Gericht | AG Potsdam | Entscheidungsdatum | 15.08.2013 | |
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Aktenzeichen | 24 C 373/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Beklagten werden verurteilt, die im sog. Nordtorgebäude zur Anschrift ... in ... Potsdam belegene Wohnung im Erdgeschoß und im 1. Obergeschoss rechts, bestehend aus 4 Zimmern, 1 Küche mit Speisekammer, 1 Abstellraum, Vorsaal, Bad und Toilette (jeweils alt), 1 zum Bad umgebaute ehemalige Waschküche, 1 Keller und Schuppen (gemäß den als Anlagenkonvolut beigefügten Mietverträgen vom 1. Juli 1975) sowie den Hausgarten zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.850,00 €, sofern nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 15.02.2014 gewährt.
Die Klägerin ist Eigentümerin der im Nordtorgebäude ... belegenen Wohnung im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss rechts.
Die pädagogische Hochschule Karl Liebknecht vermietete zum 01.07.1975 an die Beklagten eine im 1. Obergeschoss in dem streitgegenständlichen Gebäude belegene Wohnung und an die Mutter des Beklagten zu 1), Frau X, eine Wohnung im Erdgeschoß. Frau X verstarb am 26.04.2000. Seither bewohnen die Beklagten die Räume im Ober- und Erdgeschoss und nutzen darüber hinaus den Hausgarten.
Die Klägerin trat nach ihrer Errichtung gemäß dem Staatsvertrag vom 23.08.1994 in den Mietvertrag ein.
Der Mietzins beträgt derzeit 121,36 € netto bzw. 196,54 € brutto.
Mit Schreiben vom 07.10.2011 teilte das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg der Klägerin mit, dass ohne den Freizug der Bestandswohnungen ein Umzug nicht möglich sei.
Mit Schreiben vom 11.11.2011 teilte die Klägerin den Beklagten mit, dass das von der Beklagten bewohnte Gebäude saniert und als An-Institut der Universität genutzt werden solle. Dem Schreiben waren 10 Wohnungsangebote der Firma ... Immobilienverwaltung beigelegt.
Mit Schreiben vom 25.11.2011 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis zum 31.08.2012. Zur Begründung verwies die Klägerin unter anderem darauf, dass sie die Wohnung benötige, um das gesamte Nordtorgebäude an die Universität Potsdam zu vermieten, die dort einen jüdisch-theologischen Fachbereich unterzubringen beabsichtige.
Im Kündigungsschreiben heißt es unter anderem:
„Die Stiftung beansprucht die Wohnung, um das gesamte Nordtorgebäude an die Universität Potsdam zu vermieten, die dort den jüdisch-theologischen Fachbereich unterzubringen beabsichtigt [...] Der Bestand ihres Mietverhältnisses steht der Vermietung an die Universität Potsdam für den genannten Zweck entgegen. Der Raumbedarf der Universität Potsdam ist ohne die Wohnflächen nicht gedeckt. Eine Mischnutzung scheidet durch die starke öffentliche Nutzung aus.
Die Universität werde die denkmalgerechte Instandsetzung des stark sanierungsbedürftigen Nordtorgebäudes übernehmen. Die Stiftung selbst ist dazu in absehbare Zeit nicht in der Lage.
Die denkmalgerechte Sanierung des Nordtorgebäudes liegt jedoch im öffentlichen Interesse. Bei dem Nordtorgebäude handelt es sich um ein Baudenkmal im Sinne des brandenburgischen Denkmalschutzgesetzes. An der Erhaltung und Nutzung des Gebäudes besteht also ein öffentliches Interesse. Die Vermietung des Nordtorgebäudes an die Universität Potsdam, die das Gebäude denkmalgerecht instand setzen wird, dient damit dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Baudenkmals.
Sie dient darüber hinaus dem öffentlichen Interesse an der Bereitstellung von ausreichend Räumlichkeiten für öffentliche Bildungseinrichtungen des Landes Brandenburg. Die Räumlichkeiten im Nordtorgebäude werden für den neugeschaffenen Studiengang dringend benötigt.
[...]
Eine andere Wohnung innerhalb der Stiftung können wir Ihnen nicht anbieten.“
Wegen der weiteren Einzelheiten des Kündigungsschreibens wird auf dieses verwiesen (vergleiche Anlage K4, Blatt 62 f. d.A.)
Mit Schreiben vom 29. Juni 2012 widersprachen die Beklagten der Kündigung.
Die Klägerin behauptet, dass sie das Nordtorgebäude an die Universität Potsdam vermieten wolle, die dort den jüdisch-theologischen Fachbereich unterbringen wolle.
Der Bestand des Mietverhältnisses stehe der Vermietung entgegen, denn das Land Brandenburg habe der Klägerin mitgeteilt, dass die Herrichtung des Nordtorgebäudes für das Abraham Geiger Kolleg (im folgenden AGK) ohne den Freizug der Bestandswohnungen nicht möglich sei. Das AGK bilde als An-Institut Rabbiner und Rabbinerinnen sowie Kantorinnen und Kantoren für jüdische Gemeinden in ganz Mittel- und Osteuropa und insbesondere auch für Deutschland aus.
Das AGK beabsichtige in das Nordtorgebäude zu beziehen. Die nach dem Nutzungskonzept zu realisierende Fläche reiche für einen Bezug durch das AGK zunächst aus. Das Vorhandensein einer Bibliothek sei zunächst keine Voraussetzung für einen Bezug durch das AGK. Die Bibliothek solle in einem zweiten Bauabschnitt in der Orangerie untergebracht werden, sobald die dort gelagerten Skulpturen in ein anderes Depot der Klägerin verbracht worden seien. Eine andere Unterbringung der Skulpturen sei möglich und beabsichtigt. Die Kosten für die Herrichtung des Gebäudes betrügen 5,7 Mio. €, woran sich das Land im Jahr 2013 mit 400.000,00 € und im Jahre 2014 mit 1.850.000,00 € beteiligen wolle.
Der Fortbestand des Mietverhältnisses stünde auch einer Sanierung des Nordtorgebäudes entgegen. Die Sanierung finde jedoch nicht ohne die Vermietung des Gebäudes an die Universität Potsdam statt. Überdies sei das Nordtorgebäude erheblich sanierungsbedürftig, wie sich aus dem Holzschutzgutachten des Sachverständigen Dipl-Ing. H.K. Segner vom 08.09.1998 ergebe (vgl. dazu Anlage K 8, Bl. 106 ff dA). Die nach den festgestellten Schäden erforderliche Sanierung der Dachkonstruktion könne nur in einer größeren Sanierungsmaßnahme erfolgen, zumal die Klägerin auch habe feststellen müssen, dass auch die Innen- und Außenwände des Nordtorgebäudes einer zumindest partiellen Ertüchtigung bedürften, während die Fußboden- und Deckenaufbauten statischen und energetisch zu ertüchtigen und die technischen Anlagen erneuert werden müssten.
Das Vorhaben sei bereits im Landeshaushalt mit einem Realisierungszeitraum 2013- 2014 eingestellt.
Für das AGK Geiger Kolleg errechne sich ein Bedarf von 728 m². Der Bestand der Nutzfläche im EG betrage 340 m², die Nutzfläche im 2. OG betrage 237 m² die Differenz solle durch Ausbau des Anbaus und Flächen gedeckt werden. Die Klägerin könne selber auf absehbare Zeit die erforderlichen Sanierungen der gesamten Anlage nicht mit eigenen Mitteln durchführen, da für die Liegenschaften der Klägerin ein Sanierungsaufwand von mindestens 720 Million € notwendig sei..
Das Vorhaben der Klägerin lasse sich nur realisieren, wenn sie das gesamte Gebäude an die Universität Potsdam vermietet werden könne. Die Universität Potsdam und das Land hätten unmissverständlich klargemacht, dass eine Sanierung des Gebäudes nur anwendbar, wenn das gesamten Nordtorgebäude ohne weitere Mieter bereitgestellt werden.
Den Beklagten könne keine Wohnung aus dem Bestand der Klägerin angeboten werden, da solche nur an Mitarbeiter der Klägerin vermittelt werden dürften.
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt.
die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, dass auffällige Mängel am Gebäude nicht ersichtlich seien. Sie wüssten überdies nicht, ob die Klägerin das Gebäude an die Universität Potsdam vermieten wolle. Keinesfalls wolle das AGK in die Räume einziehen. Das AGK bevorzuge wegen der Sicherheitslage einen Ort in zentraler Lage mit Nähe zum Landtag. Auch könne im Nordtorgebäude den Flächenbedarf des AGK nicht gedeckt werden. Auch wüssten sie nicht, ob die Klägerin nicht in der Lage sei, die Sanierung aus eigenen Mitteln zu bestreiten
Des Weiteren meinen sie, dass eine Vermietung an die Universität Potsdam nicht im öffentlichen Interesse liege.
Die Kündigung würde überdies für die Beklagten eine Härte bedeuten. Die Beklagte zu 1) habe seit der Kündigung Kreislaufprobleme, die Beklagte zu 2) sei an Multipler Sklerose erkrankt.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen Dr. G., Dr. D., K., G. und Dr. H.. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 02.05.2013 und 11.07.2013 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird alle zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften sowie die sonstigen Aktenbestandteile Bezug genommen.
Die Klage ist begründet.
Die Beklagten sind zur Räumung und Herausgabe des streitgegenständlichen Gebäudes an die Klägerin gem § 546 BGB verpflichtet. Denn das Mietverhältnis ist durch die formal nicht zu beanstandende Kündigung der Klägerin vom 25.11.2011 beendet worden.
Die Klägerin war gemäß § 573 I BGB berechtigt, dass Mietverhältnis zu kündigen. Nach dieser Vorschrift ist der Vermieter berechtigt, dass Mietverhältnis zu kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat, wobei auch öffentliche Interessen ein berechtigtes Interesse begründen kann.
An der Beendigung des Mietverhältnisses durch die Klägerin als Stiftung öffentlichen Rechts und mithin einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft besteht ein öffentliches Interesse, da ein solches im Hinblick auf die Sanierung und die Nutzung als Bildungseinrichtung besteht. Dass das Nordtorgebäude sanierungsbedürftig ist steht nach den eingereichten Unterlagen fest (vgl. Anlage K 8). Das Bestreiten der Beklagtenseite ist insoweit nicht hinreichend gem. § 138 ZPO konkretisiert, Auch steht fest, dass das Gebäude als Bildungseinrichtung genutzt werden soll.
Bei Vermietung durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ist ein berechtigtes Interesse iSd § 573 I BGB dann anzunehmen, wenn die Inanspruchnahme des Wohnraums der Erfüllung einer der betreffenden Körperschaft zugewiesenen öffentlich-rechtlichen Aufgabe dient und vernünftige und nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme des Wohnraums gegeben sind. Denn auch im Rahmen des Abs 1 hat es bei dem Grundsatz zu verbleiben, dass es für das Vorliegen von berechtigtem Interesse nur auf die Vermieterbelange ankommt und Mieterbelange erst bei der Sozialklausel des § 574 in die Abwägung eingestellt werden (vgl. BeckOK-Hannappel, § 573 Rn. 117) . Eine Abwägung dahingehend, dass das öffentliche Interesse das allgemeine Interesse des Mieters am Fortbestand des Mietverhältnisses überwiegen müsse muss daher ausscheiden. Irrelevant ist des Weiteren, ob den Vermieter eine rechtliche Verpflichtung zur Durchsetzung der Aufgaben trifft (BGH NZM 2012, 501) Öffentliche Aufgaben iSd oben genannten Definition ist daher auch die Sanierung von Kulturdenkmälern und die Errichtung von Bildungseinrichtungen.
Der Kündigung steht nicht entgegen, dass die Klägerin das Gebäude nicht selbst nutzen, sondern an die Universität Potsdam weitervermieten wolle. Denn ein öffentliches Interesse besteht nicht nur dann, wenn es nur um die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben geht, zu deren Erfüllung die öffentlich-rechtliche Körperschaft verpflichtet ist. Ausreichend ist es, wenn eine öffentlich-rechtliche Körperschaft die von ihr vermietete Wohnung zur Umsetzung von Aufgaben benötigt, an deren Erfüllung ein gewichtiges Interesse besteht (vgl. BGH, Urt. v. 09.05. 2012 − VIII ZR 238/11 = NZM 2012, 501). Diese Voraussetzung ist im Streitfall gegeben.
Dass der Klägerin ein Interesse an der Weitervermietung des Gebäudes steht fest aufgrund der Beweisaufnahme.
Zunächst hat der Zeuge Dr. G. nachvollziehbar bekundet, dass im Rahmen einer Neuordnung der jüdischen Theologie an der Universität Potsdam angedacht sei, das Abraham Geiger Kolleg auf dem Campus der Uni Potsdam zu verlegen, um eine Anbindung an die Säklurwissenschaften herzustellen. Der Zeuge hat bekundet, dass das AGK eine Fläche von 1085 m² benötige, wobei dieser Flächenbedarf durch das Nordtorgebäude und der Orangerie abgedeckt sei, wobei in dem Flächenbedarf die bereits die zusätzlichen Professuren mit eingerechnet seien, die nicht zum AGK gehörten. Der Zeuge hat weiter ausgesagt, dass für das AGK 728 m2 ausreichend seien.
Der Zeuge K. hat in seiner Aussage bestätigt dass die Gesamtkosten 5,7 Mio € betrügen, welche vom Land getragen werden würden.
Dass die Räumlichkeiten geeignet sind steht auch fest aufgrund der Aussage des Zeugen Dr. D. der bekundet hat, dass dann, wenn das AGK die Orangerie benötige gewährleistet sei, dass die Skulpturen, die derzeit im Nordtorgebäude untergebracht seien an einen anderen Ort, wie z.B. in das Zentraldepot oder in eine andere Lagerstätte verbracht werden würden.
Dass das AGK in das Nordtorgebäude umziehen will steht fest aufgrund der Aussage des Zeugen G., der bekundet hat, dass Herr H. sich mit dem Gebäude einverstanden erklärt habe.
Schließlich hat auch der Zeuge Dr. H. bekundet, dass das AGK in das Nordtorgebäude umziehen werde und dass durch die Einbeziehung der Orangerie der Flächenbedarf gedeckt sei.
Die öffentlichen Interesse nämlich die Sanierung des Gebäudes und der Umzug des AGK von Berlin nach Potsdam sind, wie es auch der Zeuge G. ausgedrückt hat ist damit gegeben.
Der Kündigung steht auch nicht § 574 BGB entgegen. Nach dieser Vorschrift kann der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Solche Gründe haben die Beklagten auch im Hinblick auf ihre Erkrankungen nicht konkret dargetan.
Die Entscheidung über die Räumungsfrist beruht auf § 721 ZPO. Eine Räumungsfrist von 6 Monaten ist angemessen aber auch ausreichend.
Die Kostentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO.
Streitwert: 1.456,32 (§§ 3 ZPO, 41 GKG)