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Ansprüche auf Akteneinsicht


Metadaten

Gericht VG Potsdam 9. Kammer Entscheidungsdatum 24.09.2014
Aktenzeichen VG 9 K 2044/13 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 2 AktenE/InfZG BB, Art 87 Abs 2 S 2 GG, IFG, Art 21 Abs 4 Verf BB

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn …. (nachfolgend: Insolvenzschuldner). Die Beklagte, eine in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte gesetzliche Krankenkasse, versicherte bei dem Insolvenzschuldner sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Der Kläger beantragte bei der Beklagten im Zusammenhang mit der Insolvenzanfechtung von Zahlungen des Insolvenzschuldners an diese Akteneinsicht in die bei ihr bezogen auf den Insolvenzschuldner geführten Akten. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 25. Oktober 2012 mit der Begründung ab, dass das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz für Körperschaften des öffentlichen Rechts keine Anwendung finde. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2013, dem Kläger zugegangen am 6. Mai 2013, zurück.

Der Kläger verfolgt sein Akteneinsichtsbegehren mit der am 6. Juni 2012 erhobenen Klage weiter. Er trägt vor: Das geltend gemachte Akteneinsichtsrecht folge aus dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz, dessen Anwendungsbereich nunmehr (nach Änderung durch Gesetz vom 15. Oktober 2013) sämtliche Körperschaften des öffentlichen Rechts erfasse, jedenfalls - zumindest analog – aus dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25. Oktober 2012 und des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2013 zu verpflichten, ihm Zugang zu den über Herrn ... vorhandenen Unterlagen im Sinne von § 3 des AIG durch Herausgabe von Kopien oder Ausdrucken zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Klage für unbegründet. Die fraglichen Akten bezögen sich nicht ausschließlich auf das Land Brandenburg. Jedenfalls stünden einer Akteneinsicht überwiegende private Interessen des Insolvenzschuldners entgegen.

Hinsichtlich des weiteren Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Verfahrensakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2012 und der Widerspruchsbescheid vom 29. April 2013 verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Ihm steht ein Anspruch auf die begehrte Akteneinsicht weder nach dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG) noch auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes (IFG) zu.

Auf § 1 AIG kann sich der Kläger nicht mit Erfolg stützen. Danach hat zwar jeder nach Maßgabe des Gesetzes das Recht auf Einsicht in Akten, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen nach den §§ 4 und 5 AIG entgegenstehen oder andere Rechtsvorschriften bereichsspezifische Regelungen für einen unbeschränkten Personenkreis enthalten. Der Anwendungsbereich des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes gemäß § 2 AIG ist aber nicht eröffnet.

Allerdings besteht das Akteneinsichtsrecht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AIG in der Fassung des Gesetzes vom 15. Oktober 2013 (GVBl.I/13, [Nr. 30]) nunmehr grundsätzlich nicht mehr nur gegenüber Behörden und Einrichtungen des Landes im Sinne des Dritten Abschnitts des Landesorganisationsgesetzes sowie gegenüber Gemeinden und Gemeindeverbänden, sondern unter anderem auch gegenüber sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts des Landes. Um eine solche Körperschaft handelt es sich bei der Beklagten. Soziale Versicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes, aber nicht über mehr als drei Länder hinaus erstreckt, werden nach Art. 87 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) als landesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts geführt, wenn das aufsichtsführende Land durch die beteiligten Länder bestimmt ist. Diese Voraussetzungen sind bei der Beklagten erfüllt. Gemäß § 1 Abs. 2 der Satzung der Beklagten umfasst ihr Bezirk die Länder Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Diese Länder haben Brandenburg als aufsichtsführendes Land bestimmt. Dies ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 des am 1. Juni 1997 in Kraft getretenen Staatsvertrages über die Bestimmung aufsichtsführender Länder nach Artikel 87 Abs. 2 Satz 2 GG, in dem die Länder vereinbart haben, dass die Aufsicht über soziale Versicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes, aber nicht über mehr als drei Länder hinaus erstreckt, jeweils das Land führt, in dem der Versicherungsträger seinen Sitz hat. Die Beklagte hat nach § 1 Abs. 1 ihrer Satzung den Sitz in Potsdam, so dass die Aufsicht beim Land Brandenburg liegt. Mit der Bestimmung des Landes Brandenburg als aufsichtsführendes Land ist die Beklagte kraft Verfassung landesunmittelbare Körperschaft des Landes Brandenburg;

vgl. Ibler in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, 64. Lieferung, Januar 2012, Art. 87, Rn. 217.

Das Akteneinsichtsrecht besteht aber gemäß § 2 Abs. 5 Nr. 2 AIG nicht gegenüber den in Absatz 1 Satz 1 genannten Stellen, soweit sie als Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen. Dies ist bei der Beklagten der Fall. Sie befindet sich aufgrund des bestehenden Wahlrechts der Versicherungspflichtigen und Versicherungsberechtigten (§ 173 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch) hinsichtlich der versicherungspflichtigen Personen im Wettbewerb mit anderen gesetzlichen Krankenkassen und hinsichtlich der versicherungsberechtigten Personen darüber hinaus auch im Wettbewerb mit den privaten Krankenversicherungen;

zum Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung vgl. im Übrigen das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) sowie die Begründung zu dem Gesetzentwurf (BT-Drucks.16/3100).

Die Ausnahme der am Wettbewerb teilnehmenden öffentlichen Stellen vom Anwendungsbereich des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes steht nicht im Widerspruch zu Art. 21 Abs. 4 der Verfassung des Landes Brandenburg. Danach hat jeder nach Maßgabe des Gesetzes das Recht auf Einsicht in Akten und sonstige amtlichen Unterlagen der Behörden und Verwaltungseinrichtungen des Landes und der Kommunen, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen. Soweit in Frage gestellt wird, dass Stellen der mittelbaren Landesverwaltung von dieser Regelung erfasst werden,

vgl. Breitenbach/Palenda, NJW 1999, 1307 (1308); Winterhager, Der Anwendungsbereich des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes des Landes Brandenburg, 2001, S. 104,

kann dies offen bleiben. Dies unterstellt ist die Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 5 nämlich jedenfalls angesichts dessen, dass das Recht auf Akteneinsicht nur nach Maßgabe des Gesetzes gewährt ist, nicht unzulässig. Die Verfassung räumt dem Gesetzgeber insoweit einen weitreichenden Ausgestaltungs- bzw. Regelungsvorbehalt ein, der es weitgehend ihm überlässt, Inhalt und Reichweite des Akteneinsichtsrechts zu bestimmen;

siehe etwa Urteile der Kammer vom 14. August 2013 – VG 9 K 2015/08 -, amtl. Abdruck, S. 11 m.w.N. und vom 19. Juni 2012 – VG 9 K 2079/11 -, amtl. Abdruck, S. 24; vgl. im Übrigen zur Bedeutung und Einordnung des Maßgabevorbehalts Iwers, in: Lieber u.a., Verfassung des Landes Brandenburg, 2012, Art. 21 Ziff. 5.1. m.w.N.; Winterhager, aaO, S. 65 ff.; zur Entstehungsgeschichte Iwers, Entstehung, Bindungen und Ziele der materiellen Bestimmungen der Landesverfassung Brandenburg II, 1998, S. 421.

Hieran gemessen ist die Regelung des § 2 Abs. 5 Nr. 2 AIG nicht zu beanstanden. Sie dient dem zulässigen öffentlichen Interesse, Nachteile für die wirtschaftlich tätigen und am Wettbewerb teilnehmenden Unternehmungen der öffentlichen Hand zu verhindern, die eintreten könnten, wenn diese anders als private Wettbewerbsteilnehmer dem Anwendungsbereich des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes unterfielen, und lässt den Kern des Akteneinsichtsrechts als Recht zur politischen Mitgestaltung unangetastet.

Steht der begehrten Akteneinsicht somit bereits § 2 Abs. 5 Nr. 2 AIG entgegen, kann dahinstehen, ob die streitigen Akten sich ausschließlich auf das Land Brandenburg im Sinne von § 2 Abs. 3 AIG beziehen und ob Ablehnungsgründe gemäß §§ 4 und 5 AIG vorliegen.

Ein Anspruch des Klägers auf Einsicht in die streitbefangenen Akten folgt auch nicht aus dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes. Dieses gewährt einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen gemäß § 1 Abs. 1 nur gegenüber den Organen und Einrichtungen des Bundes. Dazu zählt die Beklagte als landesunmittelbare Körperschaft nicht. Für eine analoge Anwendung fehlt es mit Blick auf das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz schon an einer planwidrigen Regelungslücke. Im Übrigen kommt eine Analogiebildung dort nicht in Betracht, wo der Gesetzgeber wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz gar keine Befugnis zur Schließung einer Regelungslücke hat;

vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2006 – BVerwG 8 C 12/05 –, juris Rn. 36.

Dies ist bei der Regelung des Informationszugangs gegenüber Einrichtungen der Länder der Fall, weil insoweit die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern liegt;

vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2007 – BVerwG 7 B 9/07 –, juris Rn. 6 ff.; im Übrigen in diesem Zusammenhang Urteil der Kammer vom 22. Mai 2012 – VG 9 K 329/12 -, amtl. Abdruck, S. 4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung. Gemäß §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 VwGO ist die Berufung zuzulassen, weil der Rechtssache im Hinblick auf die Anwendung von § 2 Abs. 5 Nr. 2 AIG grundsätzliche Bedeutung zukommt.