Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 60. Senat | Entscheidungsdatum | 07.10.2010 | |
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Aktenzeichen | OVG 60 PV 9.09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 22 Abs 1 PersVG BE, § 23 Abs 2 PersVGWahlO BE, § 89 Abs 2 ZPO |
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. April 2009 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
Der Antragsteller, eine in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft, ficht die Wahl zum Personalrat bei der JVA Plötzensee vom 4. Dezember 2008 in der Gruppe der Beamten an. Es waren neun Personalratsmitglieder zu wählen, davon sechs Mitglieder in der Beamtengruppe. Der Antragsteller trat zur Personalratswahl mit einem eigenen Wahlvorschlag (Liste 2) an. Dazu benannte er als Kandidatinnen in der Gruppe der Beamten auf Platz 4 der Liste Frau S und auf Platz 5 Frau E. Beim Druck der Stimmzettel ist dem Wahlvorstand ein Fehler unterlaufen: Dort wurde versehentlich Frau E anstelle von Frau S auf dem vierten und letzten Platz der Liste 2 aufgeführt. Konnte der Fehler bei den Stimmzetteln im Wahllokal vor Beginn der Wahl noch behoben werden, blieben alle Stimmzettel in den Briefwahlunterlagen fehlerbehaftet. In der Gruppe der Beamten hatten 23 Wahlberechtigte Briefwahlunterlagen angefordert. Es wurden in dieser Gruppe insgesamt 101 Stimmzettel abgegeben, davon 13 Stimmzettel in schriftlicher Stimmabgabe; zwei Stimmabgaben waren ungültig. Auf die Liste 1 entfielen 48 gültige, auf die Liste 2 entfielen 51 gültige Stimmen. Daraus ergab sich nach der am Freitag, dem 5. Dezember 2008, ausgehängten Bekanntmachung folgende Stimmenverteilung nach dem Höchstzahlverfahren:
Teiler: | Liste 1 | Liste 2 |
1 | 48 (2) | 51 (1) |
2 | 24 (4) | 25,5 (3) |
3 | 16 (6) | 17 (5) |
4 | 12 | 12,75 |
Seither sind jeweils drei Beamte der Liste 1 und der Liste 2 im Personalrat vertreten.
Am Freitag, dem 19. Dezember 2008, hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers in dessen Namen beim Verwaltungsgericht Berlin einen Wahlanfechtungsantrag gestellt. Eine auf den 18. Dezember 2008 datierte Vollmacht des Vorsitzenden des Antragstellers, Herrn G, ging am 8. Januar 2009 bei Gericht ein. Zur Begründung seines Antrags hat der Antragsteller vorgetragen: Hätten die Briefwahlunterlagen zutreffend auf dem vierten und letzten Platz Frau S aufgeführt, wäre eine andere Stimmenverteilung - theoretisch die 23 Stimmen all jener Beamten, die Briefwahlunterlagen angefordert hätten - zugunsten der Liste 2 möglich gewesen, mit der Folge, dass die Liste 1 nur mit zwei, die Liste 2 jedoch mit vier Sitzen im Personalrat vertreten wäre.
Der Antragsteller hat beantragt,
festzustellen, dass die am 4. Dezember 2008 durchgeführte Personalratswahl bei der Justizvollzugsanstalt Plötzensee in der Gruppe der Beamten ungültig ist.
Zur Begründung seines Zurückweisungsantrags hat der Beteiligte zu 1 zunächst mit Nichtwissen bestritten, dass Herr G zum Vorsitzenden des Antragstellers bestimmt sowie dazu befugt gewesen sei, ihn allein zu vertreten. Jedenfalls hätten die entsprechenden Nachweise und Vollmachten innerhalb der zweiwöchigen Wahlanfechtungsfrist bei Gericht eingehen müssen. Die verspätete Einreichung mache den Fristablauf nicht ungeschehen. Dessen ungeachtet sei der Antrag unbegründet. Die fehlerhaften Briefwahl-Stimmzettel seien für das Wahlergebnis nicht ursächlich. Selbst wenn alle 13 Briefwähler die Liste 2 gewählt hätten, hätte sich an der Sitzverteilung nichts geändert.
Mit Beschluss vom 16. April 2009 hat das Verwaltungsgericht dem Feststellungsantrag stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Der Antragsteller habe die zweiwöchige Wahlanfechtungsfrist gewahrt. Sie sei nicht etwa deshalb versäumt, weil die vom Vorsitzenden, Herrn G, ausgestellte Vollmacht für den Verfahrensbevollmächtigten erst nach ihrem Ablauf zu den Gerichtsakten gelangt sei. Vielmehr reiche der spätere Nachweis aus. Anders als in Verfahren nach § 9 Abs. 4 BPersVG, wo zum Schutz des betroffenen Jugendvertreters verschärfte Anforderungen an einen fristwahrenden Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu stellen seien, bleibe es für die Wahlanfechtung bei den allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätzen. Herr G sei als gewählter Landesvorsitzender nach der Satzung allein zur Vertretung des Antragstellers befugt. Der Wahlvorstand habe gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen. Nach der Wahlordnung seien auf den Stimmzetteln bei Vorliegen mehrerer Wahlvorschläge die in den Vorschlagslisten an erster bis vierter Stelle benannten Bewerber aufzuführen. Das habe der Wahlvorstand versehentlich außer Acht gelassen, indem er bei den Briefwahl-Stimmzetteln in der Gruppe der Beamten auf Platz 4 der Liste 2 Frau E anstelle von Frau S aufgeführt habe. Trotz der richtigen Reihenfolge auf der den Briefwahlunterlagen beigefügten Vorschlagsliste sei der Fehler erheblich. Denn das Gesetz gehe nicht davon aus, dass alle Wähler sorgsam sämtliche Unterlagen prüften. Selbst ein sorgfältiger Wähler, der die Abweichung erkannt hätte, hätte nicht nachvollziehen können, welche Reihenfolge in Wahrheit gelte. Für die vom Gesetz verlangte Ergebnisrelevanz des Fehlers genüge bereits die theoretische Möglichkeit einer Änderung oder Beeinflussung des Wahlergebnisses. Nur wenn mit Sicherheit ausgeschlossen sei, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis hätte geändert oder beeinflusst werden können, bleibe die Anfechtung ohne Erfolg. Lediglich Ergebnisse, die nach der Lebenserfahrung vernünftigerweise nicht in Betracht zu ziehen seien, könnten außer Acht gelassen werden. Das Gericht müsse hier jedoch den theoretischen Fall in Rechnung stellen, dass die auf dem Stimmzettel zu Unrecht nicht an vierter und letzter Stelle namentlich genannte Kandidatin S so sehr geschätzt werde, dass sehr viele, wenn nicht alle Empfänger von Briefwahlunterlagen deren Liste 2 gewählt hätten und umgekehrt die fehlerhafte Benennung einer anderen Kandidatin an vierter Stelle für sehr viele Empfänger von Briefwahlunterlagen der Grund gewesen sei, deren Liste nicht zu wählen, weil sie den ersten vier Kandidaten Erfolgschancen eingeräumt und die vierte Kandidatin hätten verhindern wollen. Nach diesen Maßstäben sei nicht von den 13 Beamten, die tatsächlich von der Briefwahl Gebrauch gemacht hätten, auszugehen, sondern von allen 23 Beamten, denen Briefwahlunterlagen ausgehändigt worden seien. Wenn alle zehn Nichtwähler unter ihnen die Liste 2 gewählt und sich allein fünf der 13 Briefwähler nicht mehr für die Liste 1, sondern für die Liste 2 entschieden hätten, wären 43 Stimmen auf die Liste 1 und 66 Stimmen auf die Liste 2 entfallen, mit der Folge, dass von den sechs Plätzen in der Beamtengruppe vier an die Kandidaten der Liste 2 und nur noch zwei an die Kandidaten der Liste 1 zu vergeben gewesen wären.
Hiergegen richtet sich die am 9. Juni 2009 eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 1, zu deren Begründung er vorträgt: Zum Nachweis der ordnungsgemäßen Vertretung fehle der nach der Satzung des Antragstellers notwendige Beschluss der Landesleitung als Vorstand. Abgesehen davon hätten entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts alle Vertretungsnachweise innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist vorliegen müssen. Das Bundesverwaltungsgericht habe den Grundsatz der Amtsaufklärung in Wahlanfechtungsverfahren dahingehend begrenzt, dass die Verwaltungsgerichte nicht ohne erkennbaren und aktenkundigen Anlass Wahlunterlagen beiziehen dürften, um nach Gründen zu forschen, aus denen sich die Ungültigkeit der Wahl ergeben könnte. Eine Wahl sei gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar, weil die Durchsetzung des Wählerwillens grundsätzlich Vorrang vor dem Wahlprüfungsbegehren eingeräumt werden müsse. Daraus lasse sich herleiten, dass auch bei der Wahlanfechtung ebenso wie bei Anträgen nach § 9 Abs. 4 BPersVG die Antragsbefugnis innerhalb der Antragsfrist gegenüber dem Gericht nachgewiesen sein müsse. Das Verwaltungsgericht habe aber auch zu Unrecht einen wesentlichen Wahlverstoß angenommen. Das Versehen der Vertauschung der Kandidatenplätze sei unwesentlich, weil sowohl anhand des Aushangs der Wahlvorschläge als auch anhand des den Briefwahlunterlagen beigefügten Wahlvorschlags der Fehler auf dem Stimmzettel ohne großen Aufwand feststellbar gewesen sei. Da den Beschäftigten der Dienststelle darüber hinaus bekannt sei, dass mehr als die auf den Stimmzetteln genannten vier Kandidaten pro Liste zu wählen gewesen seien, habe ohnehin die Notwendigkeit bestanden, sich aus dem Wahlvorschlag auch die Namen der Kandidaten auf den Plätzen 5 und folgende anzuschauen, da theoretisch mehr als vier Plätze auf eine der beiden Listen hätten entfallen können. Es hätte sodann lediglich einer kurzen Nachfrage beim Wahlvorstand bedurft, um diesen Irrtum aufzudecken. Jedenfalls aber sei der Verstoß nicht geeignet, zu einem anderen Wahlergebnis zu führen. Eine nochmalige Durchsicht der Stimmzettel habe ergeben, dass von den 23 Beamten, die Briefwahlunterlagen beantragt hätten, 15 gültig in Briefwahl gewählt hätten. Wegen des Fehlers auf den Briefwahl-Stimmzetteln habe bei der Auszählung festgestellt werden können, dass von den 15 gültigen Briefwählerstimmen nur drei für die Liste 1 abgegeben seien worden. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass sich fünf Briefwähler anstatt für die Liste 1 für die Liste 2 hätten entscheiden können, sei daher schon theoretisch nicht zutreffend. Darüber hinaus sei es nicht lebensnah zu unterstellen, dass die acht Nichtwähler nur deshalb nicht an der Wahl teilgenommen hätten, weil ihnen die versehentlich auf Platz 4 der Liste 2 auf den Stimmzetteln angegebene Kandidatin missfallen und sie diese hätten verhindern wollen. Weiter dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beamte O am Wahltag im Wahllokal habe wählen wollen, ihm dies aber unter Hinweis auf die ihm übersandten Briefwahlunterlagen untersagt worden sei; jedenfalls bei ihm könne die vertauschte Kandidatin für die Nichtwahl nicht ursächlich gewesen sein. Des Weiteren sei zu beachten, dass von den 23 Beamten, die Briefwahlunterlagen beantragt hätten, vier Beamte zwar die Wahlunterlagen zurückgeschickt hätten, aber an der Auszählung von vornherein nicht teilgenommen hätten, weil die Stimmzettel entweder nicht in einem eigenen verschlossenen Umschlag gewesen seien oder ihre Erklärungen zur Briefwahl gefehlt hätten. Die Durchsicht habe ergeben, dass von diesen Stimmzetteln drei für die Liste 1 und nur eine für die Liste 2 angekreuzt gewesen seien.
Der Beteiligte zu 1 beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. April 2009 zu ändern und den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und trägt ergänzend vor: Ungeachtet der Alleinvertretungsbefugnis des Vorsitzenden habe die Landesleitung die Wahlanfechtung und die Beauftragung des Verfahrensbevollmächtigten einstimmig beschlossen. Er bestreitet mit Nichtwissen, dass nur drei Briefwähler in der Beamtengruppe für die Liste 1 abgestimmt hätten. Außerdem müssten nach seiner Auffassung die beiden ungültigen Stimmen der Zahl derjenigen hinzugerechnet werden, die bei fehlerfreien Stimmzetteln die Liste 2 gewählt hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten einschließlich Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 7. Oktober 2010 Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das Verwaltungsgericht die Wahl des Personalrats bei der JVA Plötzensee vom 4. Dezember 2008 in der Gruppe der Beamten für ungültig erklärt.
Der Wahlanfechtungsantrag ist zulässig, insbesondere ist die Wahlanfechtungsfrist eingehalten.
Die Wahl des Personalrats oder einer Gruppe kann gemäß § 22 Abs. 1 PersVG Berlin von mindestens dreiWahlberechtigten, jeder in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaft oder demLeiter der Dienststelle binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage derBekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, beim Verwaltungsgerichtangefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht,die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigungnicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnisnicht geändert oder beeinflusst werden konnte.
Das Wahlergebnis wurde am Freitag, dem 5. Dezember 2008, durch Aushang bekanntgegeben (vgl. § 21 der Wahlordnung zum Personalvertretungsgesetz [WOPersVG Berlin] in der Fassung vom 16. Februar 2000 [GVBl. S. 238], geändert durch Verordnung vom 1. August 2008 [GVBl. S. 227]). Die Anfechtungsfrist endete somit entsprechend § 91 Abs. 2 PersVG Berlin i.V.m. §§ 80 Abs. 2 Satz 1, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 1. Fall BGB mit Ablauf des Freitags, des 19. Dezember 2008. Der an diesem Tag beim Verwaltungsgericht Berlin eingegangene Antrag wahrt die Ausschlussfrist.
Zur Wahrung der Ausschlussfrist genügte der vom Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers unterzeichnete Antragsschriftsatz ungeachtet des Umstandes, dass ihm entgegen der Ankündigung eine Originalvollmacht des Antragstellers nicht beigefügt war, die auf den 18. Dezember 2008 datierte und vom Vorsitzenden G unterzeichnete Vollmacht vielmehr erst am 8. Januar 2009 bei Gericht einging.
Nach § 91 Abs. 1 und 2 PersVG Berlin i.V.m. §§ 11 Abs. 1 Satz 2, 80 Abs. 2 Satz 1 ArbGG können sich die Beteiligten auch in Wahlanfechtungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht durch Vertreter von Gewerkschaften oder von Zusammenschlüssen solcher Verbände vertreten lassen, wenn diese Personen kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und das Mitglied des Verbandes Partei ist. Unstreitig gehört der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers zu diesem Personenkreis. Streitig ist allein die ordnungsgemäße und rechtzeitige Bevollmächtigung des Verbandsvertreters durch den Antragsteller. Diese ist aber offenkundig gegeben.
Bei der Vollmacht handelt es sich um eine Sachentscheidungsvoraussetzung, deren Vorliegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen ist (§ 88 Abs. 2 ZPO). Zwar war die Vollmacht hier erst nach Ablauf der Wahlanfechtungsfrist bei Gericht eingegangen. Dies führt jedoch nicht zur Fristversäumung, denn die Erteilung der Vollmacht ist an keine besondere Form gebunden. Die in § 80 Abs. 1 ZPO verlangte Schriftform dient nur dem Nachweis. Die schriftliche Vollmacht kann mit heilender Wirkung nachgereicht werden; auf das Ausstellungsdatum kommt es nicht an (vgl. § 89 Abs. 2 ZPO).
Etwas anders könnte allenfalls dann gelten, wenn es sich bei der Antragsfrist nach § 22 Abs. 1 PersVG Berlin nicht (vorrangig) um eine prozessuale, sondern um eine materielle Frist handelte. Dann wäre § 89 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar mit der Folge, dass die Vollmacht nicht nur innerhalb der Antragsfrist erteilt, sondern auch dem Gericht im Original vorgelegt werden müsste. Das ist indes nicht der Fall.
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht die Zwei-Wochen-Frist nach § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG, innerhalb derer der Arbeitgeber nach Beendigung des Berufs-ausbildungsverhältnisses eines Jugendvertreters beim Verwaltungsgericht beantragen kann, das vom Gesetz fingierte Arbeitsverhältnis aufzulösen, als ein im materiellen Recht wurzelndes Gestaltungsrecht bewertet und zusätzlich zur fristgerechten Vollmachterteilung die fristgerechte Vorlage der Originalvollmacht bei Gericht gefordert (vgl. Beschlüsse vom 18. September 1996 - BVerwG 6 P 16.94 -, juris Rn. 20 ff. und vom 1. Dezember 2003 - BVerwG 6 P 11.03 -, juris Rn. 25 ff.). Diese von Wortlaut und Gesetzessystematik nicht nahegelegten Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht mit der besonderen Schutzfunktion der Frist in § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG begründet: Sie diene nicht nur dem Schutz der ungestörten Amtsausübung der Personalvertretung, sondern zugleich auch dem Individualinteresse des betroffenen Beschäftigten. Wegen ihrer kollektiv- und individualrechtlichen Bedeutung habe die Fristregelung ein besonders hohes Gewicht. Der Jugendvertreter solle spätestens zwei Wochen nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses Sicherheit über die verantwortlich entschiedenen Absichten seines Arbeitgebers haben, um zu wissen, ob er um den Erhalt seines Arbeitsplatzes vor Gericht kämpfen müsse. Um die Unsicherheit beim soeben erst ausgebildeten und unerfahrenen Beschäftigten über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses zu beseitigen, habe das Fristerfordernis eine Signalfunktion. Dies zeige sich u.a. auch an der Verlagerung der Entscheidung vom Dienststellenleiter auf den Arbeitgeber, dem darüber hinaus, anders als in Kündigungsschutzfällen, die Rolle des aktiv Handelnden zugewiesen sei.
Auch wenn dem Beteiligten zu 1 einzuräumen ist, dass kollektivrechtlich ein Interesse daran besteht, dass der amtierende Personalrat alsbald Klarheit erlangt, ob ein zur Anfechtung Berechtigter den Wahlanfechtungsantrag gestellt hat, liegen doch in Wahlanfechtungsverfahren die vorstehend aufgeführten oder ihnen vergleichbare Gründe für die Bewertung der Anfechtungsfrist als einer materiell-rechtlichen Frist ersichtlich nicht vor.
Dabei kommt es aus Sicht des Senats weniger auf die Rechtsfolgen der Antragstellung an. Sowohl der Antrag nach § 9 Abs. 4 BPersVG als auch derjenige nach § 22 Abs. 1 PersVG Berlin haben keine „aufschiebende Wirkung“, d.h. bis zur Rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bleibt der Jugendvertreter in seinem vom Gesetz fingierten Beschäftigungsverhältnis wie auch der amtierende Personalrat bis dahin im Amt bleibt. Seine Entscheidungen bleiben auch bei rechtskräftiger Erklärung der Wahl als ungültig wirksam, ebenso wie auch das fingierte Beschäftigungsverhältnis des Jugendvertreters nach rechtskräftiger Auflösungsentscheidung nicht rückabgewickelt wird.
Entscheidend ist vielmehr, dass mit dem Antragserfordernis bei der Wahlanfechtung lediglich das kollektivrechtliche Interesse der Wähler, des Personalrats und des Dienststellenleiters an einer baldigen Klärung der Gültigkeit der Personalratswahl geschützt wird, es ihm aber an einer zusätzlichen individualrechtlichen Schutzkomponente fehlt. Ohne diese stellt sich das Wahlanfechtungsverfahren in Bezug auf eine ordnungsgemäße, insbesondere fristgemäße Antragstellung nicht anders dar als alle anderen von §§ 80 ff. ZPO erfassten, auch eilbedürftigen Verfahren, die durch einen fristgebundenen Antrag beim Prozessgericht eingeleitet werden.
Für die Auffassung des Beteiligten zu 1 gibt die Rechtsprechung des Bundes-verwaltungsgerichts zur Substantiierungspflicht des Antragstellers im Wahlanfechtungsverfahren (vgl. z.B. Beschlüsse vom 8. Mai 1992 - BVerwG 6 P 9.91 -, juris Rn. 16 ff. und vom 13. Mai 1998 - BVerwG 6 P 9.97 -, juris Rn. 27 ff.) ebenfalls nichts her. Auch wenn der Gedanke einer Beschränkung des Umfangs der gerichtlichen Prüfung im wesentlichen auf das, was durch das Vorbringen der Beteiligten veranlasst worden ist, im Interesse einer schnellen Durchsetzung des Wählerwillens durch Entscheidung über das mit der Antragsbegründung zum Ausdruck gebrachte Wahlprüfungsbegehren Beachtung verdient, führt er nicht dazu, dass das allgemeine prozessuale Regelwerk für den Nachweis einer Prozessvollmacht für die Wahlanfechtung nicht gälte.
Zutreffend hat die Fachkammer über den Nachweis der Wahl des Vorsitzenden und dessen Alleinvertretungsbefugnis (vgl. § 14 Nr. Abs. 5 Satz 2 der Satzung des Antragstellers) hinaus keine weiteren Anforderungen in Bezug auf eine ordnungsgemäße Vertretung gestellt. Die Auffassung des Beteiligten zu 1, zum Nachweis der ordnungsgemäßen Vertretung bedürfe es eines Beschlusses der Landesleitung als Vorstand, trifft nicht zu. Zwar ist nach § 14 Abs. 5 Satz 1 der Satzung Vorstand im Sinne des § 26 BGB die Landesleitung, die aus dem Landesvorsitzenden und bis zu vier Stellvertretern besteht und die als Gremium die Geschäfte nach Maßgabe der Satzung führt und mit einfacher Stimmenmehrheit entscheidet (vgl. §§ 14 Abs. 1 und 2, 15 Abs. 2 Satz 1 der Satzung). Gesetzlicher Vertreter des Antragstellers als juristischer Person ist jedoch jedes einzelne Vorstandsmitglied; die vereinsinterne Meinungsbildung spielt für das Antragserfordernis nach § 22 Abs. 1 PersVG Berlin keine Rolle. Dass der Umfang der Vertretungsmacht nicht anders als durch eine Satzung(sänderung) beschränkt werden könnte, hat das Verwaltungsgericht mit zutreffender Begründung, auf die verwiesen wird (Seite 5 des Beschlussabdrucks), erkannt.
Hinter dem Beschwerdevortrag des Beteiligten zu 1 steht offenbar die Vorstellung, es bedürfe ungeachtet einer fristgerecht erteilten Vollmacht zusätzlich des fristgerechten Nachweises, dass das vereinsintern zuständige Gremium innerhalb der Zwei-Wochen-Frist die Entscheidung der Wahlanfechtung getroffen habe. Diese Auffassung fände allerdings im Gesetz keine Stütze; ihm ist die Aufspaltung in einen Antrag des nach außen alleinvertretungsbefugten Vorstandsmitglieds und eine Entscheidung des zuständigen Vereinsorgans fremd. Die maßgebliche Regelung in § 22 Abs. 1 PersVG Berlin verlangt lediglich einen Wahlanfechtungsantrag von einem der Antragsberechtigten bei dem Verwaltungsgericht. Die Anforderungen, die an einen solchen prozessualen Antrag zu stellen sind, richten sich mangels weiterer Bestimmungen im Personalvertretungsgesetz allein nach der einschlägigen Prozessordnung, hier nach der im Arbeitsgerichtsgesetz in Bezug genommenen Zivilprozessordnung mit den oben dargestellten Voraussetzungen. Der Beteiligte zu 1 verkennt, dass der alleinvertretungsbefugte Vorstandsvorsitzende der gesetzliche Vertreter des Antragstellers ist und somit seine Entscheidung, die Wahl anzufechten, für und gegen die von ihm vertretene juristische Person wirkt. Das von ihm in der mündlichen Anhörung angeführte Beispiel, dass auch der Personalrat die notwendigen Beschlüsse zur Einleitung eines personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens und zur Beauftragung eines Rechtsanwalts nachweisen müsse, trifft den Fall nicht. Denn anders als beim Antragsteller handelt es sich bei dem Personalrat nicht um eine juristische Person. Da für sie mithin kein gesetzlicher Vertreter handeln kann, bedarf es jeweils der angesprochenen Beschlüsse des Gremiums.
Der Wahlanfechtungsantrag ist auch begründet.
Aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses, die insoweit nicht im Streit sind, handelte es sich bei der unrichtigen Wiedergabe der Kandidaten in dem Listenvorschlag 2 auf den Stimmzetteln der Briefwahlunterlagen in der Gruppe der Beamten um einen Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht. Denn nach § 23 Abs. 2 WOPersVG Berlin sind auf dem Stimmzettel die Vorschlagslisten in der Reihenfolge der Ordnungsnummern unter Angabe von Familienname, Vorname, Amts- oder Berufsbezeichnung und Gruppenzugehörigkeit der an erster bis vierter Stelle benannten Bewerber untereinander aufzuführen.
Der Verstoß wird nicht dadurch unwesentlich, dass ein sorgfältiger Wähler den Irrtum möglicherweise durch Abgleich der Stimmzettel mit den beigefügten und ausgehängten Wahlvorschlägen hätte erkennen können. Der diesbezügliche Vortrag des Beteiligten zu 1 lässt offen, welche Folgerungen der sorgfältige Wähler daraus hätte ziehen sollen. Ein Zusatz auf dem fehlerhaften Stimmzettel hätte seine Stimme ungültig gemacht (vgl. § 14 Abs. 4 Nr. 3 WOPersVG Berlin). Ein Hinweis an den Wahlvorstand hätte dem Verstoß nur dann die Erheblichkeit genommen, wenn er rechtzeitig berichtigt worden wäre (vgl. § 22 Abs. 1 PersVG Berlin: „…und eine Berichtigung nicht erfolgt ist…“). Das ist lediglich bezüglich der Stimmzettel im Wahllokal geschehen. Ob die Feststellung des Fehlers einen großen Aufwand erforderte oder nicht, ist mithin unerheblich.
Weiter ist der Maßstab, den das Verwaltungsgericht an die Möglichkeit der Änderung oder Beeinflussung des Wahlergebnisses durch den Wahlverstoß angelegt hat, nicht zu beanstanden. Nach § 22 Abs. 1 PersVG Berlin genügt es, wenn durch den Verstoß das Wahlergebnis geändert oder beeinflusst werden konnte, ohne dass es der Feststellung einer tatsächlich erfolgten Änderung oder Beeinflussung bedarf. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach der Art des Verstoßes unter Berücksichtigung des konkreten Sachverhalts. Eine nur denkbare Möglichkeit genügt allerdings dann nicht, wenn sie nach der Lebenserfahrung vernünftigerweise nicht in Betracht zu ziehen ist. Demnach bleiben abstrakt nicht auszuschließende, nach der Lebenserfahrung aber unwahrscheinliche Kausalverläufe unberücksichtigt, wenn für deren Eintritt keine tatsächlichen Anhaltspunkte bestehen(vgl. Beschluss des Senats vom 13. September 2005 - OVG 60 PV 17.05 -, juris Rn. 17 ff., m.w.N., und Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. August 2009 - BVerwG 6 PB 16.09 -, juris Rn. 4 f., und vom 26. November 2008 - BVerwG 6 P 7.08 -, juris Rn. 20, m.w.N.)
Nach den in der mündlichen Anhörung berichtigten Auszählergebnissen sind folgende Zahlen in die Berechnung des hypothetischen Wahlausgangs einzustellen: Bei allen 23 Beamten, die Briefwahlunterlagen angefordert hatten, waren die Stimmzettel fehlerhaft. Von diesen 23 Wahlberechtigten haben 19 Beamte die Wahlunterlagen zurückgeschickt, davon wiederum haben 15 Beamte gültig in Briefwahl gewählt, davon wiederum haben drei Beamte die Liste 1 und 12 Beamte die Liste 2 gewählt. In vier Fällen waren die zurückgesandten Wahlunterlagen nicht ordnungsgemäß, sodass die Stimmzettel nicht aus den Wahlumschlägen genommen wurden bzw. sie nicht in die Wahlurne gelangten (vgl. § 15 b Abs. 1 Satz 1 WOPersVG Berlin). In weiteren vier Fällen wurde vom Wahlrecht kein Gebrauch gemacht. Wenn nun sowohl die vier Nichtwähler unter den Empfängern von Briefwahlunterlagen als auch die vier Wähler, deren Wahlunterlagen nicht ordnungsgemäß waren, die Liste 2 gewählt hätten und sich die drei der insgesamt 15 Wähler mit gültigen Stimmzetteln, die Liste 1 gewählt haben, stattdessen für die Liste 2 entschieden hätten, wären auf die Liste 1 statt 48 nur 45 Stimmen entfallen und auf die Liste 2 statt 51 nunmehr 62 Stimmen. Daraus ergäbe sich nach dem Höchstzahlverfahren folgendes Bild:
Teiler: | Liste 1 | Liste 2 |
1 | 45 (2) | 62 (1) |
2 | 22,5 (4) | 31 (3) |
3 | 15 | 20,66 (5) |
4 | 11,25 | 15,5 (6) |
Damit würden auf die Liste 2 vier statt drei und auf die Liste 1 nur zwei statt drei Sitze entfallen.
Ob die Auffassung des Beteiligten zu 1 zutrifft, dass der Wahlberechtigte O, dem die Stimmabgabe im Wahllokal - übrigens zu Unrecht - mit der Begründung verweigert wurde, er habe Briefwahlunterlagen erhalten, aus der Berechnung herauszunehmen sei, weil bei ihm feststehe, dass er nicht durch den Fehler auf den Briefwahlstimmzetteln von der Wahl abgehalten worden sei, kann dahinstehen. Denn auch bei einer Reduzierung der Stimmen für die Liste 2 um eine Stimme, also bei 61 statt 62 Stimmen, änderte sich an dem dargestellten Ergebnis nichts.
Der weitere Einwand des Beteiligten zu 1, es widerspreche der Lebenserfahrung, allen Wahlberechtigten, die Briefwahlunterlagen angefordert hätten, zu unterstellen, sie hätten bei korrektem Stimmzettel ihr Wahlrecht zugunsten der Liste 2 ausgeübt, greift ebenfalls nicht durch. Bei der fehlerhaften Benennung der Kandidaten auf den Stimmzetteln ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, eine Beeinflussung des Wahlverhaltens nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern sogar nahe liegend. Der Vortrag des Beteiligten zu 1 dazu, die Beschäftigten würden Listen wählen, aber nicht Personen, ist nur wahltechnisch richtig. Tatsächlich aber bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass alle wahlberechtigten Be-amten der Justizvollzugsanstalt ihr Wahlverhalten allein nach der Liste bzw. nach der/dem vorschlagenden Gewerkschaft/Berufsverband ausrichten. Daran ändert die „schlechte Rangposition“ der vertauschten Kandidatinnen schon deshalb nichts, weil - wie die Rechnung zeigt - schon ein Stimmverhältnis 62:45 dazu führt, dass die Kandidatin auf diesem Rangplatz 4 einen Sitz im Personalrat erhält.
Ist ein Einfluss der fehlerhaften Stimmzettel auf das Wahlverhalten naheliegend, muss vom größtmöglichen Einfluss auf das Wahlergebnis ausgegangen werden, d.h. es müssen die Stimmen aller Wahlberechtigten, die Briefwahlunterlagen angefordert haben, zu den Stimmen der einen oder der anderen Liste hinzugerechnet werden. Spekulationen über ein anderes hypothetisches Wahlverhalten verbieten sich. Zum einen gibt es für einen bestimmten Wahlausgang keine „Lebenserfahrung“. Zum anderen fehlt es an einem Maßstab, an dem sich die Wahrscheinlichkeit eines anderen Wahlergebnisses festmachen ließe. Die Wahlergebnisse bei den Beamten, die im Wahllokal gewählt haben, bei der Gruppe der Arbeitnehmer oder bei denjenigen Briefwählern, deren Wahlunterlagen nicht ordnungsgemäß waren, sind als Hilfsmaßstab offenkundig ungeeignet. Jede andere Festlegung wäre im Übrigen nicht weniger willkürlich als die vollständige Übertragung der Stimmen auf die eine oder die andere Liste.
Die Rechtsbeschwerde war mangels Zulassungsgrundes nicht zu eröffnen.