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Entscheidung 5 K 67/16


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 5. Kammer Entscheidungsdatum 18.10.2019
Aktenzeichen 5 K 67/16 ECLI ECLI:DE:VGFRANK:2019:1018.5K67.16.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Trinkwasseranschlussbeitragsbescheid des Beklagten vom 10. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Dezember 2015 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Das klagende Land ist eingetragener Eigentümer des Grundbesitzes Gemarkung P…, Flur, Flurstücke 5 … und 2 …unter postalischer Anschrift P…. Das Grundstück ist mit Vertrag vom 05. Juli 2013 an einen privaten Dritten verkauft worden. Die Umschreibung fand erst am 24. März 2016 statt. Bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war das Grundstück als Betriebsstätte der Revierförsterei P… durch die B… für öffentliche Zwecke des Landes B… genutzt worden.

Mit Bescheid vom 10. November 2015 wurde für das Grundstück gegenüber dem Kläger ein Trinkwasseranschlussbeitrag in Höhe von 1.466,54 Euro festgesetzt. Der Bescheid ging mit einfacher Post am 11. November 2015 zu. Den gegen die Beitragserhebung gerichteten Widerspruch unter dem Briefkopf der B…, der beim Beklagten am 25. November 2015 einging, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2015, zugestellt am 21. Dezember 2015, als unzulässig zurück. Die B… seien vom Land B… personenverschieden und damit nicht widerspruchsbefugt.

In der zum 17. Oktober 1992 in Kraft getretenen Gründungssatzung des Verbandes des Beklagten, deren Gründungsmitglied auch die ehemalige Gemeinde P… war, heißt es in § 1 Abs. 5 S. 2, dass der Verband zum Zwecke der Wasserversorgung sowie der Abwasserableitung und –behandlung die entsprechenden kommunalen wasserwirtschaftlichen Anlagen „übernimmt, unterhält, erneuert und erweitert“. Gemäß § 1 Abs. 6 dieser Satzung stellen die Mitgliedsgemeinden dem Verband die kommunalen wasserwirtschaftlichen Anlagen unentgeltlich zur Verfügung. Diese Satzung und die nachfolgenden Änderungssatzungen sind mit Feststellungsbescheid vom 02. Juni 1999 festgestellt worden. Bereits vor diesem Feststellungsbescheid nahm der Verband des Beklagten entsprechend der satzungsrechtlichen Regelungen seine Tätigkeit auf.

Im Rahmen der sogenannten Rekommunalisierung gingen im Bereich der ehemaligen selbstständigen Gemeinde P… keine Versorgungsanlagen auf den Verband des Beklagten über (vgl. § 2 des diesbezüglichen gerichtsbekannten Übertragungsvertrags).

Der Verband des Beklagten hatte bereits zum Zeitpunkt der Geltung des Kommunalabgabengesetztes für das Land Brandenburg, insbesondere des § 8 Abs. 7 S. 1 und 2, in der Fassung vom 27. Juni 1991 eine Trinkwasseranschlussbeitragssatzung erlassen. Dies bereits mit der Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung durch den N… vom 26. Oktober 1992, die am Tage nach ihrer Veröffentlichung im gesamten Verbandsgebiet in Kraft trat. Darüber hinaus erließ der Verband des Beklagten auch in der Folge geänderte Beitrags- und Gebührensatzungen, so u.a. auch die Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung durch den N… vom 27. Juli 1994 erlassen, die am Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft trat. Auch für die Zeit der Fassung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg aufgrund der Änderungen durch das Gesetz vom 27. Juni 1995 (gültig bis 12. April 1999) hatte der Beklagte entsprechende Beitragssatzungen erlassen: zunächst in Form einer ersten Änderungssatzung zur vorgenannten Gebühren- und Beitragssatzung vom 14. Juli 1995 mit Wirkung am Tage nach der Bekanntmachung und sodann mit der Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung durch den N… vom 21. Mai 1996, die rückwirkend zum 01. April 1996 in Kraft trat.

Nach § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 S. 1 dieser historischen Beitrags- und Gebührensatzungen waren „alle Grundstücken (inclusive Wochenendgrundstücken)“ betragspflichtig für Anschlussbeiträge, für die eine Anschlussmöglichkeit an die Trinkwasserversorgungsanlage des Verbands des Beklagten bestand und die baulich oder gewerblich ausnutzbar waren. Darüber hinaus bestimmte § 2 Abs. 2 der Beitrags- und Gebührensatzungen Wasser wörtlich:

„Wird ein Grundstück an die Anlage angeschlossen, so unterliegt es der Beitragspflicht auch dann, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht vorliegen.“

Die Beitragspflicht erstreckte sich nach § 3 S. 2 dieser Betrags- und Gebührensatzungen ausdrücklich auch auf

„Grundstücke, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung bereits an die Trinkwasseranlage angeschlossen werden konnten oder schon angeschlossen waren“.

Vor dem Grundstück verläuft eine öffentliche Trinkwasserversorgungsleitung in der dort verlaufenden P…. Das Grundstück ist im Jahr 2016 an die öffentliche Trink- und Abwasseranlage des Verbandes des Beklagten auf Antrag des neuen Eigentümers angeschlossen worden.

Mit seiner am 18. Januar 2016 erhobenen und zunächst gegen den N… gerichteten Klage nimmt der Kläger insbesondere auch Bezug auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 – 1 BvR 2961/14 u.a. und vertritt die Auffassung, die Beitragserhebung sei rechtswidrig und auch trotz der Unzulässigkeit von Verfassungsbeschwerden (so u.a. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 02. November 2015 – 1 BvR 1530/15) könne er diese Rechtswidrigkeit auch mit Erfolg geltend machen. Dies ergebe sich ohne weiteres aus der Stellung als Privatwaldbesitzer im Land Brandenburg ohne besondere Hoheitsbefugnisse betreffend diesen Wirkbereich.

Zudem habe der neue Eigentümer die Zahlung auf den hiesigen Bescheid angeboten, wie sich aus einem Aktenvermerk der Sachbearbeiterin bei dem Kläger ohne weiteres ergebe. Diese Zahlung sei abgelehnt worden durch die Sachbearbeiterin des Beklagten.

Schließlich sei der bis in das Jahr 2000 als Gesamtflurstück 3… geführte Grundbesitz jedenfalls bereits 1995 mit den auch heute aufstehenden Gebäuden bebaut gewesen. Diese seien auch bis spätestens 1995 an die Trink- und an die Abwasseranlagen allesamt angeschlossen gewesen, weshalb bereits vor dem 31. Dezember 1999 die Beitragsplicht zur Entstehung gebracht werden konnte. Unterlagen seien jedoch beim Kläger nicht mehr vorhanden. Es sei am Beklagten, sein Leitungsnetz zu kennen und insoweit Näheres vorzutragen.

Der Kläger beantragt Rubrumsberichtigung dahingehend, dass sich die Klage gegen den Verbandsvorsteher des N… richte und beantragt in der Sache – sinngemäß – schriftsätzlich,

den Trinkwasseranschlussbeitragsbescheid des Beklagten vom 10. November 2015 (Bescheid-Nr. 2…) in Höhe von 1.466,54 Euro in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2015 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte geht davon aus, seine Beitragserhebung sei rechtmäßig. Er ist der Auffassung, dass die Satzungslage des Verbands erstmals seit der Satzung vom 12. April 2011 die öffentliche zentrale Trinkwasseranlage ohne den Grundstücksanschluss definieren würde. Bis dahin sei die Beitragspflicht ausdrücklich nur entstanden, wenn auch der Grundstücksanschluss hergestellt gewesen sei und als Bestandteil der öffentlichen Anlage im Eigentum des Verbandes des Beklagten gestanden hätte. Erst mit der Satzungsneuregelung sei es ausreichend, wenn eine betriebsbereite Hauptversorgungsleitung vor dem jeweiligen Grundstück verläuft. Ein Anschluss sei erstmals weit nach Ende 1999 auf Veranlassung des neuen Eigentümers hergestellt worden. Zuvor habe es gar keinen Anschluss gegeben.

Im Übrigen sei bis in das Jahr 1996 hinein aus dem Grundbuch die Eintragung „Eigentum des Volkes“ ersichtlich gewesen, weshalb der Anlauf der Verjährung gehemmt gewesen sei bis zum Zeitpunkt der positiven Kenntnis des Beklagten im Jahr 2015 von der Eigentümerstellung des Klägers.

Das klagende Land könne sich als Hoheitsträger bereits nicht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Altanschließerproblematik berufen. Ihm stünden die erforderlichen Grundrechtspositionen nicht zu.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang sowie die Parallelakte VG 5 K 68/16 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

1.

Das Gericht entscheidet in der Besetzung „Einzelrichter“. Denn die Beteiligten wurden mit Verfügung vom 27. Mai 2019 hierzu angehört. Sodann wurde ein Übertragungsbeschluss gemäß § 6 Abs. 1 S 1 VwGO am 02. Juli 2019 gefasst.

2.

Nachdem die Beteiligten im Termin vom 26. Juli 2019 ihre Zustimmung erklärten, kann ohne mündliche Verhandlung nach § 101 Abs. 2 VwGO entschieden werden.

II.

Das Rubrum war mit Blick auf § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Brandenburgisches Verwaltungsgerichtsgesetz (BbgVwGG) dahingehend zu berichtigen, dass der Beklagte die Behörde selbst, also der Verbandsvorsteher des N… ist. Der Kläger wandte sich bereits mit der Klageerhebung ersichtlich gegen den Beitragsbescheid in Form des Widerspruchsbescheids und wollten so von Anfang an ersichtlich den richtigen Beklagten in Anspruch nehmen (vgl. nur OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. Februar 2015 – 9 S 9.14 sowie VG Frankfurt Oder, Beschluss vom 17. Februar 2014 – 5 L 15/13). Die anwaltliche Vertretung des Klägers hindert diese Berichtigung nicht (vgl. nur VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Januar 2014 – 3 S 147/12; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 04. Juli 2007 – 5 ME 131/07).

III.

Die Klage ist zulässig und begründet.

1.

Die Klage ist zulässig.

a.

Insbesondere ist das klagende Land auch klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Dies bereits vor dem Hintergrund, dass es durch einen belastenden Verwaltungsakt des Beklagten betroffen ist und jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass auch das klagende Land sich auf allgemeine Rechtspositionen, insbesondere das Rechtsstaatsprinzip, bei der Anwendung einfachen Rechts – insbesondere des Kommunalabgabenrechts des Landes Brandenburg – berufen kann (so ausdrücklich für kommunale Wohngesellschaften BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 – 9 C 2.18).

b.

Insbesondere mangelt es auch nicht an der Sachurteilsvoraussetzung einer ordnungsgemäßen Durchführung des Vorverfahrens. Denn dieses wurde in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der §§ 68 ff. VwGO vom Kläger eingeleitet und schließlich auch vom Beklagten beschieden. Dass die Einlegung des Wiederspruchs hier durch die B… erfolgte, ist unschädlich. Denn diese dem Kläger zuzuordnenden Behörde (vgl. § 3 Abs. 1 Landeswaldgesetz Berlin vom 16. September 2004 in der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung durch Art. IX des Gesetzes vom 11. Juli 2006, GVBl. 2006, Seite 819 – LWaldG Bln) obliegt qua Gesetz die Verwaltung des landeseigenen Waldes, vgl. § 3 Abs. 2 1 LWaldG Bln, sowie die Wahrnehmung der damit zusammenhängenden Aufgaben, vgl. § 3 Abs. 2 S. 2 LWaldG Bln. Jedenfalls das Führen einer Revierförsterei und die damit im Zusammenhang stehende Verwaltertätigkeit ist daher der landeseigenen Behörde B… zuzuordnen. Eine Unterscheidung landeseigenen Waldes innerhalb des Gebietes des Landes Berlins zu solchem außerhalb des Landes Berlins ist dem Gesetz dabei nicht zu entnehmen und sie wäre auch unzweckmäßig. Als mit der Verwaltung befasste Behörde des Klägers waren die B… daher auch für das Einlegen von Widersprüchen zuständig und vertraten qua gesetzlicher Anordnung den Kläger insoweit.

c.

Weitere Zulässigkeitsbedenken wurden nicht aufgeworfen und sind auch nicht ersichtlich.

2.

Die Klage ist auch begründet. Der vom Kläger angegriffene Beitragsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

a.

Für den Erlass des angegriffenen Bescheids zur Festsetzung eines Trinkwasseranschlussbeitrags kann der Beklagte auf keine taugliche Rechtsgrundlage zurückgreifen.

(1) Einzige in Betracht kommende Rechtsgrundlage für den vom Beklagten an den Kläger gerichteten Beitragsbescheid ist die Satzung über die Erhebung von Trinkwasseranschlussbeiträgen für die Wasserversorgung des N… vom 12. April 2011 (Trinkwasseranschlussbeitragssatzung). Denn nur diese beansprucht für den Zeitpunkt der Entscheidungen des Beklagten im Jahr 2015 Wirksamkeit.

(2) Unabhängig von deren Wirksamkeit unterliegt deren Anwendung hier aber durchgreifenden rechtlichen, auch verfassungsrechtlichen, Bedenken mit Blick auf das aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG fließenden Verbot der (echten) Rückwirkung im Sinne der sogenannten hypothetischen Festsetzungsverjährung (hierzu BVerfG, Beschluss vom 12. November 15 – 1 BvR 2961/14; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Februar 2016 – 9 S 1.16; Urteil vom 28. Juni 2017 – 9 S 14.16).

Die genannte Satzung ist keine taugliche Rechtsgrundlage, denn für das Grundstück des Klägers ist bereits vor Ablauf des 31. Dezember 1999 die Anschlussmöglichkeit an die Trinkwasserversorgungsanlage des Verbandes des Beklagten anzunehmen und der Verband hat bereits in seinen ersten – zwar unwirksamen – Satzungsversuchen auf den ursprünglich durch § 8 Abs. 7 S. 2 Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg in der bis zum 31. Januar 2004 geltenden Fassung (KAG a.F.) vermittelten Schutz verzichtet, so dass er den Schutz des § 8 Abs. 7 S. 2 Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg in der seit dem 01. Februar 2004 geltenden Fassung nicht mehr in Anspruch nehmen kann, da sonst ein Fall der verbotenen echten Rückwirkung anzunehmen wäre (BVerfG, Beschluss vom 12. November 15 – 1 BvR 2961/14; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Februar 2016 – 9 S 1.16; Urteil vom 28. Juni 2017 – 9 S 14.16; siehe auch OVG Brandenburg, Urteil vom 08. Juni 2000 – 2 D 29/98.NE).

(a) Denn der Verband des Beklagten erließ jedenfalls mit den im Tatbestand dieses Urteils näher bezeichneten Beitrags- und Gebührensatzungen – u.a. vom 27. Juli 1994 (und der zugehörigen Änderungssatzung vom 14. Juli 1995) sowie mit der Beitrags- und Gebührensatzung Wasser vom 21. Mai 1996 – Satzungen zur Erhebung von Trinkwasseranschlussbeiträgen bereits vor dem 31. Dezember 1999. Diese Satzungen beanspruchten formelle Geltung und unterstellten jedes wenigstens faktisch angeschlossene Grundstück in ihrem Geltungsbereich der Beitragspflicht. Darüber hinaus sollten danach solche Grundstücke beitragspflichtig sein, die (nur) an die Versorgungsanlage angeschlossen werden konnten ohne dass ein tatsächlicher Anschluss hergestellt war, vgl. § 2 Abs. 1 und § 3 der historischen Beitrags- und Gebührensatzungen.

Eine solche Anschlussmöglichkeit ist im Einklang mit § 8 Abs. 7 a.F. KAG anzunehmen, ohne dass es auf die vom Beklagten behauptete tatsächliche Ausführung eines Grundstücks- bzw. Hausanschluss ankäme. Entscheidend ist lediglich, dass der in den 1990er Jahren noch als Flurstück 3… erfasste Grundbesitz direkt an eine öffentliche Straße angrenzt in der öffentliche Versorgungsleitungen des Verbandes des Beklagten verlaufen. Im Einzelnen:

(i) Aus den zitierten Satzungen ist bereits nicht ersichtlich, dass die Beitragspflicht erst entstand, wenn auch ein im Eigentum des Verbandes des Beklagten stehender Grundstücks- bzw. Hausanschluss hergestellt wurde (so im Ergebnis nun auch VG Potsdam, Urteil vom 18. April 2018 – 8 K 5059/15). So entstand nach § 3 der zitierten Satzungen die Beitragspflicht, „sobald das Grundstück an die Trinkwasseranlage angeschlossen werden kann“, so dass es danach bereits nicht zwingend auf einen bestehenden Grundstücks- bzw. Hausanschluss ankam. Zum anderen ist auch aus dem vom Beklagten bezogenen § 2 Abs. 2 der aktuellen Satzung vom 12. April 2011 kein maßgeblicher Unterschied zu den Vorgängersatzungen aus den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts erkennbar. Denn seinerzeit lautete § 2 Abs. 3 wörtlich:

„Zu dem Aufwand gehören nicht die Kosten für die Hausanschlussleitung zwischen Versorgungsleitung und Kundenanlage, die durch den Anschlussnehmer in voller Höhe selbst zu tragen sind.“

Nach der vom Beklagten bezogenen Neufassung aus 2011 heißt es in § 2 Abs. 2 wörtlich:

„Der Trinkwasseranschlussbeitrag deckt nicht die Kosten für den Hausanschluss (Anlagenteil vom Abzweig an der Hauptversorgungsleitung – Ventilanbohrschelle – bis zur Absperrarmatur in Fließrichtung hinter dem Wasserzähler ohne den Wasserzähler), der nicht Bestandteil der öffentlichen Wasserversorgungsanlage ist.“

Selbst aus der für den Geltungszeitraum der oben zitierten historischen Beitrags- und gebührensatzungen heranzuziehenden Wasserversorgungssatzung vom 25. April 1994 lässt sich nicht, jedenfalls nicht eindeutig, entnehmen, ob die Grundstücks- bzw. Hausanschlüsse seinerzeit überhaupt zur öffentlichen Wasserversorgungsanlage gehörten. Denn dort hieß es unter § 1 S. 2 nur:

„Art und Umfang der Wasserversorgungsanlagen bestimmt der N….“

Wenn aber durch § 1 Abs. 3 der historischen Gebühren- und Beitragssatzungen bereits der von den Beiträgen zu deckende Herstellungsaufwand nicht auf die Grundstücks- bzw. Hausanschlüsse bezogen wird und weitergehende konkrete Definitionen der Wasserversorgungsanlage nicht bestehen, dann war bereits zu historischer Satzungslage der Grundstücks- bzw. Hausanschluss nicht Teil der öffentlichen Anlage.

(ii) Im Rahmen einer Beweislastentscheidung ist hier auch anzunehmen, dass die heute vor dem Grundstück verlaufenden Versorgungsleitungen bereits vor dem Jahr 2000 dort verliefen. Zwar wäre es auch hier grundsätzlich nach dem beweisrechtlichen Grundsatz der Begünstigung Aufgabe des Klägers nachzuweisen, dass die ihm günstige „hypothetische Festsetzungsverjährung“ aufgrund tatsächlicher Umstände eingreift. Indes kann es – so auch hier – gerechtfertigt sein, in Einzelfällen eine Umkehr der Beweislast anzunehmen (vgl. hierzu auch OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 22. Dezember 2000 – 2 L 38/99 sowie VG Potsdam, Urteil vom 01. August 2018 – 8 K 1037/15 und VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 18. September 2019 – 5 180/14). Dies gilt namentlich für Fragen, in denen nur eine geordnete Aktenführung einen rechtsstaatlichen Verwaltungsvollzug mit der Möglichkeit einer Rechtskontrolle durch Gerichte und Aufsichtsbehörden sicherstellen kann, weshalb der Aktenführungspflicht von Behörden auch eine subjektiv-öffentliche Komponente innewohnt (hierzu bereits OVG Mecklenburg-Vorpommern, a.a.O.). Auskunfts- und Vorlagepflichten sind darüber hinaus gerade auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren über § 99 VwGO abgesichert. Im hiesigen Falle kann die nach § 8 Abs. 7 KAG a.F. in Verbindung mit den historischen Beitrags- und Gebührensatzungen (nur) erforderliche Anschlussmöglichkeit an Leitungen in der öffentlichen Straße vor dem Beitragsgrundstück bereits praktisch nicht durch den jeweils Betroffenen nachgewiesen werden. Denn dieser kann nur selbst wahrgenommene Vorgänge darlegen und unter Beweis stellen. Der Bau von neuen Leitungen in einem konkreten Bereich kann zwar gegebenenfalls, nicht jedoch zwingend (etwa beim Einsatz der Horizontalspülbohrtechnik), noch selbst wahrgenommen werden. Das bloße Vorhandensein historischer Leitungen im Straßenkörper unter der Erde kann jedoch durch einen Anwohner nicht mehr tatsächlich wahrgenommen werden, sondern nur vermutet werden. Deren Vorhandensein kann demnach durch den nach allgemeinen Regeln beweisbelasteten Kläger nur behauptet werden und es bleibt ihm nur die Möglichkeit auf entsprechende Indizien – etwa, dass er einen Leitungsbau nicht wahrgenommen habe – hinzuweisen. Werden diese Indizien durch das tatsächliche Vorhandensein von Leitungen – wie hier – bestätigt, trifft den Beklagten mindestens die Darlegungslast und die Vorlagepflicht für etwaige entsprechende Unterlagen für die Klärung der Frage, ob und seit wann diese Leitungen überhaupt vorhanden sind. Dieser Obliegenheit ist der Beklagte hier aber trotz der mit ihm abgestimmten ausdrücklichen Aufklärungs- und Erklärungsaufforderung im Termin vom 26. Juli 2019 und weiterer Erinnerungen hierzu nicht nachgekommen. Vor diesem Hintergrund ist der Zeitpunkt der Herstellung der Versorgungsleitungen in der Straße hier nicht aufklärbar. Da klar ist, dass diese Leitungen bestehen, wird daher hier angenommen, dass diese bereits vor dem Jahr 2000 sich dort befanden, durch den Verband des Beklagten genutzt wurden und dem unmittelbar anliegenden Beitragsgrundstück eine tatsächliche Anschlussmöglichkeit vermittelten. Eine Nutzung durch Dritte dürfte ohnehin vom Beklagten näher darzulegen sein, da der Verband bereits aufgrund der Gründungssatzung die Zuständigkeit für die Versorgung im nämlichen Gebiet übertragen bekommen hatte.

(iii) Dem Kläger stand für sein damaliges Gesamtgrundstück auch das Anschlussrecht zu. Denn selbst wenn historisch der Grundstücks- bzw. Hausanschluss zur Gesamtanlage zu zählen wäre, kommt es für die Frage der Beitragspflichtigkeit nicht auf die tatsächliche Ausführung eines solchen Anschlusses an, sondern gemäß § 8 Abs. 7 S. 2 KAG – alter und neuer Fassung – darauf, ob tatsächlich und rechtlich die Möglichkeit des Anschlusses bestanden hat (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juli 2017 – 9 S 14.16 sowie Beschluss vom 10. August 2016 – 9 S 43.15).

In tatsächlicher Hinsicht muss vor dem Grundstück eine betriebsbereite Hauptversorgungsleitung des Verbandes des Beklagten vorhanden sein, was nach der Annahme (vgl. zuvor (ii)) hier anzunehmen ist.

In rechtlicher Hinsicht muss lediglich ein unabhängig vom Vorhandensein des Grundstücks- bzw. Hausanschlusses erkennbares Anschlussrecht bestanden haben (OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O. und VG Frankfurt Oder, Urteil vom 30. November 2009 – 5 K 1476/06). Das ist der Fall, denn das Anschluss- und Benutzungsrecht wurde durch die Wasserversorgungssatzung des Verbands vom 25. April 1994 in § 3 näher definiert. Im dortigen Absatz 2 heißt es wörtlich:

„Das Anschluss- und Benutzungsrecht erstreckt sich nur auf solche Grundstücke, die durch eine Versorgungsleitung erschlossen werden. Die Grundstückseigentümer können nicht verlangen, dass eine neue Versorgungsleitung hergestellt oder eine bestehende Versorgungsleitung geändert wird.“

Mit Blick auf den § 4 Abs. 1 dieser Versorgungssatzung wird auch deutlich, dass der Begriff „Versorgungsleitung“ nicht auch das Vorhandensein von Grundstücks- bzw. Hausanschlüsse einschließen sollte. Denn dort heißt es wörtlich:

„Die Eigentümer von Grundstücken, auf denen Wasser verbraucht wird, sind verpflichtet, diese Grundstücke an die öffentliche Wasserversorgungsanlage anzuschließen, wenn sie an eine öffentliche Straße (Weg, Platz) mit einer betriebsbereiten Versorgungsleitung grenzen oder ihren unmittelbaren Zugang zu einer solchen Straße durch einen Privatweg haben.“

Mit „Versorgungsleitung“ ist danach eindeutig nur die Leitung in der Straße, dem Weg, dem Platz gemeint, nicht aber auch der Grundstücks- bzw. Hausanschluss. Bestand demnach vor Ende 1999 eine Versorgungsleitung, die dem Kläger Anschluss bot, hatte dieser auch vor Ende 1999 ein Anschlussrecht. Dabei ist jedenfalls aus dem Satzungsrecht noch nicht einmal erkennbar, ob die Versorgungsleitungen überhaupt im formalen Eigentum des Verbandes – was der Beklagte vertritt – stehen mussten. Vielmehr war es ausreichend, dass der Verband ein Anschlussrecht vermitteln konnte.

(b) Dass das Gesamtgrundstück nach Ende 1999 geteilt wurde, spielt dabei keine entscheidungserhebliche Rolle. Denn insoweit ist darauf abzuheben, dass die Beitragserhebung gerade Grundstücks(-flächen-)bezogen erfolgt und eine doppelte Beitragserhebung ausgeschlossen ist. Das heißt aber auch, dass mit dem Zerfallen einer ursprünglich als eine Fläche geführten Grundstücksfläche in mehrere wirtschaftliche Einzeleinheiten etwaige vormalige Beitragserhebungsmöglichkeiten einschließlich etwaiger Einreden gegen die erstmalige oder erneute Beitragserhebung mit zu bedenken sind. Dies gilt auch für die sogenannte hypothetische Festsetzungsverjährung. Unabhängig davon dürfte im hiesigen Falle auch nach wie vor eine wirtschaftliche Einheit mit Blick auf die tatsächliche Nutzung anzunehmen sein.

(3) Auch die Aufnahme der Gemeinde Z_____führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Zudem war im Jahr 2005 – dem Zeitpunkt der Aufnahme dieses ehemaligen Gemeindegebietes – bereits die Festsetzungsverjährung in Form der hypothetischen Festsetzungsverjährung eingetreten und es käme – bei anderer Betrachtung – von vornherein zu einer vollständigen Entwertung der aus dem Rechtsstaatsprinzip fließenden einfachgesetzlichen Rechtsposition der sogenannten hypothetischen Festsetzungsverjährung. Auch hinge die Beitragspflicht jeweils von dem für den Beitragspflichtigen bloß zufälligen Ereignis ab, ob nach Eintritt der hypothetischen Festsetzungsverjährung infolge Beitritts einer Kommune zu einem Zweckverband oder auch durch erstmalige Gründung eines solchen oder einer nicht auf „Augenhöhe“ erfolgten Fusion von Zweckverbänden ein Beitrag für die erstmalige Herstellung der öffentlichen Anlage wieder in voller Höhe erhoben werden könnte (vgl. hierzu Kammerurteile vom 07. Dezember 2016 – 5 K 1290/13 sowie vom 20. September 2017 – 5 K 843/17; vgl. auch VG Potsdam, Urteil vom 22. Juni 2016 – 8 K 2979/14).

(4) Der Verband des Beklagten, in dessen Verbandsgebiet das veranlagte Grundstück liegt, war auch bereits seit den 1990er Jahren (aufgrund des Gesetzes zur rechtlichen Stabilisierung der Zweckverbände für Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung vom 06. Juli 1998 - StabG, GVBl. I/1998, S.162) rechtlich existent. Bereits der Erlass des materiell rückwirkenden Feststellungsbescheids durch den Landrat des Landkreises O_____führte zur rückwirkenden Entstehung des Zweckverbands, so dass eine rechtswirksame Gründung des Zweckverbands erst mit Bestandskraft des Feststellungsbescheides nicht mit der Rechtslage in Einklang zu bringen ist. Die infolge der Fiktionsregelungen gegebene materielle Rückwirkung des Stabilisierungsgesetzes ist aus Sicht der an den fehlerhaften Verbandsgründungen beteiligten Gemeinden bei verfassungskonformer Auslegung des § 2 Abs. 2 S. 1 StabG nicht zu beanstanden (VerfG des Landes Brandenburg, Urteil vom 20. Januar 2000 – VfGBbg 53/98, 3/99 -; dem sich anschließend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2017 – 9 S 14.16, hierzu auch Urteil der Kammer vom 20. September 2017 – 5 K 843/17).

(4) Die vom Beklagten bis in das Jahr 1996 behauptete rechtliche Ungewissheit über die Person des Beitragspflichtigen mag zwar bestanden haben, indes war eine Hemmung jedenfalls nicht mehr gegeben, als erstens der Beitragspflichtige anhand des Grundbuchs feststellbar geworden war und zweitens der Beitragsgläubiger nur deshalb keine positive Kenntnis über die Person des Beitragspflichtigen erlangt hat, weil er sich nicht um Kenntniserlangung bemüht hatte und dies bei wertender Betrachtung keinerlei Zusammenhang mit den ursprünglichen Ermittlungsschwierigkeiten aufwies (vgl. hierzu schon OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2017 – 9 S 14.16 – sowie Beschluss vom 24. Mai 2018 – 9 N 142.16). Solche Ermittlungsschwierigkeiten zeigt der Vortrag des Beklagten nach der Tilgung der Eintragung „Eigentum des Volkes“ im Jahr 1996 jedenfalls nicht (mehr).

(5) Die vom Bundesgerichtshof geäußerte abweichende Auffassung im Urteil vom 27. Juni 2019 – III ZR 93/18 – zur „Altanschließerfrage“ im Land Brandenburg bleibt eine in diesem Verfahren unbeachtliche Einzelmeinung. Die Rechtslage ist durch die bereits zitierten Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2015 abschließend geklärt (vgl. hierzu auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04. September 2019 – 9 S 18.18) und eine Änderung der hier vertretenen Auffassung aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist nicht angezeigt.

2.

Durch den rechtswidrigen Erlass des Beitragsbescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist der Kläger in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, denn der Kläger muss die vom Beklagten mit dem Beitragsbescheid geforderte Zahlung nicht leisten. Auch dem klagenden Land kommt subjektiv-öffentlich-rechtlich das aus dem verfassungsrechtlichen – dort konkret aus dem Rechtsstaatsprinzip – fließende Rückwirkungsverbot bei der Anwendung einfachen Landesrechts – des Kommunalabgabenrechts – zugute (vgl. hierzu auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Juni 2016 – 9 B 31.14). Hier zumal der Kläger im Bereich des Landes Brandenburg keine Hoheitsrechte ausüben kann und daher ohnehin zu behandeln ist, wie eine Privatperson.

IV.

1.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

2.

Gründe, die Berufung zuzulassen, sind nicht ersichtlich.