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Türke; Abschiebung noch nicht befristet; erneute Einreise; Personensorgerecht für deutsches Kind; Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen; Nebenbestimmung; Erwerbstätigkeit nicht gestattet; Änderung der Nebenbestimmung; Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit verweigert; Anspruch unabhängig von Zustimmung; Analogie zu § 25 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 2 wegen Art . 6 GG; fehlende planwidrige Regelungslücke; Anordnungsanspruch; Beschwerde erfolglos


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat Entscheidungsdatum 13.09.2012
Aktenzeichen OVG 11 S 52.11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 25 Abs 5 AufenthG, § 28 Abs 1 S 1 Nr 3 AufenthG, § 28 Abs 5 AufenthG, Art 6 GG, § 123 VwGO, § 46 Abs 4 VwGO

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18. Juli 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die im Oktober 2009 mit einem kurzzeitigen Schengen-Visum nach Deutschland eingereiste und sich im Anschluss daran unerlaubt hier aufhaltende türkische Antragstellerin stellte im September 2010 einen unanfechtbar als offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylantrag. Den daraufhin am 15. Oktober 2010 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck erneuter Eheschließung mit ihrem inzwischen eingebürgerten Ehemann, den sie kurz darauf erneut heiratete, lehnte der Antragsgegner durch Bescheid vom 24. November 2010 im Wesentlichen mit der Begründung ab, ihr stehe mangels deutscher Sprachkenntnisse weder ein Anspruch auf Ehegattennachzug nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu noch falle die Ermessensentscheidung im Rahmen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zu ihren Gunsten aus. Hiergegen erhob die Antragstellerin Klage (VG 19 K 329.10) und beantragte erfolglos die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Beschluss des Verwaltungsgericht Berlin vom 19. Januar 2011 zu 19 L 328.10 und Beschluss des Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vom 4. April 2011 zu OVG 11 S 9.11).

Den mit Schriftsatz vom 26. Juni 2011 im Hinblick auf neuere Rechtsprechung des EuGH zur „Stillhalteklausel“ gestellten Antrag, „abermals“ einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren, hat das Verwaltungsgericht Berlin durch den vorliegend angefochtenen Beschluss vom 18. Juli 2011 im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, das als Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO auszulegende Begehren sei mangels Vorliegens neuer Umstände bereits unzulässig. Im Übrigen sei aber auch der ansonsten einzig in Betracht kommende Antrag nach § 123 VwGO mangels Anordnungsanspruches unbegründet. Denn die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln für türkische Staatsangehörige und die zitierte Rechtsprechung des EuGH seien für ihr Begehren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug nicht einschlägig.

II.

Die rechtzeitig erhobene und begründete Beschwerde der Antragsstellerin hat auf der Grundlage des nach § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO maßgeblichen Beschwerdevorbringens keinen Erfolg.

Dabei mag dahinstehen, ob der Antrag schon deshalb erfolglos bleiben muss, weil die Antragstellerin zur Begründung ihrer Beschwerde geltend macht, das Verwaltungsgericht habe ihr Begehren, ihr abermals einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren, „dankenswerterweise als Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO verstanden. Nur so konnte er auch gemeint sein“. Hiermit hat sich die Antragstellerin auf einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO festgelegt. An der Unzulässigkeit dieses Antrags, die das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 19. Januar 2011 angesichts ihres unerlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet zutreffend mit der fehlenden Fiktionswirkung des Aufenthaltserlaubnisantrags vom 15. Oktober 2010 begründet hatte, hat sich jedoch bis heute nichts geändert.

Jedenfalls ist der Antrag auf Gewährung „einstweiligen Rechtsschutzes bis zur Entscheidung über die Klage“ gemäß § 123 VwGO unbegründet.

Soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, ihr gehe es nunmehr auch darum, hier die deutsche Sprache erlernen zu können, so dass sie sich auf die passive Dienstleistungsfreiheit und damit auf die Stillhalteklausel in Art. 41 Zusatzprotokoll berufen könne, kann das und der Verweis auf den diesbezüglichen Vorlagebeschluss des 12. Senats des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. April 2011 zu 12 B 46.09 an den Europäischen Gerichtshof im vorliegenden Verfahren schon deshalb keine Berücksichtigung finden, weil Streitgegenstand des Klageverfahrens nicht ein Aufenthaltsrecht zum Spracherwerb ist, sondern die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug. Im Hinblick hierauf geht auch die Annahme der Antragstellerin fehl, es stelle sich vorliegend die Frage, ob sie zum Erlernen der deutschen Sprache visumsfrei einreisen und eine Aufenthaltserlaubnis zu diesem Zweck verlangen dürfe.

Soweit die Antragstellerin die - im Schriftsatz vom 14. August 2011 nochmals näher dargelegte - Frage aufwirft, ob sie überhaupt verpflichtet sein könne, die deutsche Sprache vor einer Einreise nach Deutschland zu erlernen und insoweit auf die - kürzlich in einem Verfahren vor dem EuGH geltend gemachten - Bedenken der Europäischen Kommission im Hinblick auf § 7 Abs. 2 der Familienzusammen-führungsrichtlinie Bezug nimmt, ist darauf zu verweisen, dass der EuGH eine entsprechende Entscheidung in Bezug auf das Erfordernis des Spracherwerbs vor Einreise bisher nicht getroffen hat und sich hieraus auch angesichts der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG und vor dem Hintergrund, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 30. März 2010 zu 1 C 8.09 insoweit keine rechtlichen Bedenken hatte (juris Rz. 22 ff.), jedenfalls keine so gewichtigen Zweifel ergeben, dass das Vorliegen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltsrechts insoweit in einer die Vorwegnahme der Hauptsache und den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigenden Weise feststünde. Eine Aussetzung und Vorlage an den EuGH nach Art. 267 AEUV (früher Art. 234 EGV), wie durch die Antragstellerin angeregt, kommt deshalb jedenfalls im vorliegenden Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz nicht in Betracht (Classen in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, S. 205).

Jedenfalls aber räumt die im Oktober 2009 mit einem kurzzeitigen Schengen-Visum eingereiste Antragstellerin nunmehr selbst ein, von vornherein einen dauerhaften Verbleib im Bundesgebiet beabsichtigt zu haben, so dass sie seinerzeit nicht mit dem erforderlichen Visum nach Deutschland eingereist ist. Das aber steht nach § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug entgegen. Zwar kann hiervon nach Satz 2 abgesehen werden. Dass das dem Antragsgegner insoweit zustehende Ermessen auf Null reduziert bzw. dessen Ablehnung als ermessensfehlerhaft anzusehen wäre, ist nicht dargelegt. Diesbezüglich wird auf die entsprechenden Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Januar 2011, bestätigt durch Beschluss des Senats vom 4. April 2011, verwiesen. Zur Begründung des vorliegenden Antrags auf „abermaligen“ einstweiligen Rechtsschutz ist insoweit Neues nicht vorgebracht worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).