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BK 2108; arbeitstechnische Voraussetzungen; Medizinisch-Technische-Radiologische-Assistentin; Mindestdruckkraft bei Frauen; Mainz-Dortmunder-Dosismodell; Konsensempfehlungen; Fallgruppe B3; Begleitspondylose


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 11.03.2010
Aktenzeichen L 3 U 237/06 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 9 SGB 7

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) – bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können – im Wege eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Die 1943 geborene Klägerin nahm im Mai 1959 eine Ausbildung zur Modellnäherin auf und arbeitete in diesem Beruf bis November 1966, anschließend war sie Hausfrau. Von September 1972 bis März 1976, unterbrochen durch eine weitere Zeit als Hausfrau von August 1973 bis März 1975, arbeitete die Klägerin als Datentypistin im Finanzamt. Von April 1976 bis März 1978 absolvierte sie erfolgreich eine Fachschulausbildung zur medizinisch-technischen-radiologischen Assistentin (MTRA). Anschließend war die Klägerin bis Januar 1997 als MTRA im Krankenhaus B im Bereich Röntgendiagnostik beschäftigt.

Vom 12. Juni 1989 bis zum 13. Mai 1990 war sie wegen eines Wurzelirritationssyndroms bei medialer Bandscheibenprotrusion L 5 arbeitsunfähig. In dieser Zeit wurde vom 15. Juni 1989 bis zum 18. Juli 1989 eine stationäre Behandlung im Krankenhaus M, Neurologische Abteilung, sowie vom 08. August 1989 bis zum 05. September 1989 eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der Reha-Klinik D durchgeführt. Aufgrund einer Empfehlung des behandelnden Arztes für Neurologie B (Attest vom 15. Mai 1990) erfolgte zum Juni 1990 die Umsetzung der Klägerin auf einen anderen Arbeitsplatz in der Computertomographie (CT)-Abteilung mit überwiegend sitzender Tätigkeit. Ab dem 14. Januar 1997 war sie arbeitsunfähig wegen eines chronischen Zervikalsyndroms bei Protrusion C 6/7. Seit dem 01. August 1997 bezieht die Klägerin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Auf die am 07. April 1994 bei der Beklagten eingegangene Anzeige des Arbeitgebers über eine BK (Wirbelsäulen-Erkrankung) veranlasste die Beklagte eine erste Untersuchung durch die Arbeitsmedizinerin Prof. Dr. S. Die Gutachterin vertrat die Auffassung, die glaubhaften beruflichen Belastungen kämen nicht als Ursache der vorliegenden Wirbelsäulenerkrankung in Betracht. Der derzeitige Arbeitsplatz trage den Wirbelsäulenveränderungen und –beschwerden Rechnung, zumal ein Wechsel der Haltungsarten möglich sei (Erster Untersuchungsbefund vom 15. Juni 1994). Daraufhin lehnte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 25. August 1994 die Gewährung einer Entschädigung aus Anlass der Wirbelsäulenerkrankung mit der Begründung ab, nach Art, Form und Krankheitsverlauf sei nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die festgestellten Wirbelsäulenschäden (u. a. Bandscheibenvorfall L 5/S 1 und sogenanntes Facettensyndrom mit rezidivierender Beschwerdesymptomatik) ursächlich durch die berufliche Tätigkeit entstanden oder richtunggebend verschlimmert worden seien. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) bzw. der Halswirbelsäule (HWS) i. S. d. Nrn. 2108 und 2109 der Anlage zur BKV liege nicht vor.

Mit Schreiben vom 10. April 2000, welches die Beklagte als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X auffasste, bat die Klägerin um Einleitung eines Anerkennungsverfahrens bezogen auf die BK Nr. 2108. Sie legte Befunde über CTen der LWS vom 04. September 1995 und 14. Mai 1997 sowie den Bericht der orthopädischen Poliklinik der Freien Universität B vom 08. Dezember 1995 über die am 05. Dezember 1995 erfolgte Vorstellung (Diagnosen: chronisches Lumbalsyndrom mit Facettenproblematik rechts, Verdacht auf claudicatio spinalis bei somatisierter Depression) vor. Auf Veranlassung der Beklagten erstellte der Arbeitsmediziner Dr. D am 31. Mai 2001 einen ersten Untersuchungsbefund, in dem er eine berufliche Verursachung der Wirbelsäulenbeschwerden verneinte. Die vorliegenden Befunde würden keine Rückschlüsse auf eine bandscheibenbedingte Funktionsstörung zulassen.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 13. Mai 2002, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2002, die Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 25. August 1994 ab. Der Bescheid habe sich als rechtmäßig erwiesen. Auch bei der Untersuchung durch Dr. D habe ein belastungskonformes Krankheitsbild nicht nachgewiesen werden können. Weder seien bandscheibenbedingte Veränderungen i. S. einer Primärschädigung zu objektivieren, noch hätten die erhobenen Befunde Rückschlüsse auf eine bandscheibenbedingte Funktionsstörung zugelassen. Neurologische Defizite oder eine radikuläre Symptomatik seien nicht nachweisbar gewesen. Gegen eine berufliche Mitverursachung spreche zudem, dass die Wirbelsäulenbeschwerden progredient verliefen und trotz fehlender wirbelsäulenbelastender Tätigkeit ab Mai 1990 zu weiteren Arbeitsunfähigkeitszeiten geführt hätten.

Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) hat die Klägerin die Anerkennung und Entschädigung einer BK Nr. 2108 begehrt. Vor 1989 sei sie bis auf gelegentliche belastungsabhängige Beschwerden rückengesund gewesen. Am 15. Januar 1989 sei dann ein plötzlicher Schmerz im Bereich der LWS aufgetreten, der sich zu einem Dauerschmerz manifestiert habe. Sie leide unter ständig zunehmenden Beschwerden, die in das rechte Bein (Dermatom L 5/S 1) ausstrahlten und sich beim Stehen und Gehen verstärkten. Trotz Versetzung in die CT-Abteilung sei es immer wieder zu Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen LWS-Beschwerden gekommen, die u. a. zu Heilverfahren in den Jahren 1993 und 1996 geführt hätten. Bis 1989 habe sie in der Röntgendiagnostik einschließlich der Intensivstation und im OP-Bereich der Röntgenabteilung gearbeitet. Regelmäßige Bereitschaftsdienste hätten zur Tätigkeit gehört. Die Patienten seien auf Tragen oder in fahrbaren Stühlen gebracht worden, es habe nur ausnahmsweise höhenverstellbare Betten oder Röntgentische gegeben. Die Tragen seien zunächst noch mit einem Stoffliegeteil versehen gewesen, der es erforderlich gemacht habe, die Patienten über eine erhöhte Kante über den Röntgentisch zu heben. Zudem habe der Höhenunterschied zwischen Betten bzw. Tragen und dem Röntgentisch ca. 20 bis 30 cm bestanden. Komatöse und frisch operierte Patienten seien regelmäßig zu zweit auf den Röntgentisch gehoben worden. Während des Bereitschaftsdienstes habe man dies jedoch auch allein machen müssen. Patienten der Intensivstation, die nicht transportiert werden konnten, habe man im Bett geröntgt. Dazu habe man eine Bleischürze anlegen müssen und sich mit diesem Gewicht versehen über das Bett zum Anheben des Patienten und Unterlegen bzw. Hervorziehen der Röntgenkassette beugen müssen. Patienten, die im Stuhlwagen gebracht worden seien, hätten in gebeugter und zudem verdrehter Körperhaltung aus diesem auf den Röntgentisch gehoben werden müssen. Zudem hätten Stapel von Bleikassetten vom Untersuchungsraum zur Dunkelkammer getragen werden müssen. Ab Mai/Juni 1990 habe sie keine rückenbelastenden Tätigkeiten mehr ausgeführt.

Das SG hat eine Aufstellung der Zeiten der Arbeitsunfähigkeit von 1989 bis 1996 der Techniker Krankenkasse (TKK) und das für den MDK Berlin e. V. erstellte Gutachten der Ärztin für Sozialmedizin Dr. O vom 21. März 1997 angefordert. Weiter hat es die Behandlungsakte des Krankenhauses M (incl. Entlassungsbericht vom 02. August 1989 und Bericht der Reha-Klinik D vom 22. September 1989), die Betriebsarztakte des Krankenhauses M die Verwaltungsakte des Rentenversicherungsträgers (incl. Entlassungsbericht der W-Klinik B S vom 24. Mai 1996, Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie K vom 26. August 1997, des Nervenarztes Dr. L vom 16. Juli 1999 und des Facharztes für Orthopädie Dr. R vom 05. Oktober 1999, Befunde über eine Magnetresonanztomographie (MRT) der HWS und Brustwirbelsäule (BWS) vom 06. Mai 1997 sowie über die Röntgenuntersuchung der HWS und LWS vom 16. September 1999) und die Verwaltungsakte des Versorgungsamtes Berlin betreffend das Schwerbehindertenverfahren der Klägerin beigezogen und die darin enthaltenen medizinischen Unterlagen in den Rechtsstreit eingeführt. Außerdem hat das SG Befundberichte von den die Klägerin behandelnden Ärzten, des Dr. B vom 19. Oktober 2004, des Neurologen B vom 29. Oktober 2004 (nebst Befund einer MRT der LWS vom 05. Juni 2001 und eines EMG/NLG-Befundes der Neurologin Dr. C vom 10. Juli 2001), des Orthopäden Dr. W vom 11. November 2004 und des Allgemeinmediziners Dr. K vom 21. Februar 2005, eingeholt.

Sodann hat es den Orthopäden Dr. W mit der Untersuchung der Klägerin und Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In dem Gutachten vom 18. November 2005 ist dieser nach einer Untersuchung der Klägerin vom 17. November 2005 zu dem Ergebnis gelangt, bei der Klägerin bestünden folgende Gesundheitsstörungen: „chronische Dorsolumbalgien bei Spondylarthrose der Etage L 4/5 und Protrusio der Etage L 5/S 1 mit möglichen rezidivierenden sensiblen Wurzelirritationen“.

Eine primäre, im Vordergrund stehende Bandscheibenerkrankung liege nicht vor. Eine Bandscheibenvorwölbung stelle noch keinen außerordentlichen, pathologischen Befund dar, zumal durch neue bildgebende Diagnostiken wie MRT-Untersuchungen sogar Bandscheibenvorfälle bei nicht belasteten Kollektiven und beschwerdefreien Rückenpatienten nachgewiesen werden könnten. Im Vordergrund stehend und in erster Linie von der Altersnorm abweichend fänden sich Facettengelenksarthrosen, insbesondere der Etagen L 4/5 beidseits, die nach den CT-, MRT- und Röntgenaufnahmen zwischen 1989 und 1999 eindeutig zugenommen hätten. Dagegen hätten in dieser Zeit die Bandscheibenveränderungen weder auf der Etage L 4/5 noch auf der Etage L 5/S 1 erkennbar zugenommen. Die zunehmende Facettengelenksarthrose sei nicht das Ergebnis einer primären Bandscheibenerkrankung, sondern eines schicksalhaften Geschehens. Die Bandscheibenveränderungen seien von vornherein als geringgradig einzustufen und könnten somit nicht Ausgangspunkt einer beruflich bedingten primären Discopathie gewesen sein. Auch hätte eine berufsbedingte, primäre Bandscheibenschädigung nach jahrelangen Überlastungen zu entsprechenden Begleitreaktionen an den angrenzenden Wirbelkörperdeckplatten (Osteochondrosen) führen oder zumindest in den Jahren danach nachweisbar sein müssen. Bis 1999 (10 Jahre nach Beendigung der angelasteten beruflichen Tätigkeit) seien derartige spezifische Veränderungen jedoch nicht erkennbar. Es fehle somit das pathomorphologische Korrelat, welches einer übermäßigen beruflichen Belastung zugeordnet werden könne. Zudem fehle es nach den vorliegenden Untersuchungsprotokollen an einem eindeutigen Nachweis für das klinische Beschwerdebild einer bandscheibenbedingten Erkrankung.

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die zur Gerichtsakte gereichten Stellungnahmen der Referentin Gesundheitsdienst G vom technischen Aufsichtsdienst (TAD) vom 19. März 2004 und 14. September 2004 ausgeführt, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 2108 lägen nicht vor. In ihrer Stellungnahme vom 19. März 2004 hat Frau G dargelegt, der Berechnung nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) seien die Angaben der Versicherten aus einem persönlich mit ihr geführten Gespräch, von Frau K von der Personalabteilung des Krankenhauses M und von der bis 2001 leitenden MTRA des Krankenhauses M Frau G, sowie die Erkenntnisse über vergleichbare Arbeitsplätze und aus früheren Besichtigungen der Abteilung zu Grunde gelegt worden. Hinsichtlich der allein die Wirbelsäule belastenden Tätigkeiten von April 1978 bis Mai 1989 würden die Angaben der Versicherten von denen des Arbeitgebers, d. h. der leitenden MTRA, abweichen. Da die Angaben der Klägerin zum Knochenarbeitsplatz nicht den Erfahrungen an Vergleichsarbeitsplätzen entsprochen hätten, seien hierfür die Angaben der Vorgesetzten zu Grunde gelegt worden, mit dem Ergebnis, dass der Schichtdosiswert zu keinem Zeitpunkt über 3,5 x 10 3 Nh liege. Sofern man die Angaben der Klägerin zu Grunde lege (70 % der Schichten für den Knochenarbeitsplatz = 154 Schichten, 30 % der Schichten für die anderen Arbeitsplätze = 66 Schichten) ergebe sich zwar eine Gesamtdosis von 7 x 10 6 Nh, diese unterschreite jedoch deutlich den für Frauen maßgeblichen Richtwert von 17 x 10 6 Nh. In ihrer weiteren Stellungnahme vom 14. September 2004 hat Frau G darauf hingewiesen, dass bei der Berechnung nach den Angaben der Klägerin immer die Maximalbelastungen zu Grunde gelegt worden seien.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 23. Juni 2006 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 25. August 1994 nach § 44 SGB X und auf Anerkennung des LWS-Leidens als BK Nr. 2108 sowie Gewährung von Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Es seien bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK Nr. 2108 nicht erfüllt. So hätten die Berechnungen des TAD auch unter Zugrundlegung der Angaben der Klägerin ergeben, dass der Richtwert für eine als gefährdend zu bewertende Gesamtbelastungsdosis für Frauen von 17 x 10 6 Nh während der allein als hinreichend belastend in Frage kommenden Tätigkeit von 1978 bis 1989 um mehr als die Hälfte unterschritten werde. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Feststellung der arbeitstechnischen Voraussetzungen unter Berücksichtigung des MDD sei in einem solchen Fall grundsätzlich keine weitere Prüfung zur Frage, ob die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 2108 erfüllt seien, erforderlich (vgl. Bundessozialgericht <BSG> Urteil vom 18. März 2003 – B 2 U 13/02 R –). Abgesehen davon seien vorliegend die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 2108 nicht erfüllt. Wie sich aus den Darlegungen des Sachverständigen Dr. W ergebe, sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit das Vorliegen einer primär bandscheibenbedingten Erkrankung nachgewiesen. Bis 2001 seien immer nur Bandscheibenprotrusionen und kein Prolaps radiologisch nachzuweisen gewesen. Auch der Neurologe Dr. K habe in seinem für den Rentenversicherungsträger erstellten Gutachten vom 26. August 1997 ausgeführt, dass sich die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule der Klägerin eher als Arthrosen und Spondylosen denn als Bandscheibenveränderungen darstellten. Selbst bei Annahme der arbeitstechnischen Voraussetzungen wie auch einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS lasse sich ein rechtlich wesentlicher Ursachenzusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und dem LWS-Leiden nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit begründen. Es fehle an einem belastungskonformen Schadensbild im Bereich der LWS. Zudem bestünden erhebliche Schäden an der HWS, die ausweislich des MRT-Befundes vom 06. Mai 1997 mindestens ebenso stark ausgeprägt seien wie diejenigen im Bereich der LWS. Darüber hinaus sei zeitnah zur Aufgabe der potentiell gefährdenden beruflichen Tätigkeit im Jahr 1989 zunächst nur eine Protrusion bei L 5/S 1 bei ansonsten unauffälligen Strukturen insbesondere der darüber liegenden Segmente radiologisch nachzuweisen gewesen, während es dann ausweislich der CT-Befunde vom 14. Mai 1997, der Röntgenbefunde aus 1999 und den MRT-Befunden vom 06. Mai 2001 zu einem Fortschreiten der Veränderungen gekommen sei und zuletzt Bandscheibenschäden auch bei L 3/4 und L4/5 sowie nunmehr bei L 5/S 1 tatsächlich auch ein kleiner Prolaps nachgewiesen seien. Es müsse daher von einem erheblichen Fortschreiten gerade auch der Bandscheibenveränderungen nach der Aufgabe der potentiell gefährdenden Tätigkeit im Jahr 1989 ausgegangen werden.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, die arbeitstechnischen Voraussetzungen lägen vor und verweist hierzu auf ihre eigenen Berechnungen. Hierbei seien auch die zusätzlichen Nachtdienste sowie das Tragen einer Bleischürze und von Bleikassetten zu berücksichtigen. Beim Facettensyndrom handele es sich zudem um eine bandscheibenbedingte Erkrankung, da aufgrund einer Bandscheibenverschmälerung die Knochen in den Facettengelenken aufeinander rieben, was zu überschüssigem Knochenwachstum i. S. einer Arthrose führe. Unter Berücksichtigung der seit 1989 bei ihr auftretenden chronisch-rezidivierenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen von Seiten der LWS sei eine BK Nr. 2108 anzuerkennen. Die ab 1991 aufgetretenen HWS-Beschwerden seien Folge der veränderten Statik durch die lumbalen Bandscheibenschäden. Zudem hätten sich eine Polyneuropathie an den Füßen sowie eine somatoforme Schmerzstörung entwickelt, die jedoch nach Aufgabe der Tätigkeit besser geworden seien. Das seit 2003 von ihr regelmäßig durchgeführte Kiesertraining habe zu einer Stabilisierung der Situation geführt. Konkurrierende außerberufliche Ursachen lägen bei ihr nicht vor.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juni 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 25. August 1994 das Vorliegen einer BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV bei ihr anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Berufung für unbegründet, es seien weder die arbeitstechnischen noch die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für eine BK Nr. 2108 erfüllt. Es fehle an einem adäquaten klinischen Erkrankungsbild und den zu fordernden belastungsadaptiven Veränderungen in Form von osteochondrotischen Veränderungen und Begleitspondylosen. Auch nach dem neuen Merkblatt zur BK Nr. 2108 (Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales <BMAS> vom 01. September 2006, BArbBl. 10/2006 S. 30 ff <in Zukunft nur noch: Merkblatt BK Nr. 2108>) ergebe sich keine günstigere Bewertung der arbeitstechnischen Voraussetzungen. So seien insbesondere das Ziehen und Schieben in Verbindung mit Heben und Tragen von Patienten in dem vorliegend angewandten MDD-Pflege bereits berücksichtigt worden. Nach wie vor werde das alleinige Ziehen und Schieben ohne damit zusammenhängendes Heben und Tragen von Lasten nicht von der BK erfasst, wie sich aus dem Wortlaut der BK sowie der Kommentierung hierzu ergebe.

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die zur Akte gereichten weiteren Stellungnahmen der TAD-Referentin Gesundheitsdienst G vom 18. Mai 2007, 01. August 2007 und 30. November 2007, der von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) erstellten MDD-Pflege/Vorläufige Dosisberechnung vom 10. Mai 2001 und eines Berichtes über die vom Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund in Zusammenarbeit mit der BGW durchgeführten Untersuchung „Dortmunder Lumbalbelastungsstudie 3 (DOLLY 3)“ (veröffentlich im Zentralblatt Arbeitsmedizin 56 (2006) 228 – 251 unter dem Titel „Belastung der Lendenwirbelsäule von Pflegepersonen bei Patiententransfers – Kennwerte zur Nutzung in Berufskrankheiten-Feststellungsverfahren“) ausgeführt, die Klägerin weiche mit ihren jetzigen Angaben zur Anzahl der Patiententransfers von ihren früheren Angaben zur beruflichen Belastungssituation ab. Diese stimmten auch nicht mit den Aussagen des Arbeitgebers überein und fänden keine Stütze in den Erfahrungswerten zur Belastungssituation an MTRA-Arbeitsplätzen.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat Prof. Dr. B mit der Erstellung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens, Dr. R mit der Erstellung eines radiologischen Zusatzgutachtens und Dr. K mit der Erstellung eines neurologischen Zusatzgutachtens beauftragt. In dem Gutachten vom 08. August 2008 ist Prof. Dr. B-A nach Untersuchung und Befragung der Klägerin am 09. Mai 2008 und unter Auswertung des neurologischen Gutachtens von Dr. K vom 19. Mai 2008 und des radiologischen Gutachtens von Dr. R vom 02. Juni 2008 zu folgenden Diagnosen gelangt:

1. Fortgeschrittene Chondrose mit Bandscheibenverschmälerung Grad II (Erstdiagnose: 21. Januar 1989) und Grad III (Erstdiagnose: 26. Juli 1999).
2. Bandscheibenprotrusion L 5/S 1 (Erstdiagnose: 17. März 1989) sowie Bandscheibenprotrusion L 3/L 4 und L 4/L5 (Erstdiagnose: 09. Mai 2008).
3. Beginnende Chondrose mit Bandscheibenverschmälerung Grad I C 5/C 6 und C 6/C 7 (Erstdiagnose: 28. Dezember 1995).
4. Bandscheibenprotrusion C 6/C 7 rechts (Erstdiagnose: 28. Dezember 1995).
5. Beginnende sensorische Polyneuropathie (Erstdiagnose: 19. Mai 2008).

Erstmals in den Röntgenbildern der LWS vom 25. Januar 1989 habe sich ein altersuntypischer Bandscheibenschaden in Form einer fortgeschrittenen Chondrose mit Bandscheibenverschmälerung Grad II im Segment L 5/S 1 nachweisen lassen. Im Folgenden sei es zu einer Verschlimmerung der fortgeschrittenen Chondrose mit Bandscheibenverschmälerung gekommen, die nach den Röntgenbildern der LWS vom 26. Juli 1999 nunmehr als drittgradig einzustufen sei. Hinweise für eine Begleitspondylose wie auch für außerberuflich bedingte prädiskotische Deformitäten seien in den bildgebenden Verfahren nicht nachgewiesen. Die mehrfach beschriebene Skoliose im Segment L 5/S 1 sei mit einem Winkel von max. 5 ° nach Cobb sehr gering ausgeprägt und nicht durchgehend nachweisbar. Bei der Klägerin liege damit nach den auch hier anzuwendenden „Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung des HVBG eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe – Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule (I), Trauma und Berufskrankheit, Springer Medizin Verlag, Heft 3/2005 S. 211ff “ (in Zukunft nur noch: Konsensempfehlungen) die Fallkonstellation B3 vor, die wie folgt gekennzeichnet sei:

1. Vorliegen der beruflichen Voraussetzungen zur Entwicklung einer BK Nr. 2108 oder 2110
2. Bandscheibenbedingte Erkrankung in Form einer Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall im Segment L5/S1 und/oder L4/5
3. Keine wesentlichen außerberuflich bedingten konkurrierenden Ursachenfaktoren
4. Keine Begleitspondylose.

Bei dieser Fallkonstellation habe innerhalb der Konsensusarbeitsgruppe kein Konsens in Bezug auf die Empfehlung einer Anerkennung oder Ablehnung erreicht werden können. Der Forderung einiger Sachverständiger, dass eine BK Nr. 2108 nur anerkannt werden könne, wenn eine Begleitspondylose vorliege, könne er nicht zustimmen. Diese so genannten belastungsadaptiven Veränderungen seien in der Fachliteratur umstritten, eine einheitliche Rechtsprechung existiere nicht. Insgesamt empfehle er daher die Anerkennung einer BK Nr. 2108, denn es liege eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt, denn nach seiner Berechnung an Hand der bei seiner Untersuchung von der Klägerin beschriebenen Tätigkeiten und des unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BSG modifizierten MDD-Verfahrens ergebe sich eine Belastungsgesamtdosis von 11,78 x 10 6 Nh. Außerberuflich bedingte konkurrierende Faktoren wie etwa eine relevante Skoliose fehlten und das Ausmaß der Degeneration im Bereich der LWS sei stärker ausgeprägt als das Ausmaß der Degeneration im Bereich der HWS und der BWS. Die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit im Mai 1989 sei aus arbeitsmedizinischer Sicht notwendig gewesen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt schätze er auf 20 v. H. ein im Hinblick auf die bei der jetzigen Begutachtung festgestellten Funktionsstörungen in Form einer verminderten Fähigkeit zur Rotation, Seitneigung und Zentralflexion der LWS.

Die Beklagte hat Kritik an dem Gutachten geübt und ausgeführt, im Zeitpunkt des Endes der wirbelsäulenbelastenden beruflichen Tätigkeit im Juni 1989 habe eine primäre bandscheibenbedingte Erkrankung nicht gesichert werden können. Nach den Konsensempfehlungen sei der Nachweis eines Bandscheibenschadens (Höhenminderung und/oder Vorfall) eine unabdingbare, aber nicht hinreichende Voraussetzung für den Nachweis einer bandscheibenbedingten Erkrankung. Hinzukommen müsse eine korrelierende klinische Symptomatik. Weder der Sachverständige Dr. B noch der Neurologe Dr. K hätten eine klinische Symptomatik im Sinne eines motorischen Wurzelsyndroms sowie neurologischer Ausfälle, die in Art und Ausprägung dem von der Chondrose betroffenen Segment sicher hätten zugeordnet werden können, feststellen können. Gegen eine berufliche Verursachung sprächen das Fehlen einer Begleitspondylose sowie das Fortschreiten der Chondrose und das Auftreten weiterer Bandscheibenveränderungen trotz fehlender beruflicher Belastung in der Zeit von 1989 bis 2008. Ebenso wenig könne dem Sachverständigen Dr. B-A hinsichtlich der Höhe der MdE gefolgt werden. Die von ihm beschriebenen Bewegungseinschränkungen seien noch keine deutliche Funktionseinschränkung mit mittelgradigen Beschwerden.

Der Senat hat auf Anregung der Beklagten eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom Sachverständigen Dr. W unter Berücksichtigung der Konsensempfehlungen, des aktuellen Standes der Wissenschaft und der Befunde aus dem Sachverständigengutachten des Dr. B sowie den Zusatzgutachten von Dr. Kund Dr. R eingeholt. Dr. W hat unter dem 15. Dezember 2008 ausgeführt, auch wenn die Chondrose radiologisch 1989 als altersuntypisch eingestuft werden könne, müsse berücksichtigt werden, dass in der parallel erstellten Tomographieaufnahme sich keine altersuntypischen Bandscheibenveränderungen zeigten. Gleichzeitig hätten sich jedoch Facettengelenksarthrosen entwickelt, die im Laufe der Jahre progredient unter beruflicher Entlastung gewesen seien. Folglich könne die Chondrose nicht isoliert bildmorphologisch bewertet werden. Zeitnah zur angeschuldigten beruflichen Belastung und auch noch in den Jahren später habe durch die bildgebenden Verfahren nicht nachgewiesen werden können, dass im Bereich der unteren LWS primär die Bandscheibe und dadurch sekundär die Bandscheibenfächer geschädigt worden seien. Auch in der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion gebe es nach wie vor keinen Konsens über die Bedeutung der Begleitspondylose. Insoweit werde auf die Darstellung in dem ständig aktualisierten Kursbuch der ärztlichen Begutachtung von Ludolph et al hingewiesen.

Hierzu hat der Sachverständige Prof. Dr. B in einer ergänzenden Stellungnahme vom 05. März 2009 ausgeführt, nach dem radiologischen Zusatzgutachten sei erstmals in der CT der LWS vom 17. März 1989 eine geringgradige Facettenarthrose L5/S1 bestätigt worden. Der praktisch zeitgleiche Nachweis einer altersuntypischen Bandscheibenschädigung im Segment L5/S1 und einer geringgradigen Spondylarthrose L5/S1 spreche nicht gegen eine BK Nr. 2108. Der von Dr. W aufgestellten Forderung, dass für eine Anerkennung als BK ein nach kaudal zunehmender Bandscheiben zu fordern sei, könne er nicht folgen. Eine von oben nach unten quasi kontinuierlich zunehmende Degeneration der LWS lasse sich aus den Verhandlungsergebnissen der Konsensusarbeitsgruppe nicht ableiten.

Die Klägerin sieht sich in ihrer Auffassung durch die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B bestätigt.

Auf Anforderung des Senats hat die Beklagte eine weitere Stellungnahme der TAD- Referentin Gesundheitsdienst G vom 03. März 2010 vorgelegt, in der unter Zugrundelegung des nach der Rechtsprechung des BSG modifizierten MDD eine Gesamtbelastungsdosis

a) von 8,2 x 10 6 Nh ausgehend von ihren Ermittlungen und unter Berücksichtigung der bisherigen Angaben der Klägerin,

b) von 13,7 x 10 6 Nh ausgehend von den Angaben der Klägerin vom 09. Mai 2008 bei der Begutachtung durch Prof. Dr. B-A(Tabellen 1 bis 4 des Gutachtens) errechnet worden ist.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass bei a) zu Gunsten der Klägerin deren sämtliche Angaben bei der Befragung durch den TAD und im Laufe des Verfahrens zugrunde gelegt worden seien, obwohl diese jeglichen Erfahrungen mit der Arbeitssituation in der Röntgendiagnostik in Westberliner Krankenhäusern vor der Wende, dem 1996/1997 erstellten Belastungskataster für die bei ihr geführten Krankenhäuser und den Angaben des Arbeitgebers widersprächen. Trotz Vornahme einer „Worst-case“-Berechnung werde der nach der Rechtsprechung des BSG geänderte untere Orientierungswert nicht erreicht. Bei der Variante b) seien die Angaben der Klägerin gegenüber Prof. Dr. B-A gemäß der Tabellen 1 bis 4 des Gutachtens zugrunde gelegt worden, mit denen die Klägerin von ihren früheren Angaben (70% der Schichten am Knochenarbeitsplatz) wiederum abgewichen sei und die ebenfalls nicht durch die Angaben des Arbeitgebers und die Erfahrungswerte zu bestätigen seien.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte (3 Bände) sowie der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§§ 143, 144, 151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet.

Das Urteil des SG Berlin vom 23. Juni 2006 sowie der Bescheid vom 13. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2002, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, den Bescheid vom 25. August 1994 nach § 44 SGB X zurückzunehmen und das Vorliegen einer BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV anzuerkennen, erweisen sich als rechtmäßig.

Nach § 44 SGB X ist ein Verwaltungsakt - auch nachdem er unanfechtbar geworden ist - mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Die Beklagte hat bei Erlass des Bescheides vom 25. August 1994 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich (im Ergebnis) als unrichtig erweist, denn bei der Klägerin liegt eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, nicht vor.

Der von der Klägerin im Wege des Überprüfungsverfahrens erhobene Anspruch auf Anerkennung einer BK richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der Eintritt eines entschädigungspflichtigen Versicherungsfalls vor Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs Siebtes Buch (SGB VII) am 01. Januar 1997 geltend gemacht wird (§§ 212, 214 SGB VII).

Nach §§ 547 ff RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt eines Arbeitsunfalls Leistungen aus der Unfallversicherung. Als Arbeitsunfall gilt nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen.

Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R – in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a. a. O.).

Von Nr. 2108 der Anlage zur BKV werden „bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können“, erfasst.

Nach dem Tatbestand der BK Nr. 2108 muss also die Versicherte auf Grund einer versicherten Tätigkeit langjährig schwer gehoben und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Durch die spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Die Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK Nr. 2108 nicht vor (vgl. BSG, Urteile vom 30. Oktober 2007 - B 2 U 4/06 R– in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 sowie vom 18. November 2008 - B 2 U 14/07 R – und – B 2 U 14/08 R – jeweils zitiert nach Juris) und ist nicht anzuerkennen.

Ob hier die arbeitstechnischen Voraussetzungen, d. h. die von der BK Nr. 2108 geforderten Einwirkungen durch langjähriges schweres Heben und Tragen bzw. Arbeit in Rumpfbeugehaltung, überhaupt vorliegen, ist aus den vom TAD der Beklagten, zuletzt in der Stellungnahme vom 03. März 2010, aufgeführten Gründen zweifelhaft. Denn nach den vorliegenden Berechnungen des TAD der Beklagten zum Ausmaß der mechanischen Belastung nach dem MDD (vgl. dazu die grundlegende Veröffentlichung von Jäger u. a., ASUMed 1999, 101 ff, 112 ff) ist die nach dem MDD vorgegebene Gesamtdosis für Frauen von 17 x 10 6 Nh bei weitem unterschritten. Insbesondere bestehen auch für den Senat erhebliche Zweifel bzgl. der Glaubhaftigkeit der (wechselhaften) Angaben der Klägerin zum Umfang der Hebe- und Tragebelastung während ihrer Tätigkeit als MTRA, wie der TAD der Beklagten nachvollziehbar unter Bezugnahme auf die Erfahrungen mit der Arbeitssituation in der Röntgendiagnostik in Westberliner Krankenhäusern vor der Wende, dem 1996/1997 erstellten Belastungskataster für die bei ihr geführten Krankenhäuser und den Angaben des Arbeitgebers dargelegt hat. So hat die TAD-Referentin Gesundheitsdienst G in ihrer Stellungnahme vom 03. März 2010 beispielhaft darauf hingewiesen, dass für einen Thoraxpatienten 1 bis 2 Aufnahmen erforderlich seien, mit den von der Klägerin angegebenen pro Schicht bewegten 20 Filmkassetten à 100 Filme aber 1000 Patienten pro Schicht geröntgt werden könnten.

Für die BK Nr. 2108 ergibt sich die berufliche Belastung nach dem MDD aus einem gestuften Ermittlungs- und Beurteilungsverfahren. In einer ersten Stufe werden Hebe- und Tragetätigkeiten herausgefiltert, die eine Druckkraft am Übergang der LWS zum Kreuzbein von 3,2 kN (Kilo-Newton) für Männer und 2,5 kN für Frauen erzeugen, für Rumpfbeugehaltung wird eine Druckbelastung von 1,7 kN zu Grunde gelegt (Schwellenwert). Tätigkeiten, die diese Voraussetzungen erfüllen oder überschreiten, werden nach ihrer Häufigkeit in einer Arbeitsschicht erfasst und die Druckkräfte addiert. Als Beurteilungsdosisrichtwert, bei dessen Erreichen oder Überschreiten mit einer Gefährdung für das Entstehen bandscheibenbedingter Erkrankungen der LWS zu rechnen ist, gilt für Männer 5,5 kNh (Kilo-Newton pro Stunde), für Frauen 3,5 kNh. Nur wenn diese Tagesdosisrichtwerte erreicht oder überschritten sind, werden die Tagesdosen zu einer Gesamtdosis addiert. Als Richtwert, bei dessen Erreichen die arbeitstechnischen Voraussetzungen zum Entstehen einer BK Nr. 2108 als gegeben angesehen werden, wurden 25 x 10 6 Nh für Männer bzw. 17 x 10 6 Nh für Frauen vorgeschlagen (Schäfer et al., SGb 2002, S. 202). Das MDD legt selber für die Belastung durch Heben und Tragen keine Mindestwerte fest, die erreicht werden müssen, damit von einem erhöhten Risiko von Bandscheibenschäden durch die berufliche Tätigkeit ausgegangen werden kann. Die auf Grund einer retrospektiven Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder ermittelten Werte, insbesondere die Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis, sind nicht als Grenzwerte, sondern als Orientierungswerte oder -vorschläge zu verstehen. Von diesem Verständnis geht auch das aktuelle Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zur BK Nr. 2108 aus, das für eine zusammenfassende Bewertung der Wirbelsäulenbelastung auf das MDD verweist BArbBl. 2006, Heft 10 S. 30 ff) Danach sind zwar die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK Nr. 2108 zu bejahen, wenn die Richtwerte im Einzelfall erreicht oder überschritten werden; umgekehrt schließt aber ein Unterschreiten dieser Werte das Vorliegen der BK nicht von vornherein aus (vgl. BSG Urteile vom 30. Oktober 2007 a. a. O. sowie vom 18. November 2008 a. a. O.).

Das BSG hat jedoch in seinen Entscheidungen vom 18. November 2008 (a. a. O.) Modifizierungen zur Anwendung des MDD für notwendig erachtet. Danach ist die dem MDD zu Grunde liegende Mindestdruckkraft pro Arbeitsvorgang bei Männern nurmehr mit dem Wert 2.700 N pro Arbeitsvorgang anzusetzen. Auf eine Mindesttagesdosis ist nach dem Ergebnis der Deutschen Wirbelsäulenstudie zu verzichten. Alle Hebe- und Tragebelastungen, die die aufgezeigte Mindestbelastung von 2.700 N bei Männern erreichen, sind entsprechend dem quadratischen Ansatz (Kraft mal Kraft mal Zeit) zu berechnen und aufzuaddieren. Der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung der LWS ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, ist auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 x 10 6 Nh, also auf 12,5 x 10 6 Nh, herabzusetzen. Ob die Herabsetzung der Druckkraftschwelle (Mindestdruckkraft) auf 2.700 N im Einzelnen an Hand der existierenden wissenschaftlichen Studien und der von der BK Nr. 2108 geforderten Manipulation von „schweren Lasten“ begründbar ist, ist vom BSG nicht dargelegt worden und nach wie vor umstritten (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. September 2008 – L 10 U 5965/06 -, zitiert nach Juris; Römer/Brandenburg/Woltjen: “Beurteilungskriterien bei der BK-Nr. 2108 der Anlage zur BKV unter Berücksichtigung des Urteils des BSG vom 30. Oktober 2007“ in SGb 2009 S. 192 ff). Dies gilt umso mehr für eine entsprechende Herabsetzung der Mindestdruckkraft auf 1.850 N für Frauen, die einem beidhändigen Heben von Lasten mit einem deutlich ein kg unterschreitendem Gewicht entspricht (siehe Römer/Brandenburg/Woltjen, a. a. O., S. 198).

Nur bei Zugrundelegung der (nicht nachgewiesenen) Angaben der Klägerin zur allein als wirbelsäulenbelastend anzusehenden Tätigkeit als MTRA in der Zeit von April 1978 bis Juni 1989 (11 Jahre und 2 Monate) bei der Begutachtung durch Dr. B-A sowie Anwendung des i. S. der Rechtsprechung des BSG modifizierten MDD und entsprechender Herabsetzung der Mindestdruckkraft bei Frauen wird die untere Grenze des Orientierungswertes für Frauen (8,5 x 10 6 Nh) überschritten. Der Sachverständige hat im Gutachten vom 08. August 2008 eine Gesamtbelastungsdosis von 11,78 x 10 6 Nh ermittelt (nach den Berechnungen der TAD-Referentin Gesundheitsdienst G vom 03. März 2010 ergäben sich jedoch 13,7 x 10 6 Nh).

Ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind, kann letztlich dahin gestellt bleiben. Denn selbst wenn der Senat zu Gunsten der Klägerin eine Gesamtbelastungsdosis von 13,7 x 10 6 Nh (bzw. nach Prof. Dr. B-A von 11,78 x 10 6 Nh) der weiteren Beurteilung zu Grunde legt, fehlt es jedenfalls an den arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für eine BK Nr. 2108.

In der medizinischen Wissenschaft ist anerkannt, dass Bandscheibenschäden und Bandscheibenvorfälle insbesondere der unteren LWS in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Sie sind von multifaktorieller Ätiologie. Da diese Bandscheibenerkrankungen ebenso in Berufsgruppen vorkommen, die während ihres Arbeitslebens keiner schweren körperlichen Belastung ausgesetzt waren, genauso wie in solchen, die wie die Klägerin auch schwere körperliche Arbeiten geleistet haben, kann allein die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne des MDD die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen Kausalzusammenhanges nicht begründen (vgl. Merkblatt zu der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage zur BKV, BArbBl. 2006, Heft 10 S. 30 ff. ). Im Hinblick auf die Schwierigkeiten der Beurteilung des Ursachenzusammenhanges bei der BK Nr. 2108 war die medizinische Wissenschaft gezwungen, weitere Kriterien zu erarbeiten, die zumindest in ihrer Gesamtschau für oder gegen eine berufliche Verursachung sprechen. Diese sind niedergelegt in den medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der LWS, die als Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung auf Anregung der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe anzusehen sind (vgl. Trauma und Berufskrankheit Heft 3/2005, Springer Medizin Verlag, S. 211 ff). Weder der von der Klägerin benannte Sachverständige Prof. Dr. B-A, der bei der Erarbeitung dieser Konsensempfehlungen mitgearbeitet hat, noch der Sachverständige Dr. W-R haben einen neueren, von den Konsensempfehlungen abweichenden Stand der wissenschaftlichen Diskussion zu den bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule aufgezeigt. Es ist daher davon auszugehen, dass diese nach wie vor den aktuellen Stand der nationalen und internationalen Diskussion zur Verursachung von Lendenwirbelsäulenerkrankungen durch körperliche berufliche Belastungen darstellen (vgl. auch BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009 – B 2 U 16/08 R -, zitiert nach Juris, und Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 13/05 R – in SozR 4-2700 § 9 Nr. 9). Zur Gewährleistung einer im Geltungsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung gleichen und gerechten Behandlung aller Versicherten begegnet es daher keinen Bedenken, wenn die befassten Gutachter und die Sozialgerichtsbarkeit diese Konsensempfehlungen anwenden.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die medizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen der BK Nr. 2108 nicht gegeben. Das Vorliegen einer durch die berufliche Tätigkeit verursachten bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS ist nicht nachgewiesen. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen des gesamten Gerichtsverfahrens, insbesondere den am jeweiligen neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft und Forschung ausgerichteten Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. B-A vom 08. August 2008 nebst ergänzender Stellungnahme vom 05. März 2009 und Dr. W-R vom 18. November 2005 nebst ergänzender Stellungnahme vom 15. Dezember 2008.

Zwar können die bei der Klägerin durch Prof. Dr. B-A und Dr. R festgestellten Veränderungen der Wirbelsäule eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule im Sinne der BK Nr. 2108 darstellen. Zu der Frage, was unter einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS zu verstehen sein soll, hat der Verordnungsgeber in der Begründung zur zweiten Änderungsverordnung (2. ÄndVO), durch welche die BK Nr. 2108 in die Berufskrankheitenliste aufgenommen worden ist (BR-Druck 773/92 S.8), eingehende Ausführungen gemacht. Danach sind unter bandscheibenbedingten Erkrankungen zu verstehen: Bandscheibendegeneration (Diskose), Instabilität im Bewegungssegment, Bandscheibenvorfall (Prolaps), degenerative Veränderungen der Wirbelkörperabschlussplatten (Osteochondrose), knöcherne Ausziehungen an den vorderen seitlichen Randleisten der Wirbelkörper (Spondylose), degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke (Spondylarthrose) mit den durch derartige Befunde bedingten Beschwerden und Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule. Erforderlich ist ein Krankheitsbild, das über einen längeren Zeitraum andauert, also chronisch oder zumindest chronisch wiederkehrend ist, und das zu Funktionseinschränkungen führt, die eben eine Fortsetzung der genannten Tätigkeit unmöglich machen. Erforderlich sind daher ein bestimmtes radiologisches Bild sowie ein damit korrelierendes klinisches Bild (vgl. das aktuelle Merkblatt zur BK Nr. 2108 sowie die Konsensempfehlungen Punkt 1.3).

Heranzuziehen sind richtigerweise die der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zeitlich nächstliegenden Röntgenbilder (vgl. auch Punkt 1.2 der Konsensempfehlungen). Demgemäß stellen sich im Falle der Klägerin (siehe Gutachten von Prof. Dr. B-A vom 08. August 2009 und radiologisches Zusatzgutachten von Dr. R vom 02. Juni 2008) bereits vor der Aufgabe sämtlicher wirbelsäulenbelastender Tätigkeiten im Juni 1989 erstmals im Röntgenbild vom 24. Januar 1989 morphologisch Bandscheibenschäden der LWS dar, nämlich eine Chondrose Grad II bei L5/S1. Die Chondrose Grad II ist bezogen auf das Jahr 1989 und das Lebensalter 45 auch alters-untypisch (vgl. das Gutachten des Dr. R sowie Punkt 1.2 A der Konsensempfehlungen). Sie hat sich in ihrer Ausprägung fortentwickelt und ist erstmals im Röntgenbild vom 26. Juli 1999 mit einem Grad III festzustellen (vgl. das Gutachten des Dr. R sowie Punkt 1.2 A der Konsensempfehlungen).

Für die Feststellung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS ist neben dem morphologischen Bild der Nachweis eines mit diesem korrelierenden chronischen klinischen Beschwerdebildes nebst Funktionseinschränkungen erforderlich. Dabei kann es sich nach dem derzeit geltenden Merkblatt zur BK Nr. 2108 um folgende Krankheitsbilder handeln: ein lokales Lumbalsyndrom (chronisch rezidivierende Beschwerden in der Kreuz-Lendengegend mit möglicher pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung in die Oberschenkelmuskulatur), mono- und polyradikuläre Wurzelreizsyndrome (ein- oder beidseitig segmental ins Bein ausstrahlende, dem Verlauf des Ischiasnervs folgende Schmerzen, meist in Verbindung mit Zeichen eines lokalen Lumbalsyndroms) oder ein Kaudasyndrom (Sonderform der polyradikulären lumbalen Wurzelreizsyndrome).

Ein solches (chronisches) klinisches Beschwerdebild, welches der Chondrose Grad II bzw. ab 1999 Grad III bei L5/S1 und nicht anderen Veränderungen an der Wirbelsäule oder einem Trainingsmangel der Muskulatur entsprechen müsste, ist vorliegend nicht festzustellen. Hierauf haben bereits die Erstuntersucher, die Arbeitsmediziner Frau Prof. Dr. S und Dr. D, wie auch der Sachverständige Dr. W-R hingewiesen. Prof. Dr. B-A hat sich in seinem Gutachten vom 08. August 2008 und in der ergänzenden Stellungnahme vom 05. März 2009 überhaupt nicht mit der Fraglichkeit eines korrelierenden klinischen Beschwerdebildes auseinandergesetzt, obwohl gerade die Ergebnisse seiner Untersuchung ebenso wie die Ergebnisse der früheren gutachterlichen Untersuchungen dies nahe gelegt haben. So hat er bei seiner Untersuchung am 09. Mai 2008 lediglich einen Druckschmerz im Bereich der unteren LWS, einen vermehrten Muskeltonus im Bereich der paravertebralen Muskulatur der unteren LWS, eine eingeschränkte Entfaltung der Lendenwirbelsäule (Schober 10/12 cm, Finger-Boden-Abstand 20 cm), eine verminderte Beweglichkeit der LWS in der Rotation (20/0/20) und in der Seitneigung (30/0/30) sowie eine Hypästhesie im Bereich der rechten Oberschenkelaußenseite festgestellt. Auch der Neurologe Dr. K hat bei seiner Untersuchung im Mai 2008 bis auf eine geringfügig eingeschränkte LWS-Flexion und eine im Bereich des rechten Oberschenkels angegebene Hypästhesie keinerlei krankhaften Befunde bezogen auf die LWS erheben können. Insbesondere haben sich keine Zeichen für eine lumbale Radikulopathie gefunden. Dr. W-R hat bei seiner Untersuchung am 17. November 2005 bei Palpation der paravertebralen Muskulatur keine Myogelosen oder relevante Druckschmerzhaftigkeiten feststellen können. Die Entfaltbarkeit der LWS hat sich physiologisch gezeigt (Schober 10/13 cm) mit einer leichtgradigen Einschränkung der Inklination (Finger-Boden-Abstand 30 cm). Eine leichte Hypästhesie im ventro-lateralen Bereich des rechten Oberschenkels ist angegeben worden. Der Arbeitsmediziner Dr. D hat bei seiner Untersuchung am 31. Mai 2001 keine Funktionsbeeinträchtigungen der LWS, keine sensiblen oder motorische Ausfälle, keine Myogelosen und auch keinen Hartspann der Muskulatur feststellen können. Bei der Untersuchung durch Frau Prof. Dr. S am 15. Juni 1994 ist eine eingeschränkte Retroflexion und Beugung der LWS bei Schmerzhaftigkeit (Schober 10/13 cm, Finger-Boden-Abstand 33 cm) festgestellt worden, die Ischiasnervenaustrittspunkte haben sich beidseits positiv, betont links, gezeigt bei ansonsten unauffälligem neurologischen Befund.

Demzufolge lassen sich keine der für die Segmente L5/S1 typischen Leitsymptome finden, wie sie im aktuellen Merkblatt zur BK Nr. 2108 (Tabelle 1) aufgeführt sind. Vielmehr ist dem Merkblatt zur BK Nr. 2108 zu entnehmen, dass die angegebene Hypästhesie im Bereich der rechten Oberschenkelaußenseite den Segmenten L3 und L4 zuzuordnen ist, was wiederum in Übereinstimmung mit den bei der Klägerin in den bildgebenden Verfahren nachgewiesenen Veränderungen in diesen Segmenten steht.

Zeitnah zur Aufgabe der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit hat sich zwar eine Lumbalgie bzw. ein Wurzelirrationssyndrom bei medialer Bandscheibenprotrusion L5 mit überwiegend rechtsseitiger Schmerzausstrahlung sowie positivem Zeichen nach Lasègue (rechts bei etwa 70°, links endgradig) und sonst unauffälligem neurologischen Befund gezeigt (vgl. den Entlassungsbericht des Krankenhaus M), jedoch hat bereits die ärztliche Untersuchung während der im August/September 1989 in der Reha-Klinik D durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme (vgl. den Entlassungsbericht vom 22. September 1989) eine weitgehend harmonische Beweglichkeit und Entfaltbarkeit der LWS (Schober von 10/14 cm, Finger-Boden-Abstand von 30 cm) bei ansonsten unauffälligem Befund ergeben. Positive Zeichen nach Lasègue rechts als Zeichen einer Wurzelirritation haben sich gelegentlich bei späteren Untersuchungen in den Jahren 1990 (vgl. im Schwerbehindertenverfahren eingeholtes Gutachten des Arztes für Chirurgie Dr. D vom 03. Mai 1990), 1992 (vgl. im Schwerbehindertenverfahren eingeholtes Gutachten des Arztes R vom 30. März 1992), 1997 (vgl. im Rentenverfahren erstelltes Gutachten des Nervenarztes Dr. K vom 26. August 1997) und zuletzt 1999 (vgl. im Rentenverfahren erstelltes Gutachten des Nervenarztes Dr. L vom 16. Juli 1999) finden lassen. Ein - bis auf die beschriebene diskrete Hypästhesie an der Außenseite des rechten Oberschenkels - neurologisch unauffälliger Befund wird jedoch in den im Schwerbehindertenverfahren eingeholten Gutachten des Arztes Dr. H vom 19. Dezember 1989, des Internisten Dr. S vom 07. September 1994 und der Nervenärztin G vom 13. Februar 1995 erhoben. Ebenso haben sich im Rahmen der im April/Mai 1996 in der Weserland-Klinik durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme (vgl. Entlassungsbericht vom 24. Mai 1996) und bei der Begutachtung im Rentenverfahren durch den Orthopäden Dr. R (Gutachten vom 05. Oktober 1999) bis auf die angegebene Hypästhesie an der Oberschenkelvorderaußenseite keine neurologischen Auffälligkeiten gezeigt. Letztlich sind seit Juli 1999 keine deutlichen Zeichen einer Nervenwurzelirritation mehr dokumentiert. Der Neurologe Dr. K hat in seinem Gutachten vom 19. Mai 2008 explizit darauf hingewiesen, dass die in früheren Gutachten gelegentlich beschriebene ASR-Abschwächung links bzw. Sensibilitätsstörung am rechten Oberschenkel bei seiner Untersuchung nicht habe bestätigt werden können. Im EMG habe sich allenfalls eine subklinische Schädigung in der L 5 Wurzel rechts mehr als links und der L 4 Wurzel links mehr als rechts gezeigt. Von daher kann ein chronisches Beschwerdebild im Sinne einer bandscheibenbedingten Erkrankung bei L5/S1 – ausgehend von der Chondrose Grad II bzw. ab 1999 Grad III bei L5/S1 - nicht angenommen werden. Die zumeist geringgradigen Bewegungseinschränkungen der LWS wie auch der muskuläre Hartspann und die Klopf- und Druckempfindlichkeit sind zudem genauso gut anderen WS-Erkrankungen, die nicht die morphologischen Voraussetzungen einer BK Nr. 2108 erfüllen, wie hier z. Bsp. die Veränderungen im Bereich L3/L4 und die bereits 1989 im CT dokumentierten Bandscheibenprotrusionen bei L5/S1 nebst Facettenarthrosen (vgl. radiologisches Gutachten von Dr. R vom 02. Juni 2008), wie auch einer untrainierten und fehlbeanspruchten Muskulatur zuzurechnen, was durch die seit Aufnahme eines regelmäßigen Rückentrainings eingetretene Stabilisierung verdeutlicht wird.

Selbst wenn man hier ein dem morphologischen Befund entsprechendes klinisches Beschwerdebild bejahen würde, d. h. eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS als erwiesen ansehen würde, so wäre deren berufliche Verursachung nicht hinreichend wahrscheinlich.

Denn unter Zugrundelegung der Konsensempfehlungen (Punkt 1.4) handelt es sich im Falle der Klägerin bei einer unterstellten ausreichenden beruflichen Belastung (Exposition) nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B-A in seinem Gutachten vom 08. August 2008 um die Konstellation B3, d. h.

- es liegt eine gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor,
- es besteht eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung (z. B. ausreichende Exposition muss der Erkrankung vorausgehen; Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs nimmt mit der Länge des Zeitraums zwischen Ende der Exposition und erstmaliger Diagnose der Erkrankung ab),
- die bandscheibenbedingte Erkrankung betrifft L5/S1 und/oder L4/5,
- Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall,
- wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren (wie z. B. eine relevante Skoliose) liegen nicht vor,
- eine Begleitspondylose liegt nicht vor.

Als Begleitspondylose wird nach den Konsensempfehlungen Punkt 1.4 definiert eine Spondylose in/im nicht von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segment(en) bzw.in/im von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segment(en), die nachgewiesenermaßen vor dem Eintritt der bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne einer Chondrose oder eines Vorfalls aufgetreten ist. Um eine positive Indizwirkung für eine berufsbedingte Verursachung zu haben, muss die Begleitspondylose über das Altersmaß (s. Punkt 1.2 der Konsensempfehlungen) hinausgehen und mindestens zwei Segmente betreffen. Bei der Klägerin sind nach der Beurteilung des Dr. R in seinem Gutachten vom 02. Juni 2008 keine Begleitspondylosen in den über L5/S1 gelegenen Segmenten der LWS und BWS nachgewiesen.

Für diese Fallkonstellation hat die interdisziplinäre Arbeitsgruppe keinen Konsens erzielt. Soweit Prof. Dr. B-A wie schon im Rahmen seiner Beteiligung an den Konsensempfehlungen in seinem Gutachten vom 08. August 2008 und in seiner Stellungnahme vom 05. März 2009 die Auffassung vertritt, Begleitspondylosen seien nicht erforderlich, handelt es sich um eine – seine – Meinung. Die Frage ist ganz offensichtlich umstritten (vgl. J. Schürmann in Ludolph, Lehmann, Schürmann, Kursbuch der ärztlichen Begutachtung, 11. Erg-Lieferung 9/08, III-2.13.2108 S. 13; Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur BKV, Lfg. 2/07, M 2108 6.2.4; Konsensempfehlungen, Anmerkungen zu den nicht im Konsens beurteilten Fallkonstellationen, Anhänge 1 und 2).

Hinweise für das Vorliegen der Fallkonstellation B2 bestehen nicht. Diese Fallkonstellation ist (die ausreichende Exposition abermals unterstellt) wie folgt definiert:

- gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule,
- es besteht eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung (z. B. ausreichende Exposition muss der Erkrankung vorausgehen; Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs nimmt mit der Länge des Zeitraums zwischen Ende der Exposition und erstmaliger Diagnose der Erkrankung ab),
- die bandscheibenbedingte Erkrankung betrifft L5/S1 und/oder L4/5,
- Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall,
- keine wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktoren,
- keine Begleitspondylose sowie
- zusätzlich mindestens eines der folgenden Kriterien,
- Höhenminderung und/oder Vorfall an mehreren Bandscheiben oder „black disc“ im MRT an mindestens zwei angrenzenden Segmenten,
- besonders intensive Belastung,
- besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen.

Eine altersuntypische Höhenminderung (Chondrose) fand sich zeitnah zur Aufgabe der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit im Juni 1989 lediglich am Segment L5/S1. Laut dem Gutachten des Dr. R ergeben sich aus den MRT-Aufnahmen der LWS vom 05. Juni 2001, 14. Februar 2008 und 09. Mai 2008 Signalminderungen in den Bandscheiben L4/5 und L5/S1, die jeweils als „black disc“ zu bewerten sind. Hinsichtlich L5/S1 handelt es sich bereits um das von der bandscheibenbedingten Erkrankung betroffene Segment, so dass nicht an mindestens zwei daran angrenzenden Segmenten eine Höhenminderung im Sinne einer „black disc“ festgestellt werden kann. Abgesehen davon, dass die Signalminderung bei L4/5 von Dr. R durchgehend als geringgradig beschrieben wird, kann das Vorliegen einer „black disc“ auch nicht zeitnah zur Aufgabe der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit im Juni 1989 festgestellt werden. Von einer besonders intensiven Belastung kann nur bei Erreichen der Gesamtbelastungsdosis von 17 x 10 6 Nh in weniger als 10 Jahren beruflicher Belastung ausgegangen werden (vgl. Punkt 1.4 der Konsensempfehlungen zu B2 ), die hier auch unter Zugrundelegung der für die Klägerin günstigsten Angaben (bei der Begutachtung durch Prof. Dr. B-A) und bei Anwendung des nach der BSG-Rechtsprechung modifizierten MDD nicht erreicht wird. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Konsensempfehlungen auf dem ursprünglichen MDD, d. h. ohne die Modifikationen durch die BSG-Rechtsprechung, beruhen und nur hinsichtlich der danach ermittelten Belastungswerte ein Konsens bzgl. der beruflichen Verursachung zu den einzelnen Fallge-staltungen überhaupt gefunden werden konnte. Anhaltspunkte für ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen, d. h. das Erreichen mindestens der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen, die bei Frauen ab 4.500 N gesehen werden (vgl. Punkt 1.4 der Konsensempfehlungen zu B2 ), sind ebenfalls nicht erkennbar, diese werden auch von dem mit dem MDD und den Konsensempfehlungen bestens vertrauten Sachverständigen Prof. Dr. B-Anicht gesehen.

Der allgemeine beweisrechtliche Grundsatz, dass die Beurteilung medizinischer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge auf dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand aufbauen muss (vgl. BSG in SozR 3850 § 51 Nr. 9; BSG in SozR 1500 § 128 Nr. 31; BSG in SozR 3-3850 § 52 Nr. 1; Rauschelbach, MedSach 2001, 97; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2009, Kapitel 3.3.4.3) erfordert nach dem BSG, dass es zu jedem Ursachenzusammenhang statistisch-epidemiologische Forschungen geben muss, weil dies nur eine Methode zur Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist und sie im Übrigen nicht auf alle denkbaren Ursachenzusammenhänge angewandt werden kann und braucht. Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann daher in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006, - B 2 U 1/05 R - in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 m. w. N.).

Hiernach überzeugt die Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. B-A, es bedürfe auch bei Fehlen der Zusatzkriterien der Fallkonstellation B2 der Konsensempfehlungen keiner Begleitspondylosen für die die Anerkennung einer BK Nr. 2108, den Senat nicht. Die Konstellation B3 entspricht der häufigsten Manifestationsform eigenständiger Bandscheibenerkrankungen innerer Ursache an der LWS (vgl. V. Grosser und F. Schröter im Anhang 1 der Anmerkungen zu den nicht im Konsens beurteilten Fallkonstellationen der Konsensempfehlungen). Betroffen sind bei dieser Konstellation lediglich die Segmente L4/5 und/oder L5/S1. Bandscheibenschäden in den übrigen LWS-Segmenten liegen bei dieser Konstellation definitionsgemäß nicht vor. Selbst geringgradige Bandscheibendegenerationen im Sinne einer nur magnetresonanztomographisch nachweisbaren so genannten „black disc“ sind bei dieser Konstellation in keinem der oberhalb L4/5 gelegenen Segmente nachweisbar. Auch eine Begleitspondylose als positives Indiz für eine Auswirkung der beruflichen Belastungen liegt nicht vor. Biomechanische Besonderheiten der beruflichen Einwirkung, welche das Fehlen von Spuren der beruflichen Belastung in den Segmenten der mittleren und oberen LWS plausibel machen könnten, sind bei der Konstellation B3 nicht gegeben. Da sich die biologisch-anatomische Schadensentwicklung zwingend durch dokumentierbare (radiologische) Belege nachweisen lassen muss, fehlt es hier überhaupt am belastungstypischen Schadensbild, da ein altersuntypischer Befund nicht vorliegt (vgl. J. Schürmann in Ludolph, Lehmann, Schürmann, Kursbuch der ärztlichen Begutachtung, 11. Erg-Lieferung 9/08, III-2.13.2108 S. 13). Epidemiologische Arbeiten, welche nachweisen, dass bei Schadensbildern, die der Konstellation B3 entsprechen, bei beruflich Exponierten im Vergleich zur Normalbevölkerung statistisch eine relevante Risikoerhöhung besteht, existieren nicht (vgl. V. Grosser und F. Schröter a. a. O.). Ein derartiger Nachweis wird gemäß den Ausführungen von V. Grosser und F. Schröter auch durch die Fallkontrollstudie von Seidler et al. nicht geführt. Sie räumten ein, dass in ihrer Studie Patienten mit Chondrose und Spondylose ein höheres berufliches Erkrankungsrisiko aufwiesen als Patienten mit Chondrose ohne zusätzliche Spondylose. Sie machten aber geltend, dass ihre Studie dennoch eine relevante Risikoerhöhung auch für Schadensbilder, welche der Konstellation B3 entsprechen, nachweise. Dies hält einer kritischen methodischen Überprüfung jedoch nicht Stand. Die beruflichen Belastungen wurden in der Studie lediglich durch eine Befragung der Probanden ermittelt. Die in der Studie verwendeten medizinischen Einschlusskriterien erlauben keine Differenzierung, ob die errechneten Erkrankungsrisiken tatsächlich durch eine berufsbedingte Häufung von Bandscheibenschäden verursacht sind oder ob sie lediglich eine höhere Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung aufgrund einer berufsbedingten Beschwerdeauslösung bei berufsunabhängigentstandenen Bandscheibenschäden widerspiegeln. Im Ergebnis führt dies zu einer erheblichen Überschätzung des Risikos, berufsbedingt Bandscheibenschäden zu entwickeln. In der Studie wird bei Erreichen der Richtdosis nach dem MDD (berechnet ohne Schwellenwert auf der Basis der Befragung der Probanden) eine Erhöhung des Erkrankungsrisikos auf etwa das 10fache errechnet, wenn man die belastete Gruppe insgesamt betrachtet. Nach den methodisch aussagekräftigsten epidemiologischen Arbeiten ist das relative Risiko, berufsbedingt Bandscheibenschäden zu entwickeln, bei vergleichbaren bzw. eher höheren Belastungen jedoch nur auf etwa das 2fache erhöht.

Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass die interdisziplinäre Arbeitsgruppe hinsichtlich der Grundvoraussetzung „ausreichende berufliche Belastung“ (vgl. Punkt 1.4 der Konsensempfehlungen) von den Maßgaben des – nicht modifizierten – MDD ausgegangen ist. Schon unter Zugrundelegung eines Orientierungswertes zur Gesamtbelastungsdosis von 25 x 10 6 Nh für Männer bzw. 17 x 10 6 Nh für Frauen und einer Mindestdruckkraft von 3.200 N für Männer bzw. 2.500 N für Frauen ist in der interdisziplinären Arbeitsgruppe kein Konsens erzielt worden. Bei nunmehr weiter herunter geschraubten Anforderungen, die eine Verschiebung der Lastgewichte weg von „schweren“ Gewichten hin in die Region alltäglicher Gewichte zur Folge hat (vgl. hierzu z. B. das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 25. September 2008 a. a. O., Römer/Brandenburg/Woltjen, a. a. O., S. 192 ff), kann erst recht nicht von einem gesicherten aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Konsens zur vorliegenden Konstellation ausgegangen werden. Auf die Begleitspondylose als Abgrenzungskriterium zu nicht beruflich bedingten bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS kann nicht verzichtet werden.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.