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Entscheidung 9 UF 140/09


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 12.08.2010
Aktenzeichen 9 UF 140/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 2. Oktober 2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts Cottbus – Az. 51 F 146/08 – aufgehoben und das Verfahren zur weiteren Verhandlung und Entscheidung in dem - (nur) zur Auskunftsstufe durch den Teilvergleich der Parteien vom 1. Juli 2010 in der Hauptsache allerdings vollständig erledigten - Stufenverfahren zum Zugewinnausgleich an das Amtsgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten dieses Berufungsverfahrens zu entscheiden haben wird.

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Stufenverfahren und hier in der Auskunftsstufe über Ansprüche auf Zugewinnausgleich.

Die Parteien haben am 23. April 1999 geheiratet; die Ehe wurde durch rechtskräftig gewordenes Urteil des Amtsgerichts Cottbus vom 20. April 2005, Az. 51 F 320/04, geschieden.

Mit der am 17. April 2008 eingereichten Klage hat der Kläger die Beklagte mit der Behauptung, auf die vorgerichtlichen Aufforderungen sei nur unvollständig Auskunft erteilt worden, im Wege der Stufenklage auf Auskunftserteilung über den Bestand ihres Endvermögens zum Stichtag 16. November 2004 durch Vorlage eines nach Aktiva und Passiva systematisch geordneten schriftlichen und unterzeichneten Bestandsverzeichnisses unter Angabe von Art und Umfang der Einzelposten, der Vermögenswerte und wertbildenden Faktoren, insbesondere über das im Alleineigentum der Beklagten stehende – im Antrag näher bezeichneten – Hausgrundstück in W… durch Vorlage einer schriftlichen Aufstellung über den Grundbesitz mit Bebauung, Zustand sowie unter Angabe der wertbildenden Faktoren und sodann Zahlung des sich ergebenden Zugewinns in Anspruch genommen.

So seien einzelne Vermögensgegenstände nicht hinreichend spezifiziert angegeben; insbesondere seien auch Angaben „über Maßnahmen zur illoyalen Vermögensverminderung in Sicht des § 1375 Abs. 2 BGB durch Ausgabe von Bar- und Sparvermögen, welches aus der Ehezeit resultiert und der Beklagten unberechtigt zugewiesen bzw. verfügt wurde, mit einzubeziehen“ (Bl. 62 GA). Vor diesem Hintergrund sei die genaue Darstellung des Bautenstandes an dem Grundstück erforderlich.

Die Beklagte ist dem Antrag mit der Auffassung entgegen getreten, das Auskunftsverlangen des Klägers mit Schreiben vom 7. und 19. Oktober 2005 nebst Anlagen erfüllt zu haben (Bl. 11 – 55 GA). Auf das Angebot, für Rückfragen zur Verfügung zu stehen, sei der Kläger in der Folgezeit nicht zurückgekommen. Die fehlende Nachfrage des Klägers wegen des Auskunftsanspruches habe bei ihr zu der berechtigten Annahme geführt, „dass der Kläger diesen nicht weiter verfolgt und/oder die erfolgte Auskunftslegung als ausreichend geltend ließ“ (Bl. 9 GA). Sie hat gemeint, der Auskunftsanspruch sei deshalb verwirkt und die Klageerhebung rechtsmissbräuchlich. Ergänzend hat die Beklagte in der Klageerwiderung („im Rahmen eines sofortigen Anerkenntnisses“, Bl. 9 GA) Auskunft zu den Konten bei der Sparkasse … erteilt und diese belegt (Bl. 56 GA).

Mit Schriftsatz vom 22. August 2008 hat die Beklagte sodann hilfsweise für den Fall, dass der Auskunftsanspruch des Klägers zuerkannt werde, Auskunftswiderklage erhoben unter Hinweis darauf, dass der Kläger auf ihre Aufforderung vom 28. April 2008 – unstreitig - keine Auskunft erteilt hat. Sie hat gemeint, sie sei auf die Auskünfte zur Verteidigung gegen Zahlungsansprüche des Klägers in der Leistungsstufe angewiesen.

Der Kläger ist der Widerklage mit der Einrede der Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs entgegengetreten, der seiner Ansicht nach zugleich den Auskunftsanspruch zu Fall bringe.

Mit dem am 2. Oktober 2009 verkündeten Urteil hat das Amtsgericht die Klage insgesamt abgewiesen, weil die erst kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist gerichtlich geltend gemachten Ansprüche des Klägers gemäß § 242 BGB verwirkt seien, so dass es nicht mehr darauf ankomme, ob die Beklagte ihrer Auskunftsverpflichtung umfassend nachgekommen sei.

Gegen dieses ihm am 9. Oktober 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 9. November 2009 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 11. Januar 2010 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem die Begründungsfrist bis zu diesem Tage verlängert worden war.

Der Kläger tritt insbesondere der Annahme einer Verwirkung entgegen und ergänzt sein tatsächliches Vorbringen hierzu um die Behauptung, dass „in der Zwischenzeit Gespräche zwischen den Parteien persönlich gelaufen“ seien. Diese Behauptung wird sodann für Gespräche im April 2006, am 10. Mai 2007 und im Dezember 2008 konkretisiert. Im Übrigen fehle es jedenfalls im Hinblick auf die Zugewinnausgleichsforderung am Umstandsmoment. Die Klageabweisung insgesamt sei keinesfalls gerechtfertigt gewesen, sodass das Urteil deshalb aufzuheben und – nach Erledigung der Auskunftsstufe – wegen der Entscheidung über die nachfolgenden Stufen an das Amtsgericht zurückzuverweisen sei.

Die Beklagte verteidigt das Urteil mit näherer Darlegung. Sie ergänzt ihren Vortrag dahin, dass sie im Ergebnis des Schweigens des Klägers auf ihr eigenes seinerzeitiges Auskunftsverlangen vom 16. November 2005 (Bl. 192 ff. GA) und des – behaupteten – Umstandes, dass der Kläger über einen längeren Zeitraum auch hinsichtlich eigener Ansprüche „keinerlei Aktivitäten mehr gezeigt“ habe, darauf vertraut habe, dass „die Zugewinnangelegenheit sich endgültig erledigt hat“. Die späte Einreichung am 17. April 2008 des auf den 30. November 2007 datierten Schriftsatzes lasse vermuten, dass die Klageerhebung kurz vor Verjährungseintritt einzig von der Überlegung getragen sei, der zuvor in Sicherheit gewogenen Beklagten die Klageerhebung zu verbauen. Dieses vorprozessuale Verhalten des Klägers sei rechtsmissbräuchlich. Schließlich verweist die Beklagte darauf, dass „die Auskunftslegung (…) zumindest im erheblichen Maße erteilt worden sei“ und die Berufungsanträge schon aus diesem Grunde teilweise der Zurückweisung unterlägen.

II.

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat vorläufig dahin Erfolg, dass das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Entscheidung über die der – durch Teilvergleich der Parteien im Verhandlungstermin vor dem Senat am 1. Juli 2010 vollständig erledigten - Auskunftsstufe nachfolgenden Stufen des Zugewinnausgleichsverfahrens an das Amtsgericht zurückzuverweisen war.

Das Amtsgericht hat zu Unrecht die Klage insgesamt als unbegründet abgewiesen. Die Annahme einer Verwirkung des (etwaigen) Zugewinnausgleichsanspruchs des Klägers ist nicht gerechtfertigt.

Selbst wenn man mit der Beklagten davon ausgeht, dass der Kläger hier über einen langen Zeitraum, nämlich seit dem Zugang der Auskünfte der Beklagten vom 7. und 19. Oktober 2005 bis zur Klageeinreichung am 17. April 2008 weder den im Berufungsverfahren zunächst weiter geltend gemachten Auskunfts(ergänzungs)anspruch noch den Zugewinnausgleichsanspruch in irgendeiner Weise konkret verfolgt hat, ergibt sich daraus allein keine Verwirkung des Leistungsanspruches aus § 1378 BGB. Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob es innerhalb des genannten Zeitraumes tatsächlich Gespräche über den Zugewinnausgleich gegeben hat, kommt es danach ebenso wenig an, wie auf die prozessualen Fragen der Zulässigkeit oder Erheblichkeit der ergänzenden Sachverhaltsdarstellung des Klägers hierzu in zweiter Instanz.

Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat (sog. Zeitmoment) und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (sog. Umstandsmoment). Ein längerer Zeitablauf allein genügt demnach noch nicht; es müssen vielmehr besondere Umstände vorliegen, die wegen des geschaffenen Vertrauenstatbestandes die verspätete Geltendmachung des (vermeintlichen) Rechts als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte erscheinen lassen.

Mag auch das sog. Zeitmoment auf der Basis des Vorbringens der Beklagten als erfüllt anzusehen sein, so lassen sich im Streitfall doch konkrete besondere Umstände, die ein Vertrauen der Beklagten darauf, dass der Kläger auf seinen (vermeintlichen) Zugewinnausgleichsanspruch aus § 1378 BGB nicht mehr zurückkommen werde, auch nur begründen könnten oder gar gerechtfertigt erscheinen ließen, nicht feststellen.

Aus Sicht des Senates kommt insoweit schon dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, dass die Beklagte selbst in erster Instanz lediglich eine Verwirkung des Auskunftsanspruches und gerade nicht des (aus der Auskunft vermeintlich resultierenden) Zahlungsanspruches des Klägers geltend gemacht hat. Die Beklagte hatte bis zu dem – insoweit nach Aktenlage eher überraschenden – Urteil des Amtsgerichts selbst nie behauptet, sich darauf eingerichtet zu haben, dass sie insgesamt wegen eines Zugewinnausgleichsanspruches nicht mehr in Anspruch genommen wird. Dass die Beklagte diese ihr günstige Argumentation des Amtsgerichts im Berufungsverfahren aufgreift, ist durchaus nachvollziehbar, kann aber vor diesem Hintergrund schon grundsätzlich nicht überzeugen.

Im Übrigen stellt die Beklagte auch in zweiter Instanz eigentlich nur dar, dass sie ihr eigenes Verhalten im Rahmen der ihr zustehenden Auskunfts- und Zugewinnausgleichsansprüche auf das Nichtstun des Klägers ausgerichtet haben will. Das kann schon deshalb nicht genügen, weil insoweit eine tragfähige Verknüpfung oder Abhängigkeit zu den gegenläufigen Ansprüchen des Klägers nicht zu erkennen ist. Die Auskunftsansprüche beider Parteien bestehen unabhängig voneinander. Wenn die Beklagte gemeint haben sollte, eigene Ansprüche zu haben, so bleibt unklar, weshalb sie durch das behauptete Nichtstun des Klägers seit Ende 2005 an der Durchsetzung derselben gehindert worden sein sollte. Es stand ihr doch völlig frei, ihrerseits im Wege der Stufenklage vorzugehen. Weshalb der Verzicht auf (vermeintliche) eigene Rechtspositionen die – wenn auch späte – Durchsetzung (vermeintlicher) gegenläufiger Rechte des anderen treuwidrig erscheinen lassen soll, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zu berücksichtigen war insoweit auch, dass es dem Berechtigten grundsätzlich freisteht, bei der Geltendmachung seiner Rechte die durch Gesetz oder Vertrag bestimmten (Verjährungs-) Fristen voll auszunutzen, so dass die herannahende Verjährung die Klageerhebung im April 2008 auch unter Berücksichtigung bloßen Nichtstuns des Klägers seit Ende 2005 die Feststellung einer Verwirkung nicht rechtfertigen kann.

Selbst der einzig konkrete Anknüpfungspunkt für ein etwa schützenswertes Vertrauen der Beklagten darauf, dass jedenfalls weitergehende Auskünfte nicht begehrt werden, nämlich das Schweigen des Klägers auf das mit dem Auskunftsschreiben vom 7. Oktober 2005 konkret unterbreitete Angebot, für Rückfragen und zur Klärung zu einzelnen Punkten auf Rückmeldung zur Verfügung zu stehen, trägt letztlich nicht. Zwar hat der Kläger – insoweit unstreitig – in der Folgezeit bis zur Klageerhebung von diesem Angebot keinen Gebrauch gemacht. Andererseits aber kann hier nicht außer Acht gelassen werden, dass die Beklagte selbst in diesem Schreiben mitgeteilt hatte, „dass die Aufstellung des Endvermögens noch nicht vollständig ist, da eine (…) Zuarbeit von der Sparkasse … noch nicht vorliegt“. In der seinerzeit beigefügten Tabelle zum Endbestand heißt es ferner unter Fahrzeuge, dass die Kopie des Fahrzeugbriefes für den Mercedes C 320 und eine Aufstellung über den Diamant- und Weißgoldschmuck nachgereicht werden. Die seinerzeit erteilte Auskunft war also schon nach eigener Einschätzung der Beklagten teilweise unvollständig; die angekündigte unaufgeforderte Ergänzung der Auskunft ist in der Folgezeit allerdings nicht vorgenommen worden. Wenn aber die Beklagte selbst ausdrücklich konzediert, dass die erteilte Auskunft unvollständig ist, ist nicht nachvollziehbar, dass sie darauf vertraut haben will, der Kläger werde sich auch mit dieser lückenhaften Darstellung zufrieden geben; jedenfalls wäre ein solches Vertrauen nicht gerechtfertigt.

Nach alledem stellt sich die späte gerichtliche Geltendmachung des (etwaigen) Zugewinnausgleichsanspruchs durch den Kläger für den Senat nicht als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte für die Beklagte dar. Eine Verwirkung des (vermeintlichen) Anspruchs des Klägers aus § 1378 BGB scheidet danach aus.

Das die Klage insgesamt abweisende erstinstanzliche Urteil war daher antragsgemäß aufzuheben und das Verfahren zur Entscheidung über die der – hier durch (Teil-)Vergleich in der Hauptsache bereits erledigten - Auskunftsstufe nachfolgenden Stufen an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens wird das Familiengericht im Rahmen der Endentscheidung zu treffen haben. Da im Berufungsverfahren nicht allein die Auskunftsstufe, sondern – wegen der vollständigen Klageabweisung – das gesamte Stufenverfahren über den Zugewinnausgleich angefallen war, dessen Ausgang mit Blick auf die bisher beiderseits nicht vollständig erfolgten Auskünfte wiederum völlig offen ist, konnte der Senat auch über die Kosten dieses Berufungsverfahrens nicht vorab entscheiden.

Da die Senatsentscheidung keinen vollstreckbaren Inhalt hat, erübrigt sich ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit.

Die Zulassung der Revision ist nicht angezeigt, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.