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Entscheidung S 27 KR 74/09


Metadaten

Gericht SG Frankfurt (Oder) 27. Kammer Entscheidungsdatum 29.03.2011
Aktenzeichen S 27 KR 74/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG, § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG, § 45 SGB 1, § 387 BGB, § 390 BGB, § 204 BGB, § 215 BGB

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 15.600,02 € nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 15.06.2009 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rückerstattung von Krankenhausbehandlungskosten aus dem Jahre 2004, deretwegen die beklagte Krankenkasse gegen laufende unstreitige Krankenhausrechnungen im Jahre 2009 aufgerechnet hat.

In der Zeit von April 2004 bis November 2004 befanden sich (u. a.) 15 bei der beklagten Krankenkasse Versicherte zur stationären Behandlung in der gem. § 108 SGB V zugelassenen Klinik der Klägerin. Die in diesem Zusammenhang von der Klägerin an die Beklagte zum Ausgleich der Behandlungskosten übermittelten Rechnungen wurden allesamt noch im Kalenderjahr 2004 von der Beklagten unbeanstandet gezahlt.

Mit gleich lautenden Schreiben vom 01.10.2008 und 02.10.2008 teilte der Medizinische Dienst des Bundeseisenbahnvermögens der Klägerin hinsichtlich der Behandlung der o. g. 15 Versicherten sodann jeweils mit, die Beklagte habe ihn mit einer gutachterlichen Stellungnahme zur Kodierung der Haupt- und Nebendiagnosen, d. h. Abrechnung des entsprechenden Behandlungsfalls beauftragt. Es werde daher um kurzfristige Überlassung des Krankenhausentlassungsberichts, der Pflegedokumentation und der Patientenkurve gebeten.

Dieser Bitte kam die Klägerin nach, sodass bis 20.10.2008 sämtliche angeforderten Unterlagen beim Medizinischen Dienst eingegangen waren. In seinen gutachterlichen Stellungnahmen vom 09.01.2009, 16.01.2009 und 30.01.2009 kam der Medizinische Dienst in sämtlichen 15 Behandlungsfällen zu einer aus seiner Sicht jeweils gegenüber der Abrechnung der Klägerin abweichenden Kodierung von Haupt- bzw. Nebendiagnosen entsprechend der Vorgaben der Deutschen Kodierrichtlinien mit der Folge an sich geringerer auszuweisender Rechnungsbeträge.

Mit Schreiben im Januar und Februar 2009 teilte die Beklagte der Klägerin sodann bezogen auf die streitigen 15 Behandlungsfälle mit, die gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes habe jeweils zu einer anderen abrechnungsrelevanten DRG (Diagnosis Related Groups – Diagnosebezogene Fallgruppen) mit einem niedrigeren Behandlungsentgelt (Fallpauschale) geführt. Es werde daher gebeten, das Rechnungsergebnis innerhalb von 14 Tagen zu berichtigen. Soweit dies unterbleibe, werde von der Zustimmung der Klägerin ausgegangen und sich vorbehalten, den jeweils strittigen Betrag zu verrechnen.

Nachdem die Aufforderung zur Korrektur der streitigen Rechnungen ohne Reaktion der Klägerin blieb, teilte die Beklagte der Klägerin mit weiteren Schreiben im Februar und März 2009 mit, die streitigen Kürzungsbeträge in einem Gesamtumfang von 15.600,02 € aus der Behandlung und Abrechnung der o. g. 15 Versicherten würden gegen noch offene laufende, der Höhe nach unstreitige Krankenhausrechnungen aus der Zeit vom 11.02.2009 bis 25.03.2009 aufgerechnet.

Mit Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 14.05.2009 forderte die Klägerin die Beklagte auf, den aus ihrer Sicht zu Unrecht einbehaltenen Betrag in Höhe von 15.600,02 € zur Auszahlung zu bringen. Eine Reaktion der Beklagten erfolgte nicht.

Mit der am 15.06.2009 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter. Zur Begründung erhebt sie ausdrücklich den Einwand der Verjährung. Sämtliche Forderungen der Beklagten aus den hier streitigen Abrechnungen seien mit Ablauf des 31.12.2008 verjährt gewesen. Verjährungsunterbrechende oder verjährungshemmende Maßnahmen seien nicht erfolgt.

Mit Beschluss vom 28.01.2010 hat das Gericht die im Übrigen mit der Klage anhängig gemachten Rechtsstreitigkeiten hinsichtlich der Abrechnung der stationären Behandlung der Versicherten E. (stationäre Behandlung vom 20.11.2004 bis 25.11.2004, Rechnung vom 20.12.2004, Zahltermin 11.01.2005), des Versicherten M. (stationäre Behandlung vom 04.12.2004 bis 17.12.2004, Rechnung vom 30.12.2004, Zahltermin 19.01.2005) und der Versicherten E. (stationäre Behandlung vom 25.12.2004 bis 31.12.2004, Rechnung vom 31.12.2004, Zahltermin 24.01.2005) zum Zwecke einer getrennten Verhandlung und Entscheidung von diesem Klageverfahren abgetrennt und unter gesondertem Aktenzeichen fortgeführt.

Die Klägerin beantragt ausgehend davon zuletzt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 15.600,02 € nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 15.06.2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, die Erstattungsforderungen der Beklagten seien zum Zeitpunkt der Aufrechnung noch nicht verjährt gewesen. Es gelte die vierjährige Verjährungsfrist. Mit der Übersendung der Unterlagen an den Medizinischen Dienst habe die Klägerin Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Die Bearbeitungszeit beim Medizinischen Dienst liege im Übrigen nicht im Einflussbereich der Beklagten. Etwaige Verzögerungen durch den Medizinischen Dienst bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach § 275 Abs. 1 SGB V könnten daher nicht den Krankenkassen angelastet werden. Darüber hinaus sei die Verjährung durch den Beginn des Begutachtungsverfahrens durch den Medizinischen Dienst gehemmt worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und insbesondere als echte Leistungsklage gem. § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft (BSG, Urteil vom 22.04.2009 – B 3 KR 24/07 R, veröffentlicht in JURIS-Datenbank, m. w. Nw.). Die Klage eines Krankenhausträgers wie der Klägerin auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gegen eine Krankenkasse ist ein Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen ist und keine Klagefrist zu beachten ist Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert (vgl. zu alledem Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Dezember 2008, B 1 KR 10/08 R, veröffentlicht in JURIS-Datenbank).

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch in Höhe von 15.600,02 € aufgrund der stationären Behandlung der Versicherten der Beklagten (Hauptforderung), nachdem die hierfür im Zeitraum 11.02.2009 bis 25.03.2009 durch die Klägerin gestellten Rechnungen durch die Beklagte um den vorgenannten Betrag gekürzt wurden und nur ein entsprechend geringerer Betrag zur Auszahlung kam.Rechtsgrundlage des insoweit durch die Klägerin geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i. V. m. dem Vertrag über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung vom 8. Oktober 1996 für das Land Brandenburg (ABK-Vertrag). Der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser im Sinne des § 109 Abs. 4 S. 2 SGB V steht dabei ein Vergütungsanspruch gegenüber, dessen Höhe auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung gem. § 17b Abs. 1 S. 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) i. V. m. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntG) i. V. m. § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KHEntG zwischen dem GKV-Bund und der Deutschen Krankenhausgesellschaft mit Wirkung für und gegen die Beteiligten im Wege der Fallpauschalenvereinbarung 2009 vom 23.09.2008 (abstrakt) festgesetzt worden ist. Da sich die Beklagte gegen die Klageforderung ausschließlich im Wege der Aufrechnung mit einer Gegenforderung verteidigt, steht die Klageforderung als solche (Rechnungen der Klägerin vom 11.02.2009 bis 25.03.2009) jedoch außer Streit.

Die Beklagte kann gegen die als solche unstreitige Klageforderung nicht erfolgreich einwenden, sie habe gegen diese rechtswirksam mit einer gleichartigen und erfüllbaren Gegenforderung aufgerechnet, sodass die Klageforderung in dem Zeitpunkt als erloschen gegolten hätte, in welchem die beiden Forderungen zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind (§ 389 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Denn mit einer Forderung, der eine Einrede wie hier der Verjährung entgegensteht, kann gem. § 390 BGB nicht aufgerechnet werden. Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 215 BGB sind zudem nicht erfüllt (dazu nachstehend b)).

a) Zwar enthält das SGB enthält keine allgemeine Regelung der Aufrechnung. Denn § 51 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) betrifft nur Möglichkeiten der Aufrechnung eines Leistungsträgers gegen Ansprüche auf Geldleistungen im Sinne von §§ 11, 18 - 29 SGB I, deren tatbestandliche Voraussetzungen hier nicht erfüllt sind. Gleichwohl besteht neben der Regelung des § 51 SGB I grundsätzlich die Möglichkeit, einer öffentlich-rechtlichen Forderung im Wege der Aufrechnung, auf die die §§ 387 ff. BGB entsprechend anzuwenden sind, entgegenzutreten (BSG, Urteil vom 22.07.2004 – B 3 KR 21/03 R, veröffentlicht in JURIS-Datenbank, m. w. Nw.). Voraussetzung dieses einseitigen Rechtsgeschäfts, mit dem die wechselseitige Tilgung zweier Forderungen bewirkt wird, ist gemäß § 387 BGB, dass sich zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung gegenseitige, gleichartige und fällige bzw. erfüllbare Forderungen gegenüberstehen. Allein die Aufrechnungserklärung bewirkt, dass sowohl die Haupt- als auch die Gegenforderung erlöschen, soweit sie sich deckungsgleich gegenüberstehen, ohne dass es einer weiteren - sozialrechtlichen - Ermächtigungsnorm hierfür bedarf (BSG, a. a. O.).

b) Ob der Beklagten überhaupt eine Gegenforderung zukommt, mit der sie unter Außerachtlassung des Verjährungseinwandes hätte gegen die Klageforderung aufrechnen können, kann offen bleiben. In Betracht käme insoweit allenfalls ein im Bereich der Abrechnungsbeziehungen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus allgemein anerkannter öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, der dem Ausgleich rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen dient (BSG, Urteil vom 22.07.2004 – B 3 KR 21/03 R, veröffentlicht in JURIS-Datenbank). Danach können Leistungen zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die in Wirklichkeit nicht besteht, grundsätzlich zurückgefordert werden. Ein derartiger Erstattungsanspruch würde demnach voraussetzen, dass hinsichtlich der 15 hier streitigen Behandlungsfälle aus dem Zeitraum April 2004 bis November 2004 durch die Klägerin von den gesetzlichen Regelungen abweichende und damit überhöhte Rechnungen gestellt und von der Beklagten ausgeglichen worden sind.

Ob ein derartiger Erstattungsanspruch etwa wegen unzutreffender Kodierung von Haupt- und Nebendiagnosen mit der Folge einer fehlerhaften Fallpauschale nach dem Fallpauschalensystem (DRG-Code) der Beklagten entstanden ist, bedarf jedoch keiner weiteren Ermittlungen. Denn die durch die Beklagte erklärte Aufrechnung mit dem behaupteten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch geht aufgrund der spätestens zum 31.12.2008 eingetretenen Verjährung desselben ins Leere. Mit einer Forderung, der eine Einrede entgegensteht, kann gem. § 390 BGB grundsätzlich nicht wirksam aufgerechnet werden. Eine Ausnahme gilt lediglich für die Einrede der Verjährung. Denn gem. § 215 BGB schließt die Verjährung die Aufrechnung nicht aus, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte. Insoweit kommt es also auf den Zeitpunkt an, in dem sich Hauptforderung und Gegenforderung erstmals aufrechenbar gegenüberstanden. Da jedoch die Hauptforderungen ausgehend von den Rechnungsdaten (11.02.2009 bis 25.03.2009) allesamt erst im Jahre 2009 entstanden sind und damit fällig bzw. erfüllbar waren, standen sich die Haupt- und Gegenforderungen erstmals im Jahre 2009 und damit nach dem Verjährungseintritt zum 31.12.2008 aufrechenbar gegenüber (dazu sogleich):

aa) Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch unterliegt in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 1 SGB I, der Ausdruck eines allgemeinen Rechtsprinzips im Sozialrecht ist, einer vierjährigen Verjährungsfrist (BSG, Urteil vom 22.07.2004 – B 3 KR 21/03 R, veröffentlicht in JURIS-Datenbank, m. w. Nw.; vgl. auch BSG, Urteil vom 12.05.2005 – B 3 KR 32/04 R, veröffentlicht in JURIS-Datenbank, für den Vergütungsanspruch eines Krankenhauses). Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt gem. § 45 Abs. 1 SGB I (alternativ gem. § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i. V. m. § 199 Abs. 1 BGB) mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch, hier also der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, entstanden ist. Da hinsichtlich der hier streitigen 15 Behandlungsfälle bereits im Kalenderjahr 2004 die entsprechenden Rechnungen übermittelt und von der Beklagten auch ausgeglichen wurden, wäre ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch bereits im Kalenderjahr 2004 mit der jeweiligen Zahlung der Beklagten entstanden. Die vierjährige Verjährungsfrist ist somit zum 01.01.2005 an- und zum 31.12.2008 abgelaufen.

bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten, ist der Lauf der Verjährungsfrist auch nicht gehemmt worden, mit der Folge, dass gem. § 45 Abs. 2 SGB I i. V. m. § 209 BGB der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet würde.

(1) Zwar führen gem. § 45 Abs. 2 SGB I i. V. m. § 203 BGB Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände zur Hemmung der Verjährung, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt dann frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein. Der Verhandlungsbegriff ist hierbei auch weit auszulegen (vgl. Grothe, in Münchner Kommentar, 5. Aufl. 2006, § 203 BGB Rn. 5, m. w. Nw.), sodass Verhandlungen bei jedem Meinungsaustausch über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, aufgrund dessen der Gläubiger davon ausgehen kann, sein Begehren werde von der Gegenseite noch nicht endgültig abgelehnt, anzunehmen sind. Nicht erforderlich ist, dass der Schuldner Vergleichsbereitschaft äußert (vgl. Grothe, a. a. O., m. w. Nw.). Voraussetzung für eine Hemmung der Verjährung gem. § 203 BGB ist jedoch mindestens, dass der Gläubiger dem Schuldner überhaupt zu erkennen gegeben hat, er mache einen Anspruch geltend. Ausgehend davon sind die Voraussetzungen des § 203 BGB nicht erfüllt. Zwar hat der medizinische Dienst mit Schreiben vom 01.10.2008 und 02.10.2008 von der Klägerin Unterlagen zur Prüfung der Abrechnung der 15 streitigen Behandlungsfälle angefordert und auf die anstehende Prüfung hingewiesen. Diesem Begehren ist die Klägerin auch zeitnah nachgekommen. Gleichwohl liegen darin noch keine Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände. Denn dies hätte vorausgesetzt, dass zu diesem Zeitpunkt bereits ansatzweise erkennbar gewesen wäre, dass von der Beklagten ein Erstattungsanspruch geltend gemacht wird. Das Prüfverfahren durch den medizinischen Dienst (§ 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) sollte jedoch die Beklagte erst in die Lage versetzen zu entscheiden, ob ein Erstattungsanspruch besteht und dieser auch durchgesetzt werden soll. Naturgemäß können Verhandlungen über einen Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände jedoch erst stattfinden, wenn der Gläubiger überhaupt davon ausgeht, dass ihm ein Anspruch zukommt oder Umstände (hier: ggf. fehlerhafte Kodierung) vorliegen, die einen Anspruch begründen. Erstmals geltend gemacht wurden die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen im Januar und Februar 2009 und damit nach dem Eintritt der Verjährung.

(2) Die Verjährung wurde entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht gem. § 45 Abs. 2 SGB I i. V. m. § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB gehemmt. Danach tritt zwar ab Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens Verjährungshemmung ein. Eine Begutachtung der Abrechnung in den hier streitigen 15 Behandlungsfällen hat ab Oktober 2008 auch durch den Medizinischen Dienst der Beklagten stattgefunden. Allerdings handelt es sich gerade nicht um ein vereinbartes Begutachtungs-, sondern ein gem. § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V gesetzlich vorgegebenes und damit einseitig initiiertes Begutachtungsverfahren. Einseitig veranlasste Gutachten entfalten jedoch gerade keine verjährungshemmende Wirkung (vgl. Grothe, in Münchner Kommentar, 5. Aufl. 2006, § 204 BGB Rn. 47, m. w. Nw.). Mit der Übersendung der angeforderten Behandlungsunterlagen an den Medizinischen Dienst erklärt sich die Klägerin auch nicht etwa mit einer Begutachtung einverstanden, sodass unter diesem Aspekt von einem vereinbarten Begutachtungsverfahren ausgegangen werden könnte. Vielmehr genügt die Klägerin insoweit lediglich ihrer gesetzlich geregelten Mitwirkungs- und Vorlagepflicht gem. § 276 Abs. 1 S. 1 SGB V. Eine entsprechende Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 8 SGB V, die den Hemmungstatbestand um die Voraussetzung, dass es sich um ein vereinbartes Begutachtungsverfahren handeln muss, reduziert, ist in den Fällen des gem. § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V angeordneten Prüfverfahrens auch nicht aufgrund der Besonderheiten der ausschließlich öffentlich-rechtlich geprägten Rechtsbeziehung zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12.05.2005 – B 3 KR 32/04 R, veröffentlicht in JURIS-Datenbank) geboten. Dies käme allenfalls dann in Betracht, wenn die Beteiligten keine Möglichkeit hätten, die Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB durch eigenes Handeln herbeizuführen, d. h. insbesondere eine Vereinbarung zu Voraussetzungen, Ablauf und Inhalt von Begutachtungsverfahren zu treffen. Insoweit zeigt jedoch bereits § 112 Abs. 2 Nr. 1 lit. b, Nr. 2 SGB V, dass auf Landesebene Verträge mit entsprechendem Inhalt geschlossen werden können. Bislang fehlt es jedoch in Brandenburg an einem solchen Vertrag und damit an einem „vereinbarten“ Begutachtungsverfahren.

(3) Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass sie auf die Dauer eines Begutachtungsverfahrens und den damit möglicherweise zwischenzeitlichen Eintritt der Verjährung, keinen Einfluss hat, da ihr insoweit keinerlei Weisungsbefugnisse gegenüber dem Medizinischen Dienst zukommen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 28.09.2006 – B 3 KR 23/05 R, veröffentlicht in JURIS-Datenbank). Allerdings ist die Beklagte gleichwohl keineswegs rechtlos gestellt. Denn die vierjährige Verjährungsfrist dürfte regelmäßig genügen, um vor Ablauf der Verjährungsfrist Erstattungsansprüche im Wege der Aufrechnung durchzusetzen. Wenn die Beklagte trotz des Verjährungsrisikos erst unmittelbar vor Eintritt der Verjährung den Medizinischen Dienst mit einer Begutachtung beauftragt, erscheint es demgegenüber geradezu treuwidrig, sich auf die fehlende Weisungsbefugnis im Verhältnis zum Medizinischen Dienst zu berufen. Darüber hinaus steht es der Beklagten frei, bereits vor dem Abschluss des Begutachtungsverfahrens verjährungshemmende Maßnahmen im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu ergreifen und etwa bei einem begründeten Verdacht eines Abrechnungsfehlers die gesamte Rechnungssumme zurückzufordern oder insoweit die Aufrechnung zu erklären. In Betracht kommt daneben auch der freiwillige Verzicht auf die Geltendmachung der Verjährung durch das Krankenhaus auf Anfrage der Beklagten.

Im Ergebnis ist es daher aus Sicht der Kammer gerade nicht unbillig, der Beklagten die Berufung auf § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB nach Beauftragung des Medizinischen Dienstes mangels landesvertraglicher Regelung eines Begutachtungsverfahrens zu verwehren.

2. Der Zinsanspruch basiert auf § 18 Abs. 5 des ABK-Vertrages i. V. m. § 1 des Diskontssatz-Überleitungsgesetzes.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).