass nicht zu befürchten, dass das wirtschaftliche Bestehen des Klägers ernsthaft gefährdet sei. Auch diesem Bescheid fügte der Beklagte keine Rechtsbehelfsbelehrung bei.
Mit Schreiben vom 22.04.2010, eingegangen beim Beklagten am 29.09.2010, wandte sich der Kläger gegen diese Entscheidung. Ein Erlass sei aus persönlichen Gründen gerechtfertigt, da der Erlass der Umsatzsteuer aus der Rückabwicklung des Kaufvertrages nicht zu Lasten der Allgemeinheit gehen würde. Die zurückgeforderte Umsatzsteuer sei bereits durch den Verkäufer ausgeglichen worden. Daher käme es zu einer weiteren, doppelten Umsatzsteuerzahlung. Auch seine, des Klägers, wirtschaftliche Verhältnisse sprächen für einen Erlass. Neben dem Beklagten trete nur die G… Bank als Gläubiger auf. Mit dieser stehe er in Vergleichsverhandlungen, die auf einen Teilverzicht hinauslaufen würden. Seine wirtschaftliche Existenz sei allein durch die Forderung des Beklagten gefährdet. Auch bestünden sachliche Gründe für einen Erlass. Bereits bei der Betriebsprüfung sei über die steuerlichen Folgen der Rückabwicklung gesprochen und eine Inanspruchnahme des Zessionars beantragt worden. Mit Schreiben vom 02.05.2007 habe er, der Kläger, die Inanspruchnahme des Zessionars schriftlich beantragt. Es dürfe nicht zu seinem, des Klägers, Nachteil gewertet werden, wenn nunmehr eine Inanspruchnahme des Zessionars nicht mehr möglich sei.
Der Beklagte wies den Einspruch mit seiner Einspruchsentscheidung vom 12.07.2013 als unbegründet zurück. Darin führte er aus, dass keine Verletzung der Fürsorgepflicht vorliege. Werde eine Lieferung, für die ein Vorsteuerabzug in Anspruch genommen worden und der sich daraus ergebende Vergütungsanspruch abgetreten gewesen sei, rückgängig gemacht, so entstehe gegenüber dem Abtretungsempfänger ein Rückforderungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO. Dieser richte sich gemäß § 37 Abs. 2 Satz 3 AO ebenso gegen den Abtretenden selbst. Abtretungsempfänger und Abtretender seien Gesamtschuldner. Daher habe die Finanzbehörde zwischen diesen ihre Wahl bei der Inanspruchnahme nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Eine Rangfolge sei nicht vorgeprägt und auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Rechtsgerechtigkeit abzuleiten.
Mit der Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2004 sei nach pflichtgemäßem Ermessen auch das Leistungsgebot gegen den Kläger zu richten gewesen. Könne ein Steuerpflichtiger den Rückforderungsbescheid nicht erfüllen, sei anschließend der Abtretungsempfänger zur Zahlung aufzufordern. Zunächst habe der Kläger Einspruch gegen den geänderten Umsatzsteuerbescheid eingelegt und die beantragte Aussetzung der Vollziehung gewährt bekommen. Die Aussetzung sei erst zum 22.06.2008, einen Monat nach Ergehen der Einspruchsentscheidung, beendet worden. Da die E… GmbH nach Auskunft des für sie zuständigen Finanzamtes am 05.03.2008 im Handelsregister gelöscht worden sei, habe eine Inanspruchnahme dieser als Zessionar nach Bestandskraft der Steuer aus tatsächlichen Gründen nicht mehr erfolgen können. Darüber hinaus sei es aus seiner, des Beklagten, Sicht unerheblich, ob eine Rückforderung zu einem früheren Zeitpunkt hätte erfolgen müssen. Mit der Abtretung habe der Kläger eine gegen ihn gerichtete Forderung beglichen. Er sei damit in gleicher Höhe unmittelbar ungerechtfertigt bereichert. Zudem sei nach Rücksprache mit dem für die E… GmbH zuständigen Finanzamt in deren Steuererklärung 2004 die Rückabwicklung des Kaufvertrages berücksichtigt.
Ein Erlass aus persönlichen Gründen komme nicht in Betracht. Aus den Einkünften, die sich aus der Steuererklärung für 2013 ergäben, lasse sich ersehen, dass diese über dem Grundfreibetrag (für Ehegatten) liegen werde. Damit sei der notwendige Lebensunterhalt gesichert. In diesem Zusammenhang sei unerheblich, ob die Forderung der G… Bank zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch bestehe.
Dagegen hat der Kläger Klage erhoben. Er macht geltend, dass er bereits während der Außenprüfung darauf hingewiesen habe, dass die Vorsteuer vom Zessionar zurückzufordern sei. Dies habe der Beklagte aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht getan. Vor der Löschung der E… GmbH am 01.01.2007 sei gegenüber dieser keine Korrektur der Umsatzsteuer für 2004 erfolgt. Ihr sei die Umsatzsteuer aus dem Grundstückskaufvertrag in Höhe von 65.876,49 € nicht rückerstattet worden. Wegen der erfolgten Löschung der GmbH im Handelsregister könne insoweit auch keine Korrektur erfolgen
Die Einziehung der geforderten Umsatzsteuer sei unbillig. Er sei wirtschaftlich bedürftig und nicht zur Zahlung der Steuer in der Lage. Ferner entstehe dem Fiskus kein Ausfall der Steuer. Die Einziehung bei ihm würde zu einer doppelten Vereinnahmung der streitigen Umsatzsteuer führen.
Es sei zutreffend, dass die Rückabwicklung des Kaufvertrages keinen Eingang in die Steuererklärungen des Jahres 2004 gefunden habe. Allerdings sei die Rückabwicklung von ihm und der E… GmbH erst mit Vergleichsvertrag vom 24.06.2005 / 08.07.2005 vorgenommen worden. Eine Korrektur wäre im Rahmen der Umsatzsteuererklärung 2005 erfolgt. Bereits vor deren Einreichung sei die Frage der Umsatzsteuerkorrektur allerdings Gegenstand der Außenprüfung gewesen. Die Korrektur sei im Rahmen dieser Prüfung vorgenommen worden.
Ferner habe der Beklagte bereits im Jahre 2006 Kenntnis davon erlangt, dass die E… GmbH die Rückerstattung der Umsatzsteuer beantragt hatte. Trotz Hinweises sei vom Beklagten nichts unternommen worden, um vor Liquidation und Löschung der E… GmbH die Umsatzsteuerforderung bei dieser geltend zu machen. Der E… GmbH sei der Vorsteuererstattungsanspruch zu Gute gekommen, weil sie mit diesem Anspruch gegen ihre eigene Umsatzsteuerverbindlichkeit aufgerechnet habe. Es wäre daher sachgerecht gewesen, wenn der Beklagte nach erfolgter Rückabwicklung des Kaufvertrages die Umsatzsteuerforderung bei der E… GmbH geltend gemacht hätte.
Der Kläger beantragt,
den Ablehnungsbescheid vom 30.10.2009 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 12.07.2013 aufzuheben und
den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die mit Bescheid vom 02.03.2007 festgesetzte Umsatzsteuer 2004 in Höhe von 65.876,49 € zu erlassen,
die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf die in der Einspruchsentscheidung wiedergegebenen Gründe und führt ergänzend aus, dass § 37 Abs. 2 Satz 3 AO kein subjektives öffentliches Recht des Steuerpflichtigen auf ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung begründe. Die Norm bezwecke lediglich, die Rechtsstellung der Finanzbehörde im Falle der Abtretung zu stärken und Schwierigkeiten bei der Einziehung einer abgetretenen Forderung dadurch zu minimieren, dass auch die Einziehung bei dem Abtretungsempfänger und beim Abtretenden gleichermaßen möglich sei.
Im Streitfall gehörten sowohl die Umsatzsteuerkorrektur als auch die Vorsteuerkorrektur aufgrund der Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrages in das Jahr 2004. Denn mit der vom Kläger im Jahr 2004 erteilten Löschungsbewilligung sei die Rückabwicklung erfolgt. Dementsprechend seien die Ergebnisse der Außenprüfung mit dem Änderungsbescheid vom 02.03.2007 umgesetzt worden.
Die Umsatzsteuerkorrektur bei der E… GmbH sei in deren Umsatzsteuererklärung 2004 enthalten gewesen. Der daraus resultierende Erstattungsanspruch sei im Jahre 2006 bereits ausgezahlt worden.
Dass die E… GmbH mit dem abgetretenen Erstattungsanspruch ihre eigene Umsatzsteuerschuld verringert habe, sei nicht zur Beurteilung heranzuziehen. Der Kläger habe den Umsatzsteuerbetrag gegenüber der E… GmbH als Teil des Kaufpreises zahlen müssen. Mit der Abtretung habe er diesen Teil seiner Verbindlichkeit beglichen und sei entsprechend begünstigt. Dies sei vergleichbar mit dem Fall, dass er den Erstattungsanspruch nicht abgetreten und ihn stattdessen selbst eingezogen hätte. In beiden Fällen sei sein Vermögen gemehrt.
Die Finanzbehörde solle mit dem Risiko, dass sich bestehende Ansprüche wegen eines zwischenzeitlichen Wegfalls oder Vermögensverfalls des Abtretenden oder des Abtretungsempfängers nicht mehr realisieren lassen, nach § 37 Abs. 2 AO nicht belastet werden. Es sei dem Kläger überlassen, sich wegen der Folgen der Grundstücksabwicklung gegenüber dem Zessionar schadlos zu halten.
Dem Gericht haben bei der Entscheidung neun Bände Akten (Erlass- und Stundungsakte, Gewerbesteuer, Einkommensteuer, Betriebsprüfung „Betriebsprüfungsstelle“, Betriebsprüfung „Veranlagungsstelle“, Einheitswertakten - zwei Bände, Vertragsakte, Investitionszulage) und acht Heftungen (Rechtsbehelfsvorgang Erlass, Bilanz 99- 2002, ESt USt GewSt Bilanz 2002, ESt USt GewSt Bilanz 2003, ESt USt GewSt Bilanz 2004, ESt USt GewSt 05-06, ESt USt GewSt 07 Bilanzen 05-07, ESt 11-12 GewSt 11 USt 08-12 EÜR 08-12) des Beklagten zur Steuernummer … vorgelegen, unter der der Kläger bei diesem geführt wird.
Der Senat legt die Einwendungen des Klägers gegen seine eigene Inanspruchnahme und die Anträge, die E… GmbH vorrangig auf Zahlung in Anspruch zu nehmen, dahingehend aus, dass der Kläger sich neben der Anfechtung der den Erlass ablehnenden Entscheidung gegenüber dem Beklagten auch gegen seine Inanspruchnahme mit dem Leistungsgebot im Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 02.03.2007 wendet. Denn der Kläger hat in seinem dagegen gerichteten Einspruch auch beantragt, dass der Beklagte nicht ihn, sondern die E… GmbH im Erhebungsverfahren zur Zahlung heranziehen solle. Diesen Antrag lehnte der Beklagte in den Schreiben vom 03.06.2009 und vom 30.10.2009 ab. Gegen letzteres Schreiben hat der Kläger rechtzeitig innerhalb der gemäß § 356 Abs. 2 Satz 1 AO geltenden Jahresfrist Einspruch eingelegt, der nach Auffassung des Senats auch die Anfechtung des an den Kläger gerichteten Leistungsgebots umfasst. Über diesen Einspruch ist noch nicht entschieden. Das Verfahren ist nach wie vor noch offen. Denn der Beklagte hat seine Einspruchsentscheidung vom 12.07.2013 auf die Entscheidung über die Ablehnung des Erlasses der Umsatzsteuer 2004 beschränkt.
Es gibt auch keine bestandskräftige Entscheidung, dass der Kläger die Inanspruchnahme auf Zahlung der sich aus der Berichtigung des Vorsteuererstattungsanspruchs ergebenden Zahlungsverpflichtung (Leistungsgebot) dulden muss.
Das Gericht hält es für sachgerecht, insgesamt über den Erlassantrag zu entscheiden. Mit einer Entscheidung über den Erlassantrag ist für alle Zeiten geklärt, ob der Kläger leisten muss. Bei einer Entscheidung nur über das angefochtene Leistungsgebot im Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 02.03.2007 bliebe die Wiederholung eines Leistungsgebotes möglich.
Die so verstandene Klage ist zulässig und mit dem Bescheidungsausspruch auch begründet.
Der Ablehnungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 101 Finanzgerichtsordnung -FGO-. Der Beklagte ist verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden (§ 101 Satz 2 FGO).
Gemäß § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, zu denen auch Ansprüche auf Säumniszuschläge gehören (§ 37 Abs. 1, 3 Abs. 4 AO), ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Bei der angefochtenen Erlassablehnung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nach § 102 FGO vom Gericht nur daraufhin zu überprüfen ist, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
Eine fehlerfreie Ermessensausübung setzt voraus, dass die Finanzbehörden ihre Entscheidung anhand des einwandfrei und erschöpfend ermittelten Sachverhaltes treffen. Dabei müssen die Gesichtspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art berücksichtigt werden, die nach Sinn und Zweck der Norm, die das Ermessen einräumt, maßgeblich sind (Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil vom 26.01.1988 - VIII R 151/84, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 1988, 695). Dabei kann das Gericht nur ausnahmsweise eine Verpflichtung des Finanzamts zum Erlass aussprechen, wenn der Ermessensspielraum im konkreten Fall derart eingeengt ist, dass nur eine Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt (BFH, Urteil vom 20.05.2010 - V R 42/08, Bundessteuerblatt -BStBl.- II 2010, 955). Ist das Ermessen nicht derart eingeschränkt, ist die Finanzbehörde durch das Gericht zu verpflichten, den Kläger erneut zu bescheiden.
Der Beklagte hat den begehrten Erlass nur insoweit ermessensfehlerfrei abgelehnt, als er von dem Fehlen sachlicher Erlassgründe ausgegangen ist. Es bestanden im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, mithin der Einspruchsentscheidung, keine sachlichen Billigkeitsgründe, die den Beklagten hätten veranlassen müssen, den streitigen Betrag zu erlassen.
Unbilligkeit kann aus sachlichen oder persönlichen Gründen gegeben sein. Sachliche Unbilligkeit liegt vor, wenn die Festsetzung einer Steuer an sich zwar dem (gegebenenfalls nach Wortlaut, Systematik und Zweck etc. ausgelegten) Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes im konkreten Einzelfall derart zuwider läuft, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheint. Persönliche Unbilligkeit setzt das kumulative Vorliegen von Erlassbedürftigkeit und -würdigkeit voraus (Klein/Rüsken, AO, 13. Auflage München 2015, § 227 Rz. 17 in Verbindung mit § 163 Rz. 32 und 84 mit weiteren Nachweisen).
Sachliche Billigkeitsgründe sind im Streitfall nicht erkennbar.
Die aus der Vorsteuerkorrektur beim Kläger resultierende Umsatzsteuerforderung 2004 ist nicht deshalb gemäß § 227 AO zu erlassen, weil der Fiskus den Betrag in Höhe von 65.876,49 € zweimal erhalten hätte. Dies trifft nicht zu. Die E… GmbH hat diesen Betrag als ihre Umsatzsteuerschuld im Jahr 2002 einmal gezahlt (Tilgung durch Aufrechnung mit dem abgetretenen Erstattungsanspruch des Klägers) und einmal zurückerhalten. Denn sie hat ihre Umsatzsteuerschuld 2004 durch Korrektur der Bemessungsgrundlage in diesem Jahr wegen der Rückabwicklung des Kaufvertrages gemindert. Diese Steuerminderung führte im Jahr 2006 für das Jahr 2004 dazu, dass die E… GmbH für 2004 eine um 65.876,49 € geminderte Umsatzsteuer zu entrichten hatte. Damit ist dieser Betrag nicht beim Fiskus geblieben. Der Kläger hingegen hat durch Geltendmachung des Vorsteueranspruchs in 2002 erreicht, dass seine Umsatzsteuerschuld für das Jahr 2002 um 65.876,49 € geringer geworden ist. Die aufgrund der Außenprüfung bei ihm vorgenommene Korrektur des Vorsteuerabzuges im Jahr der Rückgängigmachung des Kaufvertrages (2004) um diesen Betrag gleicht nur diese im Jahr 2002 erfolgte Minderung betragsmäßig wieder aus. Sie führt nicht dazu, dass der Fiskus den Betrag zum zweiten Mal vereinnahmen würde.
Es war auch nicht ermessensfehlerhaft, den Erlass abzulehnen, weil ein Rückforderungsanspruch von der E… GmbH nicht zu erlangen war. Dies liegt allerdings nicht daran, dass der Anspruch erst nach Ablauf der Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuer 2004 beigetrieben werden durfte und zu diesem Zeitpunkt (in 2008) die E… GmbH bereits gelöscht gewesen war. Es liegt vielmehr daran, dass von vornherein ein Rückforderungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO nicht entstanden ist. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrages, wenn eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden ist. Diese Voraussetzung liegt im Streitfall nicht vor. Die vom Kläger an die E… GmbH abgetretene Umsatzsteuererstattung Juni 2002 ist nicht ohne rechtlichen Grund gezahlt. Denn der Erstattungsanspruch des Klägers bestand wegen des vom Beklagten zu gewährenden Vorsteuererstattungsbetrages zu Recht. Daran hat sich auch nichts geändert. Weder bestand für die Umsatzsteuererstattung Juni 2002 kein rechtlicher Grund noch ist dieser rechtliche Grund später weggefallen. Der Beklagte hat wegen der Rückgängigmachung des Kaufvertrages zu Recht keine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung Juni 2002 oder der Jahresfestsetzung 2002 vorgenommen. Es handelt sich dabei nicht um ein Ereignis mit Wirkung für 2002. Stattdessen hat er, wie dies auch sachlich richtig ist, im Jahr der Rückgängigmachung eine gemäß § 17 UStG vorzunehmenden Vorsteuerkorrektur beim Kläger berücksichtigt, die im Jahr der Rückgängigmachung des Kaufvertrages dazu führt, dass gegenüber dem Kläger Umsatzsteuer um diesen Vorsteuerkorrekturbetrag höher festzusetzen ist als dies ohne eine Vorsteuerkorrektur der Fall wäre. Damit ändert sich die Umsatzsteuer im Jahr der Vorsteuerkorrektur, die die Beteiligten im Streitfall bestandskräftig im Jahr 2004 verorten. Die Umsatzsteuerschuld 2004 ist aber keine Rückforderung der ausgezahlten Umsatzsteuer für Juni 2002, sondern eine eigenständig gesetzlich entstandene Steuer. Sie hat außer dem Ursprungssachverhalt, an den sie anknüpft, nichts mit der ausgezahlten Umsatzsteuer Juni 2002 zu tun.
Der Senat folgt insoweit dem Urteil des 6. Senats des Finanzgerichts -FG- Berlin-Brandenburg vom 27.09.2007 (6 K 5154/04 B, Entscheidungen der FG -EFG- 2008, 102, Tz. 34 ff. mit weiteren Nachweisen zum Meinungsstand, zweifelnd auch BFH, Beschluss vom 13.07.2006 - V B 70/06, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 214, 467, BStBl. II 2007, 415; dem folgend Klein/Ratschow, AO, 13. Auflage München 2016, § 37 Tz. 42 mit weiteren Nachweisen auch zum Meinungsstand; anderer Ansicht BFH, Urteil vom 19.08.2008 - VII R 36/07, BFHE 222, 205, BStBl. II 2009, 90, der nicht auf einen Steuerbescheid für dasselbe Jahr des Vorsteuerabzugs abstellt, Tz. 14, 20 ff. mit weiteren Nachweisen).
Daher wäre der Beklagte gar nicht nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO berechtigt gewesen, den streitigen Betrag von der E… GmbH zu fordern. Eine Auswahl zwischen Gesamtschuldnern war nicht zu treffen.
Allerdings hat der Beklagte nicht ermessensfehlerfrei ermittelt, ob der Kläger im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier der Einspruchsentscheidung vom 12.07.2013, erlassbedürftig ist.
Die Einziehung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis ist (nur) persönlich unbillig, wenn der Steuerpflichtige erlassbedürftig und erlasswürdig ist (Klein/Rüsken, a.a.O., § 227 Rz. 29, 33 mit weiteren Nachweisen). Sie liegen insbesondere vor, wenn der Steuerpflichtige in eine unverschuldete finanzielle Notlage geraten ist oder durch die Einziehung der festgesetzten Steuer geraten würde, so dass die Fortführung eines Unternehmens des Steuerpflichtigen oder dessen notwendiger Lebensunterhalt dauernd gefährdet würde. Ein Erlass wegen persönlicher Unbilligkeit kommt nur in Betracht, wenn sich der Erlass noch auf die Situation des Steuerpflichtigen auswirken kann (Klein/Rüsken, a.a.O., § 227 Rz. 26; BFH, Beschluss vom 31.01.2002 - VII B 312/00, BFH/NV 2002, 889).
Im Streitfall lässt sich die Erlassbedürftigkeit schon nicht feststellen. Die Vermögenslage des Klägers ist nicht im Einzelnen vom Beklagten aufbereitet worden.
Aus den Akten ergibt sich, dass der Kläger am 09.09.2008 die eidesstattliche Versicherung geleistet hat. Danach sollen weitere Verbindlichkeiten in Form von Darlehen bestanden haben. Ob dies bei Ergehen der Einspruchsentscheidung am 12.07.2003 auch noch der Fall war, hat der Beklagte nicht ermittelt. Der Kläger hat, ohne dies durch Vorlage von aussagekräftigen Unterlagen zu belegen, behauptet, dass die G… Bank die einzige Gläubigerin gewesen sei und dass ein Teilverzicht bevorstehe. Näheres ist nicht mitgeteilt. Dazu hat der Beklagte keine weiteren Ermittlungsversuche unternommen und insbesondere den Kläger nicht aufgefordert, Schuldenstände und eventuelle Einigungen mit der Gläubigerin vorzutragen und durch Vorlage geeigneter Unterlagen nachzuweisen.
Ferner ist nicht ersichtlich, ob der Lebensunterhalt des Steuerpflichtigen durch die Umsatzsteuerschuld 2004 gefährdet ist. Der Kläger erzielte ausweislich der Einnahme-Überschuss-Rechnung 2010 und der Einkommensteuererklärung 2011 geringe Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit, aus Vermietung und Verpachtung sowie (im Jahre 2011) aus Leibrenten. Insgesamt ergeben sich aus der Einkommensteuererklärung Einkünfte und Bezüge in Höhe von 6.537,00 € + 1.582,00 €. Diese waren für sich genommen nicht geeignet den Lebensunterhalt des Klägers zu sichern. Zudem sind sie so gering, dass daraus keine Mittel zur Verfügung standen, die Umsatzsteuerschuld 2004 aus diesen Mitteln zu tilgen.
Die Behauptung des Beklagten, der Lebensunterhalt des Klägers sei über die von seiner Ehefrau erzielten Einkünfte und deren erhaltene Bezüge gesichert, ist nicht verifiziert. Denn dies setzt voraus, dass der Kläger gegenüber seiner Ehefrau einen durchsetzbaren Unterhaltsanspruch hatte. Der Beklagte hat aber nicht ermittelt, wie hoch dieser Unterhaltsanspruch ist und ob er mit den eigenen Einkünften und Bezügen des Klägers ausreicht, um neben der Lebensführung auch die fragliche Umsatzsteuerschuld zu tilgen. Nach §§ 1360, 1360a Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- umfasst der angemessene Unterhalt der Familie alles, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten zu befriedigen. Er ist in der Weise zu leisten, die durch die eheliche Lebensgemeinschaft geboten ist, und besteht mithin nicht unbedingt in einem Geldanspruch. Zudem ist fraglich, ob mit einem eventuellen Unterhaltsanspruch gegen seine Ehefrau dem Kläger genügend Mittel verbleiben, auch die Schulden gegenüber dem Beklagten zu tilgen oder ob ausschließlich der Lebensunterhalt gesichert ist.
Es ist ferner nicht ausgeschlossen, dass sich die berufliche Situation des Klägers durch einen Erlass verbessern könnte. Der Kläger wurde im Jahr 2013 65 Jahre alt. Es bleibt auch unter Berücksichtigung dieses Alters des Klägers zu prüfen, ob eine weitere berufliche Tätigkeit nur unter Einbeziehung des begehrten Erlasses möglich ist.
Unter der Annahme, es bestehe keine Erlassbedürftigkeit, hat der Beklagte die Erlasswürdigkeit des Klägers nicht geprüft. Auch dies ist hingegen erforderlich. Dabei dürfte der Beklagte das Erklärungsverhalten des Klägers in Bezug auf die Vorsteuerberichtigung noch würdigen müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Wegen des Ausspruches eines Bescheidungsanspruchs ist von hälftigem Obsiegen und Unterliegen auszugehen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung -ZPO-.
Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen, weil die Frage der Entstehung eines Rückforderungsanspruchs gemäß § 37 Abs. 2 AO im Hinblick auf eine Vorsteuerkorrektur nach § 17 UStG ungeklärt und teilweise abweichend entschieden ist.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären. Die Sach- und Rechtslage war nicht so einfach als dass sich der Kläger selbst hätte vertreten können oder müssen.