Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 17.06.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 1 N 101.12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 124a Abs 4 Nr 1 VwGO, § 124a Abs 4 Nr 2 VwGO, § 124a Abs 4 Nr 3 VwGO, § 8 Abs 4 EAEG, § 8 Abs 6 EAEG, § 8 Abs 8 EAEG, §§ 2ff KredAnstWiAWPHEV |
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. September 2012 wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt die Klägerin.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 37.534,28 EUR festgesetzt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Klägerin wendet sich gegen einen Jahresbeitragsbescheid der Beklagten vom 2. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 6. Oktober 2010 über 75.068,56 Euro für das Jahr 2009, soweit er einen höheren Jahresbeitrag als 37.534,28 Euro festsetzt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe den Jahresbeitrag zur Beklagten nach Maßgabe der Verordnung über die Beiträge zu der Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (EdW-Beitragsverordnung - EdWBeitrV) zu leisten, und zwar in der hier für den gesamten Abrechnungszeitraum anzuwendenden Fassung der Vierten Änderungsverordnung, die zum 26. August 2009 in Kraft getreten sei. Der Umstand, dass die Verordnung damit für die Beitragsbemessung an bereits vorhandene Gegebenheiten anknüpfe, sei verfassungsrechtlich unbedenklich; dies sei für den Bereich des dem Abgabenrecht vergleichbaren Steuerrechts so vom Bundesverfassungsgericht entschieden. Der Höhe nach sei der Jahresbeitrag zutreffend berechnet worden; auf die Klägerin sei hierbei zu Recht der Beitragssatz gemäß § 2 a Abs. 1 Nr. 7 EdWBeitrV angewandt worden. Gegen dieses Urteil richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung.
Die Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. Nach der für die Prüfung des Senats maßgeblichen Antragsbegründung (vgl. § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) liegen die geltend gemachten Zulassungsgründe ernstlicher Richtigkeitszweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und einer grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht dargelegt. Sie bestehen dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, juris Rn. 15 und vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, juris Rn. 11). Nicht nur die Begründung der angefochtenen Entscheidung oder lediglich einzelne Elemente dieser Begründung, sondern die Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung muss ernstlichen Zweifeln unterliegen (BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4/03 -, juris Rn. 8 ff.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Zu Recht geht das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil davon aus, dass der von der Klägerin geschuldete Jahresbeitrag für 2009 auf der Basis der EdW-Beitragsverordnung in der Fassung der Vierten Änderungsverordnung vom 17. August 2009 (BGBl. I S. 2881) zu berechnen ist. Dies entspricht der inzwischen ergangenen Rechtsprechung des Senats. Danach verstößt insbesondere die von der Vierten Änderungsverordnung vorgenommene Erhöhung der Beitragssätze in § 2 a EdWBeitrV, gegen die sich das Zulassungsvorbringen richtet, nicht gegen die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes (ausführlich Senatsurteile vom 6. März 2014 - OVG 1 B 18.12 -, Abdruck S. 41 f. und - OVG 1 B 24.12 -, Abdruck S. 42 f.). Denn es ist anerkannt, dass eine unechte Rückwirkung, um die es sich hier handelt, nicht grundsätzlich unzulässig ist. Sie liegt dann vor, wenn die belastenden Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden, und ist, soweit nicht - hier fehlende - besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, verfassungsrechtlich zulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2010, - 2 BvR 748/05, 753/05 und 1738/05 -, juris Rn. 45 f. m.w.N.). So liegt es hier, weil die belastende Rechtsfolge - höhere Beitragssätze - die Institute erst nach dem Erlass der geänderten EdW-Beitragsverordnung traf und nur die tatbestandliche Anknüpfung - Jahresbeitragserhebung für das Abrechnungsjahr 2009, für die der wirtschaftliche Erfolg im Geschäftsjahr 2008 maßgeblich war, vgl. § 2 Abs. 3 EdWBeitrV - teilweise zeitlich vorher lag, ohne bereits abgeschlossen gewesen zu sein. Denn das Abrechnungsjahr 2009 umfasst den Zeitraum vom 1. Oktober 2008 bis zum 30. September 2009, vgl. § 8 Abs. 2 Satz 2 EAEG. Die geänderten Beitragssätze betrafen damit erst die zum Ende des Abrechnungszeitraums entstehende Verpflichtung, den Jahresbeitrag für 2009 zu leisten; dass die Pflicht erst zu diesem Zeitpunkt entsteht, beschreibt § 8 Abs. 2 Satz 1 EAEG hinreichend deutlich (vgl. Senatsurteile vom 6. März 2014 - OVG 1 B 18.12 -, Abdruck S. 19 und - OVG 1 B 24.12 -, Abdruck S. 19). Für eine anteilige Geltung der in Betracht kommenden Normen gibt es daher in der Tat keinen Anhalt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat (Abdruck S. 6); geschuldet wird ein Jahresbeitrag „zum Ende eines Abrechnungsjahres“ (§ 8 Abs. 2 Satz 1 EAEG ), und nicht ein aus mehreren - gegebenenfalls nach unterschiedlichen Rechtsgrundlagen ermittelter - Monats- oder Tagesbeiträgen zusammengesetzter Jahresbeitrag. Die von der Zulassungsbegründung angestellten systematischen Erwägungen, die das Vorliegen einer echten Rückwirkung begründen sollen, weil sich aus der EdW-Beitragsverordnung ergebe, dass sie an die Zugehörigkeit zum 1. Januar anknüpfe und zum 30. Juni (Zulassungsbegründung S. 4) beziehungsweise 1. Juli (ebenda S. 5) die Beitragshöhe „definitiv“ feststehe, vermögen nicht zu überzeugen. Gegen sie spricht schon, dass etwa § 2 Abs. 2 Sätze 3 bis 9 EdWBeitrV eine antragsabhängige Berücksichtigung bestimmter Ermäßigungstatbestände vorsieht, die sich unmittelbar auf die Bemessungsgrundlage und damit die Höhe des Jahresbeitrags auswirken, und sich dieses Verfahren bis zum 15. August des Abrechnungsjahres hinziehen kann. Ähnlich ist es mit den Anträgen auf abweichende Zuordnung zu Beitragsgruppen gemäß § 2 b EdWBeitrV; auch dieses Verfahren kann über den 30. Juni beziehungsweise 1. Juli hinaus andauern (vgl. § 2 b Satz 3 EdWBeitrV). Insofern kann keine Rede davon sein, dass zu diesem Zeitpunkt die Beitragshöhe schon „definitiv“ feststehe. Besondere Momente der Schutzbedürftigkeit, die eine abweichende Sicht zugunsten der Wertpapierhandelsunternehmen rechtfertigen könnten, sind hier auch deshalb nicht ersichtlich, weil die geplanten Neuregelungen im Anlegerentschädigungsrecht seinerzeit - worauf die Beklagte zu Recht hinweist - bereits ab dem Frühjahr 2009 veröffentlicht worden sind. Ein Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen Regelungen konnte deshalb kaum entwickelt worden sein, jedenfalls aber erschiene es nicht schutzwürdig.
2. Der weiter geltend gemachte Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist ebenfalls nicht gegeben. Denn besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten liegen nur dann vor, wenn die Rechtssache voraussichtlich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, mithin überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht; sind auftretende Fragen bereits von der Rechtsprechung geklärt, fehlt es an rechtlichen Schwierigkeiten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage 2013, § 124 Rn. 9 m.w.N.). In diesem Sinne sind besondere rechtliche Schwierigkeiten, um die es hier allein gehen kann, nicht zu erkennen. Anders, als die Zulassungsbegründung meint, geht es nicht um die Anwendung allgemeiner Grundsätze des Steuerrechts oder um deren Übertragung auf das Abgabenrecht, sondern um die Prüfung verfassungsrechtlicher Vorgaben im konkreten Fall, die schon deshalb keine überdurchschnittliche, das normale Maß übersteigende Schwierigkeit verursacht, weil es insbesondere zur Frage der Rückwirkung von Vorschriften eine ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gibt.
3. Auch der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt nicht vor. Die Zulassungsbegründung zeigt eine grundsätzliche, bisher in der Rechtsprechung noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage, deren Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre und deren Klärung im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung oder der Fortbildung des Rechts notwendig erscheint, nicht auf (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage 2010, § 124 Rn. 127 m.w.N.). Der Umstand, dass die Jahresbeitragsbescheide 2009 gemäß § 8 Abs. 6 Satz 1 EAEG für die Sonderzahlungsbescheide der Beklagten für das Jahr 2010 bedeutsam sind, woraus sich wiederum eine Verbindung mit „allen Folgesonderzahlungsbescheiden“ ergeben soll, lässt keine derartige grundsätzliche Bedeutung erkennen. Es fehlt schon an der Folgewirkung, weil die weiteren Sonderzahlungsbescheide ab 2011 gemäß § 8 Abs. 6 Satz 1 EAEG stets an den (jeweiligen) zuletzt fälligen vollen Jahresbeitrag und nicht an den Sonderzahlungsbescheid des Vorjahres anknüpfen. Vor allem aber ist hier allein der Jahresbeitrag der Klägerin für 2009 streitig, etwaige Auswirkungen auf Sonderzahlungserhebungen in 2010 und noch späteren Jahren sind hierfür nicht entscheidungserheblich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).