Die form- und fristgerecht (§§ 143, 144, 151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet.
Das Urteil des SG Berlin vom 23. Juni 2006 sowie der Bescheid vom 13. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2002, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, den Bescheid vom 25. August 1994 nach § 44 SGB X zurückzunehmen und das Vorliegen einer BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV anzuerkennen, erweisen sich als rechtmäßig.
Nach § 44 SGB X ist ein Verwaltungsakt - auch nachdem er unanfechtbar geworden ist - mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
Die Beklagte hat bei Erlass des Bescheides vom 25. August 1994 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich (im Ergebnis) als unrichtig erweist, denn bei der Klägerin liegt eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, nicht vor.
Der von der Klägerin im Wege des Überprüfungsverfahrens erhobene Anspruch auf Anerkennung einer BK richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der Eintritt eines entschädigungspflichtigen Versicherungsfalls vor Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs Siebtes Buch (SGB VII) am 01. Januar 1997 geltend gemacht wird (§§ 212, 214 SGB VII).
Nach §§ 547 ff RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt eines Arbeitsunfalls Leistungen aus der Unfallversicherung. Als Arbeitsunfall gilt nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen.
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R – in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a. a. O.).
Von Nr. 2108 der Anlage zur BKV werden „bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können“, erfasst.
Nach dem Tatbestand der BK Nr. 2108 muss also die Versicherte auf Grund einer versicherten Tätigkeit langjährig schwer gehoben und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Durch die spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Die Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK Nr. 2108 nicht vor (vgl. BSG, Urteile vom 30. Oktober 2007 - B 2 U 4/06 R– in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 sowie vom 18. November 2008 - B 2 U 14/07 R – und – B 2 U 14/08 R – jeweils zitiert nach Juris) und ist nicht anzuerkennen.
Ob hier die arbeitstechnischen Voraussetzungen, d. h. die von der BK Nr. 2108 geforderten Einwirkungen durch langjähriges schweres Heben und Tragen bzw. Arbeit in Rumpfbeugehaltung, überhaupt vorliegen, ist aus den vom TAD der Beklagten, zuletzt in der Stellungnahme vom 03. März 2010, aufgeführten Gründen zweifelhaft. Denn nach den vorliegenden Berechnungen des TAD der Beklagten zum Ausmaß der mechanischen Belastung nach dem MDD (vgl. dazu die grundlegende Veröffentlichung von Jäger u. a., ASUMed 1999, 101 ff, 112 ff) ist die nach dem MDD vorgegebene Gesamtdosis für Frauen von 17 x 10 6 Nh bei weitem unterschritten. Insbesondere bestehen auch für den Senat erhebliche Zweifel bzgl. der Glaubhaftigkeit der (wechselhaften) Angaben der Klägerin zum Umfang der Hebe- und Tragebelastung während ihrer Tätigkeit als MTRA, wie der TAD der Beklagten nachvollziehbar unter Bezugnahme auf die Erfahrungen mit der Arbeitssituation in der Röntgendiagnostik in Westberliner Krankenhäusern vor der Wende, dem 1996/1997 erstellten Belastungskataster für die bei ihr geführten Krankenhäuser und den Angaben des Arbeitgebers dargelegt hat. So hat die TAD-Referentin Gesundheitsdienst G in ihrer Stellungnahme vom 03. März 2010 beispielhaft darauf hingewiesen, dass für einen Thoraxpatienten 1 bis 2 Aufnahmen erforderlich seien, mit den von der Klägerin angegebenen pro Schicht bewegten 20 Filmkassetten à 100 Filme aber 1000 Patienten pro Schicht geröntgt werden könnten.
Für die BK Nr. 2108 ergibt sich die berufliche Belastung nach dem MDD aus einem gestuften Ermittlungs- und Beurteilungsverfahren. In einer ersten Stufe werden Hebe- und Tragetätigkeiten herausgefiltert, die eine Druckkraft am Übergang der LWS zum Kreuzbein von 3,2 kN (Kilo-Newton) für Männer und 2,5 kN für Frauen erzeugen, für Rumpfbeugehaltung wird eine Druckbelastung von 1,7 kN zu Grunde gelegt (Schwellenwert). Tätigkeiten, die diese Voraussetzungen erfüllen oder überschreiten, werden nach ihrer Häufigkeit in einer Arbeitsschicht erfasst und die Druckkräfte addiert. Als Beurteilungsdosisrichtwert, bei dessen Erreichen oder Überschreiten mit einer Gefährdung für das Entstehen bandscheibenbedingter Erkrankungen der LWS zu rechnen ist, gilt für Männer 5,5 kNh (Kilo-Newton pro Stunde), für Frauen 3,5 kNh. Nur wenn diese Tagesdosisrichtwerte erreicht oder überschritten sind, werden die Tagesdosen zu einer Gesamtdosis addiert. Als Richtwert, bei dessen Erreichen die arbeitstechnischen Voraussetzungen zum Entstehen einer BK Nr. 2108 als gegeben angesehen werden, wurden 25 x 10 6 Nh für Männer bzw. 17 x 10 6 Nh für Frauen vorgeschlagen (Schäfer et al., SGb 2002, S. 202). Das MDD legt selber für die Belastung durch Heben und Tragen keine Mindestwerte fest, die erreicht werden müssen, damit von einem erhöhten Risiko von Bandscheibenschäden durch die berufliche Tätigkeit ausgegangen werden kann. Die auf Grund einer retrospektiven Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder ermittelten Werte, insbesondere die Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis, sind nicht als Grenzwerte, sondern als Orientierungswerte oder -vorschläge zu verstehen. Von diesem Verständnis geht auch das aktuelle Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zur BK Nr. 2108 aus, das für eine zusammenfassende Bewertung der Wirbelsäulenbelastung auf das MDD verweist BArbBl. 2006, Heft 10 S. 30 ff) Danach sind zwar die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK Nr. 2108 zu bejahen, wenn die Richtwerte im Einzelfall erreicht oder überschritten werden; umgekehrt schließt aber ein Unterschreiten dieser Werte das Vorliegen der BK nicht von vornherein aus (vgl. BSG Urteile vom 30. Oktober 2007 a. a. O. sowie vom 18. November 2008 a. a. O.).
Das BSG hat jedoch in seinen Entscheidungen vom 18. November 2008 (a. a. O.) Modifizierungen zur Anwendung des MDD für notwendig erachtet. Danach ist die dem MDD zu Grunde liegende Mindestdruckkraft pro Arbeitsvorgang bei Männern nurmehr mit dem Wert 2.700 N pro Arbeitsvorgang anzusetzen. Auf eine Mindesttagesdosis ist nach dem Ergebnis der Deutschen Wirbelsäulenstudie zu verzichten. Alle Hebe- und Tragebelastungen, die die aufgezeigte Mindestbelastung von 2.700 N bei Männern erreichen, sind entsprechend dem quadratischen Ansatz (Kraft mal Kraft mal Zeit) zu berechnen und aufzuaddieren. Der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung der LWS ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, ist auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 x 10 6 Nh, also auf 12,5 x 10 6 Nh, herabzusetzen. Ob die Herabsetzung der Druckkraftschwelle (Mindestdruckkraft) auf 2.700 N im Einzelnen an Hand der existierenden wissenschaftlichen Studien und der von der BK Nr. 2108 geforderten Manipulation von „schweren Lasten“ begründbar ist, ist vom BSG nicht dargelegt worden und nach wie vor umstritten (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. September 2008 – L 10 U 5965/06 -, zitiert nach Juris; Römer/Brandenburg/Woltjen: “Beurteilungskriterien bei der BK-Nr. 2108 der Anlage zur BKV unter Berücksichtigung des Urteils des BSG vom 30. Oktober 2007“ in SGb 2009 S. 192 ff). Dies gilt umso mehr für eine entsprechende Herabsetzung der Mindestdruckkraft auf 1.850 N für Frauen, die einem beidhändigen Heben von Lasten mit einem deutlich ein kg unterschreitendem Gewicht entspricht (siehe Römer/Brandenburg/Woltjen, a. a. O., S. 198).
Nur bei Zugrundelegung der (nicht nachgewiesenen) Angaben der Klägerin zur allein als wirbelsäulenbelastend anzusehenden Tätigkeit als MTRA in der Zeit von April 1978 bis Juni 1989 (11 Jahre und 2 Monate) bei der Begutachtung durch Dr. B-A sowie Anwendung des i. S. der Rechtsprechung des BSG modifizierten MDD und entsprechender Herabsetzung der Mindestdruckkraft bei Frauen wird die untere Grenze des Orientierungswertes für Frauen (8,5 x 10 6 Nh) überschritten. Der Sachverständige hat im Gutachten vom 08. August 2008 eine Gesamtbelastungsdosis von 11,78 x 10 6 Nh ermittelt (nach den Berechnungen der TAD-Referentin Gesundheitsdienst G vom 03. März 2010 ergäben sich jedoch 13,7 x 10 6 Nh).
Ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind, kann letztlich dahin gestellt bleiben. Denn selbst wenn der Senat zu Gunsten der Klägerin eine Gesamtbelastungsdosis von 13,7 x 10 6 Nh (bzw. nach Prof. Dr. B-A von 11,78 x 10 6 Nh) der weiteren Beurteilung zu Grunde legt, fehlt es jedenfalls an den arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für eine BK Nr. 2108.
In der medizinischen Wissenschaft ist anerkannt, dass Bandscheibenschäden und Bandscheibenvorfälle insbesondere der unteren LWS in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Sie sind von multifaktorieller Ätiologie. Da diese Bandscheibenerkrankungen ebenso in Berufsgruppen vorkommen, die während ihres Arbeitslebens keiner schweren körperlichen Belastung ausgesetzt waren, genauso wie in solchen, die wie die Klägerin auch schwere körperliche Arbeiten geleistet haben, kann allein die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne des MDD die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen Kausalzusammenhanges nicht begründen (vgl. Merkblatt zu der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage zur BKV, BArbBl. 2006, Heft 10 S. 30 ff. ). Im Hinblick auf die Schwierigkeiten der Beurteilung des Ursachenzusammenhanges bei der BK Nr. 2108 war die medizinische Wissenschaft gezwungen, weitere Kriterien zu erarbeiten, die zumindest in ihrer Gesamtschau für oder gegen eine berufliche Verursachung sprechen. Diese sind niedergelegt in den medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der LWS, die als Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung auf Anregung der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe anzusehen sind (vgl. Trauma und Berufskrankheit Heft 3/2005, Springer Medizin Verlag, S. 211 ff). Weder der von der Klägerin benannte Sachverständige Prof. Dr. B-A, der bei der Erarbeitung dieser Konsensempfehlungen mitgearbeitet hat, noch der Sachverständige Dr. W-R haben einen neueren, von den Konsensempfehlungen abweichenden Stand der wissenschaftlichen Diskussion zu den bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule aufgezeigt. Es ist daher davon auszugehen, dass diese nach wie vor den aktuellen Stand der nationalen und internationalen Diskussion zur Verursachung von Lendenwirbelsäulenerkrankungen durch körperliche berufliche Belastungen darstellen (vgl. auch BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009 – B 2 U 16/08 R -, zitiert nach Juris, und Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 13/05 R – in SozR 4-2700 § 9 Nr. 9). Zur Gewährleistung einer im Geltungsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung gleichen und gerechten Behandlung aller Versicherten begegnet es daher keinen Bedenken, wenn die befassten Gutachter und die Sozialgerichtsbarkeit diese Konsensempfehlungen anwenden.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die medizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen der BK Nr. 2108 nicht gegeben. Das Vorliegen einer durch die berufliche Tätigkeit verursachten bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS ist nicht nachgewiesen. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen des gesamten Gerichtsverfahrens, insbesondere den am jeweiligen neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft und Forschung ausgerichteten Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. B-A vom 08. August 2008 nebst ergänzender Stellungnahme vom 05. März 2009 und Dr. W-R vom 18. November 2005 nebst ergänzender Stellungnahme vom 15. Dezember 2008.
Zwar können die bei der Klägerin durch Prof. Dr. B-A und Dr. R festgestellten Veränderungen der Wirbelsäule eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule im Sinne der BK Nr. 2108 darstellen. Zu der Frage, was unter einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS zu verstehen sein soll, hat der Verordnungsgeber in der Begründung zur zweiten Änderungsverordnung (2. ÄndVO), durch welche die BK Nr. 2108 in die Berufskrankheitenliste aufgenommen worden ist (BR-Druck 773/92 S.8), eingehende Ausführungen gemacht. Danach sind unter bandscheibenbedingten Erkrankungen zu verstehen: Bandscheibendegeneration (Diskose), Instabilität im Bewegungssegment, Bandscheibenvorfall (Prolaps), degenerative Veränderungen der Wirbelkörperabschlussplatten (Osteochondrose), knöcherne Ausziehungen an den vorderen seitlichen Randleisten der Wirbelkörper (Spondylose), degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke (Spondylarthrose) mit den durch derartige Befunde bedingten Beschwerden und Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule. Erforderlich ist ein Krankheitsbild, das über einen längeren Zeitraum andauert, also chronisch oder zumindest chronisch wiederkehrend ist, und das zu Funktionseinschränkungen führt, die eben eine Fortsetzung der genannten Tätigkeit unmöglich machen. Erforderlich sind daher ein bestimmtes radiologisches Bild sowie ein damit korrelierendes klinisches Bild (vgl. das aktuelle Merkblatt zur BK Nr. 2108 sowie die Konsensempfehlungen Punkt 1.3).
Heranzuziehen sind richtigerweise die der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zeitlich nächstliegenden Röntgenbilder (vgl. auch Punkt 1.2 der Konsensempfehlungen). Demgemäß stellen sich im Falle der Klägerin (siehe Gutachten von Prof. Dr. B-A vom 08. August 2009 und radiologisches Zusatzgutachten von Dr. R vom 02. Juni 2008) bereits vor der Aufgabe sämtlicher wirbelsäulenbelastender Tätigkeiten im Juni 1989 erstmals im Röntgenbild vom 24. Januar 1989 morphologisch Bandscheibenschäden der LWS dar, nämlich eine Chondrose Grad II bei L5/S1. Die Chondrose Grad II ist bezogen auf das Jahr 1989 und das Lebensalter 45 auch alters-untypisch (vgl. das Gutachten des Dr. R sowie Punkt 1.2 A der Konsensempfehlungen). Sie hat sich in ihrer Ausprägung fortentwickelt und ist erstmals im Röntgenbild vom 26. Juli 1999 mit einem Grad III festzustellen (vgl. das Gutachten des Dr. R sowie Punkt 1.2 A der Konsensempfehlungen).
Für die Feststellung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS ist neben dem morphologischen Bild der Nachweis eines mit diesem korrelierenden chronischen klinischen Beschwerdebildes nebst Funktionseinschränkungen erforderlich. Dabei kann es sich nach dem derzeit geltenden Merkblatt zur BK Nr. 2108 um folgende Krankheitsbilder handeln: ein lokales Lumbalsyndrom (chronisch rezidivierende Beschwerden in der Kreuz-Lendengegend mit möglicher pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung in die Oberschenkelmuskulatur), mono- und polyradikuläre Wurzelreizsyndrome (ein- oder beidseitig segmental ins Bein ausstrahlende, dem Verlauf des Ischiasnervs folgende Schmerzen, meist in Verbindung mit Zeichen eines lokalen Lumbalsyndroms) oder ein Kaudasyndrom (Sonderform der polyradikulären lumbalen Wurzelreizsyndrome).
Ein solches (chronisches) klinisches Beschwerdebild, welches der Chondrose Grad II bzw. ab 1999 Grad III bei L5/S1 und nicht anderen Veränderungen an der Wirbelsäule oder einem Trainingsmangel der Muskulatur entsprechen müsste, ist vorliegend nicht festzustellen. Hierauf haben bereits die Erstuntersucher, die Arbeitsmediziner Frau Prof. Dr. S und Dr. D, wie auch der Sachverständige Dr. W-R hingewiesen. Prof. Dr. B-A hat sich in seinem Gutachten vom 08. August 2008 und in der ergänzenden Stellungnahme vom 05. März 2009 überhaupt nicht mit der Fraglichkeit eines korrelierenden klinischen Beschwerdebildes auseinandergesetzt, obwohl gerade die Ergebnisse seiner Untersuchung ebenso wie die Ergebnisse der früheren gutachterlichen Untersuchungen dies nahe gelegt haben. So hat er bei seiner Untersuchung am 09. Mai 2008 lediglich einen Druckschmerz im Bereich der unteren LWS, einen vermehrten Muskeltonus im Bereich der paravertebralen Muskulatur der unteren LWS, eine eingeschränkte Entfaltung der Lendenwirbelsäule (Schober 10/12 cm, Finger-Boden-Abstand 20 cm), eine verminderte Beweglichkeit der LWS in der Rotation (20/0/20) und in der Seitneigung (30/0/30) sowie eine Hypästhesie im Bereich der rechten Oberschenkelaußenseite festgestellt. Auch der Neurologe Dr. K hat bei seiner Untersuchung im Mai 2008 bis auf eine geringfügig eingeschränkte LWS-Flexion und eine im Bereich des rechten Oberschenkels angegebene Hypästhesie keinerlei krankhaften Befunde bezogen auf die LWS erheben können. Insbesondere haben sich keine Zeichen für eine lumbale Radikulopathie gefunden. Dr. W-R hat bei seiner Untersuchung am 17. November 2005 bei Palpation der paravertebralen Muskulatur keine Myogelosen oder relevante Druckschmerzhaftigkeiten feststellen können. Die Entfaltbarkeit der LWS hat sich physiologisch gezeigt (Schober 10/13 cm) mit einer leichtgradigen Einschränkung der Inklination (Finger-Boden-Abstand 30 cm). Eine leichte Hypästhesie im ventro-lateralen Bereich des rechten Oberschenkels ist angegeben worden. Der Arbeitsmediziner Dr. D hat bei seiner Untersuchung am 31. Mai 2001 keine Funktionsbeeinträchtigungen der LWS, keine sensiblen oder motorische Ausfälle, keine Myogelosen und auch keinen Hartspann der Muskulatur feststellen können. Bei der Untersuchung durch Frau Prof. Dr. S am 15. Juni 1994 ist eine eingeschränkte Retroflexion und Beugung der LWS bei Schmerzhaftigkeit (Schober 10/13 cm, Finger-Boden-Abstand 33 cm) festgestellt worden, die Ischiasnervenaustrittspunkte haben sich beidseits positiv, betont links, gezeigt bei ansonsten unauffälligem neurologischen Befund.
Demzufolge lassen sich keine der für die Segmente L5/S1 typischen Leitsymptome finden, wie sie im aktuellen Merkblatt zur BK Nr. 2108 (Tabelle 1) aufgeführt sind. Vielmehr ist dem Merkblatt zur BK Nr. 2108 zu entnehmen, dass die angegebene Hypästhesie im Bereich der rechten Oberschenkelaußenseite den Segmenten L3 und L4 zuzuordnen ist, was wiederum in Übereinstimmung mit den bei der Klägerin in den bildgebenden Verfahren nachgewiesenen Veränderungen in diesen Segmenten steht.
Zeitnah zur Aufgabe der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit hat sich zwar eine Lumbalgie bzw. ein Wurzelirrationssyndrom bei medialer Bandscheibenprotrusion L5 mit überwiegend rechtsseitiger Schmerzausstrahlung sowie positivem Zeichen nach Lasègue (rechts bei etwa 70°, links endgradig) und sonst unauffälligem neurologischen Befund gezeigt (vgl. den Entlassungsbericht des Krankenhaus M), jedoch hat bereits die ärztliche Untersuchung während der im August/September 1989 in der Reha-Klinik D durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme (vgl. den Entlassungsbericht vom 22. September 1989) eine weitgehend harmonische Beweglichkeit und Entfaltbarkeit der LWS (Schober von 10/14 cm, Finger-Boden-Abstand von 30 cm) bei ansonsten unauffälligem Befund ergeben. Positive Zeichen nach Lasègue rechts als Zeichen einer Wurzelirritation haben sich gelegentlich bei späteren Untersuchungen in den Jahren 1990 (vgl. im Schwerbehindertenverfahren eingeholtes Gutachten des Arztes für Chirurgie Dr. D vom 03. Mai 1990), 1992 (vgl. im Schwerbehindertenverfahren eingeholtes Gutachten des Arztes R vom 30. März 1992), 1997 (vgl. im Rentenverfahren erstelltes Gutachten des Nervenarztes Dr. K vom 26. August 1997) und zuletzt 1999 (vgl. im Rentenverfahren erstelltes Gutachten des Nervenarztes Dr. L vom 16. Juli 1999) finden lassen. Ein - bis auf die beschriebene diskrete Hypästhesie an der Außenseite des rechten Oberschenkels - neurologisch unauffälliger Befund wird jedoch in den im Schwerbehindertenverfahren eingeholten Gutachten des Arztes Dr. H vom 19. Dezember 1989, des Internisten Dr. S vom 07. September 1994 und der Nervenärztin G vom 13. Februar 1995 erhoben. Ebenso haben sich im Rahmen der im April/Mai 1996 in der Weserland-Klinik durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme (vgl. Entlassungsbericht vom 24. Mai 1996) und bei der Begutachtung im Rentenverfahren durch den Orthopäden Dr. R (Gutachten vom 05. Oktober 1999) bis auf die angegebene Hypästhesie an der Oberschenkelvorderaußenseite keine neurologischen Auffälligkeiten gezeigt. Letztlich sind seit Juli 1999 keine deutlichen Zeichen einer Nervenwurzelirritation mehr dokumentiert. Der Neurologe Dr. K hat in seinem Gutachten vom 19. Mai 2008 explizit darauf hingewiesen, dass die in früheren Gutachten gelegentlich beschriebene ASR-Abschwächung links bzw. Sensibilitätsstörung am rechten Oberschenkel bei seiner Untersuchung nicht habe bestätigt werden können. Im EMG habe sich allenfalls eine subklinische Schädigung in der L 5 Wurzel rechts mehr als links und der L 4 Wurzel links mehr als rechts gezeigt. Von daher kann ein chronisches Beschwerdebild im Sinne einer bandscheibenbedingten Erkrankung bei L5/S1 – ausgehend von der Chondrose Grad II bzw. ab 1999 Grad III bei L5/S1 - nicht angenommen werden. Die zumeist geringgradigen Bewegungseinschränkungen der LWS wie auch der muskuläre Hartspann und die Klopf- und Druckempfindlichkeit sind zudem genauso gut anderen WS-Erkrankungen, die nicht die morphologischen Voraussetzungen einer BK Nr. 2108 erfüllen, wie hier z. Bsp. die Veränderungen im Bereich L3/L4 und die bereits 1989 im CT dokumentierten Bandscheibenprotrusionen bei L5/S1 nebst Facettenarthrosen (vgl. radiologisches Gutachten von Dr. R vom 02. Juni 2008), wie auch einer untrainierten und fehlbeanspruchten Muskulatur zuzurechnen, was durch die seit Aufnahme eines regelmäßigen Rückentrainings eingetretene Stabilisierung verdeutlicht wird.
Selbst wenn man hier ein dem morphologischen Befund entsprechendes klinisches Beschwerdebild bejahen würde, d. h. eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS als erwiesen ansehen würde, so wäre deren berufliche Verursachung nicht hinreichend wahrscheinlich.
Denn unter Zugrundelegung der Konsensempfehlungen (Punkt 1.4) handelt es sich im Falle der Klägerin bei einer unterstellten ausreichenden beruflichen Belastung (Exposition) nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B-A in seinem Gutachten vom 08. August 2008 um die Konstellation B3, d. h.
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es liegt eine gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor, |
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es besteht eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung (z. B. ausreichende Exposition muss der Erkrankung vorausgehen; Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs nimmt mit der Länge des Zeitraums zwischen Ende der Exposition und erstmaliger Diagnose der Erkrankung ab), |
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die bandscheibenbedingte Erkrankung betrifft L5/S1 und/oder L4/5, |
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Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall, |
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wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren (wie z. B. eine relevante Skoliose) liegen nicht vor, |
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eine Begleitspondylose liegt nicht vor. |
Als Begleitspondylose wird nach den Konsensempfehlungen Punkt 1.4 definiert eine Spondylose in/im nicht von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segment(en) bzw.in/im von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segment(en), die nachgewiesenermaßen vor dem Eintritt der bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne einer Chondrose oder eines Vorfalls aufgetreten ist. Um eine positive Indizwirkung für eine berufsbedingte Verursachung zu haben, muss die Begleitspondylose über das Altersmaß (s. Punkt 1.2 der Konsensempfehlungen) hinausgehen und mindestens zwei Segmente betreffen. Bei der Klägerin sind nach der Beurteilung des Dr. R in seinem Gutachten vom 02. Juni 2008 keine Begleitspondylosen in den über L5/S1 gelegenen Segmenten der LWS und BWS nachgewiesen.
Für diese Fallkonstellation hat die interdisziplinäre Arbeitsgruppe keinen Konsens erzielt. Soweit Prof. Dr. B-A wie schon im Rahmen seiner Beteiligung an den Konsensempfehlungen in seinem Gutachten vom 08. August 2008 und in seiner Stellungnahme vom 05. März 2009 die Auffassung vertritt, Begleitspondylosen seien nicht erforderlich, handelt es sich um eine – seine – Meinung. Die Frage ist ganz offensichtlich umstritten (vgl. J. Schürmann in Ludolph, Lehmann, Schürmann, Kursbuch der ärztlichen Begutachtung, 11. Erg-Lieferung 9/08, III-2.13.2108 S. 13; Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur BKV, Lfg. 2/07, M 2108 6.2.4; Konsensempfehlungen, Anmerkungen zu den nicht im Konsens beurteilten Fallkonstellationen, Anhänge 1 und 2).
Hinweise für das Vorliegen der Fallkonstellation B2 bestehen nicht. Diese Fallkonstellation ist (die ausreichende Exposition abermals unterstellt) wie folgt definiert:
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gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule, |
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es besteht eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung (z. B. ausreichende Exposition muss der Erkrankung vorausgehen; Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs nimmt mit der Länge des Zeitraums zwischen Ende der Exposition und erstmaliger Diagnose der Erkrankung ab), |
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die bandscheibenbedingte Erkrankung betrifft L5/S1 und/oder L4/5, |
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Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall, |
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keine wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktoren, |
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keine Begleitspondylose sowie |
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zusätzlich mindestens eines der folgenden Kriterien, |
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Höhenminderung und/oder Vorfall an mehreren Bandscheiben oder „black disc“ im MRT an mindestens zwei angrenzenden Segmenten, |
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besonders intensive Belastung, |
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besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen. |
Eine altersuntypische Höhenminderung (Chondrose) fand sich zeitnah zur Aufgabe der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit im Juni 1989 lediglich am Segment L5/S1. Laut dem Gutachten des Dr. R ergeben sich aus den MRT-Aufnahmen der LWS vom 05. Juni 2001, 14. Februar 2008 und 09. Mai 2008 Signalminderungen in den Bandscheiben L4/5 und L5/S1, die jeweils als „black disc“ zu bewerten sind. Hinsichtlich L5/S1 handelt es sich bereits um das von der bandscheibenbedingten Erkrankung betroffene Segment, so dass nicht an mindestens zwei daran angrenzenden Segmenten eine Höhenminderung im Sinne einer „black disc“ festgestellt werden kann. Abgesehen davon, dass die Signalminderung bei L4/5 von Dr. R durchgehend als geringgradig beschrieben wird, kann das Vorliegen einer „black disc“ auch nicht zeitnah zur Aufgabe der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit im Juni 1989 festgestellt werden. Von einer besonders intensiven Belastung kann nur bei Erreichen der Gesamtbelastungsdosis von 17 x 10 6 Nh in weniger als 10 Jahren beruflicher Belastung ausgegangen werden (vgl. Punkt 1.4 der Konsensempfehlungen zu B2 ), die hier auch unter Zugrundelegung der für die Klägerin günstigsten Angaben (bei der Begutachtung durch Prof. Dr. B-A) und bei Anwendung des nach der BSG-Rechtsprechung modifizierten MDD nicht erreicht wird. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Konsensempfehlungen auf dem ursprünglichen MDD, d. h. ohne die Modifikationen durch die BSG-Rechtsprechung, beruhen und nur hinsichtlich der danach ermittelten Belastungswerte ein Konsens bzgl. der beruflichen Verursachung zu den einzelnen Fallge-staltungen überhaupt gefunden werden konnte. Anhaltspunkte für ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen, d. h. das Erreichen mindestens der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen, die bei Frauen ab 4.500 N gesehen werden (vgl. Punkt 1.4 der Konsensempfehlungen zu B2 ), sind ebenfalls nicht erkennbar, diese werden auch von dem mit dem MDD und den Konsensempfehlungen bestens vertrauten Sachverständigen Prof. Dr. B-Anicht gesehen.
Der allgemeine beweisrechtliche Grundsatz, dass die Beurteilung medizinischer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge auf dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand aufbauen muss (vgl. BSG in SozR 3850 § 51 Nr. 9; BSG in SozR 1500 § 128 Nr. 31; BSG in SozR 3-3850 § 52 Nr. 1; Rauschelbach, MedSach 2001, 97; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2009, Kapitel 3.3.4.3) erfordert nach dem BSG, dass es zu jedem Ursachenzusammenhang statistisch-epidemiologische Forschungen geben muss, weil dies nur eine Methode zur Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist und sie im Übrigen nicht auf alle denkbaren Ursachenzusammenhänge angewandt werden kann und braucht. Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann daher in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006, - B 2 U 1/05 R - in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 m. w. N.).
Hiernach überzeugt die Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. B-A, es bedürfe auch bei Fehlen der Zusatzkriterien der Fallkonstellation B2 der Konsensempfehlungen keiner Begleitspondylosen für die die Anerkennung einer BK Nr. 2108, den Senat nicht. Die Konstellation B3 entspricht der häufigsten Manifestationsform eigenständiger Bandscheibenerkrankungen innerer Ursache an der LWS (vgl. V. Grosser und F. Schröter im Anhang 1 der Anmerkungen zu den nicht im Konsens beurteilten Fallkonstellationen der Konsensempfehlungen). Betroffen sind bei dieser Konstellation lediglich die Segmente L4/5 und/oder L5/S1. Bandscheibenschäden in den übrigen LWS-Segmenten liegen bei dieser Konstellation definitionsgemäß nicht vor. Selbst geringgradige Bandscheibendegenerationen im Sinne einer nur magnetresonanztomographisch nachweisbaren so genannten „black disc“ sind bei dieser Konstellation in keinem der oberhalb L4/5 gelegenen Segmente nachweisbar. Auch eine Begleitspondylose als positives Indiz für eine Auswirkung der beruflichen Belastungen liegt nicht vor. Biomechanische Besonderheiten der beruflichen Einwirkung, welche das Fehlen von Spuren der beruflichen Belastung in den Segmenten der mittleren und oberen LWS plausibel machen könnten, sind bei der Konstellation B3 nicht gegeben. Da sich die biologisch-anatomische Schadensentwicklung zwingend durch dokumentierbare (radiologische) Belege nachweisen lassen muss, fehlt es hier überhaupt am belastungstypischen Schadensbild, da ein altersuntypischer Befund nicht vorliegt (vgl. J. Schürmann in Ludolph, Lehmann, Schürmann, Kursbuch der ärztlichen Begutachtung, 11. Erg-Lieferung 9/08, III-2.13.2108 S. 13). Epidemiologische Arbeiten, welche nachweisen, dass bei Schadensbildern, die der Konstellation B3 entsprechen, bei beruflich Exponierten im Vergleich zur Normalbevölkerung statistisch eine relevante Risikoerhöhung besteht, existieren nicht (vgl. V. Grosser und F. Schröter a. a. O.). Ein derartiger Nachweis wird gemäß den Ausführungen von V. Grosser und F. Schröter auch durch die Fallkontrollstudie von Seidler et al. nicht geführt. Sie räumten ein, dass in ihrer Studie Patienten mit Chondrose und Spondylose ein höheres berufliches Erkrankungsrisiko aufwiesen als Patienten mit Chondrose ohne zusätzliche Spondylose. Sie machten aber geltend, dass ihre Studie dennoch eine relevante Risikoerhöhung auch für Schadensbilder, welche der Konstellation B3 entsprechen, nachweise. Dies hält einer kritischen methodischen Überprüfung jedoch nicht Stand. Die beruflichen Belastungen wurden in der Studie lediglich durch eine Befragung der Probanden ermittelt. Die in der Studie verwendeten medizinischen Einschlusskriterien erlauben keine Differenzierung, ob die errechneten Erkrankungsrisiken tatsächlich durch eine berufsbedingte Häufung von Bandscheibenschäden verursacht sind oder ob sie lediglich eine höhere Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung aufgrund einer berufsbedingten Beschwerdeauslösung bei berufsunabhängigentstandenen Bandscheibenschäden widerspiegeln. Im Ergebnis führt dies zu einer erheblichen Überschätzung des Risikos, berufsbedingt Bandscheibenschäden zu entwickeln. In der Studie wird bei Erreichen der Richtdosis nach dem MDD (berechnet ohne Schwellenwert auf der Basis der Befragung der Probanden) eine Erhöhung des Erkrankungsrisikos auf etwa das 10fache errechnet, wenn man die belastete Gruppe insgesamt betrachtet. Nach den methodisch aussagekräftigsten epidemiologischen Arbeiten ist das relative Risiko, berufsbedingt Bandscheibenschäden zu entwickeln, bei vergleichbaren bzw. eher höheren Belastungen jedoch nur auf etwa das 2fache erhöht.
Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass die interdisziplinäre Arbeitsgruppe hinsichtlich der Grundvoraussetzung „ausreichende berufliche Belastung“ (vgl. Punkt 1.4 der Konsensempfehlungen) von den Maßgaben des – nicht modifizierten – MDD ausgegangen ist. Schon unter Zugrundelegung eines Orientierungswertes zur Gesamtbelastungsdosis von 25 x 10 6 Nh für Männer bzw. 17 x 10 6 Nh für Frauen und einer Mindestdruckkraft von 3.200 N für Männer bzw. 2.500 N für Frauen ist in der interdisziplinären Arbeitsgruppe kein Konsens erzielt worden. Bei nunmehr weiter herunter geschraubten Anforderungen, die eine Verschiebung der Lastgewichte weg von „schweren“ Gewichten hin in die Region alltäglicher Gewichte zur Folge hat (vgl. hierzu z. B. das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 25. September 2008 a. a. O., Römer/Brandenburg/Woltjen, a. a. O., S. 192 ff), kann erst recht nicht von einem gesicherten aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Konsens zur vorliegenden Konstellation ausgegangen werden. Auf die Begleitspondylose als Abgrenzungskriterium zu nicht beruflich bedingten bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS kann nicht verzichtet werden.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.