Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 2. Senat | Entscheidungsdatum | 24.11.2011 | |
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Aktenzeichen | OVG 2 B 21.10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 31 Abs 1 S 1 Nr 2 AufenthG, § 4 Abs 1 S 2 AufenthG, § 2 Abs 5 AufenthG, § 6 Abs 4 AufenthG, § 28 Abs 1 S 1 Nr 1 AufenthG, § 28 Abs 1 S 5 AufenthG, § 30 Abs 1 S 1 Nr 2 AufenthG |
1. Das einem Ausländer von der deutschen Auslandsvertretung mit Zustimmung der Ausländerbehörde nach § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG und nach den Vorschriften des 6. Abschnitts in Kapitel 2 des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck des Ehegattennachzugs er-teilte nationale Visum stellt keine "Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten" im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG dar
2. Hat der Ausländer bereits vor dem Tod seines Ehegatten einen Antrag auf Erteilung einer ehegattenbezogenen Aufenthaltserlaubnis gestellt, kommt nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG die Verlängerung einer rückwirkend zu erteilenden Aufenthaltserlaubnis um ein Jahr in Betracht.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. Oktober 2009 geändert.
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Januar 2008 verpflichtet, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr ab deren Wirksamwerden zu erteilen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin begehrt die Verlängerung einer ehegattenbezogenen Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges Aufenthaltsrecht.
Die am 20. Januar 1953 geborene Klägerin ist kasachische Staatsangehörige. Sie heiratete am 2. Dezember 2005 in Kasachstan ihren inzwischen verstorbenen Ehemann, der nach der Hochzeit als Spätaussiedler in die Bundesrepublik Deutschland ausreiste und die deutsche Staatsangehörigkeit erwarb. Am 21. Juni 2007 erteilte die deutsche Botschaft in Almaty der Klägerin ein vom 22. Juni bis 19. September 2007 gültiges Visum zur Familienzusammenführung mit ihrem in Deutschland lebenden Ehemann. Dieser erlitt am 19. August 2007 einen Badeunfall und wurde bewusstlos in ein Krankenhaus eingeliefert. Er verstarb am 9. September 2007 an den Folgen des Unfalls, ohne zuvor das Bewusstsein wieder erlangt zu haben. Die Klägerin reiste bereits am 25. August 2007 in die Bundesrepublik Deutschland ein, bezog die Wohnung ihres Ehemanns in Berlin und meldete sich dort polizeilich an. Sie besuchte ihren Ehemann bis zu seinem Tod täglich mehrfach im Krankenhaus. Noch zu Lebzeiten ihres Ehemannes, am 30. August 2007, beantragte sie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Familienzusammenführung. Wegen der fehlenden Erklärung der Ehegatten über das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft bat der Beklagte die Klägerin, erneut am 13. September 2007 vorzusprechen. Am 12. September 2007 setzte die Klägerin den Beklagten über den Tod ihres Ehemanns in Kenntnis und beantragte die Erteilung einer eheunabhängigen Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG.
Die Anträge vom 30. August und 12. September 2007 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 2. Januar 2008 ab und drohte der Klägerin die Abschiebung an. Zur Begründung führte er aus: Zur Aufnahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft sei es nicht gekommen, weil der Ehemann bereits vor der Einreise der Klägerin in das Krankenhaus gekommen sei, in dem er später verstorben sei. Auch nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG könne keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Dies sei nur im Anschluss an eine zum Ehegattennachzug erteilte Aufenthaltserlaubnis möglich. Die Klägerin sei jedoch im Zeitpunkt des Todes ihres Ehemannes nicht in Besitz einer zum Ehegattennachzug erteilten Aufenthaltserlaubnis gewesen.
Die am 7. Februar 2008 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Berlin mit Urteil vom 1. Oktober 2009 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. 28 Abs. 3 AufenthG komme nicht in Betracht. Die Klägerin sei nicht – wie die Vorschrift verlange – in Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, sondern nur eines Visums zum Zwecke der Familienzusammenführung gewesen. Auch sei eine analoge Anwendung der Vorschrift nicht gerechtfertigt. Denn nach der Konzeption des Aufenthaltsgesetzes seien Aufenthaltserlaubnis und Visum jeweils selbständige Aufenthaltstitel. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG würden die Aufenthaltstitel als Visum, Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG erteilt. Vor diesem Hintergrund wäre zu erwarten gewesen, dass der Gesetzgeber das Visum als Tatbestandsvoraussetzung ausdrücklich in § 31 Abs. 1 AufenthG erwähnt hätte, wenn er die dort geregelte weitere Verfestigung des Aufenthaltsrechts auch auf diese Fallgestaltung hätte erstrecken wollen.
Mit der vom Senat durch Beschluss vom 22. September 2010 wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und macht geltend: Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ergebe sich aus §§ 28 Abs. 3 i.V.m. 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Sie sei im Zeitpunkt der Beantragung des Aufenthaltstitels nach § 31 Abs. 1 AufenthG in Besitz eines gültigen Visums gewesen. Dieses Visum stelle einen nach § 31 Abs. 1 AufenthG verlängerungsfähigen Titel dar. Seine Erteilung richte sich gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nach denselben Vorschriften wie die Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug. Im Rahmen des Zustimmungsverfahrens prüfe die zuständige Ausländerbehörde alle Voraussetzungen für die Erteilung der eheabhängigen Aufenthaltserlaubnis. Das Visum sei somit ein Aufenthaltstitel zum Ehegattennachzug, welches einer Aufenthaltserlaubnis gleichzustellen sei. Für diese Ansicht spreche auch, dass gemäß § 6 Abs. 4 Satz 3 AufenthG die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes mit einem nationalen Visum auf die Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet würden, eine Gleichstellung der beiden Aufenthaltstitel durch den Gesetzgeber somit beabsichtigt sei. Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, der darin liege, der besonderen Härte des Todes des Ehegatten insofern Rechnung zu tragen als der überlebende Ehegatte – im Gegensatz zu Nr. 1 der Vorschrift unabhängig von einer Wartezeit - eine eigenständige Aufenthaltserlaubnis erhalten solle. Im Rahmen des § 31 AufenthG solle derjenige ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erhalten, der auf seinen längeren Verbleib in der Bundesrepublik habe vertrauen dürfen. Dies sei bei demjenigen, der noch in Besitz eines zum Ehegattennachzug erteilten Visums sei, genauso der Fall wie bei demjenigen, der schon die Aufenthaltserlaubnis erhalten habe. Die Einbeziehung eines solchen Visums in den Anwendungsbereich von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG sei auch durch Art. 3 Abs. 1 GG im Wege der verfassungskonformen Auslegung geboten. Es würde eine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung darstellen, denjenigen Ausländer, der nach der Einreise in die Bundesrepublik, um mit seinem Ehepartner hier zu leben, noch in Besitz eines Visums zum Ehegattennachzug sei, anders zu behandeln, als denjenigen, dem schon eine eheabhängige Aufenthaltserlaubnis erteilt worden sei. Außerdem hänge es von vielen Zufällen ab, zu welchem Zeitpunkt nach der Einreise die Aufenthaltserlaubnis anstelle des Visums erteilt werde, u.a. von der Wartezeit für die Terminvergabe und den allgemeinen Bearbeitungszeiten bei der Ausländerbehörde. Jedenfalls hätte sie, die Klägerin, im Zeitpunkt des Todes ihres Ehemannes einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG gehabt. Es komme daher eine rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Betracht. Das erst nach Erteilung des Visums in Kraft getretene Spracherfordernis sei erfüllt. Einfache deutsche Sprachkenntnisse habe sie schon im Zeitpunkt der Antragstellung gehabt. Selbst wenn heute ein Nachweis der notwendigen Sprachkenntnisse im Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr erbracht werden könne, hätte sie zumindest ein Recht auf Einräumung einer angemessenen Frist zum Nachweis von Deutschkenntnissen gehabt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. Oktober 2009 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Januar 2008 zu verpflichten, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr ab deren Wirksamwerden zu erteilen.
Der Beklagte beantragt
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus: § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG setze begrifflich die Innehabung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen voraus. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei ein Visum zum Ehegattennachzug auch kein „Unterfall“ einer Aufenthaltserlaubnis. Diese Auffassung laufe der gesetzgeberischen Intention zuwider, mit dem nationalen Einreisevisum nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 2 AufenthG und der Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG i.V.m. § 7 AufenthG zwei voneinander verschiedene Aufenthaltstitel zu schaffen. Der Rechtsgrundverweis in § 6 Abs. 4 Satz 2 AufenthG unterstreiche die materielle Eigenständigkeit des Visums als Aufenthaltstitel. Würde das Visum als Unterform der Aufenthaltserlaubnis erteilt, wären die Vorschriften der §§ 27 ff. AufenthG direkt anwendbar. Der Gesetzgeber habe mit den Bestimmungen im Aufenthaltsgesetz den nach der alten Rechtslage bestehenden Schwierigkeiten in der Visumserteilungspraxis begegnen wollen, die durch die Notwendigkeit der Umdeutung eines Visums in eine nationale Aufenthaltsgenehmigung aufgetreten seien. Das Rechtsverständnis der Klägerin führe indessen zu einer Perpetuierung dieser Problematik und laufe damit der gesetzgeberischen Intention zuwider. Im Übrigen widerspreche es dem Wortlaut von § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, wonach Tatbestandvoraussetzung eine erteilte Aufenthaltserlaubnis sei, womit auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG Bezug genommen werde und nicht auf Nr. 1 (Visum). Eine verfassungskonforme Auslegung komme nicht in Betracht, weil das von der Klägerin präferierte Ergebnis mit dem Wortlaut der Norm nicht mehr in Einklang zu bringen sei und außerdem zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch stehe. Auch Sinn und Zweck der Norm sprächen nicht für die von der Klägerin befürwortete Auslegung. Intention der Regelung sei es, das Vertrauen des nachgezogenen Ehegatten darauf zu schützen, im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet verbleiben zu können. Dieses Vertrauen bestehe bei der Innehabung eines nationalen Visums, welches zu einem Aufenthalt von lediglich drei Monaten berechtige, regelmäßig noch nicht. Die Regelung verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Ungleichbehandlung von Ausländern, die in Besitz eines Visums seien und solchen, die in Besitz einer Aufenthaltserlaubnis seien, sei sachlich gerechtfertigt. Auch komme eine analoge Anwendung von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht in Betracht. Es liege keine planwidrige Regelungslücke vor. Eine solche sei nur bei einer versehentlichen Unvollständigkeit einer Regelung gegeben, nicht aber bei einer abschließenden Regelung, selbst wenn diese verfassungsrechtlich bedenklich sein sollte. Auch komme die rückwirkende Erteilung einer ehegattenbezogenen Aufenthaltserlaubnis nicht in Betracht. Es sei nicht zu beanstanden, dass im Todeszeitpunkt – 10 Tage nach Antragstellung – über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer ehegattenbezogenen Aufenthaltserlaubnis noch nicht entschieden gewesen sei. Die Klägerin habe im maßgeblichen Zeitpunkt des Todes ihres Ehegatten außerdem nicht die erforderlichen deutschen Sprachkenntnisse gehabt.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und der Gerichtsakten verwiesen.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr aus § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Der Bescheid des Beklagten vom 2. Januar 2008 ist daher rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Zwar hat die Klägerin keinen Anspruch aus § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG auf Verlängerung ihres zum Zweck des Ehegattennachzug erteilten Visums, das bis zum 19. September 2007 gültig war.
Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn der Ausländer gestorben ist, während die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet bestand und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG war, es sei denn, er konnte die Verlängerung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig beantragen. Diese Vorschrift findet hier nach § 28 Abs. 3 AufenthG mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen – hier des Ehemanns der Klägerin - im Bundesgebiet tritt.
Das einem Ausländer von der deutschen Auslandsvertretung mit Zustimmung der Ausländerbehörde nach § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG und nach den Vorschriften des 6. Abschnitts in Kapitel 2 des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck des Ehegattennachzugs erteilte nationale Visum stellt keine "Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten" im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG dar (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. August 2009 – OVG 11 S 36.09 -, juris Rn. 6; Dienelt in: Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, § 31 Rn. 14; zu § 30 Abs. 3 AufenthG: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. Februar 2008 – OVG 11 B 4.07 -, juris Rn. 18; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Juli 2008 – OVG 12 S 51.08 -, n.v.; OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 7. Dezember 2007 – 17 B 2167/06 -, juris Rn. 8; a.A.: Hamb. OVG, Beschluss vom 16. November 2010 – 4 Bs 213/10 -, juris Rn. 11; zu § 34 Abs. 1 AufenthG: Nieders. OVG, Beschluss vom 13. März 2006 – 11 ME 313/05 – juris Rn. 13). Hierfür sprechen der Wortlaut von § 31 Abs. 1 Satz 1 und § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sowie die Gesetzessystematik.
Aufenthaltserlaubnis und Visum sind nach der Konzeption des Aufenthaltsgesetzes jeweils eigenständige Aufenthaltstitel. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG werden die Aufenthaltstitel als Visum (§ 6 AufenthG), Aufenthaltserlaubnis (§ 7 AufenthG), Niederlassungserlaubnis (§ 9 AufenthG) oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG (§ 9a AufenthG) erteilt. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Begrifflichkeiten konsequent verwendet und eine Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 7 AufenthG als Voraussetzung eines Verlängerungsanspruchs nach § 31 Abs. 1 AufenthG vorsieht, nicht aber ein nationales Visum. Die systematische Differenzierung zwischen Aufenthaltserlaubnis und (nationalem) Visum lässt sich auch § 6 Abs. 4 Satz 3 AufenthG entnehmen, wonach die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes mit einem nationalen Visum auf die Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG angerechnet wird.
Nicht zu überzeugen vermag die in Teilen der Literatur vertretene Auffassung, dass mit dem Visum im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG, das einen eigenständigen Aufenthaltstitel darstelle, lediglich das kurzfristige Schengen-Visum gemeint sei, nicht aber das nationale Visum nach § 6 Abs. 4 AufenthG, bei dem es sich um einen Unterfall des jeweiligen, später im Inland zu erteilenden Aufenthaltstitels handele (vgl. Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerrecht, 5. Aufl. 2010, § 4 Rn. 50; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: September 2011, § 4 Rn. 8). Denn weder dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG noch den Gesetzesmaterialen lässt sich etwas dafür entnehmen, dass mit dem dort unter Bezugnahme auf „§ 6“ genannten Visum nur das Schengen-Visum (§ 6 Abs. 1 bis 3 AufenthG) und nicht auch das nationale Visum (§ 6 Abs. 4 AufenthG) gemeint sein sollte. Da das Aufenthaltsgesetz die Begriffe des Schengen-Visums einerseits (§ 2 Abs. 5) und des Visums (§ 6) als Oberbegriff differenziert verwendet, wäre zu erwarten gewesen, dass der Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG das Schengen-Visum genannt hätte, wenn er nur dieses als eigenständigen Aufenthaltstitel hätte vorsehen wollen. Diese Annahme widerspräche auch der Intention des Gesetzgebers. Mit den Neuregelungen im Aufenthaltsgesetz wurde das unter der Geltung des Ausländergesetzes vorherrschende Begriffsverständnis, das Visum sei eine Form der Aufenthaltsgenehmigung (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 1 AuslG), aufgegeben. Der Gesetzgeber wollte sich mit der Neufassung der Definition der Aufenthaltstitel in § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG an die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen des Visums anlehnen und hat deshalb „das Visum als eigenständige(n) Aufenthaltstitel benannt“. Die bisherige Umdeutung des Visums in eine entsprechende Aufenthaltsgenehmigung sollte damit aufgegeben werden, weil sie „den gemeinschaftsrechtlichen Visumregelungen und der Visumerteilungspraxis nicht gerecht“ werde (BTDrucks 15/420 S. 69). Aus der Bezugnahme der Gesetzesbegründung auf die gemeinschaftsrechtlichen Visumregelungen wird deutlich, dass sowohl das gemeinschaftsrechtlich geregelte Visum für den längerfristigen Aufenthalt (nationales Visum gemäß Art. 18 SDÜ) als auch das Schengen-Visum (vgl. Art. 24, 25 Visakodex) von dem im Aufenthaltsgesetz verwendeten Begriff des Visums als eines eigenständigen Aufenthaltstitels umfasst sein sollten.
Die historische Auslegung des § 31 AufenthG ergibt keinen eindeutigen Befund. Nach der Gesetzesbegründung zu § 31 (BTDrucks 15/420 S. 82) orientiert sich die Vorschrift an der bereits geltenden Regelung in § 19 AuslG. Nach der bisher geltenden Regelung in § 19 AuslG dürfte allerdings eine Aufenthaltsgenehmigung in Form eines Visums für eine Verlängerung als ehegattenunabhängiges Aufenthaltsrecht ausgereicht haben, weil das Visum als eine Form der Aufenthaltsgenehmigung angesehen wurde. Der Gesetzesbegründung lässt sich nicht mit hinreichender Klarheit entnehmen, ob dem Gesetzgeber bewusst war, dass der Anwendungsbereich des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG aufgrund der im Aufenthaltsgesetz neu geschaffenen Definition des Visums als eines eigenständigen Aufenthaltstitels gegenüber demjenigen der Vorgängerregelung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AuslG eingeschränkt werden könnte. Denkbar ist, dass der Gesetzgeber diese Frage übersehen hat. Die Formulierung in der Gesetzesbegründung, wonach sich § 31 AufenthG an § 19 AuslG lediglich „orientiert“ (und ihr nicht etwa entspricht) schließt es andererseits auch nicht aus, dass dem historischen Gesetzgeber die aus der Neuregelung der eigenständigen Aufenthaltstitel in § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG folgende Veränderung im Anwendungsbereich von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG bewusst war. Konkrete Anhaltpunkte dafür, dass der Gesetzgeber die bisherige materielle Rechtslage durch § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht ändern und die Voraussetzungen für das Entstehen eines eigenständigen Aufenthaltsrechts des überlebenden Ehegatten nicht verschärfen wollte (so: Hamb. OVG, Beschluss vom 16. November 2010 – 4 Bs 213/10 -, juris Rn. 16), enthält die Gesetzesbegründung jedenfalls nicht.
Auch aus dem Sinn und Zweck der Norm ergibt sich nicht, dass das zum Ehegattennachzug erteilte nationale Visum eine verlängerungsfähige Aufenthaltserlaubnis im Sinne der Vorschrift darstellt. Der Gesetzgeber hat mit § 31 AufenthG aus integrations- und sozialpolitischen Erwägungen ausländischen Ehegatten, deren eheliche Lebensgemeinschaft länger als drei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1), deren Ehegatte verstorben ist (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) oder die sich in einer besonderen Härtefallsituation befinden (Abs. 2), eine Option auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht eingeräumt. Die Vorschrift eröffnet einem ausländischen Ehepartner den Übergang von einem ehegattenbezogenen akzessorischen zu einem verselbständigten Aufenthaltsrecht (BTDrucks 15/420 S. 82). Sie bietet ihm die Möglichkeit, das zum Zweck des Ehegattennachzugs begründete Aufenthaltsrecht befristet zu verlängern, um den Aufbau einer eigenständigen Lebensführung in Deutschland zu ermöglichen, nachdem seine geschützten Erwartungen in den Bestand der Ehe enttäuscht wurden (BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 1 C 5.10 -, juris Rn. 17). Wenn der Gesetzgeber bei der Formulierung von § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG allein die in § 4 Abs. 1 Satz 2 unter Nr. 2 genannte Aufenthaltserlaubnis (§ 7) in Bezug nimmt, so ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte anzunehmen, dass er bei Anstellung einer typisierenden Betrachtungsweise davon ausgegangen ist, dass ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Ehe – auch im Fall der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch den Tod des stammberechtigen Ehepartners - in der Regel erst dann gegeben ist, wenn sich der Aufenthalt des nachziehenden Ehegatten durch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis weiter verfestigt hat. Zwar mag aus rechtspolitischer Sicht vertretbar sein, auch das Vertrauen in den Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft bei Ausländern als schutzwürdig anzusehen, die lediglich ein zum Zweck des Ehegattennachzugs erteiltes nationales Visum besitzen, zumal dieses nach denselben Vorschriften erteilt wird wie die Aufenthaltserlaubnis. Jedoch ist es Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, ob das Vertrauen bei Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen der weiteren Verfestigung des Aufenthalts des nachziehenden Ehegatten eher schutzwürdig ist als bei Erteilung eines Visums.
Schließlich ist auch keine verfassungskonforme Auslegung dahingehend geboten, dass eine nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG verlängerbare Aufenthaltserlaubnis auch dann vorliegt, wenn der Ausländer im Zeitpunkt des Todes seines Ehegatten in Besitz eines nationalen Visums ist. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich. Wenn auch die Gesetzesbegründung insoweit unergiebig ist, kann ein möglicher sachlicher Grund des Gesetzgebers, diejenigen nachziehenden Ehegatten, die im Zeitpunkt der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft (noch) nicht in Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind, anders zu behandeln, als diejenigen, denen bereits eine Aufenthaltserlaubnis im Inland erteilt worden ist, darin liegen, dass bei letzterem Personenkreis in der Regel bereits eine weitere Verfestigung des Aufenthaltsstatus eingetreten ist.
Eine analoge Anwendung von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG scheidet im vorliegenden Fall schon deshalb aus, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Weil die Klägerin im Zeitpunkt des Todes ihres Ehemanns bereits einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt hatte, kann ihr – sofern die Voraussetzungen hierfür vorliegen - eine ehegattenbezogene Aufenthaltserlaubnis rückwirkend erteilt werden (hierzu unter 2.). Eine Regelungslücke ist daher jedenfalls in der vorliegenden Konstellation nicht erkennbar.
2. Die Klägerin hat jedoch einen Anspruch auf „Verlängerung“ einer ihr rückwirkend zu erteilenden ehegattenbezogenen Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG.
a) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass ein Ausländer die Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich auch für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum nach der Antragstellung beanspruchen kann, wenn er hieran ein schutzwürdiges Interesse hat. Das ist insbesondere der Fall, wenn die rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die weitere aufenthaltsrechtliche Stellung des Ausländers erheblich sein kann, und gilt unabhängig davon, ob der Aufenthaltstitel für einen späteren Zeitpunkt bereits erteilt worden ist oder nicht (vgl. Urteile vom 26. Oktober 2010 – 1 C 19.09 -, juris Rn. 13, vom 9. Juni 2009 – 1 C 7.08 -, juris Rn. 13 und vom 29. September 1998 – 1 C 14.97 -, juris Rn. 15). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. An der rückwirkenden Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 27, 28 AufenthG für den Zeitraum ab Antragstellung am 30. August 2007 zumindest bis zum Tod des Ehemanns am 9. September 2007 hat die Klägerin deshalb ein schutzwürdiges Interesse, weil das Innehaben einer ehegattenbezogenen Aufenthaltserlaubnis im Todeszeitpunkt Voraussetzung für eine Verlängerung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ist. Der ausdrücklichen Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis für den in der Vergangenheit liegenden Zeitraum bedarf es dabei nicht, weil dies auf eine reine Förmlichkeit hinauslaufen würde. Es genügt in derartigen Fällen die inzidente Feststellung des Gerichts, dass die Klägerin für den in der Vergangenheit liegenden Zeitraum einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis hatte (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 1998 – 1 C 14.97 -, juris Rn. 18).
b) Die Voraussetzungen für die (rückwirkende) Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug nach §§ 27, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG liegen vor. Abweichend von dem Grundsatz, dass bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis insoweit auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen ist, als es um die Frage geht, ob schon aus Rechtsgründen eine Erlaubnis erteilt oder versagt werden muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2004 – 1 C 20.03 -, juris Rn. 11), kommt es bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen grundsätzlich auf die damaligen Verhältnisse an (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. September 1998 – 1 C 14.97 -, juris Rn. 24 und vom 26. Oktober 2010 – 1 C 19.09 -, juris Rn. 31).
aa) Im Todeszeitpunkt bestand eine eheliche Lebensgemeinschaft zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann. Für die Annahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft reicht zwar allein das formale Band der Ehe nicht aus. Erst der Wille zur Herstellung bzw. Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet löst den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2010 – 1 C 7.09 -, juris Rn. 15). Bei Würdigung der hier vorliegenden Gesamtumstände besteht jedoch kein Anlass für eine Prüfung, ob die Klägerin den Willen, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen, nur vorgetäuscht hat. Unter Berücksichtigung des besonderen Umstandes, dass der Ehemann der Klägerin seit deren Einreise bis zu seinem Tod bewusstlos in Krankenhaus lag, sprechen die äußeren Umstände für eine eheliche Beistandsgemeinschaft. Die Klägerin hatte nach ihrer Einreise die Wohnung ihres Ehemannes in Berlin bezogen und sich dort polizeilich angemeldet. Sie besuchte ihren Ehemann vom Zeitpunkt ihrer Einreise bis zu dessen Tod täglich im Krankenhaus und hat damit alles in der gegebenen Situation Mögliche für die Aufnahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft getan.
Über das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft hinaus verlangt § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG - im Gegensatz zum Fall der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Trennung nach Nr. 1 - keine Mindestbestandszeit der Ehe. Daher reicht auch ein nur zwei Wochen dauerndes, durch den Tod des Ehepartners beendetes eheliches Zusammenleben für die Begründung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts aus (vgl. Hamb. OVG, Beschluss vom 16. November 2010 – 4 Bs 213/10 -, juris Rn. 10 für den Fall des Todes nur drei Tage nach Einreise des Ehepartners).
bb) Die Klägerin erfüllt auch die Voraussetzung des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG, wonach der nachziehende Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen können muss. Diese Nachzugsvoraussetzung, die mit dem Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 – Richtlinienumsetzungsgesetz – (BGBl I S. 1970) zum 28. August 2007 in Kraft getreten ist, findet vorliegend Anwendung. Eine Übergangsregelung für Fälle, in denen der Ehepartner noch vor dem In-Kraft-Treten des Spracherfordernisses mit einem für den Ehegattennachzug erteilten Visum in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, enthält das Richtlinienumsetzungsgesetz nicht. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung ist von dem Spracherfordernis auch nicht unter analoger Anwendung von § 30 Abs. 3 AufenthG abzusehen. Nach dieser Vorschrift kann die Aufenthaltserlaubnis, solange die eheliche Lebensgemeinschaft fortbesteht, auch dann verlängert werden, wenn der Lebensunterhalt nicht mehr gesichert ist und kein ausreichender Wohnraum mehr zur Verfügung steht. Gegen eine Analogie spricht, dass die Ausnahmen vom Spracherfordernis abschließend in § 30 Abs. 1 Satz 3 AufenthG geregelt sind, während § 30 Abs. 3 AufenthG Ausnahmen von dem Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts und des ausreichenden Wohnraums vorsieht.
Dem Anspruch der Klägerin auf rückwirkende Erteilung einer ehegattenbezogenen Aufenthaltserlaubnis für den Zeitraum ab Antragstellung bis zum Tod ihres Ehemanns steht nicht entgegen, dass sie sich nicht bereits in diesem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen konnte. In einem Vermerk des Beklagten vom 13. September 2007 wurde festgehalten, dass die Klägerin damals „kein Wort Deutsch“ gesprochen habe. Für ihre gegenteilige Behauptung, sie habe bereits im Zeitpunkt der Einreise sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen können, hat die Klägerin keinen Beweis angetreten. Das Fehlen von Sprachkennnissen in der Vergangenheit ist im vorliegenden Fall indessen unschädlich. Denn auch wenn bei der rückwirkenden Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in der Regel die tatbestandlichen Voraussetzungen schon im Erteilungszeitraum vorgelegen haben müssen, ist in Bezug auf die Nachzugsvoraussetzung des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ausreichend, dass die erforderlichen Sprachkenntnisse im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliegen. Dies folgt aus dem maßgeblichen materiellen Recht, dem auch die Antwort auf die Frage zu entnehmen ist, zu welchem Zeitpunkt dessen Voraussetzungen erfüllt sein müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 1987 – 9 C 254.86 -, BVerwGE 79, 243, 244). Der Sinn und Zweck des Spracherfordernisses, der insbesondere darin besteht, die Integration der nachziehenden Ehegatten im Bundesgebiet fördern (vgl. BTDrucks 16/5065 S. 173 ff.), spricht dafür, es auch im Falle der rückwirkenden Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis genügen zu lassen, wenn der Ausländer spätestens im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sich in einfacher Art in deutscher Sprache verständigen kann. Das Spracherfordernis zielt nämlich - zukunftsgerichtet – auf den während des Aufenthalts des Ausländers im Bundesgebiet stattfindenden Prozess der Integration. Außerdem würde es die Klägerin in besonderer Weise belasten, wollte man von ihr den Nachweis deutscher Sprachkenntnisse bei Beantragung der Aufenthaltserlaubnis im Inland verlangen, obgleich sie noch vor In-Kraft-Treten des Richtlinienumsetzungsgesetzes, ohne deutsche Sprachkenntnisse nachweisen zu müssen, mit einem Visum zum Ehegattennachzug in das Bundesgebiet einreisen durfte, wobei sie darauf vertraute, dass ihr im Inland eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug erteilt werden würde und sie dieses Vertrauen auch mit der Aufgabe ihres bisherigen Lebensmittelpunktes in Kasachstan betätigt hat. Hinzu kommt, dass die umstrittene Rechtsfrage, ob die in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG geregelte Voraussetzung, dass sich der nachziehende Ehegatte zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann, mit dem in Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz der Ehe vereinbar ist, soweit sie nach § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG in dem – hier vorliegenden – Fall des Ehegattennachzugs zu einem Deutschen (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) zwingend zu Anwendung kommt, bisher nicht geklärt ist (vgl. Beschluss des Senats vom 9. Juni 2011 – OVG 2 N 43.10 -). Soweit das Bundesverwaltungsgericht die Vereinbarkeit des Spracherfordernisses des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG mit höherrangigem Recht bejaht hat (vgl. Urteil vom 30. März 2010 – 1 C 8.09 -, BVerwGE 136, 231), beschränkt sich dies auf den hier nicht gegebenen Fall, dass der Ehegatte zu einem in Deutschland lebenden Ausländer nachziehen will. Bei dieser Ausgangslage hält es der Senat mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht für angezeigt, die Tatbestandsvoraussetzungen einer rückwirkend zu erteilenden Aufenthaltserlaubnis zu verneinen, wenn jedenfalls zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die erforderlichen Sprachkenntnisse vorliegen.
Zu dem somit maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erfüllt die Klägerin das Spracherfordernis. Die gesetzliche Voraussetzung, sich auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können, entspricht der Definition des Sprachniveaus der Stufe „A 1“ der kompetenten Sprachanwendung des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens des Europarates (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2010 – 1 C 8.09 -, juris Rn. 12 ff.). Dass die Klägerin mittlerweile dieses Sprachniveau erfüllt, hat sie nachgewiesen durch Vorlage eines Zertifikats des Zentrums für Flüchtlingshilfen und Migrati onsdienste, in dem ihr bescheinigt wird, dass sie am 7. November 2011 an der Sprachprüfung Start Deutsch 1 entsprechend dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen A 1 teilgenommen und diese mit der Note gut (82/100) bestanden hat.
cc) Eine Verlängerung der rückwirkend zu erteilenden ehegattenbezogenen Aufenthaltserlaubnis um ein Jahr nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Gesetzeszweck, dem Ausländer zu ermöglichen, im ersten Jahr nach Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft eine eigene wirtschaftliche Existenz zu begründen, bereits vor dem Hintergrund des fortdauernden Aufenthalts der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland seit dem Tod ihres Ehemanns erreicht worden wäre (vgl. zu § 19 Abs. 2 Satz 1 AuslG: BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1995 – 1 C 7.94 -, BVerwGE 98, 313, 317; OVG Bad.-Württ., Urteil vom 4. Dezember 2002 – 13 S 2194/01 -, juris Rn. 27). Denn der Aufenthalt der Klägerin war seit der Ablehnung ihres Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid vom 2. Januar 2008 nicht mehr aufgrund der Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG erlaubt. Eine Erwerbstätigkeit war ihr nicht gestattet. Sie hatte daher bislang keine Möglichkeit, eine Berufstätigkeit auszuüben und dadurch eine eigene wirtschaftliche Existenz zu begründen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Insbesondere hat die Frage, ob die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auch im Falle des Besitzes eines nationalen Visums zum Ehegattennachzug in Betracht kommt, im vorliegenden Fall keine entscheidungstragende Bedeutung, so dass eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ausscheidet.