Gericht | Vergabekammer Potsdam | Entscheidungsdatum | 18.10.2010 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | VK 55/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Das Verfahren auf Gestattung des Zuschlages wird wegen Erledigung eingestellt.
3. Die Antragstellerin trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens.
4. Die Gebühr wird auf X.XXX,XX EUR festgesetzt und mit dem eingezahlten Kostenvorschuss verrechnet.
I.
Die Auftraggeberin schrieb im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom … 2010 die infrastrukturelle Erschließung/Erweiterung des Industriestandortes … – Los 2: Brauch- und Prozesswasserversorgung – im Offenen Verfahren europaweit aus.
Die Auftraggeberin handelt im eigenen Namen und auf Rechnung der Stadt … (…) und der Gemeinde … (…) als Treuhänderischer Erschließungsträger für den Industriestandort …, Ziff. I.1) der Bekanntmachung.
Als Vertragszeitraum vorgesehen ist gemäß Ziff. II.3) der Bekanntmachung der Zeitraum vom … 2010 bis zum … 2011; die Bindefrist wurde festgelegt bis zum … 2010, Ziffer IV.3.7). Varianten/Alternativangebote waren zugelassen, Ziff. II.1.9). Als Zuschlagskriterien bestimmte die Auftraggeberin den Preis (Gewichtung 70), das Konzept der Baustellenorganisation und Leistungsabwicklung, der Baustellenbesetzung, einschließlich Personal, … (Gewichtung 20) sowie die Verfügbarkeit und Qualitätssicherung der Maschinentechnik … (Gewichtung 10).
Als Termin für die Öffnung der Angebote bestimmte sie den … 2010, 14.00 Uhr, Ziff. IV.3.8). Mit weiterer Bekanntmachung vom … 2010 korrigierte die Auftraggeberin diesen Termin auf den …, 14.00 Uhr. Entsprechend verändert erfolgte die Festlegung der Vertragslaufzeit – Beginn: … 2010.
Die Submission erfolgte am … 2010. Die Antragstellerin beteiligte sich mit einem Hauptangebot sowie XX Nebenangeboten.
Mit Schreiben vom … 2010 teilte die Auftraggeberin allen Bietern mit, dass im Rahmen der Angebotseröffnung als Bieter Nr. 1 die Fa. … und als Bieter Nr. 7 die Fa. … verlesen und im Submissionsprotokoll vermerkt worden seien. Beim Bieter Nr. 1 handle es sich um eine Bietergemeinschaft, bestehend aus den Firmen … und … und beim Bieter Nr. 7 um eine Bietergemeinschaft bestehend aus den Firmen … und … .
Am … 2010 führte die Auftraggeberin mit der Antragstellerin ein Aufklärungs-/Bietergespräch.
Im Ergebnis der Angebotsauswertung teilte die Auftraggeberin der Antragstellerin mit vorab per E-Mail versandtem Schreiben vom … 2010 mit, dass sie beabsichtige, am … 2010 auf das Angebot der Bietergemeinschaft … – …, den Zuschlag zu erteilen. Auf ihr Angebot könne der Zuschlag nicht erteilt werden, weil ihr Hauptangebot nicht das wirtschaftlichste gewesen sei. Auf der Grundlage der Wertungskriterien habe sie folgende Punktzahlen erreicht: gesamt … von 1.000, davon (1) Preis … von 700, … Der Erstplatzierte habe insgesamt … Punkte erreicht (700, …). Bei den Wertungskriterien (2) und (3) liege sie vor dem Erstplatzierten, es habe der Preis (1) entschieden. Die Nebenangebote … seien aufgrund der Wertung für den Zuschlag nicht in Betracht gekommen – der Nachweis der Gleichwertigkeit gegenüber dem Hauptangebot sei nicht bewertbar erbracht worden. Die Nebenangebote … seien gewertet worden.
Mit anwaltlichem Schreiben vom … 2010 beanstandete die Antragstellerin die beabsichtigte Auftragsvergabe an die … und die … . Dem Schreiben vom … 2010 sei aus ihrer Sicht zu entnehmen, dass es sich um ein widersprüchliches und formell unzureichendes Angebot handle, aus dem nicht hinreichend hervorgehe, dass es von einer Bietergemeinschaft abgegeben wurde. Es unterliege daher dem Ausschluss. Gemäß Ziff. 10.11 der besonderen Vertragsbedingungen mussten die Bieter dem Angebot die Bereitschaftserklärung eines Kreditinstitutes oder Kreditversicherers beifügen, dass im Auftragsfalle eine entsprechende Bürgschaft bis zu einem Betrag von 50 % des vereinbarten Leistungsentgelts ausgestellt wird. Aus dem Umstand, dass das Angebot der … und der … preislich deutlich von dem Angebot der Antragstellerin abweiche, lasse sich schließen, dass eine verbindliche Bereitschaftserklärung eines Kreditinstitutes oder eines Kreditversicherers, die mit entsprechendem Kostenaufwand verbunden sei, dem Angebot nicht beigefügt gewesen sei. Auch aus diesem Grunde sei das betreffende Angebot daher zwingend auszuschließen.
Diese Beanstandungen hat die Auftraggeberin mit anwaltlichem Schreiben vom … 2010 zurückgewiesen. Das Angebot der Bietergemeinschaft … und … sei zum Submissionszeitpunkt ordnungsgemäß beschriftet und von beiden Mitgliedern der Bietergemeinschaft rechtsverbindlich unterschrieben worden. Zudem habe dem Angebot eine rechtsverbindlich unterzeichnete Bietergemeinschaftserklärung beigelegen. Zu dem Fehler bei der Verlesung der Angebote sei es gekommen, weil die Auftraggeberin das Submissionsprotokoll auf der Grundlage der Liste der Unternehmen vorbereitet habe, die die Ausschreibungsunterlagen abgefordert hatten. Die Abforderung der Unterlagen sei durch die Firma … erfolgt. Es habe sich lediglich um einen Lesefehler durch den Mitarbeiter der Auftraggeberin gehandelt, der sich an der vorbereiteten Liste orientiert habe. Das Angebot der Bietergemeinschaft selbst sei in allen Teilen formell in Ordnung, vollständig und zweifelsfrei. Das Angebot enthalte auch die geforderte verbindliche Bereitschaftserklärung eines Kreditinstitutes zur Bereitstellung des geforderten Betrages in Form einer Vorauszahlungsbürgschaft. Die vorgelegte Erklärung sei verbindlich formuliert und entspreche damit den Anforderungen der Ausschreibung.
Mit weiterem Rügeschreiben vom … 2010 hielt die Antragstellerin ihre bisherigen Rügen aufrecht. Nach zwischenzeitlich ergänzender Prüfung des Absageschreibens werde ergänzend gerügt, dass die Nebenangebote 1, 2 und 3 nicht gewertet wurden. Hierzu finde sich in dem Absageschreiben lediglich die Aussage, dass der Nachweis der Gleichwertigkeit gegenüber dem Hauptangebot nicht bewertbar erbracht worden sei. Dies treffe nicht zu.
Auch diese Beanstandungen wies die Auftraggeberin im Einzelnen mit Schreiben vom … 2010 zurück.
Die Antragstellerin hat am … 2010 bei der Vergabekammer des Landes Brandenburg einen Nachprüfungsantrag gestellt, mit dem sie die beabsichtigte Zuschlagserteilung an die Bietergemeinschaft … und … und die Nichtberücksichtigung ihrer Nebenangebote 1, 2 und 3 weiter beanstandet.
Die Antragstellerin beantragt,
1. die Auftraggeberin zu verpflichten, der Auftraggeberin aufzugeben, in dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren das Angebot der beizuladenden Unternehmen … und … vom Vergabeverfahren auszuschließen und die Wertung der Angebote unter Berücksichtigung der Nebenangebote 1, 2 und 3 der Antragstellerin zu wiederholen,
2. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären,
3. der Auftraggeberin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen,
4. der Antragstellerin nach Erhalt der Vergabeakte gemäß § 111 GWB Akteneinsicht zu gewähren.
Die Auftraggeberin hat keinen Antrag gestellt.
Am … 2010, ergänzt mit Schriftsatz vom ... 2010, hatte sie bei der Vergabekammer – im Wesentlichen mit der Begründung ihrer Rügeantwortschreiben – eine Schutzschrift hinterlegt, um der Zustellung eines etwaigen Nachprüfungsantrages entgegen zu wirken. In der Schutzschrift hatte sie beantragt,
1. einen eventuellen Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens nicht zuzustellen,
hilfsweise über einen solchen Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens nur nach vorheriger Anhörung der Vergabestelle zu entscheiden,
2. für den Fall der Zurückweisung/Nichtzustellung des Antrages auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens oder seiner Zurücknahme durch die mutmaßliche Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der durch die Hinterlegung der Schutzschrift entstandenen Kosten aufzuerlegen.
Mit Schriftsatz vom … 2010, in der Vergabekammer eingegangen am … 2010, hat die Auftraggeberin einen Antrag auf Vorabgestattung des Zuschlages gemäß § 115 Abs. 2 GWB gestellt.
Gemäß § 115 Abs. 1 S. 3 GWB berücksichtige die Kammer bei der Entscheidung auch die allgemeinen Aussichten des Antragstellers im Vergabeverfahren, den Auftrag zu erhalten. Selbst wenn sich herausstellen solle, dass der – im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens gerügte – Ausschluss der Nebenangebote Nr. 1 – 3 der Antragstellerin unrechtmäßig gewesen sei und die Nebenangebote somit in die Angebotswertung einzubeziehen wären, habe die Antragstellerin keine Chance, den Zuschlag zu erhalten. Auch in diesem Fall wäre das Angebot des – für den Zuschlag vorgesehenen – Bestbieters günstiger. Sie, die Auftraggeberin, gehe davon aus, dass die seitens der Antragstellerin vorgetragenen Gründe für einen formalen Ausschluss des vorgesehenen Bestbieters nicht zutreffen, weil das Angebot der als Bestbieter ermittelten Bietergemeinschaft ordnungsgemäß gekennzeichnet gewesen sei und auch deren eingereichte Bankerklärung den geforderten Anforderungen entspreche. Aber auch für den Fall, dass das Angebot des – in Aussicht genommenen – Bestbieters aus den im Wege der Rüge vorgebrachten Gründen auszuschließen wäre, hätte die Antragstellerin keine Aussicht auf Erhalt des Zuschlages. In diesem Fall sei die Vergabestelle gehalten, das Ausschreibungsverfahren aufzuheben, weil die angemessenen Baukosten überschritten würden. Da das Vorhaben durch Fördermittel finanziert werde, sei bei einer Überschreitung der festgestellten angemessenen Baukosten die Finanzierung des Vorhabens nicht mehr gesichert. Da das Vorhaben zu XX % durch Fördermittel finanziert werde, die auf „Jahresscheiben“ verteilt und damit kalenderjahresgebunden gewährt würden, sei es – zur Sicherung der zugesagten Fördermittel – unbedingt erforderlich, den vorgesehenen Bauablauf einzuhalten. Eine Übertragung von Fördermitteln auf nachfolgende Kalenderjahre sei nicht möglich. Zudem würde das Vorhaben durch das Abwarten der Entscheidung der Vergabekammer unzumutbar verzögert. Als Baubeginn sei der … 2010 vorgesehen. Die Baumaßnahme solle bis zum … 2011 fertig gestellt werden. Etwa die Hälfte der Trasse verlaufe durch Waldgebiet, für das die Genehmigung zur Ausführung aus Naturschutzgründen nur zwischen Oktober und März erteilt werde. Vorliegend bedeute dies, dass die Ausführung dieses (ersten) Streckenabschnittes bis zum … März 2011 erfolgen müsse. Dies setze jedoch zwingend den fristgemäßen Baubeginn im Oktober 2010 voraus. Verschiebe sich dieser Zeitpunkt in die Wintermonate, könne der erste Streckenabschnitt nicht bis zum … März 2011 fertig gestellt werden, womit sich die Ausführung des Gesamtvorhabens um ein Jahr verzögern würde, da die Trasse durch das Waldgebiet dann erst wieder ab Oktober 2011 ausgeführt werden könne. Eine Verzögerung in der Auftragserteilung führe damit unweigerlich zu einer Verkürzung des für die Leistungsausführung vorgesehenen Zeitraumes und damit auch zu einer Abweichung von den ausgeschriebenen Vertragsbedingungen, was die Berechtigung des zu bezuschlagenden Auftragnehmers zu einem Nachtrag in Form einer Beschleunigungszulage zur Folge haben könne. Damit werde wiederum die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens infrage gestellt.
Die Auftraggeberin beantragt insoweit,
ihr zu gestatten, den Zuschlag nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntgabe dieser Entscheidung zu erteilen.
Die Antragstellerin meint mit Schriftsatz vom … 2010, die Voraussetzungen für eine vorzeitige Gestattung der Zuschlagserteilung lägen nicht vor. Dies gelte insbesondere für die Zeit vor der Ermöglichung einer Akteneinsicht für die Antragstellerin und der damit verbundenen Möglichkeit, sich ergänzend zu dem Angebot der für die Zuschlagserteilung vorgesehenen Unternehmen sowie zu der nicht erfolgten Bewertung der Nebenangebote 1 bis 3 zu äußern. Zwingende Gründe eines Allgemeininteresses habe die Auftraggeberin nicht geltend gemacht. Fest stehe, dass die Antragstellerin derzeit an zweiter Stelle der Angebotswertung liege und daher bei einer Wiederholung der Angebotswertung eine ernsthafte Zuschlagschance habe. Diese dürfe ihr durch eine vorzeitige Gestattung der Zuschlagserteilung nicht genommen werden. Daran ändere auch die Ankündigung der Auftraggeberin nichts, dass sie die Ausschreibung in diesem Fall aufheben würde. Es sei bereits nicht erkennbar, dass die Voraussetzungen des § 17 VOB/A für eine Aufhebung der Ausschreibung erfüllt wären. Insbesondere sei das Angebot der Antragstellerin nicht unwirtschaftlich, sodass eine Aufhebung gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A ausscheide. Überdies hätte die Antragstellerin im Falle einer Aufhebung und Neuausschreibung eine zweite Chance auf Zuschlagserteilung. Nicht nachvollziehbar sei es, wenn die Auftraggeberin gleichzeitig neben ihrer Androhung der Aufhebung geltend mache, dass die Zuschlagserteilung besonders eilbedürftig sei. Dafür sei im Einzelnen nichts vorgetragen, sehe man von der pauschalen und unbelegten Behauptung ab, dass eine Übertragung von Fördermitteln auf nachfolgende Kalenderjahre nicht möglich sei. Dies treffe in dieser Form schon deshalb nicht zu, weil sich auch die Baumaßnahme über das Jahr 2010 hinaus erstrecke und die Werklohnzahlungen nicht ausschließlich oder gar überwiegend im Jahr 2010 erfolgen werden. Abgesehen davon, würden darin keine zwingenden Gründe des Allgemeinwohls im Sinne der Rechtsmittelrichtlinie liegen. Sofern die Auftraggeberin darauf verweise, dass eine Verzögerung der Zuschlagserteilung aufgrund eines Nachprüfungsverfahrens zu einer Verkürzung des Ausführungszeitraums führe, sei dies zum einen nicht zwingend, zum anderen in keiner Weise durch konkretisierende Angaben untersetzt. Die angesprochene Notwendigkeit etwaiger Beschleunigungszulagen sei im Rahmen des § 115 Abs. 2 GWB schon aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen schlicht irrelevant.
Zur Sache selbst vertieft die Antragstellerin ihren Vortrag.
Auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegen haben, sowie die eingereichten Schriftsätze der Beteiligten wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag hat keinen Erfolg. Er ist jedenfalls offensichtlich unbegründet.
Die angerufene Vergabekammer ist für die Entscheidung im Nachprüfungsverfahren zuständig, §§ 104 Abs. 1, 106 a Abs. 3 GWB.
Die Beteiligten streiten um eine Vergabemaßnahme der …, handelt im eigenen Namen und auf Rechnung der Stadt … und der Gemeinde … als Treuhänderischer Erschließungsträger für den Industriestandort … . Es kann dahinstehen, ob die … als öffentlicher Auftraggeber im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB zu qualifizieren ist. Jedenfalls ist das verfahrensgegenständliche Beschaffungsvorhaben der Stadt … und der Gemeinde …, die nach dem Gesellschaftsvertrag der Auftraggeberin vom … 2010 deren Gesellschafter sind, als öffentliche Auftraggebern gemäß § 98 Nr. 1 GWB zuzurechnen. Denn die Auftraggeberin vertritt diese mittelbar, vgl. Ziff. I.1) der Bekanntmachung, § 4 Nr. 3 b) des Gesellschaftsvertrages der Auftraggeberin. Ein Fall der mittelbaren Stellvertretung ist gegeben, wenn jemand ein Rechtsgeschäft im eigenen Namen, aber im Interesse und für Rechnung eines anderen, des Geschäftsherrn, vornimmt (Palandt-Heinrichs, BGB, 65. A., Einführung von § 164, Rn. 6). Die Auftraggeberin ist damit im Außenverhältnis alleiniger Auftraggeber, im Innenverhältnis ist die Beschaffung jedoch der Stadt … und der Gemeinde … zuzurechnen (vgl. hierzu auch 2. VK Bund, Beschluss vom 8. Juni 2006 – VK 2-114/05).
Der Schwellenwert für das ausgeschriebene Los 2 i.H.v. 1 Mio. EUR wird gemäß §§ 100 Abs. 1, 127 Nr. 1 GWB i.V.m. § 2 Nr. 6 VgV erreicht.
Die Antragstellerin ist ihrer Rügeverpflichtung nach § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB nicht ordnungsgemäß nachgekommen.
Damit der öffentliche Auftraggeber in die Lage versetzt wird, die gerügten Mängel abzustellen, muss der Rüge eine konkrete vergaberechtliche Beanstandung zu entnehmen sein. Zwar genügen laienhafte Ausführungen, doch hat die Rüge konkrete Tatsachen zu nennen, die den Vergabeverstoß begründen können. Der Antragsteller muss zumindest tatsächliche Anhaltspunkte oder Indizien darlegen, welche seinen Verdacht hervorgerufen haben, dass es zu Vergabeverstößen gekommen ist. Pauschale Rügen oder Rügen ohne Substanz genügen diesen Anforderungen nicht (OLG München, Beschluss vom 28. Juni 2007 – Verg 7/07). Denn wenn der Bieter Vergabeverstöße lediglich pauschal „ins Blaue hinein“ behauptet, geht es ihm in Wirklichkeit nicht um die Beseitigung konkreter Mängel.
Nach diesen Grundsätzen hat die Antragstellerin keine substantiierte Rüge erhoben. Sie hat lediglich behauptet, dass eine verbindliche Bereitschaftserklärung eines Kreditinstitutes oder eines Kreditversicherers, welche nach Ziffer 10.11 der Besonderen Vertragsbedingungen verlangt war, dem Angebot der Antragstellerin nicht beigefügt war. Aus dem Umstand, dass das Angebot der Bietergemeinschaft … und … (…) preislich vom Angebot der Antragstellerin abweicht, lässt sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht schlussfolgern, dass die Vorauszahlungsbürgschaft im Angebot der … fehlte. Die insoweit erhobene Behauptung der Antragstellerin entbehrt jeder fundierten tatsächlichen Untermauerung.
Wegen der Rüge, das Angebot der … sei widersprüchlich und formell unzureichend, aus dem nicht hinreichend hervorgehe, dass es von einer Bietergemeinschaft abgegeben worden sei, liegt ein zulässiger Nachprüfungsantrag deshalb nicht vor, weil die Antragstellerin damit eine Rechtsverletzung „ins Blaue hinein“ geltend gemacht hat. Der Nachprüfungsantrag enthält keine hinreichenden Anhaltspunkte für den behaupteten Wertungsfehler.
Im Übrigen weist die Kammer darauf hin, dass der Nachprüfungsantrag auch offensichtlich unbegründet ist.
Die Antragstellerin hätte auch bei Berücksichtigung ihrer Nebenangebote Nr. 1, 2 und 3 keine realistische Aussicht auf Zuschlagserteilung, denn der mit einem Anteil von 70 % in die Wertung einzubeziehende Angebotspreis der für den Zuschlag vorgesehenen … würde auch in diesem Fall noch unter dem Angebotspreis der Antragstellerin liegen. Die Reduzierung des Angebotspreises der Antragstellerin infolge der Berücksichtigung ihrer vorgenannten Nebenangebote führt zwar zu einer Steigerung ihrer Punktzahl im Wertungskriterium Preis. Die Gesamtpunktzahl liegt aber nach wie vor unterhalb der Gesamtpunktzahl der für den Zuschlag vorgesehenen Bietergemeinschaft.
Dass die in die Wertung einbezogenen Nebenangebote der … inhaltliche Mängel aufweisen und aufgrund dessen nicht hätten gewertet werden dürfen, hat die Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt substantiiert vorgetragen.
Daher kann es im Ergebnis dahinstehen, ob die Nichtberücksichtigung der Nebenangebote 1, 2 und 3 der Antragstellerin tatsächlich gerechtfertigt war, ebenso wie die Frage, ob die entsprechende Rüge der Antragstellerin am … 2010 auf die Vorabinformation der Auftraggeberin vom … 2010 (vorab per E-Mail), die sich in der Wiedergabe des Inhaltes der Nebenangebote und des Protokolls des Aufklärungs-/Bietergespräches vom … 2010 erschöpft, unverzüglich i.S.v. § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB erfolgt ist.
III.
Der Antrag auf Akteneinsicht durch die Antragstellerin gemäß § 111 Abs. 1 GWB ist abzulehnen. Das Akteneinsichtsrecht ist nur in dem Umfang gegeben, in dem es zur Durchsetzung der Rechte der Antragstellerin aus § 97 Abs. 7 GWB erforderlich ist. Das ist bei einem unzulässigen bzw. offensichtlich unbegründeten Nachprüfungsantrag nicht der Fall.
IV.
Hinsichtlich des Antrages der Auftraggeberin auf Gestattung des Zuschlages ist die Erledigung infolge des Erlasses der Entscheidung der Vergabekammer in der Hauptsache eingetreten (Boesen, Vergaberecht, § 115 Rz. 22). Gemäß § 115 Abs. 1 GWB kann der Zuschlag grundsätzlich mit dem Ablauf der Rechtsmittelfrist, also binnen zwei Wochen nach Zustellung der Hauptsacheentscheidung, ergehen. Der Antrag auf Zuschlagsgestattung nach § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB ermöglicht demgegenüber in dem vorliegenden Nachprüfungsverfahren keine schnellere Zuschlagsgestattung, da nach der gesetzlichen Regelung auch in dem Fall der Zuschlag erst binnen zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung ergehen kann. Mögliche Verzögerungen hinsichtlich der Zuschlagserteilung infolge eines sich eventuell anschließenden Beschwerdeverfahrens sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt hypothetischer Natur und nicht zu berücksichtigen (vgl. 2. VK Bund, Beschluss vom 30. Juni 1999 – VK 2-14/99, sowie 1. VK Bund, Beschluss vom 4. Dezember 2001 – VK 1-43/01). Der Antrag auf Zuschlagsgestattung läuft seit Erlass der Hauptsacheentscheidung ins Leere und hat sich damit erledigt.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter die Kosten zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt.
Die Vergabekammer hält die Festsetzung der Mindestgebühr von X.XXX,XX EUR gemäß § 128 Abs. 2 Satz 1 GWB bei Abwägung des Aufwandes einerseits und der wirtschaftlichen Bedeutung des dem Vergabeverfahren zugrunde liegenden Auftrages für die Antragstellerin andererseits für angemessen, zumal keine Beiladung erfolgt ist und eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden hat.
VI.
Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim Brandenburgischen Oberlandesgericht, Gertrud-Piter-Platz 11, 14770 Brandenburg, einzulegen.
Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.
Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 117 Abs. 3 GWB).
Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten (§ 117 Abs. 4 GWB).
Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern (§ 118 Abs. 1 GWB).
Gemäß § 6 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Vergabekammern des Landes Brandenburg vom 26. Mai 2009, Amtsblatt für Brandenburg S. 1225, ist die Unterzeichnung des Beschlusses durch den ehrenamtlichen Beisitzer nicht erforderlich.